Urteil des BGH vom 20.01.2009

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XI ZR 510/07
vom
20. Januar 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
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BGB § 276 Hb
Zur Aufklärungspflicht einer beratenden Bank über erhaltene Rückvergü-
tungen bei dem Vertrieb von Medienfonds (Fortführung von BGHZ 170,
226, 234 f. Tz. 22 f.).
BGH, Beschluss vom 20. Januar 2009 - XI ZR 510/07 - OLG Naumburg
LG Magdeburg
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Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Dr. h.c. Nobbe, den Richter Dr. Joeres, die Richterin Mayen und
die Richter Dr. Ellenberger und Dr. Matthias
am 20. Januar 2009
beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird
das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts
Naumburg vom 10. Oktober 2007 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entschei-
dung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfah-
rens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren
beträgt 41.150 €.
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Gründe:
I.
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Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen fehler-
hafter Anlageberatung in Anspruch.
Dem Kläger wurde von einem Mitarbeiter der Beklagten in einem
Beratungsgespräch, dessen Inhalt zwischen den Parteien streitig ist,
empfohlen, sich an dem von der C. Beteiligungsge-
sellschaft mbH (im Folgenden: C. ) herausgegebenen Medienfonds
C. Fonds Nr. (im Folgenden: Fonds) zu beteiligen. Auf-
grund dieser Empfehlung beteiligte sich der Kläger am 22. Mai 2001 mit
einer Kommanditeinlage in Höhe von 50.000 € nebst 5% Agio an dem
Fonds. Nachdem dieser in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war,
veräußerte der Kläger seinen Fondsanteil für 11.350 €.
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Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von 41.500 € nebst
Zinsen in Anspruch. Zur Begründung hat er u.a. unter Berufung auf das
Senatsurteil vom 19. Dezember 2006 (BGHZ 170, 226 ff.) vorgetragen,
der Mitarbeiter der Beklagten habe ihn anlässlich des Beratungsge-
sprächs nicht darüber aufgeklärt, dass das Agio, das nach dem Prospekt
an die C. zu zahlen war, aufgrund einer Vermittlungsvereinbarung in
voller Höhe als Rückvergütung an die Beklagte zurückgeflossen sei und
zusätzlich noch weitere Provisionen an die Beklagte gezahlt worden sei-
en.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht
hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision nicht zu-
gelassen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt: Zur Aufklärung über
die Innenprovision sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen, weil diese
weniger als 15% ausgemacht habe (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2007
- III ZR 218/06, Rdn. 9).
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbe-
schwerde, mit der er insbesondere einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1
GG geltend macht, weil das Berufungsgericht seinen Vortrag zu verdeckt
geflossenen Rückvergütungen völlig außer Acht gelassen habe.
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II.
Das angefochtene Urteil ist gemäß aufzuheben
und der Rechtsstreit zur neuen mündlichen Verhandlung und Entschei-
dung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
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1. Das angegriffene Urteil verletzt den Anspruch des Klägers auf
rechtliches Gehör aus
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verpflichtet das Gericht, den Vortrag der
Parteien zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwä-
gung zu ziehen (f.; 70, 288, 293; 83,
24, 35; BVerfG NJW-RR 2001, 1006, 1007). Ein Verstoß gegen
setzt dabei eine gewisse Evidenz der Gehörsverletzung vor-
aus, das heißt, im Einzelfall müssen besondere Umstände vorliegen, die
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deutlich ergeben, dass das Vorbringen der Beteiligten entweder über-
haupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung ersicht-
lich nicht erwogen worden ist ( 51, 61; 86,
133, 146; 96, 205, 216 f.; ).
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b) Nach diesen Maßstäben ist hier verletzt.
aa) Der Kläger hat in der Berufungsbegründung (GA II 143 ff.) kon-
krete Ausführungen zu einer Rückvergütungsvereinbarung zwischen der
C. und der Beklagten betreffend das nach dem Prospekt vom Kläger
an die C. zu zahlende Agio gemacht und dabei auf das Senatsurteil
vom 19. Dezember 2006 (BGHZ 170, 226, 234 f. Tz. 22 f.) verwiesen.
Das Berufungsgericht hat sich jedoch mit keinem Wort mit diesem Vor-
trag befasst, sondern unter Berufung auf das Urteil des III. Zivilsenats
des Bundesgerichtshofs vom 22. März 2007 (III ZR 218/06, WM 2007,
873, 874 Tz. 9) lediglich in einem Satz ausgeführt, zu einer Aufklärung
über die Innenprovision sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen, weil
die Provision weniger als 15% ausgemacht habe. Behandelt hat das Be-
rufungsgericht damit lediglich die Informationspflicht aus einem Anlage-
vermittlungs- und Auskunftsvertrag. Zwischen den Parteien ist aber, wie
das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat und beide Parteien
übereinstimmend vorgetragen haben, nicht lediglich ein Anlagevermitt-
lungs- und Auskunftsvertrag, sondern ein Beratungsvertrag zustande ge-
kommen, der zu einer Aufklärung über Rückvergütungen entsprechend
den Grundsätzen des Senatsurteils vom 19. Dezember 2006 (BGHZ 170,
226, 234 f. Tz. 23) verpflichtet. Dass das Berufungsgericht diese vom
Kläger breit dargestellte Sach- und Rechtslage völlig übergangen hat,
lässt sich nach den Umständen des Falles nur damit erklären, dass es
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das Vorbringen des Klägers bei seiner Entscheidung überhaupt nicht er-
wogen hat.
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bb) Der Gehörsverstoß des Berufungsgerichts ist auch entschei-
dungserheblich.
(1)
Zutreffend
ist
die Ansicht der Beschwerdebegründung, dass
das genannte Senatsurteil (BGHZ 170, 226, 234 f. Tz. 23) auch auf den
Vertrieb von Medienfonds durch eine Bank anwendbar ist. Bei der Offen-
legung von Rückvergütungen geht es um die Frage, ob eine Gefähr-
dungssituation für den Kunden geschaffen wird. Deshalb ist es geboten,
den Kunden über etwaige Rückvergütungen aufzuklären und zwar unab-
hängig von der Rückvergütungshöhe. Dabei macht es keinen Unter-
schied, ob der Berater Aktienfonds oder Medienfonds vertreibt. Der auf-
klärungspflichtige Interessenkonflikt ist in beiden Fällen gleich. Der
Senat hat zwar § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. im Zusammenhang mit der
Pflicht zur Vermeidung eines Interessenkonflikts angeführt (BGHZ 170,
226, 234 Tz. 23), seine Ausführungen zum Interessenkonflikt aber nicht
auf den Anwendungsbereich des WpHG beschränkt. In § 31 Abs. 1 Nr. 2
WpHG a.F. ist lediglich der auch zivilrechtlich allgemein anerkannte
Grundsatz der Vermeidung von vertragswidrigen Interessenkonflikten
aufsichtsrechtlich für den Bereich des Wertpapierhandels normiert
worden (vgl. KK-WpHG/Möllers § 31 Rdn. 23 m.w.Nachw.; auch Palandt/
Sprau, BGB 68. Aufl. § 654 Rdn. 4).
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(2) Aufgrund des Beratungsvertrags war die Beklagte verpflichtet,
den Kläger darüber aufzuklären, dass sie von der C. für die Vermitt-
lung der Fondsanteile das Agio in voller Höhe bekam. Für die Berater der
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Beklagten bestand danach ein ganz erheblicher Anreiz, Anlegern gerade
eine Fondsbeteiligung der C. zu empfehlen. Darüber und den damit
verbundenen Interessenkonflikt musste die Beklagte den Kläger im
Rahmen des Beratungsgesprächs informieren, um ihn in die Lage zu
versetzen, das Umsatzinteresse der Beklagten einschätzen und beurtei-
len zu können, ob die Beklagte und ihr Berater die Fondsbeteiligung nur
deshalb empfahlen, weil sie selbst daran verdienten (vgl. Senatsurteil
BGHZ 170, 226, 234 f. Tz. 23). Das gilt vorliegend umso mehr, als der
Interessenkonflikt noch dadurch gesteigert wurde, dass die Beklagte für
die Übernahme einer Platzierungsgarantie eine Vergütung von weiteren
3% des Kommanditkapitals erhielt und für ihre Gebietsfilialen, die die für
sie festgelegten Platzierungsquoten zu 100% erfüllten, von der C. eine
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zusätzliche Vermittlungsgebühr von 100.000 € gezahlt wurde. Durch die-
ses gesteigerte Anreizsystem bestand eine erhöhte Gefahr, dass die im
Kundeninteresse zu erfolgende anleger- und objektgerechte Beratung
nicht oder nur unzureichend vorgenommen wurde.
Nobbe Joeres Mayen
Ellenberger Matthias
Vorinstanzen:
LG Magdeburg, Entscheidung vom 19.06.2007 - 11 O 165/07 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 10.10.2007 - 2 U 96/07 -