Urteil des BGH vom 21.12.2005

BGH (zpo, mitwirkung, verschulden, regierung, rechtsfrage, begründung, haftung, antrag, anzeige, inhalt)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
III ZA 5/05
vom
21. Dezember 2005
in dem Rechtsstreit
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Dezember 2005 durch
den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Streck, Dörr und
Dr. Herrmann
beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für
die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandes-
gerichts München vom 17. März 2005 - 1 U 2218/02 - wird zu-
rückgewiesen.
Gründe:
Die
beantragte
Prozesskostenhilfe kann mangels hinreichender Er-
folgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung (§ 114 ZPO) nicht gewährt
werden, obgleich das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat.
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1.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen entgegen der Ansicht
des Berufungsgerichts nicht, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeu-
tung hat (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und eine Entscheidung des Revisi-
onsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Rechts-
fortbildung nicht erforderlich ist (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO).
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a) aa) Zwar sind die vom Berufungsgericht im Zusammenhang mit der
Anwendung von §§ 41, 42 ZPO dargestellten Rechtsfragen grundsätzlich klä-
rungsbedürftig. Sie sind jedoch für den vorliegenden Fall nicht entscheidungs-
erheblich, da das Berufungsurteil der Sache nach nicht anders hätte ergehen
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dürfen (dazu sogleich unter Nummer 2), so dass die Entscheidung nicht auf
einem etwaigen Verstoß gegen §§ 41, 42 ZPO in den Beschlüssen vom 3. Juni
2004 und 24. August 2004 beruht.
bb) Es besteht auch kein absoluter Revisionsgrund, bei dem gemäß
§ 547 ZPO die Ursächlichkeit eines Verfahrensfehlers für den Inhalt der Ent-
scheidung unwiderlegbar vermutet wird. Dies gilt selbst dann, wenn die erken-
nenden Richter des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München gemäß
§ 41 Nr. 1 ZPO ausgeschlossen gewesen wären. Die Mitwirkung eines ausge-
schlossenen Richters führt nach § 547 Nr. 2 ZPO nur dann zu der unwiderleg-
baren Vermutung, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes
beruht, wenn der Ausschließungsgrund nicht durch ein Ablehnungsgesuch ohne
Erfolg geltend gemacht wurde (§ 547 Nr. 2, 2. Halbsatz ZPO). Dies ist hier je-
doch der Fall. Der Kläger hat in seinen Stellungnahmen zu der Anzeige der be-
troffenen Richter nach § 48 ZPO zu erkennen gegeben, dass er deren Mitwir-
kung im Hinblick auf § 41 Nr. 1 ZPO ablehnt. Die Ablehnungsabsicht geht hin-
reichend deutlich aus dem Schriftsatz vom 11. November 2003 hervor ("Die
Mitwirkung der 'mitverklagten Richter' verstößt gegen § 41 Nr. 1 ZPO."). Aus A
Nr. 20 des Beschlusses vom 3. Juni 2004 ist weiter ersichtlich, dass auch die
über die Ausschließung entscheidende Besetzung des Berufungssenats den
Willen des Klägers erkannt hat, die betroffenen Richter abzulehnen. Die Zu-
schrift des Klägers ist damit als Ablehnungsgesuch zu verstehen und auch so
verstanden worden. Durch den Beschluss vom 3. Juni 2004 hat das Oberlan-
desgericht deshalb nicht nur über die Anzeige der betroffenen Richter nach
§ 48 ZPO entschieden, sondern auch ein Ablehnungsgesuch des Klägers zu-
rückgewiesen.
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b) Das Berufungsgericht sieht eine weitere grundsätzliche Rechtsfrage in
dem Problem, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen ein Pro-
zesskostenhilfewiederholungsantrag die Verjährung gemäß § 203 Abs. 2 BGB
a.F. hemmt. Es ist bereits zweifelhaft, ob diese Frage klärungsbedürftig ist, da
sie nur noch auslaufendes Recht betrifft. In § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB n.F. ist
nunmehr ausdrücklich klargestellt, dass nur der erstmalige Antrag auf Gewäh-
rung von Prozesskostenhilfe den Lauf der Verjährungsfrist hemmt. Jedenfalls ist
die Rechtsfrage nicht entscheidungserheblich. Das Berufungsgericht hat die
Klageabweisung wegen der im Zusammenhang mit dem Widerspruchsbescheid
der Regierung von Oberbayern vom 15. November 1985 erhobenen Amtshaf-
tungsansprüche nicht allein auf die Verjährung gestützt. Vielmehr hat es die
Ablehnung des Anspruchs auch mit dem fehlenden Verschulden sowie mit wei-
teren von der Verjährung unabhängigen Erwägungen begründet. Diese recht-
lich nicht zu beanstandenden (siehe dazu unter Nummer 2) Gründe tragen die
Klageabweisung selbständig, so dass es auf die Verjährung nicht mehr an-
kommt.
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c) Weitere Zulassungsgründe sind nicht ersichtlich.
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2.
Die Revision hat der Sache nach keine Aussicht auf Erfolg.
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a) Da ein Tatbestandsberichtigungsantrag gemäß § 320 Abs. 1 ZPO
nicht gestellt wurde, ist für die Beurteilung der Rechtslage entgegen der Ansicht
des Klägers der Tatbestand des Berufungsurteils maßgebend (§ 314 ZPO).
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b) Hinsichtlich der Ansprüche, die der Kläger wegen der rechtswidrigen
Versagung der Aufenthaltsgenehmigung durch den Widerspruchsbescheid der
Regierung von Oberbayern stellt, hat das Berufungsgericht die Klageabweisung
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in erster Linie auf das fehlende Verschulden gestützt. Zur Begründung hat es
vor allem die Kollegialgerichtsrichtlinie herangezogen. Hiergegen ist entgegen
der Ansicht des Klägers nichts zu erinnern. Insbesondere beachten die Ausfüh-
rungen die Rechtsprechung des Senats. Das Berufungsgericht hat weiter zu-
gunsten des Klägers eine Ausnahme von der Kollegialgerichtsrichtlinie im Hin-
blick auf den sogenannten Iranerlass vom 27. Oktober 1980, der den Verwal-
tungsrichtern möglicherweise nicht bekannt war, in Betracht gezogen und ein
Verschulden der Verwaltungsbehörde unterstellt. Die Erwägungen, mit denen
es eine Haftung wegen der Nichtbeachtung dieses Erlasses durch die Behörde
gleichwohl verneint hat, sind nicht zu beanstanden. Aufgrund dieses Erlasses
war von vornherein nicht die begehrte Aufenthaltserlaubnis, sondern lediglich
eine Duldung zu erreichen. Darüber hinaus diente der Erlass seinem Inhalt
nach der Vermeidung politischer Verfolgung ausreisepflichtiger Iraner in ihrem
Heimatland, nicht jedoch der Begründung einer gesicherten (Erwerbs-)Stellung
im Inland.
c) Auch gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts, ein (zusätzli-
cher) Schaden sei durch die Abschiebeandrohung nicht eingetreten, ist nichts
einzuwenden.
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d) Gleiches gilt für die Erwägung, ein Schadensersatzanspruch wegen
der verzögerten Einbürgerung scheide aus, da der Kläger bereits vor dem Zeit-
punkt, zu dem er seiner Meinung nach hätte eingebürgert werden müssen, sei-
ne Chancen am Arbeitsmarkt bereits verloren habe.
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e) Weiterhin scheitern Amtshaftungsansprüche des Klägers wegen an-
geblicher Pflichtverletzungen der in anderen Zivilverfahren tätig gewordenen
Richter, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, an § 839 Abs. 2
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Satz 1 BGB, jedenfalls aber, soweit es Handlungen außerhalb des Spruchrich-
terprivilegs betrifft, an der in diesen Fällen erforderlichen, hier jedoch fehlenden
Unvertretbarkeit (Senatsurteil vom 21. Juli 2005 - III ZR 21/05, zur Veröffentli-
chung bestimmt).
f) Für eine verschuldensunabhängige Haftung des Beklagten - etwa aus
enteignungsgleichem Eingriff - besteht kein Anhaltspunkt.
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Schlick Herrmann
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 23.01.2002 - 9 O 20233/98 -
OLG München, Entscheidung vom 17.03.2005 - 1 U 2218/02 -