Urteil des BGH vom 13.03.2017

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Xa ZR 73/07 Verkündet
am:
22. April 2010
Anderer
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
§§ 528, 818, 196 BGB
Erreicht der Unterhaltsbedarf nicht den Wert des geschenkten Grundstücks-
rechts, unterliegt auch der Teilwertersatz für einen Schenkungsrückforderungs-
anspruch der zehnjährigen Verjährung gemäß § 196 BGB.
BGH, Urteil vom 22. April 2010 - Xa ZR 73/07 - OLG Stuttgart
LG Ulm
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Der Xa-Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche
Verhandlung vom 22. April 2010 durch die Richter Prof. Dr. Meier-Beck,
Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. Bacher und
Hoffmann
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandes-
gerichts Stuttgart vom 3. Mai 2007 wird auf Kosten des Beklagten
zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger macht gegen den Beklagten aus übergeleitetem Recht
Ansprüche zur Rückforderung einer Schenkung geltend.
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Am 26. Januar 1981 und 18. Oktober 1982 verkauften der Beklagte
und seine Ehefrau ihre Miteigentumsanteile an einem Grundstück jeweils
zur Hälfte an die Mutter des Beklagten und deren Ehemann gegen Zah-
lung eines Kaufpreises (Kaufvertrag vom 26.01.1981) bzw. gegen Über-
nahme eines durch das Grundstück gesicherten Darlehens (Kaufvertrag
vom 18.10.1982).
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Mit notariellem Überlassungsvertrag vom 21. Januar 1999 übertrug
die Mutter des Beklagten ihren hälftigen Miteigentumsanteil an dem An-
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wesen teilweise gegen Gegenleistung, im Übrigen schenkungshalber auf
den Beklagten.
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Mit weiterem notariellen Überlassungsvertrag vom 29. Juli 1999
übertrug die Mutter des Beklagten auch den zweiten Miteigentumsanteil
an dem Grundstück, den sie zuvor von ihrem zwischenzeitlich von ihr ge-
schiedenen Ehemann übertragen bekommen hatte, unentgeltlich auf den
Beklagten.
Der Kläger gewährt der Mutter des Beklagten als überörtlicher So-
zialhilfeträger seit dem 1. August 2001 Hilfe zur Pflege in einem Pflege-
zentrum sowie einen Barbetrag. Mit Überleitungsbescheid vom 21. April
2005 leitete er den Anspruch der Hilfeempfängerin auf Rückforderung der
Schenkung auf sich über.
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Mit der Klage begehrt der Kläger Zahlung in Höhe der von ihm er-
brachten Sozialhilfeleistungen nebst Zinsen und stützt sich hierfür auf den
Überlassungsvertrag vom 29. Juli 1999, hilfsweise auf denjenigen vom
21. Januar 1999. Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben
und hilfsweise die Aufrechnung mit Gegenansprüchen wegen zugunsten
seiner Mutter verauslagter Pflegeheimkosten, Rechtsanwaltskosten und
sonstiger laufender Kosten erklärt.
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Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Die
hiergegen eingelegte Berufung des Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte weiter
das Ziel einer Klageabweisung.
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Entscheidungsgründe:
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I. Das
Berufungsgericht
hat
dem Kläger den geltend gemachten
Rückforderungsanspruch zugebilligt. Es ist der Auffassung, bei der Über-
tragung des hälftigen Miteigentumsanteils an dem Grundstück durch den
notariellen Vertrag vom 29. Juli 1999 habe es sich um eine Schenkung
gehandelt, denn gemäß Nr. III dieses Vertrags sei die Übertragung un-
entgeltlich erfolgt. Angesichts des klaren Wortlauts der Vereinbarung be-
stehe kein Anlass, die notarielle Urkunde auszulegen. Im Übrigen könn-
ten für eine Auslegung formbedürftiger Verträge nur solche Umstände
berücksichtigt werden, die in der Urkunde einen, wenn auch unvollkom-
menen Ausdruck gefunden hätten. Für eine Auslegung, wonach die Mut-
ter des Beklagten, wie vom Beklagten behauptet, mit der Übertragung
eine Schuld ihres früheren Ehemanns habe tilgen wollen, finde sich in der
Urkunde indessen kein Anhaltspunkt.
Der Schenkungsrückforderungsanspruch sei auf Teilwertersatz ge-
richtet. Die Klageforderung bleibe auch unter Berücksichtigung der von
dem Beklagten geltend gemachten Verwendungen hinter dem Wert des
durch notariellen Vertrag vom 29. Juli 1999 übertragenen Miteigentums-
anteils zurück.
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Der Anspruch des Klägers sei nicht verjährt. Er unterliege der für
grundstücksbezogene Ansprüche geltenden zehnjährigen Verjährungs-
frist gemäß § 196 BGB. Grundsätzlich sei der Rückforderungsanspruch
gemäß § 528 Abs. 1 Satz 1, § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Naturalrückga-
be gerichtet. Sei der Bedarf des Schenkers geringer als der Wert des ge-
schenkten Gegenstands, sei gemäß § 818 Abs. 2 BGB Teilwertersatz in
Geld zu leisten, weil bei einem real unteilbaren Geschenk wie einem hälf-
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tigen Grundstücksanteil eine Teilherausgabe unmöglich sei. Ein solcher
Teilwertersatzanspruch diene der Begrenzung des ursprünglich auf Natu-
ralherausgabe zielenden Rückforderungsanspruchs und sei daher nur
dessen Ausprägung in den Fällen, in denen ein wiederkehrender Unter-
haltsbedarf zu befriedigen sei, der geringer sei als der Wert des ge-
schenkten Gegenstands. Es handele sich daher um einen einheitlichen
Anspruch auf teilweise Herausgabe des Geschenks in Form einer Ersatz-
leistung in Geld.
Schließlich sei der Rückforderungsanspruch des Klägers auch
nicht durch Aufrechnung untergegangen. Aufrechenbare Forderungen
stünden dem Beklagten nicht zu.
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II. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Der
Beklagte schuldet dem Kläger aufgrund der Überleitung der Ansprüche
seiner Mutter gemäß § 528 Abs. 1, § 812 Abs. 1, § 818 Abs. 2 BGB die
Rückgabe des mit dem Überlassungsvertrag vom 29. Juli 1999 geschenk-
ten Grundstücksanteils in Form von Geldleistungen in Höhe des jeweils
entstandenen und vom Kläger gedeckten Unterhaltsbedarfs.
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1. Die Annahme des Berufungsgerichts, bei der Übertragung der
Miteigentumshälfte aufgrund des Überlassungsvertrags vom 29. Juli 1999
handele es sich um eine Schenkung i.S. des § 516 BGB, ist im Ergebnis
rechtsfehlerfrei.
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a) Entgegen seiner Auffassung war das Berufungsgericht aller-
dings nicht aufgrund des klaren Wortlauts der notariellen Urkunde, nach
der die Übertragung unentgeltlich erfolgte, der Aufgabe enthoben, das
von den Vertragsparteien tatsächlich Gewollte festzustellen.
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Vielmehr ist auch bei formbedürftigen Willenserklärungen zunächst
der Bedeutungsgehalt des Rechtsgeschäfts unter Berücksichtigung sämt-
licher Umstände zu ermitteln, soweit solche Umstände einen Schluss auf
den Sinngehalt der Erklärung zum damaligen Zeitpunkt zulassen (vgl.
BGH, Urt. v. 19.1.2000 - VIII ZR 275/98, NJW-RR 2000, 1002 unter
II 2 a). Bei dieser ersten Stufe der Auslegung sind auch solche Umstände
zu berücksichtigen, die keine Erwähnung oder Andeutung in der beur-
kundeten Form gefunden haben. Erst nach Ermittlung des wirklich gewoll-
ten und für den Erklärungsempfänger erkennbaren Erklärungsinhalts ist in
einer zweiten Stufe zu prüfen, ob und inwieweit das Rechtsgeschäft in
seiner beurkundeten Form den Formzwängen genügt (vgl. BGHZ 86, 41,
47; BGH, Urt. v. 12.7.1996 - V ZR 202/95, NJW 1996, 2792 unter III 1;
Staudinger/Singer, BGB, Bearb. 2004, § 133 Rn. 30). Die "Andeutungs-
theorie", wonach eine Willenserklärung auch dann der gesetzlich vorge-
schriebenen Form genügen kann, wenn ihr im Wege der Auslegung er-
mittelter Inhalt in der Urkunde einen wenn auch nur unvollkommenen
Ausdruck gefunden hat, gewinnt erst für diese zweite Stufe der Ausle-
gung Bedeutung (vgl. BGH, Urt. v. 12.7.1996 - V ZR 202/95 aaO;
Staudinger/Singer, BGB aaO, § 133 Rn. 31). Genügt die beurkundete
Form des Rechtsgeschäfts nicht den Formanforderungen, liegt ein
Formmangel vor, weil die tatsächlich und erkennbar gewollte Willenser-
klärung nur unvollständig beurkundet wurde (vgl. BGH, Urt. v. 13.11.1998
- V ZR 379/97, NJW 1999, 351 unter 2.), sofern der Formmangel nicht
aufgrund von Vorschriften wie etwa § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB geheilt
wurde.
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b) Im Streitfall ergibt sich daraus jedoch keine vom Berufungsur-
teil abweichende Auslegung. Soweit der Beklagte vorgetragen hat, der
Kaufpreis für den ersten Kaufvertrag vom 26. Januar 1981 sei nie bezahlt
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worden, hätte dies ohne weitere rechtsgestaltende Erklärungen nur das
weitere Bestehen des Kaufpreisanspruchs zur Folge. Soweit nach dem
streitigen Vortrag des Beklagten die im Kaufvertrag vom 18. Oktober
1982 erklärte Eigentumsübertragung mit der darin bestimmten Gegenleis-
tung nur deshalb vereinbart worden sein sollte, um den Anschein eines
Mietverhältnis zu konstruieren und damit eine günstigere steuerrechtliche
Veranlagung erzielen zu können, müssen die Vertragsparteien sich daran
festhalten lassen. Bei einer aus steuerrechtlichen Gründen gewählten
Vertragsgestaltung fehlt es in der Regel nicht am erforderlichen Rechts-
bindungswillen und steht dem Vertrag der Einwand eines Scheinge-
schäfts nicht entgegen, denn die steuerrechtliche Anerkennung setzt ein
gültiges, ernstlich gewolltes Rechtsgeschäft voraus (vgl.
2.3.2009 - II ZR 264/07, WM 2009, 986 Tz. 13 m.w.N.; Staudinger/Singer,
BGB, Bearb. 2004, § 117, Rn. 13). Der weitere Vortrag des Beklagten
führt zu keinem anderen Ergebnis. Verfahrensrügen sind von der Revisi-
on hierzu nicht erhoben worden.
2. Auch soweit das Berufungsgericht die weiteren Voraussetzun-
gen des geltend gemachten Rückforderungsanspruchs bejaht und Ge-
genansprüche des Beklagten verneint hat, lässt seine Entscheidung kei-
nen Rechtsfehler erkennen; die Revision erhebt auch insoweit keine Rü-
gen.
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3. Der Rückforderungsanspruch des Klägers ist nicht verjährt.
Dieser Anspruch verjährt, wie das Berufungsgericht zutreffend ange-
nommen hat, gemäß § 196 BGB in zehn Jahren.
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a) Die zehnjährige Verjährungsfrist des § 196 BGB gilt für An-
sprüche auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück. Hierzu
zählen auch gesetzliche Ansprüche, insbesondere Ansprüche auf Her-
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ausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung (vgl. BGH, Urt. v.
25.1.2008 - V ZR 118/07, NJW-RR 2008, 824 Tz. 19; Urt. v. 6.2.2009
- V ZR 26/08, NVwZ-RR 2009, 412 Tz. 30). § 196 BGB ist damit auch auf
einen auf Herausgabe eines Grundstücks gerichteten Schenkungsrück-
forderungsanspruch gemäß § 528 BGB anzuwenden, der nach den für
Bereicherungsansprüche geltenden Vorschriften zu erfüllen ist.
b) § 196 BGB gilt für einen solchen Schenkungsrückforderungs-
anspruch, mit dem die Herausgabe eines Grundstücks gefordert wird,
auch dann, wenn dieser in Gestalt eines Teilwertersatzanspruchs geltend
gemacht wird, weil die Höhe des Rückforderungsanspruchs hinter dem
Grundstückswert zurückbleibt.
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aa) In der Literatur wird überwiegend die Auffassung vertreten, die
zehnjährige Verjährungsfrist des § 196 BGB sei nicht auf Sekundäran-
sprüche anzuwenden, weil der Gesetzgeber mit der längeren Frist nur
dem Umstand habe begegnen wollen, dass die Abwicklung der Übertra-
gung von Grundstücksrechten nicht allein vom Willen der Vertragspartei-
en abhänge, und in der Rechtspraxis solche Ansprüche mitunter aus
sachgerechten Gründen über mehrere Jahre nicht geltend gemacht wür-
den. Dieser Zweck treffe bei der Erbringung von Ersatzleistungen nicht zu
(vgl. AnwK-BGB/Mansel/Stürner, §
196 Rn.
29; Staudinger/Peters/
Jacoby, BGB, Bearb. 2009, § 196 Rn. 13; Palandt/Ellenberger, BGB,
69. Aufl., § 196 Rn. 6; Amann/Brambring/Hertel, Vertragspraxis nach neu-
em Schuldrecht, 2. Aufl., S. 284). Jedenfalls sofern der Sekundäran-
spruch nicht ebenfalls auf die Übertragung von Grundstücksrechten ge-
richtet sei, sei auf ihn die Regelverjährungsfrist gemäß § 195 BGB anzu-
wenden (vgl. MünchKomm.BGB/Grothe, 5. Aufl., § 195 Rn. 39; Prütting/
Kesseler, BGB, 4. Aufl., § 196 Rn. 3).
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bb) Jedenfalls für den Teilwertersatzanspruch ist diese Auffassung
nicht zutreffend.
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(1) Die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung
weist in Bezug auf die längere Verjährungsfrist in § 196 BGB nicht allein
auf zwei Anwendungsbeispiele hin, bei denen die im Grundbuch zu wah-
rende Erfüllung von Ansprüchen auf Übertragung von Grundstücksrech-
ten sich über einen längeren Zeitpunkt hinziehen kann (BT-
Drucks. 14/6040, S. 105). Sie stellt auch grundsätzlich darauf ab, dass
die nach dem bisherigen Recht geltende dreißigjährige Verjährungsfrist
im Immobilienverkehr allgemein zu keinerlei Missständen geführt habe;
insbesondere seien bei Immobiliarrechten Beweisschwierigkeiten, denen
eine Verjährung zu begegnen hätte, kaum zu befürchten, weil diesbezüg-
liche Ansprüche in der Regel auf notariellen Urkunden beruhten (BT-
Drucks. 14/6857, S. 6). Aus der Begründung des Gesetzentwurfs lässt
sich deshalb keine einschränkende Auslegung des § 196 BGB rechtferti-
gen, die dessen Verjährungsfrist ausschließlich auf Ansprüche anwendet,
deren Erfüllung eine Eintragung im Grundbuch erfordert. Dagegen spricht
schon, dass § 196 BGB auch auf die Gegenleistung anzuwenden ist.
Der Zweck des § 196 BGB ist vielmehr allgemein darauf gerichtet,
Ansprüche nicht der dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB zu un-
terwerfen, wenn sie sich auf eine Übertragung von Immobiliarrechten be-
ziehen. Schon nach dem vor der Schuldrechtsreform geltenden Recht
waren solche Ansprüche von einer kurzen Verjährung ausgenommen,
indem Verjährungsfristen von zwei bzw. vier Jahren gemäß § 196
BGB a.F. nur für den Waren- und Dienstleistungsverkehr vorgesehen wa-
ren. Die Neufassung des § 196 BGB ist deshalb Ausdruck des Bestre-
bens des Gesetzgebers, für auf Immobiliarrechte bezogene Ansprüche
auch weiterhin keine Verjährungsfristen von nur zwei, drei oder vier Jah-
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ren vorzusehen, weil der Umgang mit Grundstücksrechten einerseits häu-
fig längerer Verjährungsfristen bedarf und andererseits die Gründe für
kurze Verjährungsfristen bei solchen Ansprüchen regelmäßig weniger
relevant erscheinen.
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Die Verjährungsvorschriften bezwecken vornehmlich, den Schuld-
ner vor Beweisnöten zu bewahren, die mit einem zu langen zeitlichen Ab-
stand zum Entstehen des Anspruchsgrunds eintreten können (vgl.
Staudinger/Peters/Jacoby aaO vor §
194 Rn.
5; MünchKomm.BGB/
Grothe aaO vor § 194 Rn. 6). Darüber hinaus dient die Verjährung dem
Rechtsfrieden und der Rechtsklarheit (vgl. MünchKomm.BGB/Grothe aaO
vor § 194 Rn. 7). Diese Ziele sind im Rechtsverkehr mit Immobiliarrechten
von geringerem Gewicht als bei Dienstleistungen und dem Handel mit
beweglichen Sachen. Der Formzwang für die Übertragung von Grund-
stücksrechten und dahingehende Verpflichtungen reduziert die Beweisnot
für alle Beteiligten erheblich. Weiterhin besteht zwar auch bei Grund-
stücksrechten ein Interesse an Rechtsfrieden und Rechtsklarheit, jedoch
steht diesem Interesse bei Übertragungsansprüchen regelmäßig das Inte-
resse an einem der materiellen Rechtslage entsprechenden Ergebnis mit
größerem Gewicht gegenüber. Grundstücksgeschäfte - auch Grund-
stücksschenkungen - beruhen im Vergleich zu Alltagsgeschäften in der
Regel auf einer sorgfältigeren Planung und verfolgen eher langfristige
Ziele. Weiterhin betreffen sie häufig Vermögenswerte von größerem Um-
fang, weshalb sich die Beschränkung der Durchsetzbarkeit von Ansprü-
chen bei Immobiliarrechten im Allgemeinen gravierender auswirken wür-
de als bei Waren- und Dienstleistungsgeschäften des täglichen Lebens.
Schließlich bedürfen Verjährungsregelungen, um ihrem Zweck zur
Rechtsklarheit gerecht zu werden, grundsätzlich einer generalisierenden
Handhabung. Ihre Anwendung gestattet keine auf den Einzelfall bezoge-
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ne Betrachtung, ob die Durchsetzbarkeit oder Nichtdurchsetzbarkeit des
Anspruchs wertungsmäßig der Fallkonstellation entspricht, derentwegen
die Verjährungsfrist vom Gesetzgeber bestimmt wurde.
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(2) Die sich daraus ergebenden Zwecke des § 196 BGB werden
bei einem unmittelbar auf Herausgabe des Geschenks gerichteten Rück-
forderungsanspruch gemäß § 528 BGB in gleicher Weise relevant wie für
einen Teilwertersatzanspruch.
Dass der Beklagte nicht den geschenkten Miteigentumsanteil he-
rauszugeben, sondern einen Wertersatz in Geld zu leisten hat, folgt allein
aus dem Umfang des Rückforderungsanspruchs. Weil der Schenker von
vorneherein das Geschenk nur in dem Umfang zurückfordern darf, der für
eine Deckung seines angemessenen Unterhalts erforderlich (geworden)
ist, ist bei einem unteilbaren Schenkungsgegenstand dessen Herausgabe
unmöglich. Diese Unmöglichkeit führt gemäß § 818 Abs. 2 BGB zu einem
Wertersatzanspruch in Höhe des Teils, der wertmäßig der Deckung des
Unterhaltsbedarfs entspricht (vgl. statt vieler: BGHZ 94, 141, 143 f.;
Sen.Urt. v. 17.12.2009 - Xa ZR 6/09, WuM 2010, 94 Tz. 13 m.w.N.). Wie
jeder Ersatzanspruch ist dieser darauf gerichtet, dem Schenker nicht
mehr, aber auch nicht weniger zu verschaffen, als wenn der Wert des
Geschenks dem zu deckenden Unterhaltsbedarf entspräche und somit
zur Deckung dieses Bedarfs das Geschenk insgesamt herausgegeben
werden müsste (vgl. Sen.Urt. v. 17.12.2009 aaO Tz. 16).
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Damit stellt sich die rechtliche Konstellation nicht anders dar als für
die Verjährung solcher Ansprüche nach dem früheren Verjährungsrecht:
Der Wertersatzanspruch soll dem Gläubiger ein volles Äquivalent für den
Erfüllungsanspruch geben, was bedingt, ihn auch hinsichtlich der Verjäh-
rungsfrist nicht besser und nicht schlechter zu stellen als bei dem Erfül-
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lungsanspruch, an dessen Stelle er tritt (vgl. RGZ 61, 390 f.; BGHZ 50,
25, 29). Da beide Ansprüche auf demselben Lebenssachverhalt beruhen
und dasselbe wirtschaftliche Interesse verfolgen, ist es nicht gerechtfer-
tigt, unterschiedliche Verjährungsfristen auf sie anzuwenden (vgl. BGHZ
87, 27, 36 f.). Hierfür bleibt es ohne Bedeutung, ob die Verjährungsfrist
für den Sekundäranspruch eine längere oder eine kürzere wäre als für
den primären Erfüllungsanspruch (vgl. dazu BGH, Urt. v. 3.11.1988
- IX ZR 203/87, NJW-RR 1989, 215 unter II 2 c).
(3) Der dem Kläger zustehende Wertersatzanspruch ist deshalb
derselben Verjährungsfrist zu unterwerfen wie der primäre Rückforde-
rungsanspruch gemäß § 528 BGB. Da dieser sich auf die Rückgabe ei-
nes geschenkten Miteigentumsanteils an einem Grundstück richtet, gilt für
ihn die zehnjährige Verjährungsfrist gemäß § 196 BGB, welche noch nicht
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abgelaufen ist und somit der Durchsetzung der Klageforderung nicht ent-
gegensteht.
Meier-Beck Keukenschrijver
Mühlens
Bacher
Hoffmann
Vorinstanzen:
LG Ulm, Entscheidung vom 09.08.2006 - 4 O 152/06 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 03.05.2007 - 13 U 161/06 -