Urteil des BGH vom 19.01.2000

BGH (klage auf zahlung, erblasser, gesetzlicher erbe, höhe, verhandlung, vater, zahlung, sache, erbe, betrag)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 157/98
Verkündet am:
19. Januar 2000
Schick
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsit-
zenden Richter Dr. Schmitz, die Richter Römer, Dr. Schlichting, Seiffert,
und die Richterin Ambrosius auf die mündliche Verhandlung vom
19. Januar 2000
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 18. Zi-
vilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 30. April
1998 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die
Klage in Höhe von 74.153,91 DM nebst 4% Zinsen seit
21. Dezember 1994 abgewiesen worden ist.
Soweit die Beklagten durch das Urteil des Landgerichts
Aachen vom 25. Juni 1997 zur Zahlung von
26.519,04 DM nebst 4% Zinsen seit 21. Dezember 1994
verurteilt worden sind, wird ihre Berufung zurückgewie-
sen. Auf die Berufung der Kläger werden die Beklagten
als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger über den
rechtskräftig zuerkannten Betrag von 296,26 DM nebst
4% Zinsen seit 21. Dezember 1994 hinaus weitere
29.634,87 DM nebst 4% Zinsen seit 21. Dezember 1994
zu zahlen.
W egen eines Betrages von 18.000 DM nebst 4% Zinsen
seit 21. Dezember 1994 wird die Sache zur anderweiten
Verhandlung und Entscheidung, auch über die gesam-
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ten Kosten des Rechtsstreits einschließlich der des Re-
visionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückver-
wiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kläger machen gegen die Beklagten als Erben ihres Vaters H.
S. Schadensersatzansprüche aus dessen Tätigkeit als Testamentsvoll-
strecker geltend.
Am 15. September 1987 starb Dr. med. G. R.. Er war nicht verhei-
ratet und hatte keine Nachkommen. Die Kläger sind die Kinder seines
Bruders W . R.. Dieser war ausweislich der in den beigezogenen Nach-
laßakten befindlichen Sterbeurkunde am 24. Oktober 1975 gestorben.
Die Eltern und zwei weitere Brüder des Erblassers waren ebenfalls vor
ihm gestorben. Der Erblasser hatte vier handschriftliche Testamente
unter dem 3. Februar 1970, 2. Dezember 1975, 3. Juli 1979 und 1. April
1985 errichtet. Darin hatte er zuletzt etwa 65 Personen mit über 80 ein-
zelnen Zuwendungen bedacht. Als Testamentsvollstrecker hatte er den
Vater der Beklagten eingesetzt, seinen langjährigen Freund und Mitar-
beiter in seinem medizinisch-diagnostischen Labor. Den Klägern wurde
im Februar 1990 ein Erbschein erteilt, der sie als Erben je zur Hälfte
ausweist. Durch Beschluß des Nachlaßgerichts vom 20. Dezember 1990
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wurde der Testamentsvollstrecker auf Antrag der Kläger wegen grober
Pflichtverletzungen aus seinem Amt entlassen.
Die auf mehrere Schadensersatzansprüche gestützte Klage auf
Zahlung von insgesamt 229.521,03 DM hatte beim Landgericht in Höhe
von 73.815,30 DM Erfolg. Die auf Zahlung weiterer 129.634,87 DM ge-
richtete Berufung der Kläger wurde zurückgewiesen. Auf die Berufung
der Beklagten wurde die Klage bis auf einen nicht angegriffenen Betrag
von 296,26 DM nebst Zinsen abgewiesen. Mit der Revision verfolgen die
Kläger die im Berufungsverfahren gestellten Anträge weiter, hilfsweise
beantragen sie Hinterlegung der Klagesumme zugunsten der Kläger und
etwaiger weiterer Erben.
Der Senat hat die Revision lediglich wegen drei Schadensersatz-
ansprüchen in Höhe von insgesamt 74.153,91 DM nebst Zinsen ange-
nommen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat im Umfang der Annahme Erfolg. Die Beklagten
haben als Erben des Testamentsvollstreckers den Klägern nach
§§ 2219, 1922, 1967 BGB Schadensersatz zu leisten. W egen des vom
Testamentsvollstrecker an Rechtsanwalt B. gezahlten Honorars von
29.634,87 DM für die Einsprüche gegen die Erbschaftsteuerbescheide
und der Entnahmen aus dem Nachlaß in Höhe von 26.519,04 DM nebst
4% Zinsen seit 21. Dezember 1994 ist die Sache entscheidungsreif, so
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daß dem Zahlungsantrag stattzugeben ist. W egen der Verwendung des
Verkaufserlöses für den Ford Scorpio von 18.000 DM für eigene Zwecke
des Testamentsvollstreckers ist die Sache zur Klärung des Schenkungs-
einwands der Beklagten an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
I. 1. Das Berufungsgericht hat diese Ansprüche abgewiesen, weil
es den Klägern nicht gelungen sei darzutun, daß sie Alleinerben gewor-
den seien. Da der Nachlaß geschädigt sei, könnten sie Leistung nicht an
sich, sondern nur an die namentlich zu bezeichnende Erbengemein-
schaft verlangen. Aus den Testamenten lasse sich nicht entnehmen, daß
ausschließlich die Kläger, nicht aber sonstige Bedachte Erben sein
sollten. Es könne entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht ange-
nommen werden, diese seien gesetzliche Erben und die Testamente
enthielten ausschließlich Vermächtnisse. Damit passe nicht zusammen,
daß zur Zeit der Testamentserrichtung gesetzlicher Erbe W . R. gewesen
sei, der Bruder des Erblassers und Vater der Kläger, wie diese in der
mündlichen Verhandlung selbst vorgetragen hätten. Deshalb hätten die
Kläger seinerzeit nicht im W ege der gesetzlichen Erbfolge, sondern nur
mit Hilfe der vorliegenden Testamente Erben werden können. Darin habe
der Erblasser aber nicht zum Ausdruck gebracht, daß ausschließlich die
Kläger Erben und die übrigen Bedachten Vermächtnisnehmer sein soll-
ten.
2. Dagegen wendet sich die Revision zu Recht. Die Kläger sind
kraft gesetzlicher Erbfolge nach § 1925 BGB die alleinigen Erben ihres
Onkels Dr. G. R.. Dessen Testamente enthalten keine Erbeinsetzungen,
sondern nur Vermächtnisse.
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a) Die Testamentsauslegung des Berufungsgerichts ist rechtsfeh-
lerhaft. Sie beruht auf der verfahrensfehlerhaften Annahme, im Zeitpunkt
der Errichtung der für die Entscheidung maßgeblichen Testamente vom
2. Dezember 1975, 3. Juli 1979 und 1. April 1985 wären nicht die Kläger
gesetzliche Erben gewesen, sondern W . R., ihr Vater und Bruder des
Erblassers. Das steht im W iderspruch zu dem im Tatbestand des Beru-
fungsurteils in Bezug genommenen sonstigen Prozeßstoff und ist offen-
sichtlich unrichtig und daher für das Revisionsgericht nicht bindend. Es
ist schon nicht klar, auf welchen Vortrag in der mündlichen Verhandlung
sich das Berufungsgericht stützt. Die Kläger selbst haben sich dazu nicht
geäußert, denn sie waren nicht anwesend. W as ihre Prozeßbevollmäch-
tigte erklärt hat, ist aus dem Protokoll nicht ersichtlich und läßt sich auch
dem Berufungsurteil nicht hinreichend entnehmen. Dem steht gegen-
über, daß zwischen den Parteien nie streitig war und auch von der Revi-
sionserwiderung nicht bezweifelt wird, daß W . R. vor Abfassung der
maßgeblichen Testamente gestorben war. Damit übereinstimmend heißt
es im ersten Satz des Testaments vom 2. Dezember 1975: "Der plötzli-
che Tod meines Bruders W . läßt es mir geboten erscheinen, für den Fall
meines Todes die folgenden Bestimmungen zu treffen." Durch die in den
beigezogenen Nachlaßakten befindliche Sterbeurkunde ist dokumentiert,
daß W . R. am 24. Oktober 1975 verstorben ist.
b) An der gesetzlichen Erbfolge hat der Erblasser durch die Te-
stamente nichts geändert.
aa) Nach der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB ist im
Zweifel nicht anzunehmen, daß der Bedachte, dem nur einzelne Gegen-
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stände zugewendet worden sind, Erbe sein soll, auch wenn er als Erbe
bezeichnet worden ist. Diese Vorschrift greift dann nicht ein, wenn die
Auslegung des Testaments ergibt, daß trotz Zuwendung nur einzelner
Gegenstände eine Erbeinsetzung der mit diesen Gegenständen Be-
dachten anzunehmen ist. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn der
Erblasser sein Vermögen vollständig den einzelnen Vermögensgegen-
ständen nach verteilt hat, wenn er dem Bedachten die Gegenstände zu-
gewendet hat, die nach seiner Vorstellung das Hauptvermögen bilden,
oder nur Vermächtnisnehmer vorhanden wären und nicht anzunehmen
ist, daß der Erblasser überhaupt keine Erben berufen und seine Ver-
wandten oder seinen Ehegatten als gesetzliche Erben ausschließen
wollte (BGH, Urteile vom 19. Januar 1972 - IV ZR 1208/68 - DNotZ 1972,
500 und vom 22. März 1972 - IV ZR 134/70 - FamRZ 1972, 561 unter 3;
MünchKomm/Schlichting, 3. Aufl. § 2087 Rdn. 6 ff.).
bb) Im vorliegenden Fall greift die Auslegungsregel des § 2087
Abs. 2 BGB ein mit der Folge, daß die Zuwendungen in den Testamen-
ten vom 1. April 1985, 3. Juli 1979 und - soweit durch die späteren Te-
stamente nicht überholt - vom 2. Dezember 1975 nur als Vermächtnisse
und nicht als Erbeinsetzung anzusehen sind. Der Erblasser hat über ei-
nen erheblichen Teil seines Gesamtvermögens im W ert von circa
2,5 Mio. DM nicht testamentarisch verfügt. Er hat zwar seinen Grundbe-
sitz verteilt, aber Bankguthaben und W ertpapiere von circa 400.000 DM
bewußt unverteilt gelassen. Er hat auch nicht einer oder wenigen Perso-
nen den Hauptteil seines Vermögens gegenständlich zugewendet. Er hat
etwa 65 Personen mit über 80 einzelnen Zuwendungen bedacht. Den
Grundbesitz hat er in Bruchteilen 12 Personen zugewendet. Die Vermö-
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genswerte bei der Deutschen Bank in Höhe von circa 1 Mio. DM wurden
zu 80% an 48 verschiedene Personen verteilt zu Prozentsätzen zwi-
schen 3% und 0,5%. Über Hausrat und sonstige persönliche Gegenstän-
de im W ert von circa 24.000 DM hat der Erblasser etwa 40 Verfügungen
zugunsten verschiedener Personen getroffen. Insgesamt gesehen sind
die Zuwendungen an die einzelnen Bedachten in der Summe der W erte
zwar sehr unterschiedlich ausgefallen. Dennoch kann daraus nicht
zweifelsfrei abgeleitet werden, daß zugunsten bestimmter Personen Er-
beinsetzungen und zugunsten anderer nur Vermächtnisanordnungen ge-
troffen worden sind. Selbst wenn man in die Betrachtung nur den minde-
stens 12 bis 15 Personen umfassenden Kreis der mit größeren Vermö-
genswerten Bedachten einbezieht, müßte jede Differenzierung nach Er-
ben und Vermächtnisnehmern willkürlich erscheinen. Den Testamenten
ist schließlich auch nicht zu entnehmen, daß der Erblasser die Kläger
von der gesetzlichen Erbfolge ausschließen wollte. Dagegen spricht
schon, daß sie in den Testamenten am besten bedacht worden sind.
II. 1. Die Beklagten haben den Klägern das an Rechtsanwalt B.
aus dem Nachlaß gezahlte Honorar von 29.634,87 DM zu ersetzen. Es
war eine schuldhafte Pflichtverletzung des Testamentsvollstreckers, ei-
nen Rechtsanwalt damit zu beauftragen, gegen die 65 Erbschaft-
steuerbescheide Einspruch einzulegen. Die Bescheide wurden zwar dem
Testamentsvollstrecker zugestellt, Steuerschuldner waren aber die Ver-
mächtnisnehmer. Zwar hat auch der Testamentsvollstrecker nach §§ 31
Abs. 5, 32 Abs. 1 des Erbschaftsteuergesetzes Pflichten. Er muß die
Steuererklärung abgeben (vgl. dazu jetzt aber BFH NJW -RR 1999,
1594 f.) und für die Bezahlung der Erbschaftsteuer sorgen. Bei einer
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grob fahrlässigen Verletzung dieser Pflichten kann gegen ihn ein Haf-
tungsbescheid nach § 69 AO ergehen. Darum ging es hier aber nicht.
Die Steuererklärung war abgegeben. Der Testamentsvollstrecker mußte
jetzt nur noch darauf achten, daß nicht der gesamte Nachlaß verteilt
wird, bevor die Steuern bezahlt sind. Ferner mußte er die Steuerbe-
scheide den Vermächtnisnehmern so rechtzeitig übermitteln, daß diese
die Einspruchsfrist noch wahren konnten. Um insoweit ganz sicher zu
gehen, kann ihm nicht als ermessensfehlerhaft vorgeworfen werden, zur
Fristwahrung selbst für die Einlegung des Einspruchs gesorgt zu haben.
Da Zweifel an der Berechtigung der Steuerforderungen nicht bestanden,
hätte es aber genügt, wenn der Testamentsvollstrecker selbst Einspruch
eingelegt hätte. Daß für die Einlegung eines solchen nur vorsorglichen
und nicht mit einer Begründung versehenen Einspruchs die Einschaltung
eines Rechtsanwalts überflüssig ist, mußte sich dem in kaufmännischen
Angelegenheiten erfahrenen Testamentsvollstrecker aufdrängen. Für ei-
nen Schaden, der durch erkennbar überflüssige und leichtfertige Pro-
zeßführung entsteht, hat der Testamentsvollstrecker einzustehen (BGH,
Urteil vom 7. November 1966 - III ZR 48/66 - W M 1967, 25 unter III 2).
2. Gegen die den Klägern vom Landgericht zugesprochene Er-
stattung von 26.519,04 DM unbelegter Entnahmen aus dem Nachlaß
hatten die Beklagten im Berufungsverfahren keine sachlichen Einwen-
dungen erhoben. Sie hatten vielmehr in Aussicht gestellt, den Betrag bei
Umstellung des Antrags auf Zahlung an die Erbengemeinschaft anzuer-
kennen.
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3. Ob der Testamentsvollstrecker den Erlös aus dem Verkauf des
Ford Scorpio für sich verwenden durfte, ist noch durch Vernehmung der
von den Beklagten benannten Zeugen I. und E. R. zu klären. Das Land-
gericht hatte die Beklagten zum Ersatz verurteilt, weil der Schenkungs-
einwand nicht ausreichend substantiiert sei. Da die Beklagten zu der be-
haupteten Schenkung des PKW durch den Erblasser an ihren Vater aus
eigener Kenntnis nichts sagen können, kann eine weitere Substantiie-
rung von ihnen nicht verlangt werden.
Dr. Schmitz Römer Dr. Schlichting
Seiffert Ambrosius