Urteil des BGH vom 09.02.2000

BGH (bedrohung, totschlag, schuldspruch, bestand, stgb, stpo, verbrechen, vollendung, behandlung, versuch)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 639/99
vom
9. Februar 2000
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und des Beschwerdeführers gemäß §§ 349 Abs. 2 und 4, 354
Abs. 1 StPO am 9. Februar 2000 einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Köln vom 15. September 1999 im Schuldspruch dahin
geändert, daß der Angeklagte tateinheitlich mit dem versuchten
Totschlag nicht der Bedrohung, sondern der gefährlichen Kör-
perverletzung schuldig ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in
Tateinheit mit Bedrohung (Fall N.), wegen versuchter gefährlicher Körperver-
letzung in Tateinheit mit Bedrohung (Fall M.) sowie wegen Widerstands gegen
Vollstreckungsbeamte zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.
Die mit der Sachrüge begründete Revision des Angeklagten führt zu der aus
der Beschlußformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs im Fall N.; im
übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.
1. Der Angeklagte stach nachts auf der Straße mit einem Messer mit
mäßiger Wucht auf seine frühere Verlobte N. ein und rief dabei: ”Ich mach‘
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Dich kalt!”. Er nahm billigend in Kauf, daß er Frau N. hätte töten können. Auf-
grund einer kurzen Unachtsamkeit des Angeklagten konnte sich Frau N. nach
dem Stich losreißen und fliehen. Sie erlitt am Hals eine bis zu zwei Zentimeter
tiefe Schnittwunde in der Nähe der Halsschlagader.
2. a) Bei diesem Tathergang hat der Schuldspruch wegen Bedrohung
(tateinheitlich begangen mit versuchtem Totschlag) keinen Bestand. Der ver-
suchte Totschlag und die Bedrohung stehen nicht im Verhältnis der Tateinheit,
vielmehr besteht Gesetzeskonkurrenz. Trifft die Bedrohung - wie im vorliegen-
den Fall - zeitlich unmittelbar mit dem Versuch oder der Vollendung des ange-
drohten Verbrechens zusammen, tritt die Bedrohung hinter dem angedrohten
Verbrechen zurück (vgl. BGH GA 1977, 306; NStZ 1984, 454; bei Miebach
NStZ 1994, 225; bei Holtz MDR 1979, 281; Schäfer in LK 10. Aufl. § 241
Rdn. 14; Eser in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 241 Rdn. 16 jeweils
m.w.N.).
b) Der Angeklagte hat jedoch stattdessen tateinheitlich mit dem ver-
suchten Totschlag eine gefährliche Körperverletzung (mittels eines gefährli-
chen Werkzeugs und einer das Leben gefährdenden Behandlung) begangen
(§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB). Die mit dem versuchten Totschlag zusam-
mentreffende Körperverletzung tritt nicht zurück, sondern steht dazu in Tatein-
heit (BGHSt 44, 196 unter Aufgabe von BGHSt 16, 122; 21, 265; 22, 248). Der
Schuldspruch ist daher um den Vorwurf der tateinheitlich begangenen gefährli-
chen Körperverletzung zu ergänzen. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da
sich der Angeklagte bei einem vorherigen Hinweis nicht erfolgreicher hätte
verteidigen können.
3. Im Fall M. hat der Schuldspruch wegen Bedrohung (in Tateinheit mit
versuchter gefährlicher Körperverletzung) dagegen Bestand, weil der Ange-
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klagte hier nicht mit der Begehung des angedrohten Verbrechens, sondern (le-
diglich) eines Vergehens begonnen hat.
4. Der Strafausspruch kann bestehen bleiben, weil auszuschließen ist,
daß das Landgericht auf der Grundlage des geänderten Schuldspruchs eine
geringere Einzel- und Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte.
Jähnke Niemöller Bode
Otten Rothfuß