Urteil des BGH vom 09.12.2004

BGH (bearbeitung, antragsteller, fao, nachweis, steuerrecht, angestellter, bezeichnung, erfahrung, gesellschaft, arbeitgeber)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
AnwZ (B) 37/05
vom
6. März 2006
in dem Verfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BRAO § 43 c
FAO § 5
Für den Nachweis besonderer praktischer Erfahrung im Steuerrecht genügt es, wenn
der Rechtsanwalt die in § 5 Satz 1 Buchst. b genannten Fälle ausschließlich als An-
gestellter einer Steuerberatungsgesellschaft bearbeitet hat.
BGH, Beschl. v. 6. März 2006 - AnwZ (B) 37/05 - AGH Berlin
wegen Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung für das Steuerrecht
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Präsidenten
des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch, die Richter Basdorf, Dr. Ernemann,
Dr. Schmidt-Räntsch und die Rechtsanwälte Dr. Schott, Dr. Wüllrich und
Dr. Frey am 6. März 2006
beschlossen:
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Be-
schluss des I. Senats des Anwaltsgerichtshofs Berlin vom 9. De-
zember 2004 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen
und dem Antragsteller die ihm im Beschwerdeverfahren entstan-
denen notwendigen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 12.500 €
festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller ist seit dem 18. Januar 1999 zur Rechtsanwaltschaft
und seit 5. Februar 1999 bei dem Landgericht B. zugelassen. Seit dem
10. Mai 1999 arbeitet er als angestellter Rechtsanwalt bei der T.
Steuerberatungsgesellschaft GmbH. Der Antragsteller beantragte mit Schreiben
vom 11. Juni 2002 bei der Antragsgegnerin, ihm die Führung der Bezeichnung
„Fachanwalt für Steuerrecht“ zu gestatten. Zum Nachweis der besonderen
praktischen Erfahrungen legte er eine Fallliste mit 65 Fällen vor. Alle Fälle hatte
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der
Antragsteller
als
angestellter
Anwalt
der
T.
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Antragsteller als angestellter Anwalt der T. Steuerberatungsgesell-
schaft mbH bearbeitet. Diese bestätigte mit Schreiben vom 20. Juni 2003, dass
der Antragsteller die ihm übertragenen Arbeiten fachlich unabhängig und selb-
ständig bearbeitet habe. Der Fachanwaltsausschuss bewertete die vorgelegten
Fälle als 56,5 Fälle im Sinne des § 5 FAO und befürwortete den Antrag. Der
Vorstand der Antragsgegnerin teilte diese Ansicht nicht.
Die Antragsgegnerin hat den Antrag mit Bescheid vom 10. September
2003 abgelehnt. Der Nachweis der praktischen Erfahrungen nach § 5 FAO sei
nicht geführt, weil der Antragsteller die zum Nachweis der besonderen prakti-
schen Erfahrungen vorgelegten Fälle im Rahmen eines Angestelltenverhältnis-
ses bearbeitet habe. Das reiche aber, wie bei einem Verbandssyndikus (Se-
natsbeschl. v. 13. Januar 2003, AnwZ (B) 25/02, NJW 2003, 883, 884), allein
nicht zum Nachweis der besonderen praktischen Erfahrungen aus. Auf den An-
trag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof
die Antragsgegnerin unter Aufhebung von deren Bescheid verpflichtet, dem An-
tragsteller die Befugnis zu erteilen, die Bezeichnung Fachanwalt für Steuerrecht
zu führen. Dagegen richtet sich die vom Anwaltsgerichtshof zugelassene sofor-
tige Beschwerde der Antragsgegnerin.
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Die Beteiligten haben auf die mündliche Verhandlung verzichtet.
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II.
Das form- und fristgerecht eingelegte Rechtsmittel ist zulässig (§ 223
Abs. 3 Satz 1, Abs. 4, § 42 Abs. 4 BRAO), hat in der Sache aber keinen Erfolg.
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1. Die Antragsgegnerin ist nach § 43c Abs. 1 Sätze 1 und 2 BRAO ver-
pflichtet, einem Rechtsanwalt die Befugnis zu verleihen, die Bezeichnung als
Fachanwalt für das Steuerrecht zu führen, der auf diesem Gebiet besondere
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Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat. Die dazu namentlich in §§ 2, 4 und 5
Satz 1 Buchstabe b FAO vorgeschriebenen Nachweise hat der Antragsteller
durch die von ihm vorgelegten schriftlichen Unterlagen erbracht. Das stellt die
Antragsgegnerin nicht in Abrede. Sie versagt dem Antragsteller die Befugnis,
die Bezeichnung als Fachanwalt für Steuerrecht zu führen, allein deshalb, weil
der Antragsteller die von ihm zum Nachweis seiner praktischen Erfahrung auf
dem Gebiet des Steuerrechts benannten und dazu inhaltlich auch ausreichen-
den Fälle nicht als selbständiger Rechtsanwalt, sondern als angestellter
Rechtsanwalt einer Steuerberatungsgesellschaft bearbeitet habe. Darin liege
keine persönliche und weisungsfreie Bearbeitung als Rechtsanwalt im Sinne
von § 5 Satz 1 Halbsatz 1 FAO. Jedenfalls bedürfe es daneben auch der Bear-
beitung einer erheblichen Anzahl nicht unbedeutender Mandate im Rahmen
selbständiger anwaltlicher Tätigkeit. Beides trifft nicht zu.
2. Eine persönliche und weisungsfreie Bearbeitung von Mandaten als
Rechtsanwalt im Sinne des § 5 Satz 1 Halbsatz 1 FAO liegt auch vor, wenn sol-
che Mandate unter diesen Bedingungen von einem Rechtsanwalt betreut wer-
den, der bei einer Steuerberatungsgesellschaft angestellt ist.
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a) Entgegen der Annahme der Antragsgegnerin scheitert eine persönli-
che und weisungsfreie Bearbeitung solcher Fälle als Rechtsanwalt nicht schon
an den Vertretungsverboten des § 46 BRAO.
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aa) Ein Rechtsanwalt darf zwar nach § 46 Abs. 1 BRAO für einen Auf-
traggeber, dem er auf Grund eines ständigen Dienst- und ähnlichen Beschäfti-
gungsverhältnisses seine Arbeitszeit und -kraft zur Verfügung stellen muss, vor
Gerichten nicht in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt tätig werden. Dieser Fall
liegt bei einem angestellten Rechtsanwalt, der unabhängig und weisungsfrei
Mandate bearbeitet, die sein Arbeitgeber oder Dienstherr übernommen hat,
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nicht vor. Auftraggeber ist derjenige, dessen Interessen vor Gericht vertreten
werden sollen. Das ist aber nicht der Arbeitgeber oder Dienstherr des angestell-
ten Rechtsanwalts, sondern der Mandant, der den Arbeitgeber oder Dienstherrn
des Rechtsanwalts mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hat.
Dieser hat auf Grund des Mandats kein Direktionsrecht gegenüber dem ange-
stellten Rechtsanwalt der Gesellschaft.
bb) Auch ein Vertretungsverbot nach § 46 Abs. 2 BRAO liegt nicht vor.
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(1) Fraglich ist schon, ob die Wahrnehmung des Mandats einer Steuer-
beratungsgesellschaft durch einen angestellten Rechtsanwalt dieser Gesell-
schaft begrifflich die Beratung in derselben Angelegenheit sein kann. Zwar be-
fasst sich der angestellte Rechtsanwalt mit einem solchen Mandat, weil er
durch den Anstellungsvertrag zur Dienstleistung verpflichtet ist. Inhalt seiner
Dienstverpflichtung ist aber nicht die Beratung seines Arbeitgebers oder
Dienstherrn, sondern die Beratung des Mandanten (BVerfG NJW 2002, 503 für
den Rechtsanwalt, der auf Grund einer Vereinbarung mit einem Mietverein des-
sen Mitglieder berät). Hiervon gehen auch Vorschriften wie § 62a Abs. 2 FGO
aus. Danach sind Steuerberatungsgesellschaften zur Vertretung vor dem Bun-
desfinanzhof nur berechtigt, wenn sie durch Steuerberater oder Rechtsanwälte
handeln. Diese Regelung liefe leer, läge hier ein Vertretungsverbot nach § 46
Abs. 2 BRAO vor.
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(2) Jedenfalls ist die Auslegung von § 46 Abs. 2 BRAO an den Anforde-
rungen auszurichten, welche die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG stellt. Bei
der danach gebotenen verfassungskonformen einschränkenden Auslegung ist
unter einem "ständigen Dienst- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis" in
§ 46 BRAO nur eine solche Vertragsbeziehung zu verstehen, bei der die Gefahr
einer Interessenkollision entstehen kann (BVerfG NJW 2002, 503). Es muss zu
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besorgen sein, dass die Weisungs- und Richtlinienkompetenz des Arbeitgebers
in die Tätigkeit des Rechtsanwalts hineinwirkt. Ohne eine solche Einwirkung
fehlt es an einer Rechtfertigung für die in § 46 BRAO bestimmten Einschrän-
kungen der Berufsfreiheit. Dies entspricht im Übrigen auch den Vorstellungen
des Gesetzgebers, der die Vorschrift im Anschluss an die sog. Zweitberufsent-
scheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 87, 287) in das Gesetz
aufnahm, um eine Einschränkung der anwaltlichen Berufsfreiheit von dem Vor-
liegen einer Interessenkollision abhängig zu machen (Gesetzesentwurf der
Bundesregierung, BT-Drucks. 12/4993, S. 29). Die Gefahr einer solchen Inte-
ressenkollision hat das Bundesverfassungsgericht bei einem Rechtsanwalt ver-
neint, der sich gegenüber einem Mieterverein verpflichtet hatte, dessen Mitglie-
der anwaltlich zu beraten (NJW 2002, 503, 504). Für den hier vorliegenden Fall
einer Steuerberatungsgesellschaft, die einen angestellten Rechtsanwalt mit der
Wahrnehmung ihr erteilter Mandate beauftragt, gilt nichts anderes. Steuerbera-
ter haben ihren Beruf nach § 57 Abs. 1 StBerG unabhängig und eigenverant-
wortlich auszuüben. Dieser Verpflichtung können sie nach § 58 Satz 1 StBerG
auch in einem Anstellungsverhältnis entsprechen, aber nach § 60 Abs. 2
StBerG nur, wenn ihnen die unabhängige und weisungsfreie Wahrnehmung
ihrer Aufgaben möglich ist. Anstellungsverträge mit Steuerberatern müssen
dem entsprechen (Hilfeleistung in Steuersachen mit Zeichnungsrecht, vgl. Maxl
in: Kuhls/Meurers/Maxl/Schäfer/Goez/Willerscheid, Steuerberatungsgesetz, 2.
Aufl., § 58 Rdn. 4). Für Rechtsanwälte gilt nichts anderes. Sie sind zwar nach §
1 BRAO unabhängige Organe der Rechtspflege, können aber Anstellungsver-
träge mit anderen Rechtsanwälten, mit Rechtsanwaltsgesellschaften, auch mit
Steuerberatern oder Steuerberatungsgesellschaften eingehen (LAG Düsseldorf
AnwBl. 2002, 600, 601). Der Anstellungsvertrag muss die Unabhängigkeit des
angestellten Rechtsanwalts sicherstellen (Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl., §
1 BRAO Rdn. 22). Das ist nach den von der Antragsgegnerin nicht beanstande-
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ten Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs hier auch geschehen. Der An-
tragsteller bearbeitet die ihm übertragenden Angelegenheiten nach der Erklä-
rung der T. Steuerberatungsgesellschaft mbH fachlich unabhängig
und selbständig.
b) Der Annahme einer persönlichen und weisungsfreien Bearbeitung von
Mandaten als Rechtsanwalt im Sinne des § 5 Satz 1 Halbsatz 1 FAO steht auch
nicht entgegen, dass der Antragsteller im Rahmen seines Angestelltenverhält-
nisses nur steuerberatend tätig wurde.
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aa) Ein Rechtsanwalt, der bei einer Steuerberatungsgesellschaft ange-
stellt ist, darf allerdings in dieser Eigenschaft geschäftsmäßig nur Hilfeleistung
in Steuersachen, nicht auch andere Rechtsberatung erbringen (vgl. Schwed-
helm/Kamps, AnwBl. 1998, 245, 251). Deshalb muss ein Rechtsanwalt, der als
Vertretungsorgan einer Steuerberatungsgesellschaft tätig ist, auch dafür Sorge
tragen, dass nicht der Eindruck entsteht, er werde für die Gesellschaft über den
Bereich der Hilfeleistung in Steuersachen, zu der die Gesellschaft befugt ist,
auch in anderen Bereichen rechtsberatend tätig, wozu die Gesellschaft nicht
befugt wäre (BGHZ 94, 65, 71). Eine solche Rechtsberatung darf der Rechts-
anwalt nur außerhalb seines Anstellungs- oder Vertretungsverhältnisses erbrin-
gen.
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bb) Das ändert aber nichts daran, dass die Bearbeitung von steuerrecht-
lichen Fällen nicht nur Hilfeleistung in Steuersachen, sondern auch eine Fallbe-
arbeitung als Rechtsanwalt im Sinne von § 5 Satz 1 Halbsatz 1 FAO darstellt.
Auch Rechtsanwälte sind nämlich berechtigt, sich zu spezialisieren und, von
wenigen Ausnahmen abgesehen, nur auf bestimmten Rechtsgebieten tätig zu
sein (BGHZ 49, 244, 247). Die Bearbeitung steuerrechtlicher Fälle ist ein Aus-
schnitt der dem Rechtsanwalt erlaubten Berufstätigkeit (BVerfGE 80, 269, 280;
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BGHZ 49, 244, 246; Senatsbeschl. v. 10. November 1975, AnwZ(B) 9/75, NJW
1976, 425, 426), auf den sich Rechtsanwälte spezialisieren dürfen. Eine solche
Spezialisierung steht der Verleihung der Befugnis, die Bezeichnung Fachanwalt
für Steuerrecht zu führen, nicht entgegen. Diese Fachanwaltsbezeichnung soll,
im Gegenteil, gerade eine solche Spezialisierung nach außen hin deutlich ma-
chen.
c) Ihre Ansicht, der Antragsteller habe den Erwerb praktischer Erfahrung
durch die persönliche und weisungsfreie Bearbeitung steuerrechtlicher Fälle als
Rechtsanwalt nicht nachgewiesen, kann die Antragstellerin schließlich auch
nicht auf den Beschluss des Senats vom 13. Januar 2003 (AnwZ (B) 25/02,
NJW 2003, 883) stützen.
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aa) In diesem Beschluss hat der Senat allerdings entschieden, dass die
Bearbeitung arbeitsrechtlicher Fälle als Verbandssyndikus für den Nachweis
besonderer praktischer Erfahrungen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts allein
auch dann nicht ausreicht, wenn sie weisungsfrei und unabhängig erfolgt. Viel-
mehr bedürfe es daneben auch der Bearbeitung einer erheblichen Anzahl nicht
unbedeutender Mandate im Rahmen selbständiger anwaltlicher Tätigkeit und
einer abschließenden Bewertung und Gewichtung der vom Antragsteller vorge-
legten Fälle aus beiden beruflichen Bereichen (so schon Senatsbeschl. v.
18. Juni 2001, AnwZ (B) 41/00, NJW 2001, 3130, 3131). Eine solche Fallbear-
beitung ist hier nicht festzustellen. Ob die Zurückweisung seines Antrags auf
diesen Umstand gestützt werden könnte oder ob dem Antragsteller mangels
entsprechenden Hinweises im Vorfeld der Zurückweisung Gelegenheit hätte
gegeben werden müssen, einen entsprechenden Vortrag zu halten, bedarf kei-
ner Entscheidung. Es kann auch offen bleiben, ob an dieser Rechtsprechung im
Hinblick auf die in Rechtsprechung (AGH Frankfurt NJW 2000, 1659, 1660) und
Schrifttum (Kleine-Cosack, EWiR 2000, 859, 860; Hartung, MDR 2000, 671;
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Prütting, AnwBl. 2001, 313, 315; Koch in Festschrift für Hans-Jürgen Rabe,
S. 77, 86; Redeker, NJW 2004, 889, 890; Biermann, AnwBl. 1994, 562, 564)
geäußerten Bedenken festzuhalten ist.
bb) Eines solchen zusätzlichen Nachweises praktischer Erfahrungen au-
ßerhalb des Anstellungsverhältnisses bedarf es jedenfalls bei einem angestell-
ten Rechtsanwalt nicht, der, wie hier, mit der fachlich unabhängigen und selb-
ständigen Betreuung von Mandaten seines Arbeitgebers oder Dienstherrn be-
traut ist.
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(1) Ob sich das schon daraus ergibt, dass die Satzungsversammlung das
früher in § 5 Satz 1 Halbsatz 1 FAO enthaltene Erfordernis der selbständigen
Bearbeitung durch die Voraussetzung der persönlichen und weisungsfreien
Bearbeitung ersetzt hat (Beschl. v. 7. November 2002, BRAK-Mitt. 2003, 67), ist
allerdings zweifelhaft. Zwar deutet der Begriff der selbständigen Bearbeitung
eher als der Begriff der persönlichen Bearbeitung auf eine Tätigkeit außerhalb
des Anstellungsverhältnisses hin (vgl. Senatsbeschl. v. 21. Juni 1999, AnwZ (B)
81/98, BRAK-Mitt. 1999, 230, 231; die dagegen eingelegte Verfassungsbe-
schwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen). Man kann deshalb die
Ersetzung dieses Erfordernisses durch das Erfordernis einer persönlichen Be-
arbeitung zwar als Ausdruck des Willens der Satzungsversammlung werten,
dem ausschließlich als Syndikus tätigen Rechtsanwalt den Weg zur Fachan-
waltsbezeichnung zu ebnen (so: Kleine-Cosack, BRAO, 4. Aufl., § 5 FAO
Rdn. 16; ders. AnwBl. 2005, 593, 597; Grunewald, NJW 2004, 1146, 1150; Of-
fermann-Burckhart, Fachanwalt werden und bleiben, Rdn. 235; a.A. Nieder-
sächsischer AGH, Beschl. v. 15. Juli 2005, AGH 6/05, BRAK-Mitt. 2005,
236 (Ls.); Henssler in Henssler/Prütting, BRAO 2. Aufl., § 5 FAO Rdn. 3f.).
Nach der Rechtsprechung des Senats lag aber eine selbständige Bearbeitung
im Sinne des § 5 Satz 1 FAO a.F. vor, wenn sie eigenverantwortlich und wei-
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sungsfrei war (vgl. Beschl. v. 13. Januar 2003, AnwZ (B) 25/02, NJW 2003,
883, 884), was der jetzt geltende Text lediglich aufgreift (vgl. Kirchberg, NJW
2003, 1833, 1835).
(2) Auf den Nachweis der Bearbeitung von steuerrechtlichen Fällen
außerhalb des Angestelltenverhältnisses kommt es bei angestellten Rechtsan-
wälten, die für ihren Arbeitgeber oder Dienstherrn unabhängig und eigenver-
antwortlich Mandate bearbeiten, vielmehr deshalb nicht an, weil die nach § 5
FAO erforderlichen praktischen Kenntnisse schon durch eine § 5 Satz 1 Halb-
satz 2 FAO entsprechende Fallbearbeitung im Angestelltenverhältnis nachge-
wiesen wird. Die Bezeichnung als Fachanwalt für Steuerrecht soll nach § 5 FAO
nur führen dürfen, wer über die dort näher bestimmte praktische anwaltliche
Erfahrung verfügt. Eine Tätigkeit als Syndikusanwalt genügt zum Nachweis
praktischer Erfahrung grundsätzlich dann, wenn sie unabhängig und weisungs-
frei erfolgt (Senatsbeschl. v. 13. Januar 2003 aaO). Diese praktische Erfahrung
ist aber typischerweise durch die Bedingungen der Tätigkeit als Syndikus be-
stimmt, der die an ihn herangetragenen praktischen Fälle aus der Sicht seines
Arbeitsgebers oder Dienstherrn betrachtet. Demgegenüber sind die praktischen
Erfahrungen des Rechtsanwalts gerade durch den mehr oder weniger häufigen
Wechsel der Perspektive bestimmt. Deshalb muss ein Syndikus auch den zu-
sätzlichen Nachweis praktischer Erfahrungen außerhalb seiner Aufgaben als
Syndikus führen.
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Ein Bedürfnis dafür besteht bei einem angestellten Rechtsanwalt, der für
seine Arbeitgeber oder Dienstherrn unabhängig und weisungsfrei steuerrechtli-
che oder, als Angestellter eines Rechtsanwalts, auch Mandate aus anderen
Rechtsgebieten betreut, nicht. Seine Tätigkeit und die hierbei erreichbaren
praktischen Erfahrungen unterscheiden sich inhaltlich nicht von denen eines
selbständigen Rechtsanwalts (AGH Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 8. August
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2005, 1 ZU 46/04, beim Senat anhängig unter AnwZ (B) 103/05). Beide haben
die Mandate unabhängig und weisungsfrei zu bearbeiten. Wie der selbständige
Rechtsanwalt hat auch der angestellte Rechtsanwalt hierbei nicht die Perspekti-
ve seines Arbeitgebers, sondern, was den Rechtsanwaltsberuf prägt, die Per-
spektive des jeweiligen Mandanten einzunehmen. Beide können fachliche
Schwerpunkte bilden und besondere Expertise in bestimmten Gebieten erwer-
ben. Auch in technischer Hinsicht bestehen keine für den Erwerb der Befugnis
zur Führung einer Fachanwaltsbezeichnung maßgeblichen Unterschiede. Der in
einer Steuerberatungsgesellschaft angestellte Rechtsanwalt muss, worauf der
Anwaltsgerichtshof zutreffend hinweist, ebenso wie ein selbständiger Rechts-
anwalt Mandantengespräche führen und sein Büro so organisieren, dass Fris-
ten überwacht und eingehalten werden. Er muss darüber hinaus in der Lage
sein, über seine Tätigkeit abzurechnen. Ob sich die Abrechnung nach den Ver-
gütungsregelungen für Rechtsanwälte oder denen für Steuerberater richten, ist
für die Bewertung der praktischen Erfahrungen ohne Bedeutung, zumal
Rechtsanwälte in Steuersachen jetzt auch nach den Vergütungsregelungen für
Steuerberater abrechnen können. Ein angestellter Rechtsanwalt kann sich ge-
rade bei solchen Tätigkeiten regelmäßig der Unterstützung seines Arbeitgebers
oder Dienstherrn bedienen. Das ist aber bei selbständigen Rechtsanwälten, die
sich zu einer Sozietät zusammengeschlossen haben oder hierfür Hilfskräfte
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anstellen können, nicht anders. Damit fehlt der im Rahmen des Berliner Erfah-
rungsaustausches 2001 von Vertretern aller Fachausschüsse der Rechtsan-
waltskammern (für § 5 FAO a.F.) abgegebenen Empfehlung, für Rechtsanwälte,
die in Steuerberatungsgesellschaften tätig sind, die für Syndikusanwälte gelten-
den Grundsätze anzuwenden (BRAK-Mitt. 2002, 26, 27), eine inhaltliche Grund-
lage.
3. Die sofortige Beschwerde war daher zurückzuweisen.
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Hirsch Basdorf Ernemann Schmidt-Räntsch
Schott Wüllrich Frey
Vorinstanzen:
AGH Berlin, Entscheidung vom 09.12.2004 - I AGH 33/03 -