Urteil des BGH vom 11.05.2010

BGH (wiedereinsetzung in den vorigen stand, verhältnis zu, rechtliches gehör, stgb, stpo, verfall, stand, wiedereinsetzung, antrag, verhältnis)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 117/10
vom
11. Mai 2010
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerde-
führers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 11. Mai
2010 gemäß §§ 44, 46 Abs. 1, 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand zur Anbringung einer Verfahrensrüge
wird zurückgewiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des
Landgerichts Zweibrücken vom 8. Dezember 2009 wird
verworfen; jedoch wird die Verfallsanordnung zur Klar-
stellung dahin gefasst, dass der Verfall (statt: "erweiterte
Verfall von Wertersatz") eines Geldbetrages von
5.750 Euro angeordnet wird.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Gründe:
Das Wiedereinsetzungsgesuch des Angeklagten zur Anbringung einer
Verfahrensrüge ist unzulässig. Das Gesetz räumt die Möglichkeit einer Wieder-
einsetzung in den vorigen Stand nur für den Fall ein, dass eine Frist versäumt
worden ist (§ 44 Satz 1 StPO). Eine Fristversäumung liegt hier nicht vor, weil
die Revision des Angeklagten von seinem Pflichtverteidiger mit der Sachrüge
und einer - allerdings nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO
genügenden - Verfahrensrüge fristgerecht begründet worden ist. Die Wieder-
einsetzung in den vorigen Stand zur Ergänzung einer zunächst vom Verteidiger
nicht formgerecht vorgetragenen und daher unzulässigen Verfahrensrüge
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kommt grundsätzlich nicht in Betracht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom
27. März 2008 - 3 StR 6/08, StV 2008, 394 m.N.). Sie kommt nur ausnahms-
weise in besonderen Prozesssituationen in Betracht, wenn dies zur Wahrung
des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör unerlässlich er-
scheint (vgl. BGH aaO). Eine solche Ausnahmesituation liegt hier nicht vor.
2. Die Revision des Angeklagten ist aus den Gründen der Antragsschrift
des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Er-
gänzend bemerkt der Senat:
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a) Entgegen der Auffassung der Revision ergeben die Urteilsfeststellun-
gen nicht die Voraussetzungen eines Verstoßes gegen den Grundsatz des fai-
ren Verfahrens gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK in der Form einer unzulässigen
Tatprovokation. Insbesondere lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen,
dass eines der Drogengeschäfte nicht mehr in einem angemessenen, delikt-
spezifischen Verhältnis zu dem gegen den Angeklagten stehenden Tatverdacht
steht (vgl. dazu BGH, Urteil vom 30. Mai 2001 - 1 StR 42/01, BGHSt 47, 44).
Ergeben sich die tatsächlichen Voraussetzungen eines geltend gemachten
Konventionsverstoßes - wie hier - nicht schon aus den Urteilsfeststellungen,
muss ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens mit Hilfe einer
Verfahrensrüge geltend gemacht werden (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juli
2000 - 3 StR 245/00, NStZ 2001, 53). Soweit mit der Revisionsbegründungs-
schrift vom 23. Februar 2010 die Verletzung des Art. 6 Abs. 1 MRK gerügt wird,
genügt die Rüge jedoch nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2
StPO. Dies gilt im Übrigen auch für die nach Ablauf der Revisionsbegründungs-
frist mit Schriftsatz vom 29. März 2010 erhobene Verfahrensrüge, weil Umstän-
de, die gegen eine Überschreitung des erlaubten tatprovozierenden Verhaltens
sprechen, nicht mitgeteilt werden. Der Mitteilung bedurft hätte insbesondere der
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Inhalt der Angaben der Vertrauensperson bei der Vernehmung am 5. August
2009, wonach der Angeklagte von sich aus angeboten hat, "das Ganze" auf
500 g zu erhöhen, damit sich das auch mit der Fahrerei lohnen würde (SA Bd. I
Bl. 13).
b) Die vom Landgericht auf § 33 BtMG, §§ 73, 73 a und 73 d StGB ge-
stützte Verfallsentscheidung hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand, da
nach den Feststellungen die Voraussetzungen des § 73 a StGB vorliegen (zum
Verhältnis zwischen § 73 StGB [Verfall], § 73 a StGB [Verfall des Wertersatzes]
und 73 d StGB [erweiterter Verfall] vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. Dezember
2008 - 4 StR 368/08, BGHR StGB § 73 a Anwendungsbereich 2 und vom
20. April 2010 - 4 StR 119/10 Rdn. 7 ff.). Zur Klarstellung ändert der Senat die
Verfallsanordnung entsprechend.
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Athing Solin-Stojanović Ernemann
Cierniak Franke