Urteil des BGH vom 03.07.2008

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 132/05 Verkündet
am:
3. Juli 2008
Führinger
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ
: nein
BGHR
:
ja
HGB § 425 Abs. 2; BGB § 254 Abs. 1 und 2 F
Soweit die Haftung eines Paketbeförderungsdienstes in Rede steht, ist bei der
Haftungsabwägung nach § 254 BGB und § 425 Abs. 2 HGB zu beachten, dass
sich Verbotsklauseln in ihren Voraussetzungen und in ihren Folgen deutlich von
Haftungsbegrenzungsklauseln unterscheiden.
BGH, Urt. v. 3. Juli 2008 - I ZR 132/05 - OLG Düsseldorf
LG
Düsseldorf
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 3. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und
die Richter Pokrant, Dr. Schaffert, Dr. Bergmann und Dr. Koch
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 18. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 6. Juli 2005 im Kosten-
punkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht der Kla-
ge stattgegeben hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Be-
rufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist der Transportversicherer der P. AG in W.
(im Folgenden: Versicherungsnehmerin). Sie nimmt die Beklagte,
die einen Paketbeförderungsdienst betreibt, wegen des Verlusts von Transport-
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gut aus abgetretenem und übergegangenem Recht der Versicherungsnehmerin
auf Schadensersatz in Anspruch.
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Die Versicherungsnehmerin bestellte am 15. Juli 1998 bei der W.
AG in B. (im Folgenden: Versenderin) 1.200
Speicher-
module mit einem Wert von 127.560 DM (65.220,39 €). Der Versand der Ware
erfolgte nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Versenderin auf Ge-
fahr der Versicherungsnehmerin.
Die Versenderin beauftragte die Beklagte mit dem Transport der Ware.
Sie übergab deren Abholfahrer am 17. Juli 1998 drei Pakete zur Beförderung
an die Versicherungsnehmerin, von denen eines bei der Empfängerin nicht an-
kam.
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Dem Transportauftrag lagen die Beförderungsbedingungen der Beklag-
ten (Stand: Februar 1998) zugrunde. Diese enthielten u.a. folgende Regelun-
gen:
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2 Transportierte Güter und Servicebeschränkungen
Sofern nicht schriftlich abweichend mit U. vereinbart, bietet U. den
Transport von Gütern unter folgenden Einschränkungen an:
(b) Die Wert- oder Haftungshöchstgrenze ist pro Paket einer Sendung
auf den Gegenwert von USD 50.000 in der jeweiligen Landeswäh-
rung begrenzt, es sei denn, dies ist in der jeweils gültigen U. -
Tariftabelle (die "Tariftabelle") anders festgelegt. Schmuck (außer
Modeschmuck) ist auf einen Höchstwert von USD 500 bzw. den ent-
sprechenden Wert in der Landeswährung pro Sendung begrenzt, es
sei denn, dies ist in der Tariftabelle anders festgelegt.
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5 Transportaussetzung
U. kann nach eigenem Ermessen den Transport eines Paketes oder
einer Sendung unterbrechen, wenn die Güter sich aus irgendeinem der
in diesen Beförderungsbedingungen genannten Gründe als nicht für den
Transport geeignet herausstellen. …
10 Haftung
… In den Fällen, in denen das WA oder das CMR-Abkommen nicht gel-
ten, wird die Haftung von U. durch die vorliegenden Beförderungsbe-
dingungen geregelt. U. haftet bei Verschulden für nachgewiesene di-
rekte Schäden bis zu einer Höhe von … DM 1.000 pro Sendung in der
Bundesrepublik Deutschland oder bis zu dem nach § 54 ADSp … ermit-
telten Erstattungsbetrag, je nachdem, welcher Betrag höher ist, es sei
denn, der Versender hat, wie im folgenden beschrieben, einen höheren
Wert angegeben.
Die Wert- und Haftungsgrenze wird angehoben durch die korrekte De-
klaration des Wertes der Sendung … Diese Wertangabe gilt als Haf-
tungsgrenze. Der Versender erklärt durch die Unterlassung der Wertan-
gabe, dass sein Interesse an den Gütern die oben genannte Grundhaf-
tung nicht übersteigt.
Vorstehende Haftungsbegrenzungen gelten nicht bei Vorsatz oder gro-
ber Fahrlässigkeit von U. , seiner gesetzlichen Vertreter oder Erfül-
lungsgehilfen.
Die Klägerin hat behauptet, das verlorengegangene Paket habe
1.200 Mikrochips im Wert von umgerechnet 65.220,39 € enthalten. Sie ist der
Auffassung, die Beklagte hafte für den Verlust in voller Höhe, und hat diese da-
her auf Zahlung von 65.220,39 € nebst Zinsen in Anspruch genommen.
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Die Beklagte hat demgegenüber insbesondere geltend gemacht, die Klä-
gerin müsse sich ein Mitverschulden der Versenderin wegen unterlassener
Wertdeklaration zurechnen lassen.
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Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil der Zinsen stattgege-
ben. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten im ersten Beru-
fungsverfahren zurückgewiesen. Dieses Urteil hat der erkennende Senat auf
die Revision der Beklagten aufgehoben und die Sache zur nochmaligen Prü-
fung der Frage des Mitverschuldens an das Berufungsgericht zurückverwiesen
(Urt. v. 2.12.2004 - I ZR 48/02). Im zweiten Berufungsverfahren hatte die Beru-
fung der Beklagten Erfolg, soweit das Landgericht die Beklagte zur Zahlung
eines 45.709,49 € übersteigenden Betrags nebst Zinsen verurteilt hat.
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Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren
Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter. Die Klägerin beantragt,
das Rechtsmittel zurückzuweisen.
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Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat die Klage unter Berücksichtigung des Mitver-
schuldens der Versenderin in Höhe von 45.709,49 € nebst Zinsen für begründet
erachtet. Zur Frage des Mitverschuldens hat es ausgeführt:
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Die Klägerin müsse sich kein Mitverschulden der Versenderin am Verlust
des Pakets gemäß § 254 Abs. 1 BGB wegen unterlassener Wertdeklaration
zurechnen lassen. Dass die Beklagte Pakete im Falle einer Wertdeklaration
sicherer befördere, habe die Versenderin weder gewusst noch durch die Allge-
meinen Beförderungsbedingungen der Beklagten vermittelt bekommen. Die
Beklagte habe außerdem nicht dargetan, auf welche Weise sie Wertpakete im
EDI-Verfahren mit erhöhter Beförderungssicherheit transportiere.
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Die Klägerin müsse sich jedoch ein Mitverschulden gemäß § 254 Abs. 2
BGB entgegenhalten lassen, weil die Versenderin die Beklagte bei Abschluss
des Frachtvertrags nicht darauf hingewiesen habe, dass ihr bei Verlust des Pa-
kets ein ungewöhnlich hoher Schaden drohe. Die Beklagte habe deutlich zum
Ausdruck gebracht, dass sie nur Pakete mit einem Wert bis zu 50.000 US-
Dollar befördern wolle. Der in ihren Beförderungsbedingungen enthaltene Be-
förderungsausschluss sei wirksam. Es sei daher davon auszugehen, dass die
Beklagte das Paket nicht zur Beförderung angenommen hätte, wenn die Ver-
senderin auf seinen hohen Wert hingewiesen hätte. Dies führe allerdings nicht
zum vollständigen Ausschluss der Haftung der Beklagten, sondern lediglich da-
zu, dass die Klägerin nur den dem Gegenwert von 50.000 US-Dollar entspre-
chenden Betrag von 45.709,49 € beanspruchen könne.
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II. Die Revision der Beklagten führt in dem Umfang, in dem das Beru-
fungsgericht zu deren Nachteil erkannt hat, zur Aufhebung des Berufungsurteils
und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Mit-
verschuldenseinwand auch im Fall des qualifizierten Verschuldens i.S. von
§ 435 HGB zu berücksichtigen ist (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 30.1.2008
- I ZR 146/05, TranspR 2008, 117 Tz. 34; Urt. v. 30.1.2008 - I ZR 165/04,
TranspR 2008, 122 Tz. 25).
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2. Nicht zugestimmt werden kann dem Berufungsgericht dagegen in sei-
ner Annahme, ein Mitverschulden der Versenderin wegen Unterlassens einer
Wertdeklaration komme im Streitfall nicht in Betracht. Das Berufungsgericht hat
es zu Unrecht als entscheidend angesehen, dass die Versenderin nicht wusste,
dass die Beklagte im Falle einer Wertdeklaration Maßnahmen zur Erhöhung der
Beförderungssicherheit ergriffen hätte. Wie der Senat zeitlich nach Erlass des
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Berufungsurteils entschieden hat, reicht es für ein Mitverschulden aus, wenn
der Versender die sorgfältigere Behandlung von Wertpaketen durch den Trans-
porteur hätte erkennen müssen (st. Rspr.; vgl. zuletzt etwa BGH, Urt. v.
3.5.2007 - I ZR 175/05, TranspR 2007, 414 Tz. 19; BGH TranspR 2008, 122
Tz. 28, jeweils m.w.N.). Von einem Kennenmüssen der Anwendung höherer
Sorgfalt bei korrekter Wertangabe kann im Allgemeinen ausgegangen werden,
wenn sich aus den Beförderungsbedingungen des Transporteurs ergibt, dass er
für diesen Fall bei Verlust oder Beschädigung des Gutes höher haften will. Die-
se Kenntnis wurde der Versenderin durch die in der Nummer 10 der Beförde-
rungsbedingungen der Beklagten enthaltene Regelung vermittelt (vgl. BGH
TranspR 2007, 414 Tz. 19; BGH, Urt. v. 3.5.2007 - I ZR 106/05, TranspR 2007,
421 Tz. 22, jeweils m.w.N.).
3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Vortrag der
Beklagten, sie behandele wertdeklarierte Pakete sorgfältiger als nicht wertde-
klarierte, auch nicht deshalb unerheblich, weil das verlorengegangene Paket im
Wege des sogenannten EDI-Verfahrens versandt worden ist.
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a) Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat die Beklagte nicht dargetan,
auf welche Weise sie sicherstellt, dass Wertpakete auch im EDI-Verfahren mit
erhöhter Beförderungssicherheit transportiert werden. Die von ihr vorgetrage-
nen Kontrollen bei der Beförderung von Wertpaketen könnten nicht umgesetzt
werden, wenn Kunden, die am EDI-Verfahren teilnähmen, bei der Eingabe der
Paketdaten zwar den Wert deklarierten, das wertdeklarierte Paket dann aber
zusammen mit anderen Paketen in den Feeder gäben. Denn das Paket werde
dann weiterhin wie eine Standardsendung befördert. Soweit die Beklagte in an-
deren Verfahren hierzu ausgeführt habe, der EDI-Kunde müsse dem Fahrer
wertdeklarierte Pakete gesondert übergeben, fehle es vorliegend an näherem
Vortrag dazu, wie sie die Versenderin hierüber informiert habe.
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b) Mit dieser Begründung kann ein Mitverschulden der Versenderin we-
gen des Unterlassens einer Wertdeklaration nicht verneint werden. Wenn
- wovon mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts zu Guns-
ten der Beklagten auszugehen ist - die konkrete Ausgestaltung des Versandver-
fahrens dem Absender keinerlei Anhaltspunkte bietet, auf welche Weise wert-
deklarierte Pakete einem besonders kontrollierten Transportsystem zugeführt
werden, hat er selbst Maßnahmen zu ergreifen, um auf eine sorgfältigere Be-
handlung des wertdeklarierten Pakets aufmerksam zu machen (vgl. BGH
TranspR 2008, 117 Tz. 39 m.w.N.). Von einem schadensursächlichen Mitver-
schulden der Versenderin ist auszugehen, weil sie hätte erkennen können, dass
eine sorgfältigere Behandlung durch die Beklagte nur gewährleistet ist, wenn
wertdeklarierte Pakete nicht mit anderen Paketen in den Feeder gegeben, son-
dern dem Abholfahrer der Beklagten separat übergeben werden. Dass eine sol-
che gesonderte Übergabe an den Abholfahrer erforderlich ist, liegt angesichts
der Ausgestaltung des vorliegend angewandten Verfahrens, das im beiderseiti-
gen Interesse der Beschleunigung des Versands darauf angelegt ist, dass Pa-
ketkontrollen zunächst unterbleiben, für einen ordentlichen und vernünftigen
Versender auf der Hand. Da die Pakete im Falle einer erfolgten Wertdeklaration
und gesonderten Übergabe an den Abholfahrer im Ergebnis aus dem EDI-
Verfahren herausgenommen werden, kann auch nicht aus den Besonderheiten
des EDI-Verfahrens als papierloses Verfahren darauf geschlossen werden,
dass die vorgetragenen Sicherungsmaßnahmen nicht durchgeführt werden
können (BGH TranspR 2008, 117 Tz. 39 m.w.N.).
4. Das Urteil des Berufungsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen
Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend ein
Mitverschulden der Versenderin darin begründet gesehen, dass diese die Be-
klagte nicht auf den Wert des Pakets und den dadurch für den Fall seines Ver-
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lusts drohenden ungewöhnlich hohen Schaden hingewiesen hat (§ 425 Abs. 2
HGB). Seine Beurteilung, dieses Mitverschulden führe lediglich dazu, dass der
Schadensersatzanspruch auf den Betrag der Haftungsgrenze von 50.000 US-
Dollar nach der Nummer 2 der Beförderungsbedingungen der Beklagten zu be-
schränken sei, hält der rechtlichen Nachprüfung jedoch nicht stand.
a) Wie der Senat - zeitlich nach Erlass des hier zu überprüfenden Beru-
fungsurteils - entschieden hat, liegt es, da nach den Beförderungsbedingungen
der Beklagten Beträge im Bereich von 500 € bis 50.000 US-Dollar im Raum
stehen, nahe, die Gefahr eines besonders hohen Schadens in solchen Fällen
anzunehmen, in denen der Wert des Pakets 5.000 € übersteigt (st. Rspr.; vgl.
zuletzt BGH TranspR 2008, 117 Tz. 40; TranspR 2008, 122 Tz. 33, jeweils
m.w.N.). Dieser Betrag ist im Streitfall deutlich überschritten.
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b) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass das Unter-
lassen eines Hinweises auf den Wert des Gutes für den Schadenseintritt mitur-
sächlich gewesen ist, weil die Beklagte das Paket nicht zur Beförderung über-
nommen hätte, wenn die Versenderin auf seinen hohen Wert hingewiesen hät-
te.
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aa) Das Berufungsgericht hat den Willen der Beklagten, das Paket nicht
zur Beförderung zu übernehmen, entgegen der Ansicht der Revisionserwide-
rung in rechtlich nicht zu beanstandender Weise insbesondere aus den Beför-
derungsbedingungen der Beklagten entnommen. Schon aus der Überschrift
und dem Einleitungssatz der Nummer 2 ergibt sich, dass die nachfolgenden
Bestimmungen Einschränkungen für den Transport bestimmter Güter vorsehen.
Unter lit. (b) ist sodann geregelt, dass die "Wert- oder Haftungshöchstgrenze
pro Paket einer Sendung auf den Gegenwert von USD 50.000 begrenzt" ist.
Aus dem Wortlaut der Klausel ergibt sich für einen verständigen Versender hin-
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reichend deutlich, dass er pro Paket nur Güter mit einem Wert von bis zu
50.000 US-Dollar befördern lassen kann. Dasselbe folgt auch aus dem syste-
matischen Zusammenhang der Nummer 2 mit der Nummer 10 der Beförde-
rungsbedingungen. Während die Nummer 2 sich insgesamt mit von der Beför-
derung ausgeschlossenen (und empfindlichen) Gütern befasst, regelt die Num-
mer 10 die Haftung der Beklagten. Beiden Klauseln kann ein verständiger Ver-
sender ohne weiteres entnehmen, dass die Beklagte Güter lediglich bis zu ei-
nem Wert von 50.000 US-Dollar pro Paket befördern will, so dass auch nur bis
zu dieser Summe eine Wertdeklaration im Sinne der Nummer 10 der Beförde-
rungsbedingungen möglich ist.
bb) Die Feststellung, dass die Beklagte das Paket nicht zur Beförderung
übernommen hätte, wenn die Versenderin auf dessen Wert hingewiesen hätte,
führt allerdings entgegen der Ansicht der Revision nicht ohne weiteres dazu,
dass die Haftung der Beklagten nach § 311 Abs. 2, §§ 280, 249 Abs. 1 BGB
vollständig entfällt (vgl. BGHZ 167, 64 Tz. 22; BGH, Urt. v. 13.7.2006
- I ZR 245/03, NJW-RR 2007, 179 Tz. 23 = TranspR 2006, 448). Dieser Um-
stand ist vielmehr lediglich als Schadensmitverursachungsbeitrag der Versen-
derin in die Haftungsabwägung nach § 425 Abs. 2 HGB einzustellen (vgl. BGH,
Urt. v. 15.2.2007 - I ZR 186/03, NJW-RR 2007, 1110 Tz. 29 = TranspR 2007,
164).
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cc) Das Berufungsgericht hat auch mit Recht angenommen, dass die Ur-
sächlichkeit der unterlassenen Wertangabe für den eingetretenen Schaden
nicht deshalb zu verneinen ist, weil der Beklagten nach der Darstellung der Klä-
gerin bekannt gewesen ist, dass die Versenderin werthaltige Waren versendet.
Die Kausalität eines Mitverschuldens lässt sich in entsprechenden Fällen nur
verneinen, wenn der Schädiger zumindest gleich gute Erkenntnismöglichkeiten
vom Wert der Sendung hat wie der Geschädigte (st. Rspr.; vgl. zuletzt etwa
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BGH, Urt. v. 13.9.2007 - I ZR 155/04, TranspR 2007, 466 Tz. 26 m.w.N.). So
hat der Senat den Mitverschuldenseinwand für nicht begründet erachtet, wenn
der Frachtführer bei einer Nachnahmesendung aufgrund des einzuziehenden
Betrags vom Wert des Gutes Kenntnis hatte (BGH, Urt. v. 3.2.2005
- I ZR 276/02, TranspR 2005, 208, 209). Eine entsprechende spezielle Kenntnis
der Beklagten vom Wert des streitgegenständlichen Pakets hat das Berufungs-
gericht im Streitfall nicht festgestellt.
c) Das Unterlassen des Hinweises auf den Wert des Pakets ist aber
nicht, wie das Berufungsgericht angenommen hat, nur hinsichtlich des den Be-
trag von 50.000 US-Dollar übersteigenden Schadens mitursächlich geworden.
Wenn die Beklagte die Beförderung des Pakets bei einem Hinweis auf den Wa-
renwert abgelehnt hätte, wäre der durch den Verlust des Pakets eingetretene
Schaden in vollem Umfang vermieden worden (BGH, Urt. v. 3.5.2007
- I ZR 109/04, TranspR 2007, 405 Tz. 31).
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d) Die vom Berufungsgericht unter dem Gesichtspunkt des Mitverschul-
dens vorgenommene Beschränkung des Schadensersatzanspruchs der Ver-
senderin auf den Wert von 50.000 US-Dollar hat auch nicht im Ergebnis aus
anderen Gründen Bestand.
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aa) Die Haftungsabwägung nach § 254 BGB ist zwar grundsätzlich Sa-
che des Tatrichters. Sie kann im Revisionsverfahren jedoch daraufhin überprüft
werden, ob alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig be-
rücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde ge-
legt worden sind (vgl. BGH NJW-RR 2007, 1110 Tz. 28 m.w.N.). Diesen Anfor-
derungen genügt das Berufungsurteil nicht. Das Berufungsgericht hat keine
Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge vor-
genommen, sondern die Beklagte so behandelt, als hätte diese unabhängig
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vom Verursachungsbeitrag der Versenderin eine Haftung bis zum Betrag von
50.000 US-Dollar vereinbart. Es hat die Verbotsklausel daher einer Haftungs-
begrenzungsklausel gleichgestellt, obwohl sich die beiden Arten von Klauseln in
ihren Voraussetzungen und in ihren Folgen deutlich unterscheiden.
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bb) Das Mitverschulden der Versenderin besteht nicht allein darin, dass
sie die Beklagte nicht auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens hin-
gewiesen und diese dadurch davon abgehalten hat, besondere Vorkehrungen
gegen den Verlust des wertvollen Transportguts zu treffen. Die Beklagte hat in
ihren Beförderungsbedingungen zum Ausdruck gebracht, dass sie Pakete im
Wert von über 50.000 US-Dollar im Standardtarif überhaupt nicht befördern will.
Ein Versender kann in einen nach § 425 Abs. 2 HGB beachtlichen Selbstwider-
spruch geraten, wenn er wertvolles Gut ohne Hinweis auf dessen Wert dem
Frachtführer zur Beförderung übergibt und von diesem im Falle des Verlusts
gleichwohl vollen Schadensersatz verlangt, obwohl er weiß oder wissen müss-
te, dass der Frachtführer das Gut in der gewählten Transportart wegen des da-
mit verbundenen Verlustrisikos nicht befördern will (BGH NJW-RR 2007, 1110
Tz. 24).
Eine Haftung des Transporteurs, die über die Wertgrenze hinausgeht, ab
der er Güter nicht mehr befördern will, ist bei einem Mitverschulden des Ver-
senders wegen unterlassenen Hinweises auf die Gefahr eines ungewöhnlich
hohen Schadens i.S. von § 254 Abs. 2 BGB in der Regel zu verneinen (BGH
TranspR 2007, 405 Tz. 33). Dagegen kommt - abhängig vom Ausmaß der
Kenntnis und von der Schadenshöhe - eine noch weitergehende Beschränkung
des Schadensersatzanspruchs des Versenders wegen Mitverschuldens in Be-
tracht. Obwohl auf Seiten des Frachtführers ein qualifiziertes Verschulden vor-
liegt, kommt in Fällen, in denen das Paket aufgrund der Beförderungsbedin-
gungen des Frachtführers von einem Transport ausgeschlossen ist, ein Mitver-
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schuldensanteil von mehr als 50% in Frage (BGH, Urt. v. 20.9.2007
- I ZR 43/05, TranspR 2008, 113 Tz. 53; Urt. v. 22.11.2007 - I ZR 74/05,
TranspR 2008, 30 Tz. 47 [insoweit in BGHZ 174, 244 nicht abgedruckt]). Hat
der Versender positive Kenntnis davon, dass der Frachtführer bestimmte Güter
nicht befördern will und setzt er sich bei der Einlieferung bewusst über den ent-
gegenstehenden Willen des Frachtführers hinweg, so kann sein darin liegendes
Mitverschulden bei einem Verlust der Sendung sogar zum vollständigen Aus-
schluss der Haftung des Frachtführers führen (BGH NJW-RR 2007, 179 Tz. 35;
NJW-RR 2007, 1110 Tz. 30; TranspR 2007, 405 Tz. 32). Bei einer entspre-
chenden Schadenshöhe und einer erheblichen Überschreitung der für den Aus-
schluss von Gütern vereinbarten Wertgrenze kann die Haftung des Transpor-
teurs wegen des Mitverschuldens des Versenders weitergehend sogar dann
vollständig ausgeschlossen sein, wenn lediglich von einem Kennenmüssen des
Versenders von dem Beförderungsausschluss auszugehen sein sollte (BGH
TranspR 2007, 405 Tz. 33).
cc) Nach den bislang getroffenen Feststellungen hätte der Versenderin
zumindest bekannt sein müssen, dass nach den Beförderungsbedingungen der
Beklagten Transportgut mit einem Wert von über 50.000 US-Dollar von der Be-
förderung ausgeschlossen war. Danach ist von einem Mitverschuldensanteil der
Versenderin auszugehen, bei dem jedenfalls eine Haftung der Beklagten über
den vom Berufungsgericht der Klägerin zugesprochenen Betrag hinaus ausge-
schlossen ist. Da der Wert der Sendung deutlich über dem für den Beförde-
rungsausschluss maßgeblichen Betrag von 50.000 US-Dollar lag, kommt nach
den oben wiedergegebenen Grundsätzen eine noch weitergehende Minderung
des Klageanspruchs in Betracht.
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III. Danach ist das angefochtene Urteil auf die Revision der Beklagten
aufzuheben, soweit das Berufungsgericht der Klage stattgegeben hat. Im Um-
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fang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverwei-
sen. Dieses wird unter Berücksichtigung der oben unter II 2 bis 4 dargestellten
Grundsätze eine nochmalige Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und
Verschuldensbeiträge vorzunehmen haben.
Bornkamm Pokrant
Schaffert
Bergmann
RiBGH Dr. Koch ist in Urlaub
und kann daher nicht unter-
schreiben.
Bornkamm
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 19.09.2000 - 35 O 73/99 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 06.07.2005 - I-18 U 238/00 -