Urteil des BGH vom 28.05.2004

BGH (verurteilung, stgb, nachteil, stpo, rüge, beurteilung, nötigung, zweck, auslegung, resozialisierung)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 569/04
vom
8. März 2005
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-
anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8. März 2005 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
1.
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des
Landgerichts Hagen vom 28. Mai 2004 wird verworfen.
2.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels
zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung zu ei-
ner Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Ferner hat es
seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die hiergegen
gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und
materiellen Rechts rügt, ist unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils kei-
nen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der
Erörterung bedarf nur die Rüge zu § 51 Abs. 1 BZRG:
Die Revision beanstandet, daß das Landgericht bei der Prüfung der Fra-
ge, ob bei dem Angeklagten ein Hang im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB
besteht, ein Geschehen aus dem Jahre 1984 mitberücksichtigt hat. Der damals
7-jährige Angeklagte hatte gemeinsam mit einem Spielkameraden ein
4-jähriges Kind zunächst mit dem Gesicht nach unten in einen Sandkasten ge-
legt und es mit Sand zugedeckt. Anschließend sprang der Angeklagte vom
Rand des Sandkastens mit den Füßen auf den Kopf des Kindes, das dadurch
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zu Tode kam. Die Revision vertritt die Auffassung, dieser Vorfall könne in ent-
sprechender Anwendung des § 51 Abs. 1 BZRG nicht verwertet werden. Dem
Angeklagten könne es nicht zum Nachteil gereichen, daß er zum Zeitpunkt des
Geschehens noch strafunmündig war. Wäre er wegen dieser Tat bestraft wor-
den, so wäre die entsprechende Verurteilung bereits aus dem Strafregister ge-
tilgt worden. Nach § 51 Abs. 1 BZRG hätte dann die Tat auch nicht bei der Be-
urteilung des Hanges im Rahmen des § 66 StGB zu seinem Nachteil verwertet
werden dürfen.
Die Rüge ist unbegründet. Die Bestimmung des § 51 Abs. 1 BZRG setzt
nach ihrem klaren Wortlaut eine Verurteilung voraus. Eine erweiternde Ausle-
gung dieser Ausnahmevorschrift auf Fälle, in denen eine Verurteilung nicht
erfolgt ist, verbietet sich. Zweck des Verwertungsverbots in § 51 Abs. 1 BZRG
ist es, den Verurteilten vom Strafmakel zu befreien und dadurch seine Resozia-
lisierung zu fördern (vgl. Rebmann/Uhlig BZRG § 51 Rdn. 1; Götz/Tolzmann
BZRG 4. Aufl. § 51 Rdn. 4). Dieser Normzweck greift nicht, wenn eine Verurtei-
lung nicht stattgefunden hat. Der Bundesgerichtshof hat daher ein Verwer-
tungsverbot in einem Fall verneint, in dem das frühere Verfahren durch Einstel-
lung geendet hatte (BGHSt 25, 64). Dies hat erst recht zu gelten, wenn es –
wie im vorliegenden Fall – nicht einmal zur Durchführung eines Strafverfahrens
gekommen ist.
Der Senat braucht daher hier nicht die Frage zu entscheiden, ob § 51
Abs. 1 BZRG auch der Berücksichtigung von getilgten oder tilgungsreifen Ver-
urteilungen bei der Beurteilung des Hanges im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3
StGB entgegensteht (so BGH, Beschl. vom 4. Oktober 2000 – 2 StR 352/00 =
StV 2002, 479; vgl. hierzu auch Rebmann/Uhlig aaO § 51 Rdn. 42). Dagegen
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könnte mit Blick auf § 52 Abs. 1 Nr. 2 BZRG sprechen, daß gemäß § 246 a
StPO die Anordnung einer Maßregel nach § 66 StGB das Gutachten eines
Sachverständigen voraussetzt, der zu den Persönlichkeitsmerkmalen des An-
geklagten, die einen Hang begründen können, in der Hauptverhandlung zu hö-
ren ist.
VRi'inBGH Dr. Tepperwien ist Maatz Athing
krankheitshalber verhindert zu
unterschreiben
Maatz
Ernemann Sost-Scheible