Urteil des BGH vom 03.04.2001

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 507/00
vom
3. April 2001
in dem Bußgeldverfahren
gegen
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 1 StVG
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat als Senat für Bußgeldsachen
nach Anhörung des Generalbundesanwalts am 3. April 2001 durch den
Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Meyer-Goßner, die
Richter am Bundesgerichtshof Maatz, Dr. Kuckein, Athing und Dr. Ernemann
beschlossen:
Bei der Bestimmung der Atemalkoholkonzentration im Sinne
von § 24a Abs. 1 StVG unter Verwendung eines
Atemalkoholmeßgerätes, das die Bauartzulassung für die
amtliche Überwachung des Straßenverkehrs erhalten hat, ist
der gewonnene Meßwert ohne Sicherheitsabschläge
verwertbar, wenn das Gerät unter Einhaltung der Eichfrist
geeicht ist und die Bedingungen für ein gültiges Meßverfahren
gewahrt sind.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat die Betroffene wegen fahrlässiger
Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 StVG in der bis zum
31. März 2001 geltenden Fassung (Führen eines Kraftfahrzeuges mit einer
Alkoholmenge im Körper, die zu einer Atemalkoholkonzentration von
0,25 mg/l oder mehr geführt hat) zu einer Geldbuße von 200 DM verurteilt.
Zwar hatten die bei der Betroffenen im Rahmen einer Verkehrskontrolle unter
Verwendung des Meßgeräts Dräger Alcotest 7110 Evidential MK III im Abstand
von zwei Minuten durchgeführten Atemalkoholproben Werte von 0,42 und 0,41
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mg/l ergeben, aus denen das Gerät einen Mittelwert von 0,42 mg/l gebildet
hatte; das Amtsgericht hat aber von einer Verurteilung nach § 24a Abs. 1 Nr. 1
StVG (Führen eines Kraftfahrzeuges mit einer Alkoholmenge im Körper, die zu
einer AAK von 0,40 mg/l oder mehr geführt hat) abgesehen, weil es unter
Berufung auf die Ausführungen von Bode (BA 1999, 249, 257) von dem
genannten Mittelwert einen “Sicherheitsabschlag” in Höhe von insgesamt
0,1282 mg/l in Abzug gebracht hat.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer frist-
und formgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde, mit der sie die Verletzung
sachlichen Rechts rügt. Sie ist der Ansicht, das Amtsgericht habe von einem -
richtigerweise durch Abrundung (vgl. BGHSt 28, 1), statt der geräteseits
vorgenommenen Aufrundung bestimmten - Mittelwert von 0,41 mg/l ausgehen
und deshalb den Betroffenen nach § 24a Abs. 1 Nr. 1 StVG zu einer erhöhten
Geldbuße und einem Fahrverbot verurteilen müssen.
II.
Das Oberlandesgericht Hamm (BA 2000, 385 = NZV 2000, 426 = zfs
2000, 459 mit Anm. Bode) möchte die Rechtsbeschwerde als unbegründet
verwerfen. Es ist der Ansicht, daß zwar Sicherheitsabschläge vom
gewonnenen Mittelwert für die systematische Abweichung, die
Standardabweichung und die Langzeitdrift nicht veranlaßt seien; dagegen sei
aber von dem Meßwert ein Abzug in Höhe der sog. Verkehrsfehlergrenze (0,03
mg/l bei einer AAK bis 0,4 mg/l bzw. 7,5 % vom Meßwert bei einer AAK über
0,40 mg/l bis 1,00 mg/l) sowie ein weiterer Abzug in Höhe von 4 % des
Meßwerts für den Hystereseeinfluß geboten. Hiernach errechnet das
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vorlegende Oberlandesgericht eine dem Betroffenen noch vorzuwerfende AAK
von lediglich 0,37 mg/l, weshalb nur der vom Amtsgericht angenommene
Tatbestand des § 24a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 StVG erfüllt sei.
Das vorlegende Oberlandesgericht sieht sich an der beabsichtigten
Entscheidung durch den Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts
vom 12. Mai 2000 - 2 ObOWi 598/99 - (BA 2000, 247 = NZV 2000, 295 mit
Anm. König = zfs 2000, 313 mit Anm. Bode) gehindert. Das Bayerische Oberste
Landesgericht hat darin - entscheidungserheblich - die Auffassung vertreten,
den mit dem Atemalkoholtestgerät Dräger Alcotest 7110 Evidential MK III
gemessenen Einzelwerten und dem aus ihnen gebildeten Mittelwert seien
Sicherheitszuschläge nicht "hinzuzurechnen". Es hat deshalb die Verurteilung
des Betroffenen jenes Verfahrens, bei dem der ohne Aufrundung errechnete
Mittelwert 0,40 mg/l AAK betrug, nach § 24a Abs. 1 Nr. 1 StVG bestätigt.
Das Oberlandesgericht Hamm hat daher die Sache gemäß § 121 Abs. 2
GVG i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG dem Bundesgerichtshof zur
Beantwortung folgender Frage vorgelegt:
"Ist bei der Bestimmung der Atemalkoholkonzentration im Sinne
von § 24a Abs. 1 StVG unter Verwendung des Meßgerätes
Dräger Alcotest 7110 Evidential MK III von dem gewonnenen
Meßwert ein Sicherheitsabschlag in Höhe der jeweiligen
Verkehrsfehlergrenze nach der Eichordnung zuzüglich eines
weiteren Abschlages von 4 % vom Meßwert für die Hysterese
geboten?"
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Der Generalbundesanwalt hat beantragt zu beschließen:
“Bei Bestimmung der Atemalkoholkonzentration im Sinne von
§ 24a Abs. 1 StVG unter Verwendung des Meßgerätes Dräger
Alcotest 7110 Evidential MK III ist von dem festgestellten
Meßwert kein (gerätespezifischer) Sicherheitsabschlag
abzuziehen.”
III.
Die Vorlegungsvoraussetzungen sind – allerdings nur unter Vornahme
einer Präzisierung der Vorlegungsfrage – erfüllt. Gegenstand der Vorlegung
kann nämlich nur die beabsichtigte Abweichung in einer Rechtsfrage sein, nicht
in einer Tatfrage; letztere ist einer Vorlegung nicht zugänglich (st. Rspr.;
Hannich in KK 4. Aufl. GVG § 121 Rdn. 31, 35 m.N.).
Bedenken gegen die Zulässigkeit der Vorlegung ergeben sich daraus,
daß sich die Vorlegungsfrage auf das im Ausgangsfall verwendete
Atemalkoholmeßgerät Dräger Alcotest Evidential MK III bezieht. Ginge es dem
vorlegenden Oberlandesgericht deshalb allein um die Verläßlichkeit von
Atemalkoholmessungen gerade mit diesem Gerät, wäre die Vorlegung
unzulässig; denn ob das verwendete Gerät beweiskräftige zutreffende
Ergebnisse liefert, ist eine Frage der Zuverlässigkeit eines bestimmten
Meßverfahrens im Einzelfall; sie ist daher durch den Tatrichter zu beurteilen
und deshalb nicht Gegenstand einer zulässigen Vorlegung (BGHSt 31, 86; 43,
277, 280 f.). Andernfalls müßte, sobald ein weiterer Atemalkoholmeßgerätetyp
zum Einsatz kommt, die nämliche “Rechts”frage immer wieder neu entschieden
werden. Das kann nicht Gegenstand des Divergenzverfahrens sein.
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Die gerätetechnische Zuverlässigkeit des geeichten Geräts Dräger
Alcotest Evidential MK III wird jedoch von dem vorlegenden Oberlandesgericht
auch gar nicht in Zweifel gezogen. In Übereinstimmung mit dem Bayerischen
Oberlandesgericht (NZV 2000, 297 f.) geht es vielmehr davon aus, daß die
Messung mit Hilfe dieses Geräts auf einem standardisierten Meßverfahren im
Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beruht (NZV 2000, 428;
a.A. Iffland/Hentschel NZV 1999, 489, 494), weshalb sich der Richter, wie auch
in Fällen sonstiger technischer Messungen, mit Fragen der Meßgenauigkeit in
den Urteilsgründen nicht näher auseinanderzusetzen brauche, wenn keine
konkreten Zweifel an der ordnungsgemäßen Messung naheliegen (vgl. BGHSt
39, 291; 43, 277, 283 f. zur Geschwindigkeitsmessung).
Gleichwohl liegt der Vorlegung eine Divergenz in einer Rechtsfrage
zugrunde; denn im Ergebnis ist zwischen den beteiligten Gerichten die
Reichweite der normativen Festlegung der AAK-Grenzwerte in § 24a Abs. 1
StVG durch den Gesetzgeber streitig, nämlich die Frage, ob der ermittelte
AAK-Wert (unter der Voraussetzung einer meßtechnisch zuverlässigen
Messung) unmittelbar forensisch verwertbar ist und deshalb regelmäßig zur
Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen des Bußgeldtatbestandes
genügt oder ob zum Ausgleich möglicher störender Einflüsse auf den
Meßvorgang allgemein, d.h. unabhängig von den Umständen des Einzelfalles –
und zwar auch unabhängig vom Gerätetyp, sofern er die Bauartzulassung für
die amtliche Überwachung des Straßenverkehrs erhalten hat und geeicht ist –
Sicherheitsabschläge statthaft und in Ansehung des Zweifelsgrundsatzes
geboten sind. Diese Frage betrifft die Auslegung des § 24a Abs. 1 StVG. Die
mit diesem Inhalt vorgelegte Rechtsfrage ist im Ausgangsfall auch
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entscheidungserheblich (vgl. BGHSt 43, 241, 244; Hannich in KK aaO Rdn. 37
m.w.N.). Die am 1. April 2001 in Kraft getretene Änderung des § 24a Abs. 1
StVG durch Gesetz vom 19. März 2001 (BGBl I S. 386), durch die anstelle der
bisherigen Staffelung von 0,8 und 0,5 Promille nur noch eine “einheitliche 0,5-
Promillegrenze” (BTDrucks. 14/4304 S. 11; vgl. auch BTDrucks. 14/5132 S. 5,
9) einschließlich der AAK-Grenze von 0,25 mg/l gilt, hat auf die Entscheidung
über die Vorlegungsfrage keinen Einfluß.
Der Senat formuliert deshalb die Rechtsfrage wie folgt:
Ist der mit einem bauartzugelassenen und geeichten
Atemalkoholmeßgerät gewonnene Atemalkohol-Meßwert für die
Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 24a
Abs. 1 StVG unmittelbar verwertbar oder sind allgemein
Sicherheitsabschläge zum Ausgleich möglicher störender
Einflüsse auf den Meßvorgang geboten?
IV.
Der Senat beantwortet die Frage wie aus der Beschlußformel ersichtlich:
1. Die Einführung der Atemalkoholgrenzwerte in § 24a Abs. 1 StVG
beruht auf dem Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrs vom 27. April 1998
(BGBl I 795). Um die Atemalkoholanalyse als beweissicher forensisch
anwenden zu können, hat der Gesetzgeber die Festlegung "eigener"
Grenzwerte für die Alkoholkonzentration in der Atemluft für erforderlich
gehalten (BTDrucks. 13/1439 S. 4). Er hat dabei die Ergebnisse des von
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Schoknecht erstatteten Gutachtens des Bundesgesundheitsamtes
"Beweissicherheit der Atemalkoholanalyse" (Unfall- und Sicherheitsforschung
Straßenverkehr, hrsg. von der Bundesanstalt für Straßenwesen Heft 86
<1992>, im folgenden: Gutachten) zugrundegelegt, das zu dem Ergebnis
kommt, daß den Werten von 0,8 bzw. 0,5 ‰ Blutalkoholkonzentration (BAK)
Atemalkoholkonzentrations-Grenzwerte von 0,4 mg/l bzw. 0,25 mg/l Alveolarluft
"entsprechen”. Dabei hat der Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehen, daß bei
der Atemalkoholbestimmung "nur Meßgeräte eingesetzt und Meßmethoden
angewendet werden (dürfen), die den im Gutachten gestellten Anforderungen
genügen" (BTDrucks. aaO). Diese vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollte
Festlegung eigener AAK-Grenzwerte und die Bezugnahme auf das Gutachten
des Bundesgesundheitsamtes sind für die Beantwortung der Vorlegungsfrage
ausschlaggebend.
a) Diese Gesetzesentstehung belegt zwar, daß die in § 24a Abs. 1 StVG
festgelegten AAK-Grenzwerte von 0,25 mg/l bzw. 0,40 mg/l aus den BAK-
Grenzwerten von 0,5 ‰ bzw. 0,8 ‰ abgeleitet worden sind. Gleichwohl handelt
es sich um voneinander unabhängige tatbestandliche Voraussetzungen. Das
folgt schon daraus, daß ungeachtet eines vom Gesetzgeber insoweit
gewählten konstanten Umrechnungsfaktors von 1:2000 eine direkte
Konvertierbarkeit von AAK- in BAK-Werte ausgeschlossen ist (Gutachten
S. 14). Dies entspricht allgemeiner Auffassung (Gilg BA 1999 S.
30 f.; Heifer 38. VGT 2000, 130 f.; Iffland/Eisenmenger/Bilzer DAR 2000, 9 f.;
Iffland/Hentschel NZV 1999, 489 f.; Iffland/Bilzer DAR 1999, 1 f.; Schoknecht
BA 2000, 161; Wilske DAR 2000, 16, 19). Dabei geht das Gutachten zunächst
von einem wissenschaftlich gesicherten mittleren Umrechnungsfaktor von
1:2100 aus, was angesichts des bei der Festlegung der AAK-Grenzwerte in
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§ 24 a Abs. 1 StVG gewählten Umrechnungsfaktors von 1:2000 eine
Besserstellung der Atemalkoholergebnisse im Vergleich zur Blutalkoholanalyse
um prinzipiell 5 % bedeutet (vgl. König NZV 2000, 298, 299; Slemeyer BA
2000, 203, 208). Die hierauf basierende Festlegung der Grenzwerte für die
AAK erfolgte unter dem Gesichtspunkt,
"daß Personen, die sich der Atemalkoholbestimmung unterziehen,
in rechtlicher Hinsicht nicht Personen gegenüber benachteiligt
sind, bei denen eine Blutalkoholbestimmung durchgeführt wird.
Da diese Forderung wegen der fehlenden durchgängigen
Konvertierbarkeit zwischen AAK und BAK nicht in jedem Einzelfall
zu erfüllen ist, ohne die AAK-Grenzwerte unvernünftig hoch ...
anzusetzen, sind Wahrscheinlichkeitsaussagen erforderlich. Die
Forderung hinsichtlich eines AAK-Grenzwertes muß danach
lauten, daß bei Vorliegen einer BAK, die einem BAK-Grenzwert
entspricht, die Wahrscheinlichkeit mehr als 50 % dafür beträgt,
daß der gleichzeitig gemessene AAK-Wert unter dem
ausgewählten AAK-Grenzwert liegt" (Gutachten aaO S. 15).
Diese Wahrscheinlichkeitsvorgabe hat das Gutachten - und ihm folgend
der Gesetzgeber bei Festlegung der AAK-Grenzwerte in § 24a Abs. 1 StVG -
mit 75 % angesetzt, um damit "die Akzeptanz der Atemalkoholanalyse in der
Öffentlichkeit zu erhöhen, indem Personen, die sich der Alkoholanalyse
unterziehen, eine Besserstellung gegenüber denjenigen erfahren, die der
Blutalkoholanalyse unterworfen werden" (Gutachten aaO S. 20/21).
b) Der Senat teilt die Auffassung des Bayerischen Obersten
Landesgerichts, daß durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen
diese gesetzliche Neuregelung nicht bestehen und der Gesetzgeber damit
insbesondere das Willkürverbot und den verfassungsrechtlichen
Gleichheitsgrundsatz nicht verletzt hat (BayObLG NZV 2000, 296).
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Daß die physiologischen Unterschiede bei der Gewinnung einer
Atemalkoholprobe gegenüber derjenigen einer Blutalkoholprobe (vgl. Brettel in
Forster, Praxis der Rechtsmedizin, 1986, S. 436; Iffland/Eisenmenger/Bilzer
DAR 2000, 9, 12, 15) eine sichere Aussage von Ergebnissen der
Atemalkoholbestimmung über die Höhe der BAK nicht zulassen und eine
Konvertierung von AAK- in BAK-Werte deshalb scheitert, hinderte den
Gesetzgeber nicht, mit der Festsetzung eigener AAK-Grenzwerte die
Meßgröße AAK als tatbestandliches aliud, aber mit gleichen Rechtsfolgen wie
bei den “entsprechenden” BAK-Werten einzuführen. Ungeachtet fehlender
durchgängiger Konvertierbarkeit der Ergebnisse hat der Gesetzgeber die
Atemalkoholprobe aus Gründen vereinfachter Gewinnung als forensisch
verwertbare Methode zugelassen und bei Festsetzung der Höhe der AAK-
Grenzwerte einen Ausgleich gesucht zwischen den Belangen der
Verkehrssicherheit und dem Bestreben, eine Benachteiligung der Betroffenen,
die sich einer Alkoholbestimmung unterziehen, gegenüber denjenigen, bei
denen die BAK gemessen wird, zu vermeiden (Gutachten aaO S. 15, 22 f.);
dies hält sich im Rahmen seines Gestaltungsspielraums. Einwände, die sich
auf die Höhe der BAK als “Vergleichsgröße” und deren Meßmethode beziehen,
greifen deshalb schon im Ansatz nicht.
Ausgehend davon, daß eine direkte Konvertierbarkeit von AAK- in BAK-
Werte ausgeschlossen ist und deshalb die AAK immer nur einen "Hinweis" auf
die alkoholische Beeinflussung des Betroffenen liefern kann (König NZV 2000,
299) oder - wie das Bayerische Oberste Landesgericht unter Berufung auf
Heifer (BA 1986, 229; ders. BA 1998, 230 f.) zu Recht angenommen hat -
jedem AAK-Wert eine gewisse "Bandbreite" von BAK-Werten entsprechen
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kann (BayObLG NZV 2000, 296), kommt es mithin für die Festsetzung der
AAK-Gefahrengrenzwerte nicht auf die konkrete Quantifizierung "eine(r) sich
dahinter verbergende(n) Beeinträchtigung der Fahrsicherheit bzw. erhöhte(n)
Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer" an (vgl. Wilske DAR 2000, 16, 17),
sofern nur sachliche Gründe die Festlegung nicht als willkürlich erscheinen
lassen. Diese Voraussetzung erfüllen die in § 24a Abs. 1 StVG normierten
AAK-Grenzwerte schon deshalb, weil sie sich “auf die BAK-Grenzwerte
einschließlich der zugehörigen Sicherheitszuschläge .. beziehen” (Gutachten
aaO S. 21). Daß die (gemessene) AAK nur als “Richtgröße” anzuerkennen ist
(Heifer 38. VGT 2000, 130, 134; zust. Hentschel NJW 1998, 2385, 2387), liegt
in der Natur der Sache und ist deshalb implizit Grundlage der Anerkennung der
Atemalkoholprobe als forensisch beweiskräftiges Verfahren durch den
Gesetzgeber; dies berührt aber die Einschätzungsprärogative des
Gesetzgebers nicht.
c) Der Einwand des vorlegenden Oberlandesgerichts, die
"Umrechnungsfaktoren zwischen AAK-Wert und BAK-Wert (hätten) nur
Aussagekraft für die statistische Gleichsetzung von AAK-Werten und BAK-
Werten bei bestimmter Wahrscheinlichkeitsvorgabe, (seien) aber nicht
geeignet, mögliche Fehler einer Messung im konkreten Einzelfall zu
berücksichtigen, da für die Verurteilung eines Betroffenen wegen eines
Verstoßes gegen § 24a StVG eine höhere Wahrscheinlichkeit als der genannte
Wert von 75 % erforderlich ist" (NZV 2000, 427), trägt dem
Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers nicht Rechnung. Dem Einwand liegt
möglicherweise die Vorstellung zugrunde, daß mit der
Wahrscheinlichkeitsvorgabe von 75% eine Benachteiligung bei der
Atemalkoholprobe in einer Größenordnung von bis zu 25 % in Kauf genommen
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werde. Das ist indes – unabhängig davon, daß deren Durchführung eine
freiwillige Mitwirkung voraussetzt (vgl. BTDrs. 13/1439 S. 4; König in LK StGB
11. Aufl. § 316 Rdn. 45) – nicht der Fall: Denn das Maß möglicher
Benachteiligung bemißt sich nicht nach der statistischen Wahrscheinlichkeit
einer Unterschreitung des Grenz-, sondern des dazu in relativem Abstand
stehenden Grundwertes (vgl. Slemeyer BA 2000, S. 208 ff.). Das Maß dieser
“Unterschreitungswahrscheinlichkeit” beruht wiederum auf dem
angenommenen Verteilungsfaktor von BAK/AAK. Neuere Studien anhand
zeitgleicher Messung von BAK- und AAK-Werten gelangen insoweit zu dem
Ergebnis, daß der in § 24a Abs. 1 StVG mit 1:2000 gewählte
Umrechnungsfaktor tatsächlich im Mittel 1:2311 beträgt. Dadurch wäre "de
facto eine Anhebung der Grenzwerte im Vergleich zu den BAK-Grenzwerten
von rund 15 % festgeschrieben worden" (Köhler/Beike/Abdin/Brinkmann BA
2000, 286, 291).
Deshalb kommt es entgegen der Auffassung des vorlegenden
Oberlandesgerichts (NZV 2000, 427) auch nicht auf die nach den
Berechnungen von Wehner
et al.
bei Zugrundelegung des Umrechnungsfaktors
1:2100 (Faktor Q = 2,1) ermittelte sog. "Unterschreitungswahrscheinlichkeit
(von) über 2 %” (Wehner/Subke/Wehner BA 2000, 403, 407; ferner
Wehner/Subke BA 2000, 279 f.) an. Zwar läge diese
Unterschreitungswahrscheinlichkeit über dem für die BAK-Bestimmung im
Gutachten des Bundesgesundheitsamtes 1966 (Lundt/Jahn Gutachten des
Bundesgesundheitsamtes zur Frage Alkohol bei Verkehrsstraftaten <1966>, im
folgenden: Gutachten 1966) "zugelassenen" entsprechenden Wert von (nur)
0,42 %, der eine Wahrscheinlichkeit von 99,58 % entspricht, daß bei einer
mittleren BAK von 0,8 ‰ der gleichmäßig zwischen 0,6 ‰ und 0,7 ‰ verteilte
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wahre Grenzwert überschritten ist (Gutachten 1966 S. 41, dort auch Fußn. 10).
Doch ergäben sich hieraus gegen die zwar in "relativer Beziehung" zu den
BAK-Grenzwerten stehenden, diesen gegenüber aber eigenständigen AAK-
Grenzwerte keine begründeten verfassungsrechtlichen Bedenken. Im übrigen
errechnen Wehner
et al.
, daß bei einem Q-Wert von 2,260
(Wittig/Schmidt/Jachau/Römhild/Krause BA 2000, 30 f.) die relative
Standardabweichung "völlig ausreichend (wäre), um equivalent zu der
Vorschrift des Gut(achtens des) BGA (1966) für einen Atemalkoholmittelwert
von AAK = 0,4 mg/l zu einer Unterschreitungswahrscheinlichkeit von ca.
0,42 % zu kommen" (Wehner/Subke/Wehner BA 2000, 408). Dies gilt erst
recht, wenn der Q-Wert statt 2,1 im Mittel 2,311 beträgt
(Köhler/Beike/Abdin/Brinkmann BA 2000 aaO S. 291). Ob dieses empirische
Material eine wissenschaftlich gesicherte Aussage zuläßt, hat der Senat im
daß der Gesetzgeber bei Festlegung der in § 24a Abs. 1 bestimmten AAK-
Grenzwerte nicht willkürlich gehandelt hat.
2. Wegen der – verfassungsrechtlich unbedenklichen -
gesetzgeberischen Festlegung der AAK-Grenzwerte sind entgegen der
Auffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts allgemeine
Sicherheitsabschläge von den unter Verwendung eines bauartzugelassenen
und geeichten Atemalkoholtestgerätes und Beachtung der
Verfahrensbestimmungen (Zeitablauf seit Trinkende mindestens 20 Minuten,
Kontrollzeit von 10 Minuten vor der AAK-Messung, Doppelmessung im
Zeitabstand von maximal 5 Minuten und Einhaltung der zulässigen
Variationsbreite zwischen den Einzelwerten; Gutachten aaO S. 12)
gewonnenen Meßwerten zum Ausgleich möglicher Fehler einer Messung durch
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verfälschende Störfaktoren (dazu Hentschel Straßenverkehrsrecht 36. Aufl.
StVG § 24a Rdn. 17 mit zahlr.Nachw.aus dem Schrifttum) im konkreten
Einzelfall nicht veranlaßt.
a) Hierbei kann nicht unberücksichtigt bleiben, daß der Gesetzgeber das
in § 24a Abs. 1 StVG sanktionierte Verhalten nicht als kriminelles Unrecht,
sondern nur als Ordnungswidrigkeit bewertet hat, das deshalb im
Bußgeldverfahren zu ahnden ist. Dieses ist aber schon im Hinblick auf seine
vorrangige Bedeutung für die Massenverfahren des täglichen Lebens auf eine
Vereinfachung des Verfahrensganges ausgerichtet (vgl. BGHSt 39, 291, 299
f.). Dem würde zuwiderlaufen, wäre der Tatrichter gehalten, die Meßpräzision
in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden
Einflußfaktoren zu prüfen. Dies würde die Beweisaufnahme unnötig belasten,
zumal es dazu regelmäßig der Hinzuziehung eines Gutachters oder sogar
mehrerer Sachverständiger bedürfte; es wäre bei den Massenverfahren wegen
Teilnahme am Kraftfahrzeugverkehr unter Alkoholeinfluß unverhältnismäßig
und ist auch kein Gebot der Einzelfallgerechtigkeit (vgl. BGHSt 45, 140, 147).
Ebenso zeigt aber auch die in Teilen der Rechtsprechung und des Schrifttums
für erforderlich gehaltene allgemeine Berücksichtigung von
Sicherheitsabschlägen, daß die rechnerischen Ergebnisse der dem
Betroffenen hiernach im Einzelfall (noch) vorzuwerfenden AAK (im
Ausgangsfall errechnet Bode in Anm. zu OLG Hamm zfs 2000, 463 sogar nur
0,17 mg/l) den Tatbestand des § 24a Abs. 1 StVG, soweit er sich auf die AAK-
Meßwerte bezieht, weitgehend leerlaufen lassen würde. Nichts spricht aber
dafür, daß der Gesetzgeber, der die Atemalkoholmessung im
Verkehrssicherheitsinteresse als beweissicheres Verfahren für den Nachweis
der Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 1 StVG eingeführt hat, dieses
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Verfahren durch überhöhte Anforderungen an den Nachweis der forensisch
verwertbaren AAK zum “stumpfen Schwert” hat entwerten wollen (vgl. BGHSt
38, 106, 110).
b) Davon abgesehen, ergibt auch die einfachrechtliche Auslegung des
§ 24a Abs. 1 StVG im übrigen, daß die ermittelten AAK-Meßwerte ohne
Sicherheitsabschläge der Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen des
§ 24a Abs. 1 StVG zugrundezulegen sind. Dies ist für die dort normierten BAK-
Grenzwerte in der Rechtsprechung anerkannt und folgt aus dem
grundlegenden Unterschied zwischen gesetzlich festgelegten Grenzwerten
einerseits und “Beweisgrenzwerten” der Rechtsprechung andererseits.
Gesetzlich festgelegte Grenzwerte binden die Rechtsprechung als unmittelbar
geltendes Recht. Die gesetzlichen Grenzwerte des § 24a Abs. 1 StVG sind
Tatbestandsmerkmal ohne Rücksicht auf eine individuelle Beeinträchtigung der
Fahrtüchtigkeit (Hentschel Straßenverkehrsrecht aaO StVG § 24a Rdn. 11, 24).
Sie spiegeln - anders als die von der Rechtsprechung durch den Senat
bestimmten Grenzwerte "absoluter" Fahruntüchtigkeit im Sinne des § 316 StGB
(BGHSt 5, 168; 21, 157; 34, 133; 37, 89) - nicht medizinisch-
naturwissenschaftliche Erfahrungssätze wider, die im Rahmen tatrichterlicher
Beweiswürdigung Beachtung finden, sondern erfüllen - unter der
Voraussetzung verfahrensbezogen ordnungsgemäßen Zustandekommens - bei
Vorliegen entsprechender Meßwerte für sich selbst die tatbestandlichen
Voraussetzungen.
Deshalb kommt es auch für die AAK-Meßwerte nur auf den von einem
den Bedingungen des Gutachtens entsprechenden Meßgerät gemessenen
Wert an, weil “die Unsicherheiten der Blutalkoholanalyse unmittelbar auch in
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die AAK-Grenzwerte ein(gehen)” (Gutachten aaO S. 21; ebenso Slemeyer BA
2000, 208). Das Bayerische Oberste Landesgericht begründet seine - vom
Senat geteilte (ebenso OLG Stuttgart BA 2000, 388) - Auffassung mit der im
Ergebnis zutreffenden Erwägung, daß in dem AAK-Grenzwert von 0,25 mg/l bei
Anwendung des vom Gesetzgeber (zugunsten der Betroffenen) gewählten
Umrechnungsfaktors von 1:2000 bereits ein umgerechneter
Sicherheitszuschlag von 0,05 mg/l und im AAK-Grenzwert von 0,4 mg/l unter
diesen Voraussetzungen ein solcher von 0,075 mg/l enthalten seien und diese
umgerechneten Sicherheitszuschläge bereits deutlich über den
Verkehrsfehlergrenzen nach der Eichordnung liegen. Es hat mit dieser
Erwägung Bezug genommen auf den in dem (bisherigen) BAK-Grenzwert von
0,8 ‰ enthaltenen Sicherheitszuschlag zum "Grundwert" (0,65 ‰) von 0,15 ‰
(vgl. BTDrs. 7/133 S. 5; BGHSt 28, 1, 3) bzw. auf den in dem BAK-Grenzwert
von 0,5 ‰ zum "Grundwert" (0,4 ‰) enthaltenen Sicherheitszuschlag von
0,1 ‰ (BTDrs. 13/1439 S. 4). Der Gesetzgeber hatte diese
Sicherheitszuschläge "für etwaige Abweichungen des festgestellten von dem
tatsächlichen Alkoholgehalt" in die BAK-Grenzwerte einbezogen, um zu
gewährleisten, daß "in der Praxis kein Anlaß dazu bestehen wird, den
gesetzlich festgelegten Wert nochmals um einen 'Sicherheitszuschlag' zu
verschieben" (BTDrs. 7/133 S. 5). Eine direkte Umrechnung dieser in den BAK-
Grenzwerten enthaltenen Sicherheitszuschläge in "entsprechende" AAK-Werte
kommt – wie dargelegt – allerdings nicht in Betracht. Eben aus diesem Grund
hat das Gutachten des Bundesgesundheitsamtes “anstelle” eines
Sicherheitszuschlages für die AAK-Grenzwerte einen “Sicherheitsfaktor” Q
eingeführt, der sicherstellen soll, “daß mit einer vorzugebenden
Wahrscheinlichkeit w ein gemessener AAK-Wert statistisch betrachtet unter
dem AAK-Grenzwert liegt, falls ein gleichzeitig gemessener BAK-Wert den
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BAK-Grenzwert erreicht” (Gutachten aaO S. 21). Der der “Umrechnung” von
AAK in BAK im angenommenen Verhältnis von 1:2000 zugrundeliegende
Sicherheitsfaktor Q = 2,0 ist somit selbst Teil der mit 75 % angesetzten
Wahrscheinlichkeitsvorgabe (Gutachten aaO S. 22/23). Diese Vorgabe hat der
Gesetzgeber übernommen. Sie gehört damit zu den normativen Festlegungen,
die bei der Anwendung des § 24a Abs. 1 StVG Beachtung verlangen.
c) Deshalb sind die AAK-Meßwerte unter der Voraussetzung unmittelbar,
d.h. ohne Abschlag, forensisch verwertbar, daß diese aufgrund eines
Verfahrens gewonnen sind, das den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Dies
und die Zuverlässigkeit der Messungen werden durch die Bauartzulassung der
zur amtlichen Überwachung im Straßenverkehr eingesetzten
Atemalkoholmeßgeräte durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt
(PTB) und deren halbjährliche Eichung garantiert (§§ 1 Nr. 2, 2 Abs. 1 EichG,
§§ 12 Abs. 1 i.V.m. Anh. B Nr. 18.5, 32 Abs. 1 EichO). Daß die technischen
Mindestanforderungen an die Beweissicherheit der verwendeten Meßgeräte
nicht durch ein förmliches Gesetz normiert sind (vgl. Empfehlung 38. VGT
2000, S. 10 Nr. 4) und die der Bauartzulassung zugrunde liegende Norm DIN
VDE 0405 auch keinen Verordnungscharakter (vgl. BGHSt 28, 1, 4) hat, führt
zu keinem anderen Ergebnis; denn der Gesetzgeber hat ausdrücklich auf die
Vorgaben des Gutachtens Bezug genommen. Diesen Vorgaben an die
Qualitätssicherung trägt die Bauartzulassung der zum Einsatz kommenden
Geräte durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) und deren
Eichung Rechnung (vgl. zum Meßgerät Dräger Alcostest Evidential MK III
Knopf/Slemeyer/Klüß NZV 2000, 195; Hentschel Trunkenheit
Fahrerlaubniserziehung Fahrverbot 8. Aufl., 2000, Rdn. 124, 126; König in LK
aaO § 316 Rdn. 51 f.; insoweit zust. auch Seier NZV 2000, 434).
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d) Durchgreifende Einwände gegen die forensische Verwertbarkeit der
mit einem bauartzugelassenen und geeichten Atemalkoholtestgerät ermittelten
AAK-Werte ohne Berücksichtigung allgemeiner Sicherheitsabschläge ergeben
sich auch nicht aus den durch die Rechtsprechung des Senats entwickelten
Standards für die Anforderungen an beweiskräftige BAK-Ergebnisse. Diese
Qualitätsanforderungen an die Blutprobe (arithmetischer Mittelwert aus fünf
Einzeluntersuchungen zweier unterschiedlicher Meßverfahren
ADH> bzw. aus vier Einzeluntersuchungen nach dem GC-
und dem ADH-Verfahren) gehen auf das Gutachten des
Bundesgesundheitsamtes “Alkohol bei Verkehrsstraftaten” von 1966
(Gutachten 1966 aaO) zurück, das der Festlegung der “Beweisgrenzwerte” der
“absoluten” Fahruntüchtigkeit im Sinne der §§ 315c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a),
316 Abs. 1 StGB durch den Senat zugrundeliegt (BGHSt 21, 157; 37, 89).
Insoweit zwang die Annahme eines den Tatrichter im Rahmen der
Beweiswürdigung bindenden medizinisch-naturwissenschaftlichen
Erfahrungssatzes dazu, an das Vorliegen von dessen tatsächlichen
Voraussetzungen in Gestalt einer bestimmten BAK mit Blick auf den
Zweifelsgrundsatz besonders hohe Anforderungen zu stellen. Zwar hat der
Senat diese Qualitätsanforderungen auch für die Ermittlung der für den
Bußgeldtatbestand des § 24a StVG a.F. maßgebenden BAK bestätigt (BGHSt
28, 1). Doch läßt sich daraus nicht herleiten, daß der Gesetzgeber diese
Standards auch für die Ermittlung von Grenzwerten vorgeben muß – und
vorgegeben hat –, die zwar in einem inneren Zusammenhang mit den BAK-
Werten stehen, aber davon unabhängig sind und auf grund eines
andersartigen Meßverfahrens gewonnen werden (fehlerhaft deshalb AG
München NZV 2000, 180 mit abl.Anm. Schmalz und Schoknecht).
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Ob der Einwand gerechtfertigt ist, die AAK-Messung unterliege im
Ergebnis qualitativ geringeren Anforderungen als die auf vier Einzelwerten
beruhende BAK-Messung (vgl. dazu Bode BA 1999, 249, 259 f.; ders. Anm. zu
AG Kitzingen und AG München zfs 2000, 171, 172 f.; ders. Anm. zu BayObLG
zfs 2000, 313, 316 f.; Löhle NZV 2000, 189, 194; Wilske NZV 2000, 399, 400;
dagegen Knopf/Slemeyer/Klüß NZV 2000, 195, 197; Knopf NZV 2000, 458 ff.),
kann dahinstehen. Jedenfalls ergibt sich mit Blick auf die gesetzgeberischen
Vorgaben kein Anlaß – und ist die Rechtsprechung auch nicht legitimiert –, die
durch das Gesetz festgelegten AAK-Grenzwerte durch Berücksichtigung von
verfahrensbezogenen allgemeinen Sicherheitsabschlägen zu "relativieren".
3. Ein genereller Sicherheitsabschlag ist deshalb entgegen der
Auffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts auch nicht für den
Hystereseeinfluß und in Höhe der Verkehrsfehlergrenze geboten.
a) Die Hysteresis, nämlich der Einfluß, den eine Messung bei hoher
Konzentration auf die nachfolgende Messung bei niedriger Konzentration
ausübt, darf nach dem Gutachten des Bundesgesundheitsamtes 4 % bezogen
auf die niedrige Konzentration nicht überschreiten (Gutachten aaO S. 9, 25 f.);
diese Vorgabe ist bei Festlegung der AAK-Grenzwerte bereits berücksichtigt.
Deshalb ist für eine Berücksichtigung des Hystereseeinflusses durch Ansatz
eines allgemeinen Sicherheitsabschlages kein Raum (zu neuerer Auswertung
von Meßergebnissen mit dem Gerät Dräger Alcotest 7110 Evidential MK III vgl.
Schoknecht/Knopf/Klüß BA 2000, 449 ff.).
b) In gleicher Weise kommt auch ein genereller Sicherheitsabschlag in
Höhe der Verkehrsfehlergrenze (nach § 33 Abs. 4 EichO i.V.m. Anl. 18
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Abschn. 7 Nr. 3.1 und 3.2 das 1 ½ - fache der Eichfehlergrenze, die sowohl die
Standard- als auch die systematische Abweichung der Anzeige eines
geeichten Gerätes vom Sollwert enthält; vgl. Slemeyer BA 2000, 205) nicht in
Betracht. Die Einhaltung der Verkehrsfehlergrenze ist Bestandteil der
Bauartzulassung und wird durch die Eichung der eingesetzten Geräte
garantiert (§§ 1 Nr. 2, 2 Abs. 1 EichG, § 32 Abs. 1 EichO; vgl. BayObLG NZV
2000, 297).
c) Auch wenn allgemeine Sicherheitszuschläge zu den gesetzlichen
Grenzwerten bzw. - was dem hinsichtlich der verwertbaren Ergebnisse
gleichkommt - entsprechende Sicherheitsabschläge von dem mittels eines
bauartzugelassenen und geeichten Atemalkoholmeßgerät gemessenen AAK-
Mittelwert nicht veranlaßt sind, schließt dies nicht aus, daß im Einzelfall
konkrete Anhaltspunkte für einen Meßfehler bestehen oder behauptet werden
können, denen das Gericht im Rahmen seiner Aufklärungspflicht oder auf
einen entsprechenden Beweisantrag hin nachzugehen hat (vgl. BGHSt 39,
291, 300). Eine generelle Berücksichtigung von möglicherweise störenden
Einflußfaktoren ist dagegen auch nicht in Ansehung des Zweifelsgrundsatzes
geboten.
Allein aufgrund eines auf allgemeinen Erwägungen ohne behauptete
Meßfehler im Einzelfall vorgenommenen Abzugs vom gemessenen AAK-Wert
durfte das Amtsgericht im Ausgangsfall somit nicht von einem niedrigeren AAK-
Wert als 0,41 mg/l ausgehen.
d) Der Senat schreibt damit nicht zugleich die Voraussetzungen fest,
unter denen die Rechtsprechung auch die Atemalkoholanalyse als hinreichend
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zuverlässiges Beweismittel zur abschließenden Feststellungen
alkoholbedingter "absoluter" Fahruntüchtigkeit nach § 316 StGB anerkennt (so
die Befürchtung von Seier NZV 2000, 433, 434 f.). In bisher veröffentlichten
Entscheidungen hat die Rechtsprechung jedenfalls eine Verurteilung wegen
"absoluter" Fahruntüchtigkeit nach § 316 StGB allein aufgrund eines den
Grenzwert von 0,55 mg/l erreichenden bzw. übersteigenden AAK-Wertes auch
abgelehnt (vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 29. November 2000, zfs 2001, 135
mit Anm.Bode, und Beschlüsse vom 5. Dezember 2000, zfs 2001, 136 = NStZ-
RR 2001, 105 und zfs 2001, 137).
Meyer-Goßner Maatz
Kuckein
Athing Ernemann
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
BGHR: ja
StVG § 24a Abs. 1
Bei der Bestimmung der Atemalkoholkonzentration im Sinne von § 24a
Abs. 1 StVG unter Verwendung eines Atemalkoholmeßgerätes, das die
Bauartzulassung für die amtliche Überwachung des Straßenverkehrs
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erhalten hat, ist der gewonnene Meßwert ohne Sicherheitsabschläge
verwertbar, wenn das Gerät unter Einhaltung der Eichfrist geeicht ist und
die Bedingungen für ein gültiges Meßverfahren gewahrt sind.
BGH, Beschluß vom 3. April 2001 – 4 StR 507/00 – Oberlandesgericht
Hamm
Amtsgericht Bottrop