Urteil des BGH vom 16.04.2009

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VII ZB 62/08
vom
16. April 2009
in der Zwangsvollstreckungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 732, 794 Abs. 1 Nr. 5; BGB § 307 Abs. 1 A, Bl, Cl
Ein Schuldner, der sich in einer notariellen Urkunde der sofortigen
Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterworfen hat,
kann sich im Klauselerinnerungsverfahren nicht darauf berufen, die
Unterwerfungserklärung sei wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1
BGB unwirksam (Bestätigung von BGH, Beschluss vom 16. Juli
2004 - IXa ZB 326/03, NJW-RR 2004, 1718 = Rpfleger 2005, 33;
Beschluss vom 5. Juli 2005 - VII ZB 27/05, Rpfleger 2005, 612; Be-
schluss vom 4. Oktober 2005 - VII ZB 54/05, NJW-RR 2006, 567 =
Rpfleger 2006, 27).
BGH, Beschluss vom 16. April 2009 - VII ZB 62/08 - LG Hamburg
AG
Hamburg-Wandsbek
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. April 2009 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka, den Richter Dr. Kuffer, die Richterin
Safari Chabestari, den Richter Halfmeier und den Richter Leupertz
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss der
Zivilkammer 18 des Landgerichts Hamburg vom 9. Juli 2008 auf-
gehoben.
Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss
des Amtsgerichts Hamburg-Wandsbek vom 26. August 2007
(Az. 711 C 101/07) wird zurückgewiesen.
Der Schuldner trägt die Kosten der Beschwerdeverfahren.
Gründe:
I.
Der Schuldner wendet sich gegen die Erteilung einer Vollstreckungsklau-
sel für eine notarielle Urkunde des Notars N. H. vom 28. September 1987, aus
der die Gläubigerin die Zwangsvollstreckung aus übertragenem Recht betreibt.
Die Gläubigerin ist eine GmbH, die als Treuhänderin eines amerikanischen Fi-
nanzinvestors eingesetzt ist.
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Zur Sicherung einer Darlehensschuld bestellte der Schuldner am
28. September 1987 vor dem Notar N. H. zu Gunsten der C. Bank AG als Dar-
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lehensgeberin eine Sicherungsbuchgrundschuld über 100.000 DM an seinem
Grundstück in H. In der Grundschuldbestellungsurkunde, in der die C. Bank AG
als "nachstehend Bank" bezeichnet wird, unterwarf sich der Schuldner der so-
fortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen. Die C. Bank AG trat
die Darlehensforderung und Grundschuld an die N. Hypotheken- und Wechsel-
bank ab, die in die D. Hypothekenbank verschmolzen wurde und sodann unter
dem Namen E. AG firmierte. Letztere trat die Darlehensforderung und die
Grundschuld am 14. Februar 2005 unter Bewilligung der Eintragung der Abtre-
tung der Grundschuld an die Gläubigerin ab. Diese wurde als Gläubigerin ins
Grundbuch eingetragen.
Die Gläubigerin beantragte beim zuständigen Notar die Erteilung einer
auf sie lautenden Vollstreckungsklausel als Rechtsnachfolgerin, die ihr am
7. Juni 2005 erteilt wurde.
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Auf Betreiben der Gläubigerin ordnete das Amtsgericht die Zwangsver-
steigerung der Wohnungseigentumsrechte des Schuldners an. Die Zwangsver-
steigerung erfolgt u.a. aus der vollstreckbaren Urkunde vom 28. September
1987 in Höhe von 51.129,19 € (= 100.000 DM).
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Der Schuldner hat gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel Erinne-
rung eingelegt, in der er sich insbesondere darauf berufen hat, dass die Abtre-
tung an die Gläubigerin unwirksam sei, weil sie keine "Bank“ im Sinne von § 19
KWG sei.
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Das Amtsgericht hat die Erinnerung zurückgewiesen. Auf die sofortige
Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht die Zwangsvollstreckung aus
der Urkunde für unzulässig erklärt.
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Mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die
Gläubigerin die Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung und die Wieder-
herstellung des Beschlusses des Amtsgerichts.
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II.
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Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2, 575 ZPO statthafte
und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Auf-
hebung der angegriffenen Entscheidung und zur Zurückweisung der sofortigen
Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom
26. August 2007.
1. a) Das Beschwerdegericht meint unter Bezugnahme auf den Be-
schluss des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2004 (IXa ZB 326/03, NJW-RR
2004, 1718 = Rpfleger 2005, 33), die Einwendung, die Unterwerfungserklärung
verstoße gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, sei im Klauselerinnerungsverfahren
zu berücksichtigen. Sie betreffe die Frage, ob ein ordnungsgemäßer Titel ge-
schaffen worden sei.
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b) Die sofortige Beschwerde sei begründet. Zwar sei die Abtretung wirk-
sam, weil sie nicht gegen § 399 BGB verstoße und die Grundschuldbestellung
auch nicht dahin zu verstehen sei, dass Gläubiger nur eine "Bank“ im Sinne des
KWG sein könne. Jedoch stelle die vorformulierte Unterwerfungserklärung eine
unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (frü-
her § 9 AGBG) dar. Die Rechtsprechung habe zwar die bisherige Praxis, nach
der sich der Darlehensnehmer üblicherweise der sofortigen Zwangsvollstre-
ckung in das belastete Grundstück und/oder in sein gesamtes Vermögen un-
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terwerfe, gebilligt. Dies gelte jedoch nur im Geschäftsverkehr mit Banken, nicht
bei massenhaftem Verkauf von Krediten durch Banken an Finanzinvestoren.
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2. Der angegriffene Beschluss ist bereits deswegen rechtsfehlerhaft, weil
das Beschwerdegericht aus materiell-rechtlichen Erwägungen der Klauselerin-
nerung stattgegeben hat.
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Denn im Verfahren nach § 732 ZPO kann der Schuldner in begründeter
Weise grundsätzlich nur Einwendungen gegen eine dem Gläubiger erteilte
Klausel erheben, die Fehler formeller Art zum Gegenstand haben (ständige
Rechtsprechung, vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juli 2004 - IXa ZB 326/03,
NJW-RR 2004, 1718 = Rpfleger 2005, 33; Beschluss vom 5. Juli 2005 - VII ZB
27/05, Rpfleger 2005, 612; Beschluss vom 4. Oktober 2005 - VII ZB 54/05,
NJW-RR 2006, 567 = Rpfleger 2006, 27). Die Einwendung, die Unterwerfungs-
erklärung sei nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, ist keine derartige Ein-
wendung.
Der Notar hat nach allgemeinen Regeln zu prüfen, ob ein formell wirk-
samer Titel mit vollstreckungsfähigem Inhalt vorliegt (ständige Rechtsprechung,
vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juli 2004 - IXa ZB 326/03, aaO; Beschluss vom
5. Juli 2005 - VII ZB 27/05, aaO; Beschluss vom 4. Oktober 2005 - VII ZB
54/05, aaO), und im Falle der Rechtsnachfolge, ob diese, soweit sie nicht offen-
kundig ist, durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen
ist (§ 727 Abs. 1 ZPO). Das ist, was auch die Rechtsbeschwerde nicht in Abre-
de stellt, vorliegend der Fall. Die Grundschuldbestellung und die Unterwer-
fungserklärung sind durch Urkunde des Notars N. H. vom 28. September 1987
festgestellt, die Rechtsnachfolge auf Gläubigerseite durch weitere Urkunde des
Notars N. H. vom 7. Juni 2005.
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Eine weitergehende Prüfungsbefugnis steht dem Notar, dessen Funktion
nach § 797 Abs. 2 ZPO hierbei der eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle
(§ 724 Abs. 2 ZPO) entspricht, nicht zu (BGH, Beschluss vom 16. Juli 2004
- IXa ZB 326/03, aaO; Beschluss vom 5. Juli 2005 - VII ZB 27/05, aaO). Die
Prüfung eines Verstoßes der Unterwerfungserklärung gegen § 307 Abs. 1
Satz 1 BGB setzt eine umfassende materiell-rechtliche Würdigung voraus, zu
der der Notar (§ 797 ZPO) ebenso wenig wie der Urkundsbeamte der Ge-
schäftsstelle (§ 724 ZPO) berufen ist (so auch Binder/Piekenbrock, WM 2008,
1816, 1817).
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Offenbleiben kann weiterhin, ob von dem Grundsatz, dass materiellrecht-
liche Einwendungen unberücksichtigt bleiben, eine Ausnahme zu machen ist,
wenn die die Einwendung begründenden Voraussetzungen - wie etwa die einer
Nichtigkeit gemäß § 134 BGB oder die einer Unwirksamkeit gemäß § 307
BGB - evident sind. Dies bedarf hier keiner Entscheidung. Denn sowohl die
Frage, ob eine Allgemeine Geschäftsbedingung vorliegt, als auch die Frage,
unter welchen Voraussetzungen eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedin-
gungen gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB verstößt, erfordern eine eingehende
materiell-rechtliche Beurteilung, die sich einer Evidenzkontrolle des Notars oder
des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle verschließt (vgl. BGH, Beschluss vom
16. Juli 2004 - IXa ZB 326/03, aaO; Beschluss vom 5. Juli 2005 - VII ZB 27/05,
aaO).
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III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO.
Kniffka Kuffer
Safari
Chabestari
Halfmeier
Leupertz
Vorinstanzen:
AG Hamburg-Wandsbeck, Entscheidung vom 26.08.2007 - 711 C 101/07 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 09.07.2008 - 318 T 183/07 -