Urteil des BGH vom 19.07.1999

BGH (erhöhte beweiskraft, falschbeurkundung, amt, stgb, verurteilung, stpo, unternehmen, schuldspruch, notar, urkunde)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 600/99
vom
21. März 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Falschbeurkundung im Amt u.a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. März 2000 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Mannheim vom 19. Juli 1999 wird mit der Maßgabe verworfen,
daß in den Fällen II.C.2. bis 4. der Urteilsgründe die Verurteilung
wegen Falschbeurkundung im Amt entfällt.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht Mannheim hat den Angeklagten, einen Rechtsanwalt
und vormaligen Notar, wegen Falschbeurkundung im Amt in 27 Fällen, began-
gen in den Fällen II.C.1., 3. und 4. der Urteilsgründe in Tateinheit mit Beihilfe
zur Untreue und in den Fällen II.C.2. und 7. in Tateinheit mit Beihilfe zum Be-
trug, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die hiergegen
gerichtete Revision des Angeklagten führt auf die Sachrüge lediglich in den
Fällen II.C.2. bis 4. der Urteilsgründe zum Wegfall der Verurteilung wegen
Falschbeurkundung im Amt (§ 348 Abs. 1 StGB). Die erhobenen Verfahrensrü-
gen bleiben ohne Erfolg. Der Erörterung bedarf nur das Folgende:
1. Die Verfahrensrüge, das Landgericht habe gegen den Grundsatz des
fairen Verfahrens verstoßen, entspricht nicht den Anforderungen des § 344
Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Revision bringt vor, dem Angeklagten sei anläßlich
eines Haftprüfungstermins "von der Kammer ... in Aussicht gestellt" worden, er
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"werde bei einem Geständnis zu einer bewährungsfähigen Freiheitsstrafe und
daneben zu einer nicht unerheblichen Geldstrafe verurteilt". Trotz entspre-
chender Angaben des Angeklagten habe das Landgericht diese Ankündigung
ohne vorherigen Hinweis nicht eingehalten.
Allein anhand dieses Vortrags kann der Senat nicht prüfen, ob das
Landgericht den geltend gemachten Verfahrensverstoß begangen, insbesonde-
re einen gebotenen Hinweis an den Angeklagten unterlassen hat. Dafür wäre
jedenfalls die Mitteilung erforderlich gewesen, auf welche Vorwürfe sich die im
Rahmen des Haftprüfungstermins in Aussicht gestellte Strafe bezog und ob
- gegebenenfalls inwiefern - diese sich von den verurteilten Taten unterschie-
den. Keiner Entscheidung bedarf daher, ob die Ankündigung der Berufsrichter
anläßlich der Haftprüfung überhaupt geeignet wäre, eine Vertrauenslage beim
Angeklagten zu begründen (vgl. BGHSt 43, 195, 210).
2. Der Schuldspruch ist nur insofern zu beanstanden, als die vom Land-
gericht getroffenen Feststellungen in den Fällen II.C.2. bis 4. die Verurteilung
wegen Falschbeurkundung im Amt nicht zu tragen vermögen. Danach erwar-
ben von September 1993 bis August 1994 die wegen dieses Vorgehens bereits
rechtskräftig verurteilten B. , T. und Br. konkursreife Unterneh-
men (Einzelfirmen und Gesellschaften mit beschränkter Haftung), entzogen
diesen noch vorhandene Vermögenswerte zu ihren Gunsten. Anschließend
veräußerten sie diese Unternehmen vor allem an junge, geschäftlich unerfah-
rene und mittellose Personen mit meist schwer auffindbaren oder fiktiven An-
schriften. An diesen Geschäften wirkte der Angeklagte in Kenntnis dieser Hin-
tergründe in seiner Funktion als Notar wie folgt mit:
a) In den Fällen II.C.1. sowie 11. bis 27. der Urteilsgründe beurkundete
er eigene, im Rahmen des Beurkundungsvorgangs gemachte amtliche Wahr-
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nehmungen (§ 418 ZPO) der Wahrheit zuwider. Es handelte sich jeweils um
Angaben, auf die sich der öffentliche Glaube der Urkunde, d.h. die "volle Be-
weiswirkung für und gegen jedermann", erstreckt. Dazu gehören vor allem sol-
che, die nach dem Gesetz zwingend anzugeben sind (BGHSt 44, 186, 188).
Dies ist u.a. der Fall beim Wohnort einer am zu beurkundenden Geschäft be-
teiligten natürlichen Person (§§ 6 Abs. 2, 9 Abs. 1 Nr. 1 BeurkG, 25 Abs. 1
DONot; Fälle II.C.11. bis 18.), bei deren Namen (vgl. Weingärtner/Schöttler
DONot 7. Aufl. Rdn. 388; Fälle II.C.19. bis 27.) sowie bei der Vorlage einer
Vollmachtsurkunde für einen Beteiligten durch einen Erschienenen (Keidel/
Winkler BeurkG 14. Aufl. § 12 Rdn. 1, 16; Huhn/von Schuckmann BeurkG
3. Aufl. § 12 Rdn. 3; Fall II.C.1.).
b) In allen Fällen beurkundete der Angeklagte Erklärungen der Beteilig-
ten (§§ 9 Abs. 1 Nr. 2 BeurkG, 415 ZPO). Insofern bezieht sich die erhöhte
Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde nur auf die Abgabe der beurkundeten
Erklärung selbst, nicht aber auf deren inhaltliche Richtigkeit (BGHR StGB
§ 348 Abs. 1 Notar 1). Entscheidend für die Strafbarkeit nach § 348 StGB ist
somit allein, ob eine Erklärung beurkundet wird, die tatsächlich nicht erfolgt ist;
auf deren Wahrheitsgehalt kommt es nicht an.
Der Senat entnimmt den mitgeteilten Gesamtumständen der Geschäfts-
abwicklung in den Fällen II.C.5. bis 27. der Urteilsgründe, daß vom Angeklag-
ten beurkundete Erklärungen nicht abgegeben wurden, auch wenn das Urteil
dies an keiner Stelle ausdrücklich feststellt. Entscheidend ist in diesen Fällen
die Feststellung, daß der Weiterverkauf der Unternehmen einerseits an tsche-
chische Erwerber, denen es "offensichtlich an den für das Verständnis des
Vorgangs erforderlichen Deutschkenntnissen fehlte", ohne daß jedoch der
"Wortlaut der Urkunde im einzelnen ins Tschechische übersetzt" wurde (Fälle
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II.C.5. bis 18.), und andererseits an einen von T. offensichtlich als
"Strohmann" gewonnenen, unter Verwendung des Personaldokuments eines
nicht anwesenden türkischen Staatsangehörigen (UA S. 9, 32) auftretenden
Käufers (Fälle II.C.19. bis 27.) erfolgte, so daß eine Abgabe der als solche be-
urkundeten Erklärungen durch die "Erwerber" ausscheidet.
In den übrigen Fällen (II.C.1. bis 4.) lassen sich vergleichbare Umstände
den Urteilsgründen nicht entnehmen. Allein der Umstand, daß der Kaufpreis für
die Übernahme der Unternehmen "auf Veranlassung des Angeklagten" in Höhe
von wenigstens 5.000 DM beurkundet wurde, genügt insofern nicht. Soweit die
Verurteilung hier auch wegen Falschbeurkundung im Amt erfolgte (Fälle II.C.2.
bis 4.), mußte sie insoweit entfallen. Der Senat hat den Schuldspruch entspre-
chend geändert.
3. Dies nötigt jedoch nicht zur Aufhebung der vom Landgericht in diesen
drei genannten Fällen verhängten Einzelstrafen. Gleiches gilt für den Fall
II.C.1., in dem der Schuldspruch gemäß § 348 Abs. 1 StGB allein in der
Falschbeurkundung des Vorliegens einer Vollmachtsurkunde besteht. Denn in
diesen Fällen ergibt sich der Unrechtsgehalt des Vorgehens des Angeklagten
hauptsächlich aus der Unterstützung der Dritte schädigenden Haupttaten
(§§ 263, 266 StGB) von B. und seinen Mittätern. Dies hat auch das Landge-
richt bei seiner Strafzumessung als erheblich angesehen und dementspre-
chend das Gewicht der verursachten Schäden betont. Im übrigen beschwert es
den Angeklagten nicht, daß das Landgericht zwar weitere unzutreffende Beur-
kundungen feststellt (so etwa in den Fällen II.C.19. bis 27. die falsche Anschrift
des Erwerbers), diese dem Angeklagten aber schon bei seiner rechtlichen
Würdigung nicht zur Last gelegt hat.
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b) Ebensowenig ist im Ergebnis zu beanstanden, daß das Landgericht
bei der Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe zu Lasten des Angeklagten dessen
"erhebliche persönliche Bereicherung" gewertet und dabei auch den "Tatge-
winn" berücksichtigt hat, den der insoweit ebenfalls geständige Angeklagte aus
einer Vielzahl gleichgelagerter, aber gemäß § 154 Abs. 1 StPO bereits im Er-
mittlungsverfahren eingestellter Taten erzielt hat (vgl. BGHSt 30, 165). Das
Landgericht hat hinsichtlich dieses Gewinns ausreichende Feststellungen ge-
troffen und den Angeklagten auf deren mögliche Verwertbarkeit hingewiesen.
Der Senat weist allerdings darauf hin, daß die Anwendung von der Prozeßöko-
nomie dienenden Vorschriften nicht Anlaß sein darf, die Erhebung einer
prozeßordnungsgemäßen Anklage in Teilen zu umgehen und so deren Infor-
mations- und Begrenzungsfunktion leerlaufen zu lassen (vgl. BGHSt 44, 153),
die zudem eine rechtzeitige sachgerechte Verteidigung erst ermöglicht.
4. Die weitere Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtferti-
gung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt (§ 349
Abs. 2 StPO).
Maul Granderath Boetticher
Schomburg Schluckebier