Urteil des BGH vom 03.06.2014

Stromnetz Homberg Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
E n V R 1 0 / 1 3
Verkündet am:
3. Juni 2014
Bürk
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der energiewirtschaftsrechtlichen Verwaltungssache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Stromnetz Homberg
EnWG § 46 Abs. 2 Satz 2 (in der bis zum 3. August 2011 geltenden Fassung)
a) Nach § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG aF ist der bisher Nutzungsberechtigte verpflichtet, seine
für den Betrieb der Netze der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet notwendigen
Verteilungsanlagen dem neuen Energieversorgungsunternehmen gegen Zahlung einer
wirtschaftlich angemessenen Vergütung zu übereignen.
b) Der Übereignungsanspruch nach § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG aF umfasst gemischt genutz-
te Mittelspannungsleitungen jedenfalls dann, wenn an diese (Groß-)Kunden als Letztver-
braucher angeschlossen sind.
EnWG § 65
Der Regulierungsbehörde steht bei der Frage, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen
sie zur Einhaltung der sich aus dem Energiewirtschaftsgesetz ergebenden Verpflichtungen
ergreift, nach § 65 Abs. 2 EnWG ein weites Ermessen zu. Die Verfolgung von Verstößen
gegen Vorschriften des Energiewirtschaftsgesetzes liegt grundsätzlich im öffentlichen Inte-
resse.
BGH, Beschluss vom 3. Juni 2014 - EnVR 10/13 - OLG Düsseldorf
- 2 -
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom
3. Juni 2014 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck sowie die Richter
Prof. Dr. Strohn, Dr. Grüneberg, Dr. Bacher und Dr. Deichfuß
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Kartellsenats des
Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12. Dezember 2012 in der Fassung
des Beschlusses vom 18. Februar 2013 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens einschließlich der not-
wendigen Auslagen der Betroffenen werden der Beigeladenen aufer-
legt. Die Auslagen der Bundesnetzagentur trägt diese selbst.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 1.500.000
€ fest-
gesetzt.
- 3 -
Gründe:
I.
Die Betroffene ist Eigentümerin des Elektrizitätsverteilernetzes im Gebiet der
- mit der Kernstadt topographisch nicht verbundenen - Stadtteile der Stadt Homberg.
Die Beigeladene, an der die Stadt Homberg beteiligt ist, betreibt das Elektrizitätsver-
teilernetz im Bereich der Kernstadt Homberg. Die Stadt Homberg hatte mit der
Rechtsvorgängerin der Betroffenen im Jahr 1992 einen Konzessionsvertrag mit einer
Laufzeit bis zum 31. Dezember 2011 geschlossen, der dieser gestattete, Stromver-
sorgungsleitungen auf und unter den öffentlichen Wegen des Gemeindegebiets zu
betreiben. Die Endschaftsbestimmung dieses Vertrags sieht vor, dass die Gemeinde,
falls sie nach Vertragsablauf die örtliche Versorgung mit elektrischer Energie selbst
übernehmen will, berechtigt und verpflichtet ist, die im Vertragsgebiet für die örtliche
Versorgung notwendigen Anlagen zum Sachzeitwert zu übernehmen.
Am 29. April 2009 machte die Stadt Homberg das Vertragsende zum
31. Dezember 2011 im elektronischen Bundesanzeiger bekannt und setzte eine Frist
für Angebote zum Abschluss eines neuen Konzessionsvertrags bis zum 31. Juli
2009. Die Betroffene, die Beigeladene und mehrere andere Betreiber gaben Angebo-
te ab. Der Stadtrat der Stadt Homberg entschied am 5. November 2009 und am
28. Januar 2010 für die Beigeladene. In der öffentlichen Bekanntmachung dieser
Entscheidung vom 8. Februar 2010 wird zur Begründung ausgeführt:
"Der von der KBG Homberg angebotene Strom-Konzessionsvertrag ist für die Stadt
Homberg (Efze) vorteilhaft (insbesondere bei Folgekosten und Endschaft).
Die KBG Homberg hat sich seit vielen Jahrzehnten als zuverlässige Betreiberin des
Stromnetzes in der Kernstadt Homberg bewährt und bietet aufgrund des örtlichen Be-
triebssitzes Gewähr für einen schnellen und bürgernahen Netzservice.
1
2
- 4 -
Die Bürger von Homberg können Genossenschaftsmitglieder der KBG Homberg wer-
den und dadurch die Geschäftspolitik in der Mitgliederversammlung beeinflussen so-
wie eine attraktive Dividende für ihre Einlage erzielen."
Die Stadt Homberg schloss mit der Beigeladenen einen Konzessionsvertrag,
dessen Laufzeit am 1. Januar 2012 begann, und trat ihr die Ansprüche aus der End-
schaftsbestimmung des bisherigen Konzessionsvertrags ab. In den anschließenden
Verhandlungen über die Netzübernahme konnten sich die Betroffene und die Beige-
ladene weder über Umfang noch Kaufpreis der zu übereignenden Anlagen einigen.
Dies betraf insbesondere die von der Beigeladenen verlangte Übereignung von sie-
ben Mittelspannungsleitungen, die in das 20-kV-Netz der Betroffenen eingebunden
sind. Diese verbinden Stadtteile der Stadt Homberg und Gemeinden in der Region
und speisen das Niederspannungsnetz. Im Konzessionsgebiet versorgen sie ausge-
hend vom Umspannwerk Homberg die Stadtteile von Homberg und einzelne unmit-
telbar angeschlossene Letztverbraucher. Zugleich werden sie zur Versorgung an-
grenzender Gemeindegebiete und - bei planbaren Arbeiten oder im Störungsfall - als
Reserveleitungen genutzt.
Im Januar 2011 bat die Beigeladene die Bundesnetzagentur um Unterstüt-
zung und stellte - nachdem ein von der Bundesnetzagentur durchgeführtes Vermitt-
lungsgespräch ergebnislos geblieben war - einen Antrag auf Einleitung eines beson-
deren Missbrauchsverfahrens nach § 31 EnWG. Die Bundesnetzagentur leitete da-
raufhin im Juni 2011 gegen die Betroffene ein Verfahren nach § 65 EnWG ein, an
dem sie die Beigeladene gemäß § 66 Abs. 2 Nr. 3 EnWG beteiligte. Im Oktober 2011
und Januar 2012 legte die damalige Muttergesellschaft der Betroffenen, die
E.ON AG, dem Bundeskartellamt das Konzessionierungsverfahren für die Stadtteile
der Stadt Homberg zur Überprüfung aus kartellrechtlicher Sicht vor; dieses lehnte die
Einleitung eines Verfahrens im Rahmen seines Aufgreifermessens ab.
Mit Beschluss vom 26. Januar 2012 hat die Bundesnetzagentur die Betroffe-
ne verpflichtet, sieben näher bezeichnete, im Gebiet der Stadtteile der Stadt Hom-
berg belegene Mittelspannungsleitungen jeweils bis zur Grenze des Konzessionsge-
3
4
5
- 5 -
biets gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung an die Beigela-
dene nach deren Wahl bis zum 31. Mai 2012 zu übereignen oder den Besitz hieran
zu verschaffen. Sie hat ferner ausgesprochen, dass die Betroffene und die Beigela-
dene einen von der Konzessionsgebietsgrenze verschiedenen Übergabepunkt ver-
einbaren können, um die Netztrennung mit einfacheren Mitteln zu verwirklichen oder
eine sinnvolle Netzstruktur zu bilden, und des Weiteren, dass die Betroffene zusam-
men mit der Beigeladenen ein Netzentflechtungskonzept zu erstellen und bis zum
31. März 2012 vorzulegen habe. Auf die dagegen gerichtete Beschwerde der Be-
troffenen hat das Beschwerdegericht den Beschluss der Bundesnetzagentur aufge-
hoben. Dagegen wendet sich die Beigeladene mit der - vom Beschwerdegericht zu-
gelassenen - Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Be-
schwerdegericht den angefochtenen Beschluss der Bundesnetzagentur aufgehoben.
1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung (OLG Düsseldorf, RdE
2013, 128) im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der Beschluss der Bundesnetzagentur sei rechtswidrig und daher aufzuhe-
ben. Die Bundesnetzagentur sei für den Erlass der angefochtenen Entscheidung
zwar im Wege der allgemeinen Missbrauchsaufsicht nach § 65 Abs. 2 EnWG zu-
ständig. Sie habe aber dabei die ihr eingeräumte Aufsichtsbefugnis nicht rechtsfeh-
lerfrei ausgeübt. Voraussetzung für ein Einschreiten sei ein - konkret festzustellender
- Verstoß gegen Bestimmungen des Energiewirtschaftsgesetzes. Der Erlass der An-
ordnungsverfügung stehe im Ermessen der Regulierungsbehörde, die nicht im Inte-
resse eines Dritten, sondern nur im öffentlichen Interesse tätig werden dürfe. Bei
Eingriffen in die Unternehmenssubstanz seien strenge Maßstäbe anzulegen. Nach
diesen Grundsätzen habe die Bundesnetzagentur ihr Ermessen rechtsfehlerhaft
ausgeübt. In der angefochtenen Entscheidung fehlten bereits nachvollziehbare Er-
6
7
8
- 6 -
wägungen dazu, aus welchem Grund die Anordnungsverfügung im öffentlichen Inte-
resse erforderlich gewesen sei. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die Regulie-
rungsbehörde mit ihrer Verfügung an die Stelle der Zivilgerichte getreten sei und da-
mit die Gefahr widersprechender Entscheidungen begründet habe, obwohl der Bei-
geladenen die selbständige Verfolgung ihrer Rechte im Zivilrechtsweg möglich sei.
Demgegenüber sei ein öffentliches Interesse an der angefochtenen Verfügung nicht
ersichtlich. Das von der Bundesnetzagentur angeführte Ziel der Schaffung von Wett-
bewerb erfordere ihr Eingreifen nicht zwingend.
Davon abgesehen sei die angefochtene Missbrauchsverfügung auch mate-
riell-rechtlich rechtswidrig. Für die angeordnete Übereignung fehle es an einer recht-
lichen Grundlage. Maßgeblich sei insoweit § 46 Abs. 2 EnWG in der bis zum
3. August 2011 geltenden Fassung, weil es für die Bestimmung des anwendbaren
Rechts auf den Zeitpunkt der Entstehung des gesetzlichen Schuldverhältnisses zwi-
schen der Betroffenen und der Beigeladenen ankomme, hier also auf den Abschluss
des neuen Konzessionsvertrags im Jahr 2010; der zum 4. August 2011 in Kraft ge-
tretenen Neufassung des § 46 Abs. 2 EnWG komme keine Rückwirkung zu. Aus
§ 46 Abs. 2 EnWG aF lasse sich ein Übereignungsanspruch nicht herleiten. Gegen
eine solche Verpflichtung spreche entscheidend die Entstehungsgeschichte der Vor-
schrift, wonach im Gesetzgebungsverfahren eine diesbezügliche Klarstellung trotz
einer entsprechenden Anregung unterblieben sei.
Ferner habe die Bundesnetzagentur die Wirksamkeit des zwischen der Stadt
Homberg und der Beigeladenen geschlossenen Konzessionsvertrags zu Unrecht
offengelassen. Vielmehr hätte sie im Rahmen eines Tätigwerdens nach § 65 Abs. 2
EnWG prüfen müssen, ob die Konzessionierung gegen die kartellrechtlichen Vor-
schriften der §§ 19, 20 GWB, § 46 Abs. 3 EnWG verstoßen habe. Bei einer Nichtig-
keit des Konzessionsvertrags liege nämlich kein Verstoß gegen § 46 Abs. 2 Satz 2
EnWG vor. Diese Frage müsse indes nicht aufgeklärt werden, weil der angefochtene
Beschluss der Bundesnetzagentur bereits aus anderen Gründen rechtswidrig sei.
9
10
- 7 -
Die Bundesnetzagentur habe den Umfang des Überlassungsanspruchs un-
zutreffend beurteilt. Entgegen ihrer Auffassung würden die gemischt genutzten Mit-
telspannungsleitungen von § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG nicht erfasst. Für die Ausle-
gung dieser Vorschrift lieferten zwar weder ihr Wortlaut, insbesondere das Kriterium
der Notwendigkeit, noch die Gesetzessystematik oder die Gesetzeshistorie noch der
Zweck der Vorschrift ein eindeutiges Ergebnis. Eine Beschränkung des Überlas-
sungsanspruchs ergebe sich aber aus der gebotenen verfassungskonformen Ausle-
gung im Lichte des Art. 14 GG. Da durch den Überlassungsanspruch nach § 46
Abs. 2 EnWG in eine grundrechtsrelevante Position des Altkonzessionärs eingegrif-
fen werde, müsse im Rahmen der Abwägung den Interessen des bisherigen Eigen-
tümers gegenüber denjenigen des Neukonzessionärs der Vorrang eingeräumt wer-
den. Aufgrund dessen hätten Leitungen, die sowohl der örtlichen Versorgung als
auch der überörtlichen Versorgung dienten, im Netzverbund des überörtlichen Netz-
betreibers zu verbleiben.
Schließlich sei auch die von der Bundesnetzagentur angeordnete Überlas-
sung gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung rechtlich unzulässig. Insoweit
fehle es an der - erforderlichen - Einigung der Betroffenen und der Beigeladenen
über Leistung und Gegenleistung, ob nun Kaufpreis oder Pacht, für die zu überlas-
senden Anlagen. Nichts anderes ergebe sich aus der Rechtsprechung des Bundes-
gerichtshofs, wonach ein Kaufvertrag wirksam zustande komme, wenn sich der Käu-
fer, obwohl er den geforderten Kaufpreis für überhöht halte, den Preisvorstellungen
des Verkäufers beuge und sich vertraglich vorbehalte, die Angemessenheit des
Kaufpreises gerichtlich überprüfen zu lassen. Ein solcher Fall liege hier nicht vor.
Davon abgesehen sei die Anordnung der Bundesnetzagentur auch zu unbestimmt,
weil die Verpflichtung, eine "wirtschaftlich angemessene Vergütung" zu entrichten,
nicht vollstreckbar sei. § 94 Satz 1 EnWG verweise auf die für die Vollstreckung von
Verwaltungsmaßnahmen geltenden Vorschriften, hier also auf das Verwaltungsvoll-
streckungsgesetz des Bundes. § 6 Abs. 1 VwVG setze einen vollziehbaren Verwal-
11
12
- 8 -
tungsakt voraus. Danach müsse die für die Leistung des einen Teils vorgesehene
Gegenleistung bestimmt oder bestimmbar sein, was hier nicht gegeben sei.
2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung in mehreren Punkten nicht
stand.
a) Das Beschwerdegericht hat die Ermessensausübung der Bundesnetz-
agentur, die zum Erlass der angefochtenen Missbrauchsverfügung nach § 65 Abs. 2
i.V.m. § 54 Abs. 1 Halbs. 1 EnWG zuständig war, zu Unrecht als fehlerhaft angese-
hen.
aa) Nach § 65 Abs. 2 EnWG steht es im pflichtgemäßen Ermessen der Re-
gulierungsbehörde, ob sie bei einem Verstoß gegen Vorschriften des Energiewirt-
schaftsgesetzes ein Verfahren einleitet und gegebenenfalls Maßnahmen zur Einhal-
tung der Verpflichtungen nach diesem Gesetz oder den auf Grund dieses Gesetzes
erlassenen Rechtsverordnungen anordnet. Dabei hat ihr der Gesetzgeber nach dem
Wortlaut des § 65 Abs. 2 EnWG ein weites Ermessen eingeräumt. Dies betrifft so-
wohl die Frage, ob die Behörde ein Aufsichtsverfahren einleitet, als auch die Frage,
ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen sie ergreift. Die Ermessensentscheidung
ist nach den - was § 83 Abs. 5 EnWG zeigt - auch im Energiewirtschaftsrecht gelten-
den allgemeinen Grundsätzen gerichtlich nur daraufhin überprüfbar, ob die Behörde
die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten (Ermessensüberschreitung),
ihr Ermessen überhaupt nicht ausgeübt (Ermessensnichtgebrauch) oder von dem
Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Ge-
brauch gemacht hat (Ermessensfehlgebrauch). Um diese Überprüfung zu ermögli-
chen, muss die Behörde ihre Ermessensausübung nachvollziehbar darlegen.
Eine darüber hinausgehende Einschränkung des Ermessensspielraums in
dem Sinne, dass ein besonderes öffentliches Interesse am Erlass der Verfügung zu
fordern sei, ergibt sich weder aus dem Wortlaut des § 65 Abs. 2 EnWG noch - was
das Beschwerdegericht gemeint hat - aus dem Umstand, dass sich die Bundesnetz-
13
14
15
16
- 9 -
agentur mit der Missbrauchsverfügung an die Stelle der zur Entscheidung über die
hier streitgegenständlichen Rechtsfragen berufenen Zivilgerichte gesetzt hat. Die
Verfolgung von Verstößen gegen Vorschriften des Energiewirtschaftsgesetzes liegt
grundsätzlich im öffentlichen Interesse. Denn Ziel des Energiewirtschaftsgesetzes ist
eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche und effiziente Versor-
gung der Allgemeinheit mit Elektrizität (§ 1 Abs. 1 EnWG). Das öffentliche Interesse
an der Verfolgung und Behebung von Missständen wird deshalb nicht dadurch in
Frage gestellt, dass ein durch die Missbrauchsverfügung - mittelbar - begünstigter
Dritter das mit der Verfügung erstrebte Ziel auch selbst auf dem Zivilrechtsweg errei-
chen könnte. Nach der Rechtsprechung des Senats zu Kartellrechtsverstößen hat
dies lediglich zur Folge, dass der Dritte gegen die zuständige Behörde keinen
Rechtsanspruch auf ein Tätigwerden hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. November
1968 - KVR 1/68, BGHZ 51, 61, 67 f. - Taxiflug - und vom 6. März 2001 - KVZ 20/00,
ZIP 2001, 807 mwN). Ob die Behörde auf die Beschwerde eines Dritten gegen ein
gerügtes Verhalten bestimmter Unternehmen vorgeht, steht dagegen in ihrem Er-
messen. Nach dem Energiewirtschaftsgesetz gilt nichts anderes.
bb) Nach diesen Maßgaben lässt sich eine rechtsfehlerhafte Ausübung des
Entschließungsermessens der Bundesnetzagentur nicht bejahen. Sie hat dies in der
angefochtenen Verfügung nachvollziehbar damit begründet, dass der Konzessions-
nehmerwechsel an der mangelnden Einigung der Beteiligten zu scheitern drohe und
der Fall darüber hinaus in Bezug auf die in Rede stehende Überlassung sogenannter
multifunktional genutzter Anlagen eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung aufwer-
fe, deren Beantwortung für zahlreiche weitere Fälle von Interesse sei. Aus dem wei-
teren Inhalt der Verfügung ergibt sich, dass die Bundesnetzagentur die konkurrieren-
de Zuständigkeit der Zivilgerichte in Betracht gezogen, dies jedoch nicht als Hinde-
rungsgrund für den Erlass der Missbrauchsverfügung angesehen hat. Dagegen ist im
Rahmen der beschränkten gerichtlichen Kontrolle der Ermessensentscheidung nichts
zu erinnern. Dass die Bundesnetzagentur dem (öffentlichen) Interesse an einer Klä-
rung der zentralen Streitfrage im Verfahren nach § 65 Abs. 2 EnWG den Vorrang vor
einer solchen Entscheidung in einem zwar möglichen, aber ungewissen und zudem
17
- 10 -
von ihr nicht zu veranlassenden zivilgerichtlichen Verfahren eingeräumt hat, stellt
entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts keinen Ermessensfehlgebrauch,
sondern lediglich eine - der gerichtlichen Überprüfung nicht unterliegende - Zweck-
mäßigkeitserwägung dar.
b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Beschwerdege-
richt zu Recht angenommen, dass die Bundesnetzagentur fehlerhaft § 46 Abs. 2
Satz 2 EnWG in der seit dem 4. August 2011 geltenden Fassung und nicht - was
richtig gewesen wäre - § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG in der bis zum 3. August 2011 gel-
tenden Fassung (im Folgenden: aF) angewendet hat.
Wie der Senat - nach Erlass der Beschwerdeentscheidung - entschieden hat,
kommt es für den Inhalt des Anspruchs des neuen Energieversorgungsunterneh-
mens auf das zur Zeit seiner Entstehung geltende Recht an (Senatsurteile vom
17. Dezember 2013 - KZR 66/12, WuW/E DE-R 4159 Rn. 60 und 70 - Stromnetz
Berkenthin, für BGHZ bestimmt, und KZR 65/12, WuW/E DE-R 4139 Rn. 57 - Strom-
netz Heiligenhafen). Ein etwaiger Anspruch der Beigeladenen wäre hier mit Ab-
schluss des Konzessionsvertrags zwischen ihr und der Stadt Homberg im Jahr 2010
entstanden, so dass § 46 Abs. 2 EnWG im Streitfall in der bis zum 3. August 2011
geltenden Fassung anzuwenden ist. Dass die Laufzeit des Vertrags erst am
1. Januar 2012 begonnen hat, ist unerheblich.
Anders als die Rechtsbeschwerde meint, kommt der Neufassung des § 46
Abs. 2 EnWG keine Rückwirkung zu. Dafür finden sich weder im Wortlaut des Ände-
rungsgesetzes vom 26. Juli 2011 (BGBl. I S. 1554) noch in den Gesetzesmaterialien
hinreichende Anhaltspunkte.
c) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts kann der von der Bei-
geladenen geltend gemachte Übereignungsanspruch im Grundsatz aus § 46 Abs. 2
Satz 2 EnWG aF hergeleitet werden.
18
19
20
21
- 11 -
aa) In Instanzrechtsprechung und Schrifttum ist umstritten, ob § 46 Abs. 2
Satz 2 EnWG aF zugunsten des neuen Konzessionsinhabers einen Anspruch auf
Übereignung der für den Betrieb der Netze der allgemeinen Versorgung im Gemein-
degebiet notwendigen Verteilungsanlagen begründet. Eine Auffassung entnimmt ihr
keine Pflicht zur Übereignung (vgl. OLG Frankfurt, OLGR 2008, 561 f.; RdE 2011,
422, 426; OLG Koblenz, ZNER 2009, 146, 147 ff.; Säcker/Jaecks, BB 2001, 997,
999 ff.; Büdenbender, EnWG, § 13 Rn. 58 ff.; Salje, EnWG, § 46 Rn. 158 ff.; Berl-
KommEnR/Wegner, 2. Aufl., EnWG § 46 Rn. 66 ff.; Lecheler in Ballwieser/Lecheler,
Die angemessene Vergütung für Netze nach § 46 Abs. 2 EnWG, S. 35 f.; Kermel/
Danzeisen, Konzessionsverträge und Konzessionsabgaben, Kap. 6 Rn. 12; Kermel,
RdE 2005, 153, 157; Dodel, Das Verständnis des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG im Lichte
seiner Vorgängerregelungen, S. 51 ff.; Braedel, Die Überlassung von Verteilungsan-
lagen nach Ablauf des Konzessionsvertrages gemäß § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG,
S. 28 ff.; BNetzA bei BKartA/BNetzA, Gemeinsamer Leitfaden zur Vergabe von
Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers, Rn. 33;
vgl. Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netzanlagen, S.
60). Die Gegenmeinung hingegen bejaht die inzwischen in § 46 Abs. 2 Satz 2
EnWG nF ausdrücklich angeordnete Übereignungspflicht schon nach altem Recht
(OLG Schleswig, RdE 2006, 199, 203; Theobald in Danner/Theobald, Energierecht,
Stand Sept. 2013, § 46 EnWG Rn. 44 ff.; Hellermann in Britz/Hellermann/Hermes,
EnWG, 2. Aufl., § 46 Rn. 77; Kühling/Hermeier, IR 2008, 173, 174 ff.; dies., Wettbe-
werb um Energienetze, S. 7 ff.; Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-
Konzessionsverträgen im EnWG, S. 785 ff.; Reimann/Decker, RdE 2000, 16, 18 f.;
Templin, Recht der Konzessionsverträge, S. 370 ff.; Theobald/Templin, Strom- und
Gasverteilnetze im Wettbewerb, S. 30 ff.; Albrecht in Schneider/Theobald, Recht der
Energiewirtschaft, 4. Aufl., § 9 Rn. 119 unter Hinweis auf Rn. 106 ff. der Voraufl.;
Büttner/Templin, ZNER 2011, 121, 124 f.; BKartA bei BKartA/BNetzA, Gemeinsamer
Leitfaden zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des
Konzessionsnehmers, Rn. 33, Fn. 21). Der Senat hat die Streitfrage bislang offen
gelassen (Urteil vom 29. September 2009 - EnZR 14/08, RdE 2010, 253 Rn. 17, 20
- Endschaftsbestimmung II).
22
- 12 -
bb) Der zweiten Ansicht ist zuzustimmen.
(1) Die Frage, ob nach § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG aF eine Übereignung oder
nur eine Besitzverschaffung geschuldet ist, wird durch den Wortlaut der Vorschrift
nicht eindeutig beantwortet. Danach ist der bisher Nutzungsberechtigte verpflichtet,
seine für den Betrieb der Netze der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet
notwendigen Verteilungsanlagen dem neuen Energieversorgungsunternehmen ge-
gen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung zu überlassen. Der Be-
griff "überlassen" könnte durchaus dahin verstanden werden, dass dem Schuldner
vorbehalten bleiben soll, ob er nur Besitz oder auch Eigentum übertragen möchte. Er
umfasst aber auch einen davon abweichenden Bedeutungsgehalt, wonach das neue
Energieversorgungsunternehmen die Übereignung verlangen kann. Ein eindeutiger
Hinweis auf einen bestimmten Bedeutungsgehalt ergibt sich aus dem Wortlaut selbst
nicht. Dies wird durch einen Blick in das Bürgerliche Gesetzbuch bestätigt. Dort wird
der Begriff "überlassen" teilweise im Sinne einer Eigentumsübertragung (vgl. etwa
§§ 110, 1644 BGB), teilweise aber auch nur im Sinne einer Besitzverschaffung ver-
standen (vgl. etwa §§ 535, 536, 586, 596 Abs. 3, §§ 607, 732, 738 Abs. 1 BGB).
(2) Auf einen Übereignungsanspruch des neuen Netzbetreibers deuten indes
die Gesetzesmaterialien der Vorgängerregelung des § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG hin.
Der Gesetzgeber sah in § 13 Abs. 2 Satz 2 EnWG 1998 offenbar wie selbstverständ-
lich eine Regelung zum Schicksal des Netzeigentums. Nach der Gesetzesbegrün-
dung soll die wirtschaftlich angemessene Vergütung ermittelt werden, um prohibitive
Kaufpreise zu verhindern (BT-Drucks. 13/7274, S. 21), während Pachtzinsen nicht
erwähnt werden. Dies spricht dafür, dass der Gesetzgeber - wenn auch ohne nähere
Erläuterung - die "Überlassung" von Eigentum meinte. Zudem waren bei Einführung
der Regelung in § 13 Abs. 2 Satz 2 EnWG 1998 Endschaftsbestimmungen üblich,
die eine Eigentumsübertragung vorsahen (Sauer, aaO S. 792; Büdenbender, EnWG,
§ 13 Rn. 48). Fehlte es an Endschaftsbestimmungen, wurde allgemein gleichwohl ein
lediglich in der Begründung umstrittener Anspruch der Gemeinde auf Eigentums-
übertragung angenommen (Säcker/Jaecks, BB 2001, 997 mwN).
23
24
25
- 13 -
Dass eine dahingehende Klarstellung im Wortlaut des § 46 Abs. 2 Satz 2
EnWG aF mit dem Zweiten Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts
nicht erfolgt ist, erlaubt keine Rückschlüsse auf den Willen des Gesetzgebers zu § 13
EnWG 1998 oder § 46 EnWG 2005 (Hellermann, aaO; Kühling/Hermeier, IR 2008,
173, 174 f.; vgl. auch Ausschussdrucks. 15(9)1511, S. 133). Dasselbe gilt für einen
erfolglosen Vorschlag im Gesetzgebungsverfahren zur Neuregelung des Energie-
wirtschaftsrechts (BT-Drucks. 13/9290), dessen Formulierung eine "Übertragung des
Eigentums" vorsah, der aber in der Sache nicht die Überlassungsform, sondern die
Gegenleistung zum Gegenstand hatte.
(3) Die Annahme eines Übereignungsanspruchs wird durch die Systematik
der Vorschrift bestätigt. Sie ist auf einen regelmäßig wiederkehrenden Wettbewerb
um das Netz ausgerichtet und geht davon aus, dass der zur Überlassung verpflichte-
te bisher Nutzungsberechtigte - gemeint ist nicht etwa ein dritter Netzeigentümer,
sondern der bisher kraft Konzessionsvertrag Berechtigte (vgl. § 13 Abs. 2 Satz 2
EnWG 1998: "das bisher versorgende Unternehmen") - Eigentum und Besitz an "sei-
nen" Verteilungsanlagen innehat. Sollte aber zuletzt lediglich ein Besitzwechsel statt-
gefunden haben, ergäben sich erhebliche Abwicklungsschwierigkeiten bei künftigen
erneuten Betreiberwechseln (vgl. Hellermann, aaO; Theobald, aaO Rn. 48 f.). Ein
Anspruch gegen einen bisher Nutzungsberechtigten, der kein Besitzrecht mehr an
dem (fremden) Netzeigentum hätte, ginge ins Leere; im Übrigen wäre unklar, welche
"angemessene Vergütung" der neue Netzbetreiber dem bisher Nutzungsberechtigten
zahlen sollte. Zugleich könnte der zuletzt nicht mehr netzbetreibende Eigentümer
ohne Bindung an § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG aF über die Verwertung des Netzes ent-
scheiden, sofern er nicht von der Gemeinde nach § 1004 BGB auf Entfernung in An-
spruch genommen wird, was allerdings weder wirtschaftlich sinnvoll noch mit dem
Gesetzeszweck vereinbar wäre (vgl. Templin, aaO S. 380 f.). Dem steht nicht entge-
gen, dass der Gesetzgeber in § 46 Abs. 2 Satz 3 EnWG nF dem neuen Energiever-
sorgungsunternehmen die Möglichkeit eröffnet hat, statt der Übereignung nur die
Besitzeinräumung verlangen zu können. Diese Regelung ist ersichtlich nur als Aus-
26
27
- 14 -
nahme zu der in § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG nF angeordneten Übereignungsverpflich-
tung des bisher Nutzungsberechtigten ausgestaltet.
(4) Schließlich gebietet der Zweck der Vorschrift die Bejahung eines Über-
eignungsanspruchs. Danach soll der Betreiberwechsel nicht am Netzeigentum des
bisherigen Versorgers - als Hindernis für einen effektiven Wettbewerb um das Netz -
scheitern (BT-Drucks. 13/7274, S. 21). Dieses Ziel kann zwar auch durch eine Be-
sitzverschaffungspflicht (allerdings des Netzeigentümers, nicht des letzten Netzbe-
treibers) gefördert werden. Ihm liefe es aber zuwider, wenn das mögliche Auseinan-
derfallen von Netzeigentum und Besitz zu einer Verdoppelung derjenigen Personen
führen könnte, die einen Betreiberwechsel erschweren könnten und sich in mehrpoli-
gen Rechtsverhältnissen über die Überlassungsmodalitäten einigen müssten (Küh-
ling/Hermeier, aaO, S. 175; Sauer, Das Recht der Vergabe von Strom- und Gas-
Konzessionsverträgen im EnWG, S. 804). Dem steht nicht entgegen, dass § 46
Abs. 2 Satz 2 EnWG aF das neue Versorgungsunternehmen nicht zwingt, das Eigen-
tum zu erwerben (vgl. dazu Pippke/Gaßner, RdE 2006, 33, 35 mwN; siehe nun § 46
Abs. 2 Satz 3 EnWG 2011; vgl. auch § 4 Abs. 5 StromNEV). Erst ein Übereignungs-
anspruch stellt sicher, dass eine atypische bloße Besitzüberlassung zwischen wirt-
schaftlich unverbundenen Unternehmen in der Praxis nur dann vereinbart wird, wenn
bei den Beteiligten Einvernehmen über deren rechtliche Konsequenzen besteht.
Könnte der neue Netzbetreiber keine Übereignung der Anlagen verlangen, wäre et-
wa von weiteren Vereinbarungen mit dem Netzeigentümer abhängig, ob er über die
zu Wartung und eventuellem Ausbau erforderlichen Entscheidungsbefugnisse über
das Netz verfügt (Theobald/Templin, aaO S. 34). Schließlich wäre bei einem bloßen
Besitzherausgabeanspruch die Bewerbung um das Wegerecht zumindest weniger
attraktiv mit der Folge, dass ein Wettbewerb um die Netze gehemmt wäre, wenn ein
Bewerber erwarten müsste, zur Bezahlung von Pachtzinsen für die Versorgungsan-
lagen aus den regulierten Netzentgelten gezwungen zu sein (vgl. Theobald/Templin,
aaO S. 32 ff.).
28
- 15 -
(5) Das verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsrecht des bisherigen
Netzbetreibers fordert keine andere Auslegung (so aber Säcker/Jaecks, BB 2001,
997, 1001 f.; vgl. Papier/Schröder, Wirtschaftlich angemessene Vergütung für Netz-
anlagen, S. 32 ff., 60). Die Pflicht zur Übereignung ist - im Vergleich zur bloßen
Besitzherausgabepflicht - aus den vorstehenden Gründen eine zur effektiven Ermög-
lichung des Wettbewerbs um das Wegerecht im Interesse der Verbesserung der
Versorgungsbedingungen, bei der es sich um ein legitimes Ziel handelt (vgl. Pa-
pier/Schröder, aaO S. 36 ff.), geeignete und erforderliche (Sauer, aaO S. 806 f.; aA
Pippke/Gaßner, RdE 2006, 33, 38) Inhalts- und Schrankenbestimmung, die nicht ge-
gen das Übermaßverbot verstößt. Die Interessen des bisherigen Netzbetreibers sind
durch die ihm zustehende angemessene Vergütung gewahrt. Die gängige Vertrags-
praxis vor Inkrafttreten des § 13 EnWG 1998 zeigt, dass eine Übereignung dem
Netzbetreiber nicht unzumutbar ist. Die Verfügungsgewalt über das Netzeigentum ist
ihm im Fall des Betreiberwechsels auch bei bloßer Besitzüberlassung entzogen. Im
Übrigen ist er nach Ablauf seiner Wegenutzungsberechtigung ohnehin Ansprüchen
der Gemeinde nach § 1004 BGB ausgesetzt (vgl. Albrecht in Schneider/Theobald,
Recht der Energiewirtschaft, 4. Aufl., § 9 Rn. 156 ff.). Die im Fall der Übereignung
wegfallende Möglichkeit, anstelle eines angemessen Kaufpreises laufende ange-
messene Pachtzinsen zu erwirtschaften, wäre von der Zustimmung des Wegeeigen-
tümers abhängig und ist daher keine schützenswerte Rechtsposition.
d) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts erfasst der Übereig-
nungsanspruch aus § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG aF auch sogenannte gemischt genutz-
te Leitungen.
aa) Hierfür spricht bereits der Wortlaut der Vorschrift. Danach ist der bisher
Nutzungsberechtigte verpflichtet, dem neuen Energieversorgungsunternehmen seine
für den Betrieb der Netze der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet notwen-
digen Verteilungsanlagen zu überlassen. Die Abgrenzung zwischen dem örtlichen
Verteilernetz und Durchgangsleitungen erfolgt funktional, also nach der Funktion der
konkreten Anlage, nicht etwa pauschal nach Spannungsebenen. Der Begriff der Ver-
29
30
31
- 16 -
teilungsanlagen umfasst - was § 3 Nr. 37 EnWG zeigt - auch Mittelspannungsleitun-
gen. Nach allgemeinem Sprachgebrauch sind "notwendig" alle Anlagen, die nicht
hinweg gedacht werden können, ohne dass der neue Konzessionsnehmer seine
Versorgungsaufgabe nicht mehr wie der frühere Netzbetreiber erfüllen könnte (OLG
Frankfurt/Main, RdE 2011, 422, 423 f.; Albrecht in Schneider/Theobald, Recht der
Energiewirtschaft, 4. Aufl., § 9 Rn. 123 ff.; Hellermann in Britz/Hellermann/Hermes,
EnWG, 2. Aufl., § 46 Rn. 74: Theobald, aaO Rn. 37; Embacher, EnWZ 2013, 275,
276; Klemm, CuR 2007, 44, 46; Lexow, IR 2013, 84; aA BerlKommEnR/Wegner,
2. Aufl., § 46 EnWG Rn. 62; Böwing in Bartsch/Röhling/Salje/Scholz, Stromwirt-
schaft, 2. Aufl., Kap. 13 Rn. 28 aE; Lecheler, RdE 2007, 181, 182 ff.). Diese Voraus-
setzung ist hier gegeben. Anders als die Betroffene meint, sind unter notwendigen
Anlagen nicht nur solche Anlagen zu verstehen, die "ausschließlich" der Stromver-
sorgung im Konzessionsgebiet dienen (so aber Kermel, RdE 2005, 153, 156). Die
Merkmale "notwendig" und "ausschließlich" sind zwei unterschiedliche Kriterien mit
einem jeweils anderen Bedeutungsgehalt. Der Gesetzgeber hat den Anwendungsbe-
reich des § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG aF mit dem Kriterium der Notwendigkeit be-
stimmt. Dafür, dass er damit etwas anderes gewollt hat, nämlich eine Beschränkung
des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift auf solche Verteilungsanlagen, die aus-
schließlich der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet dienen, ist nichts ersicht-
lich.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Überlassungsan-
spruch aus § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG aF auf die "im Gemeindegebiet" gelegenen
Verteilungsanlagen bezogen ist. Diese Voraussetzung kann im Zusammenhang mit
dem Merkmal der Notwendigkeit nur in einem örtlichen Sinne dahin verstanden wer-
den, dass Anlagen außerhalb des Gemeindegebiets, d.h. des Konzessionsgebiets,
vom Überlassungsanspruch nicht erfasst werden, auch wenn sie für die Versorgung
der Letztverbraucher innerhalb des Gemeindegebiets notwendig sind (vgl. Heller-
mann in Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, 2. Aufl., § 46 Rn. 56). Dies ergibt sich mit-
telbar auch aus § 3 Nr. 29c EnWG, wonach für die Abgrenzung der örtlichen Vertei-
lernetze von den vorgelagerten Netzebenen auf das Konzessionsgebiet abgestellt
32
- 17 -
wird und zu den örtlichen Verteilernetzen auch die Leitungen gehören, die ein sol-
ches Netz mit einem benachbarten örtlichen Verteilernetz verbinden.
Anders als die Betroffene meint, steht dieser Auslegung nach dem Wortlaut
der Vorschrift nicht entgegen, dass die Beigeladene die Überlassung der gemischt
genutzten Anlagen zur Erfüllung ihrer Versorgungsaufgabe nicht benötigte, weil sie
gegenüber der Betroffenen nach § 20 Abs. 1 EnWG einen Anspruch auf diskriminie-
rungsfreien Netzzugang zwecks Durchleitung habe. Denn damit könnte der Netz-
übertragungsanspruch aus § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG aF zur Gänze zu Fall gebracht
werden, weil sich der Durchleitungsanspruch auf sämtliche Verteilungsanlagen sämt-
licher Spannungsebenen bezieht (Theobald, aaO Rn. 38; Embacher, EnWZ 2013,
275, 276).
bb) Dieses Wortlautargument wird durch eine systematische Auslegung ge-
stützt. Bei der Auslegung des § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG aF ist auch der Grundtatbe-
stand des § 46 Abs. 1 EnWG zu berücksichtigen, der im Rahmen der diskriminie-
rungsfreien Zurverfügungstellung von öffentlichen Verkehrswegen auf die unmittelba-
re Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet abstellt. Diese Vorausset-
zung ist jedenfalls dann erfüllt, wenn - wie hier - an die gemischt genutzten Mit-
telspannungsleitungen (Groß-)Kunden unmittelbar angeschlossen sind.
Wie der Senat bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt hat, ist der
Begriff des (örtlichen) Energieversorgungsnetzes weit zu fassen. Die Bestimmung
des Begriffs "Energieversorgungsnetz" in § 3 Nr. 16 EnWG erklärt den Netzbegriff
nicht, sondern setzt ihn voraus. Seine Auslegung muss aus einer Zusammenschau
der energiewirtschaftsrechtlichen Begriffsbestimmungen unter Berücksichtigung der
Zielsetzungen des Gesetzes entwickelt werden. Besondere Bedeutung kommt dabei
den Vorschriften der § 3 Nr. 29c und Nr. 36 EnWG zu. Die Regelung der Nr. 29c be-
zeichnet ein Netz, das überwiegend der Belieferung von Letztverbrauchern über ört-
liche Leitungen dient, als örtliches Verteilernetz. Die Bestimmung der Nr. 36 um-
schreibt näher, wann eine Versorgung mit Energie vorliegt. Danach stellen - neben
33
34
35
- 18 -
deren Gewinnung - der Vertrieb von Energie an Kunden und der Betrieb eines Ener-
gieversorgungsnetzes eine Versorgung im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes
dar. Dies verdeutlicht, dass der Begriff des Netzes vor dem Hintergrund seiner Ver-
sorgungsfunktion zu sehen ist. Werden durch die Anlage Dritte, insbesondere Ver-
braucher, mit Strom versorgt, ist der in § 1 Abs. 1 EnWG genannte Zweck des Ge-
setzes berührt, eine sichere, verbraucherfreundliche und effiziente Versorgung der
Allgemeinheit mit leitungsgebundener Elektrizität zu gewährleisten. Es entspricht der
Zielsetzung des im Jahre 2005 grundlegend novellierten Energiewirtschaftsgesetzes,
dem Verbraucher Auswahlmöglichkeiten hinsichtlich der Person seines Stromversor-
gers einzuräumen. Dies erfordert aber ein weites Verständnis des Netzbegriffs. Um
die Belieferung mit Elektrizität durch jeden Anbieter zu ermöglichen, müssen grund-
sätzlich alle Anlagen, die einer Versorgung der Letztverbraucher dienen, dem Netz-
begriff unterfallen. Für diese weite Auslegung sprechen im Übrigen auch die Rege-
lungen des § 3 Nr. 16, 17 EnWG, die den Gesichtspunkt der Versorgung mit Energie
in den Vordergrund rücken (vgl. Senat, Beschluss vom 18. Oktober 2011
- EnVR 68/10, juris Rn. 8 f.).
Nach diesen Maßgaben gehören zum Netz der allgemeinen Versorgung alle
Anlagen, die für die Versorgung aller vorhandenen Netznutzer im Konzessionsgebiet
notwendig sind. Dazu gehören auch Mittelspannungsleitungen jedenfalls dann, wenn
daran Letztverbraucher unmittelbar angeschlossen sind, ohne dass es eine Rolle
spielt, ob die Leitungen von einem vorgelagerten Netzbetreiber auch für andere
Zwecke genutzt werden. Eine Beschränkung des Überlassungsanspruchs aus § 46
Abs. 2 Satz 2 EnWG aF auf die Niederspannungsebene - wie dies etwa in § 18
EnWG geregelt ist - oder auf nur ausschließlich für die allgemeine Versorgung von
Letztverbrauchern genutzten Leitungen einer höheren Spannungsebene kann daraus
nicht hergeleitet werden.
cc) Die Gesetzesmaterialien unterstreichen diese weite Auslegung des § 46
Abs. 2 Satz 2 EnWG. Dabei kann dahinstehen, ob es - wie das Beschwerdegericht
ausgeführt hat - vor der Neufassung des Energiewirtschaftsgesetzes im Jahr 1998
36
37
- 19 -
eine konzessionsvertragliche Rechtstradition mit dem Inhalt gegeben hat, dass sich
die vertragliche Übereignungspflicht nur auf solche Verteilungsanlagen bezogen hat,
die ausschließlich der Verteilung der elektrischen Energie im Gemeindegebiet dien-
ten (zu einer solchen Vertragsabrede siehe etwa Senatsurteil vom 29. September
2009 - EnZR 14/08, RdE 2010, 253 - Endschaftsbestimmung II, wonach die Anlagen,
die der bisher Nutzungsberechtigte "zur Durchleitung benötigt", in dessen Eigentum
verbleiben sollten, oder Senatsbeschluss vom 7. Februar 2006 - KZR 24/04, RdE
2006, 239 - Rückforderungsvorbehalt, wonach alle Anlagen zu übertragen waren, die
"ausschließlich der Versorgung des Konzessionsgebiets dienen"). Dass der Gesetz-
geber eine solche Rechtstradition, so es sie denn gegeben hat, fortführen wollte,
lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Ganz im Gegenteil wollte er mit
der Schaffung eines gesetzlichen Überlassungsanspruchs des neuen Energieversor-
gungsunternehmens in § 13 Abs. 2 EnWG 1998 verhindern, dass das Netzeigentum
des bisherigen Versorgers einen Wechsel praktisch unmöglich macht und es zu wirt-
schaftlich unsinnigen Doppelinvestitionen kommt (BT-Drucks. 13/7274, S. 21; vgl.
hierzu auch Senatsurteil vom 29. September 2009 - EnZR 14/08, aaO Rn. 15). Die-
ses Ziel, an dem sich durch § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG 2005 nichts geändert hat, ist
nur durch eine Einbeziehung der multifunktional genutzten Leitung zu erreichen.
dd) Schließlich spricht auch der Zweck des § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG für ei-
ne Einbeziehung von gemischt genutzten Leitungen in den Netzübertragungsan-
spruch.
Die Vorschrift bezweckt die Sicherung des effektiven Wettbewerbs um das
örtliche Verteilernetz. Um dieses Ziel zu erreichen, ist der Begriff der notwendigen
Verteilungsanlagen eher weit auszulegen. Eine generelle Ausnahme für gemischt
genutzte Anlagen würde zu einer Zersplitterung der Netze der allgemeinen Versor-
gung und zu einer - unter Umständen kostenaufwändigen - Entwicklung von Parallel-
strukturen führen, von denen die Netze der allgemeinen Versorgung nach längstens
20 Jahren einem Konzessionswettbewerb unterlägen, während das Parallelnetz ei-
ner Ewigkeitsgarantie unterfiele, wobei letzteres unter Umständen die besonders at-
38
39
- 20 -
traktiven Netzanschlusskunden, nämlich die industriellen (Groß-)Kunden anziehen
würde. Dies lässt sich mit dem von § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG aF/nF verfolgten
Zweck nicht vereinbaren.
Die dagegen von der Betroffenen geäußerte Befürchtung, eine weite Ausle-
gung des § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG lasse bei einer - wie hier - gleichzeitigen "Kom-
munalisierung" der örtlichen Verteilernetze neue "Ewigkeitsrechte" entstehen und
führe zu einer Einschränkung des Wettbewerbs um die Netze, trifft nicht zu. Dem
steht entgegen, dass die Gemeinden bei jeder Neuvergabe das Diskriminierungsver-
bot des § 46 Abs. 1 EnWG zu beachten haben und dadurch die Konzessionsvergabe
strengen Vorgaben unterliegt (vgl. hierzu Senatsurteile vom 17. Dezember 2013
- KZR 65/12, WuW/E DE-R 4139 Rn. 24 ff., 43 ff. - Stromnetz Heiligenhafen und
KZR 66/12, WuW/E DE-R 4159 Rn. 25 ff., 34 ff. - Stromnetz Berkenthin).
ee) Das verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsrecht des bisherigen
Netzbetreibers fordert keine andere Auslegung. Insoweit gilt nichts anderes als - wie
oben dargelegt - zur Verfassungsmäßigkeit des Übereignungsanspruchs als solchen.
Allein der Umstand, dass auch die Betroffene die streitgegenständlichen Mittelspan-
nungsleitungen weiterhin zur Durchleitung nutzen muss, steht dem nicht entgegen,
weil ihre Interessen durch den Anspruch auf Durchleitung nach § 20 EnWG hinrei-
chend geschützt sind. Die von der Betroffenen in diesem Zusammenhang angeführ-
ten Gesichtspunkte der Versorgungszuverlässigkeit, des optimalen Ausbaus der
Netze zur maximalen Aufnahme regenerativer Energien, der Gewährleistung der
Systemsicherheit und der Effizienz der Betriebsführung sind für die verfassungs-
rechtliche Bewertung ohne Belang, weil diese allenfalls die Zweckmäßigkeit der ge-
setzlichen Regelung berühren, nicht aber deren Verfassungsgemäßheit in Frage stel-
len können.
e) Schließlich wendet sich die Rechtsbeschwerde auch zu Recht gegen die
Auffassung des Beschwerdegerichts, dass die von der Bundesnetzagentur angeord-
nete Überlassung gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung rechtlich unzuläs-
40
41
42
- 21 -
sig sei, weil im Streitfall noch keine Einigung der Betroffenen und der Beigeladenen
über die zu erbringende Gegenleistung erfolgt und außerdem die Anordnung man-
gels Bestimmtheit nicht vollstreckbar sei.
aa) Die fehlende Einigung der Betroffenen und der Beigeladenen über den
Kaufpreis des zu übereignenden Netzes kann die Zulässigkeit der angefochtenen
Missbrauchsverfügung nicht in Frage stellen, weil diese eine solche Einigung mit den
Mitteln des Verwaltungsrechts gerade erst herbeiführen will. Insoweit ist zwar zutref-
fend, dass eine Vereinbarung betreffend die Übertragung eines Energieversorgungs-
netzes nicht zustande kommt, solange die Vertragsparteien keine Einigung über die
Höhe der Gegenleistung erzielt haben (vgl. dazu BGH, Urteil vom 7. Februar 2006
- KZR 24/04, RdE 2006, 239 Rn. 21 - Rückforderungsvorbehalt); in einem solchen
Fall kann der abgebende Netzbetreiber einem Anspruch auf Überlassung des Netzes
nach § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG ein Leistungsverweigerungsrecht entgegenhalten.
Anders liegt es aber, wenn sich der neue Konzessionsnehmer den Preisvorstellun-
gen des alten Netzbetreibers beugt, obwohl er den geforderten Kaufpreis für über-
höht hält, sich aber eine gerichtliche Überprüfung der Angemessenheit des Kaufprei-
ses vertraglich vorbehält, um gegebenenfalls das zu viel Gezahlte zurückzufordern;
in diesem Fall kommt der Kauf - wenn auch unter Vorbehalt - zu dem vom Verkäufer
geforderten Kaufpreis zu Stande (vgl. Senatsurteil, aaO). Mit der Missbrauchsverfü-
gung soll die Betroffene zu einer solchen Verfahrensweise veranlasst werden.
bb) Die Missbrauchsverfügung genügt den Anforderungen an die inhaltliche
Bestimmtheit von Verwaltungsakten, die auch für Verfügungen der Bundesnetzagen-
tur gelten (§ 37 Abs. 1 VwVfG; vgl. nur BGH, Beschluss vom 19. Juni 2007
- KVR 17/06, BGHZ 172, 368 Rn. 36 mwN - Auskunftsverlangen). Das Bestimmt-
heitsgebot verlangt, dass der Adressat in die Lage versetzt wird, zu erkennen, was
von ihm gefordert wird (Senatsbeschluss, aaO mwN). Es reicht aus, wenn sich die
Regelung aus dem gesamten Inhalt des Bescheids, insbesondere seiner Begrün-
dung sowie den weiteren, den Beteiligten bekannten oder ohne weiteres erkennba-
ren Umständen unzweifelhaft erkennen lässt (vgl. BVerwGE 114, 160, 164; 119, 282,
43
44
- 22 -
284). Im Einzelnen sind die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines
Verwaltungsaktes aus dem Regelungsgehalt der jeweiligen gesetzlich vorgesehenen
Maßnahme und dem mit ihr verfolgten Sinn und Zweck herzuleiten (vgl. BGH, Be-
schluss vom 24. September 2002 - KVR 15/01, BGHZ 152, 84, 92 - Fährhafen Putt-
garden I; BVerwGE 119, 282, 284). Daran gemessen ist der angefochtene Bescheid
der Bundesnetzagentur nicht zu beanstanden.
Die Betroffene hat der Beigeladenen nach § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG aF die
in der Missbrauchsverfügung im Einzelnen aufgeführten Verteilungsanlagen gegen
Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung zu überlassen. Nach den
Maßgaben des Senatsurteils vom 7. Februar 2006 (KZR 24/04, RdE 2006, 239
Rn. 21 - Rückforderungsvorbehalt) muss sie es hinnehmen, wenn die Beigeladene
den geforderten Preis für überhöht hält, sich diesem aber unter dem Vorbehalt der
gerichtlichen Prüfung beugt. Zur Berechnung der Vergütung können - worauf in der
angefochtenen Missbrauchsverfügung zu Recht abgestellt wird - nach den Grundsät-
zen des Senatsurteils vom 16. November 1999 (KZR 12/97, BGHZ 143, 128 - End-
schaftsbestimmung I) sowohl der Ertragswert als auch der Sachzeitwert zu Grunde
gelegt werden, es sei denn, dass der Sachzeitwert den Ertragswert des Versor-
gungsnetzes nicht unerheblich übersteigt (aaO S. 152 ff.).
Insoweit begegnet es auch keinen Bedenken, dass die Bundesnetzagentur
die Bestimmung der angemessenen Gegenleistung den Beteiligten überlassen hat.
Dies entspricht der Regelung in § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG aF und stellt gegenüber
der Betroffenen - im Vergleich zu der alternativ in Betracht kommenden Entgeltbe-
stimmung durch die Bundesnetzagentur oder durch die Beigeladene - das mildere
Mittel dar. Dies liegt sowohl im Interesse der Regulierungsbehörde als auch im Inte-
resse der Betroffenen. Denn ihr soll so weit wie möglich der Einfluss auf die Ent-
scheidung über die Höhe der Gegenleistung erhalten werden. Dieser Schutzgedanke
könnte nicht erfüllt werden, wenn die missbrauchsaufsichtsrechtliche Verfügung nach
§ 65 Abs. 2 EnWG schon Angaben zur Höhe des von dem neuen Konzessionsinha-
ber zu fordernden Entgelts enthalten müsste (vgl. dazu auch BVerwGE 114, 160,
45
46
- 23 -
165 f. zur Bestimmtheit einer Aufsichtsmaßnahme nach § 33 Abs. 2 Satz 1 TKG aF).
Eine konkrete Festlegung vertraglicher wie sonstiger Bedingungen durch die Regu-
lierungsbehörde kann hiernach nur dann in Betracht kommen, wenn dazu auf übliche
Bedingungen zurückgegriffen werden könnte, von denen zugunsten des verpflichte-
ten Unternehmens nicht abgewichen werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom
24. September 2002 - KVR 15/01, BGHZ 152, 84, 95 - Fährhafen Puttgarden I zur
Bestimmtheit einer kartellrechtlichen Untersagungsverfügung). Wo dies, wie im
Streitfall, nicht möglich ist, weil das Netzentflechtungskonzept noch nicht erstellt ist
und sich dessen Inhalt nach den Umständen des Einzelfalls richtet, besteht entgegen
der Auffassung des Beschwerdegerichts auch keine Notwendigkeit, das angemesse-
ne Entgelt oder sonstige Maximalbedingungen festzusetzen, zu denen der bisherige
Konzessionsnehmer dem neuen Konzessionsinhaber das Netz jedenfalls überlassen
muss. Zwar mag eine solche Festsetzung im Einzelfall geeignet sein, ein weiteres
regulierungsbehördliches Verfahren oder eine zivilrechtliche Auseinandersetzung
zwischen den beteiligten Unternehmen über die angemessene Höhe des von dem
neuen Konzessionsnehmer zu zahlenden Entgelts auszuschließen. Dieser Vorteil
müsste jedoch vielfach durch eine erhebliche zusätzliche Belastung des Ausgangs-
verfahrens erkauft werden. So bedürfte es unter Umständen der Einholung eines
Sachverständigengutachtens durch die Bundesnetzagentur, um die Angemessenheit
eines für das zu überlassende Netz zu zahlenden Entgelts zu ermitteln. Ein derarti-
ger Aufwand und die damit verbundene zeitliche Verzögerung wären unabhängig
davon aufzubringen, ob sich die Beteiligten nicht viel besser im Verhandlungswege
über die angemessenen Bedingungen verständigen könnten, sofern erst verbindlich
feststeht, welche Verteilungsanlagen der Überlassungsanspruch des neuen Konzes-
sionsnehmers umfasst. Diesem würde damit zugleich die Möglichkeit abgeschnitten,
auch eine überhöhte Entgeltforderung - gegebenenfalls unter dem Vorbehalt der
Rückforderung - zu akzeptieren, um (zunächst) das begehrte örtliche Netz zu erhal-
ten (vgl. BGH, Beschluss vom 24. September 2002 - KVR 15/01, BGHZ 152, 84,
95 f. - Fährhafen Puttgarden I).
- 24 -
cc) Die von der Bundesnetzagentur angeordnete Maßnahme weist nach den
oben unter II 2 a aa dargestellten Maßgaben auch keinen Ermessensfehler auf. Ein
solcher wird von der Betroffenen nicht geltend gemacht. Die getroffene Maßnahme
stellt ihr gegenüber insbesondere im Vergleich zu der alternativ in Betracht kommen-
den Entgeltbestimmung durch die Bundesnetzagentur das mildere Mittel dar.
3. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts stellt sich jedoch aus anderen
Gründen im Ergebnis gleichwohl als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO analog).
Die streitgegenständliche Missbrauchsverfügung ist nach § 65 Abs. 2 EnWG
mangels rechtlicher Grundlage rechtswidrig. Der von der Stadt Homberg mit der Bei-
geladenen abgeschlossene neue Konzessionsvertrag ist gemäß § 134 BGB nichtig,
so dass es an einer Überlassungsverpflichtung der Betroffenen gegenüber der Bei-
geladenen aus § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG aF fehlt. Die Konzessionsvergabe ist nicht
in einem transparenten Verfahren erfolgt und hat damit die Mitbewerber im Sinne des
- hier anwendbaren - § 20 Abs. 1 GWB aF unbillig behindert.
a) Wie das Beschwerdegericht zu Recht beanstandet hat, hat die Bundes-
netzagentur im Rahmen des § 46 Abs. 2 EnWG zu Unrecht nicht geprüft, ob der
Konzessionsvertrag zwischen der Beigeladenen und der Stadt Homberg rechtswirk-
sam ist. Voraussetzung des Überlassungsanspruchs nach § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG
ist ein wirksamer Konzessionsvertrag mit dem neuen Konzessionsinhaber. Nur dann
hat dieser als "neues Energieversorgungsunternehmen" einen Anspruch auf Über-
lassung der für den Betrieb der Netze der allgemeinen Versorgung im Gemeindege-
biet notwendigen Verteilungsanlagen. Diese Voraussetzung ist nicht nur in einem
zivilgerichtlichen Verfahren zwischen altem und neuem Konzessionsinhaber zu prü-
fen, sondern auch von der Regulierungsbehörde im allgemeinen Missbrauchsverfah-
ren nach § 65 Abs. 2 EnWG, weil nur dann das von der Missbrauchsverfügung be-
troffene Unternehmen einer Verpflichtung nach dem Energiewirtschaftsgesetz nicht
nachgekommen ist. Wie der Senat - nach Erlass der Beschwerdeentscheidung - ent-
schieden und im Einzelnen begründet hat, genügt es für den Anspruch nach § 46
47
48
49
50
- 25 -
Abs. 2 Satz 2 EnWG nicht, dass die Gemeinde ihre Auswahlentscheidung durch den
Abschluss eines Konzessionsvertrags zum Ausdruck gebracht hat und die Vergabe
nicht an einem offensichtlichen und schwerwiegenden Mangel leidet (vgl. Senatsur-
teil vom 17. Dezember 2013 - KZR 66/12, WuW/E DE-R 4159 Rn. 63 ff. - Stromnetz
Berkenthin, für BGHZ bestimmt).
Nach der Rechtsprechung des Senats sind die Gemeinden als marktbeherr-
schende Anbieter der Wegenutzungsrechte im Sinne von § 46 Abs. 2 EnWG in ihrem
Gebiet gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB (§ 20 Abs. 1 GWB aF) und § 46 Abs. 1 EnWG
verpflichtet, den Konzessionär für den Betrieb eines Energieversorgungsnetzes in
einem diskriminierungsfreien Wettbewerb auszuwählen (vgl. Senatsurteil vom
17. Dezember 2013 - KZR 66/12, WuW/E DE-R 4159 Rn. 17 ff. - Stromnetz Berkent-
hin, für BGHZ bestimmt). Wie der Senat in dieser Entscheidung im Einzelnen be-
gründet hat (aaO Rn. 30 ff.), steht die Pflicht der Gemeinden zur diskriminierungs-
freien Auswahl des Konzessionärs insbesondere mit dem Recht auf kommunale
Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) in Einklang.
Die Auswahl muss in einem transparenten Verfahren erfolgen und ist vorran-
gig an Kriterien auszurichten, die das Ziel des § 1 EnWG (Gewährleistung einer si-
cheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltverträglichen
leitungsgebundenen örtlichen Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas)
konkretisieren. Das Auswahlverfahren muss so gestaltet werden, dass die am Netz-
betrieb interessierten Unternehmen erkennen können, worauf es der Gemeinde bei
der Auswahlentscheidung ankommt. Denn nur dann ist gewährleistet, dass die Aus-
wahlentscheidung im unverfälschten Wettbewerb nach sachlichen Kriterien und dis-
kriminierungsfrei zugunsten desjenigen Bewerbers erfolgt, dessen Angebot den
Auswahlkriterien am besten entspricht. Das aus dem Diskriminierungsverbot folgen-
de Transparenzgebot verlangt dementsprechend, dass den am Netzbetrieb interes-
sierten Unternehmen die Entscheidungskriterien der Gemeinde und ihre Gewichtung
rechtzeitig vor Angebotsabgabe mitgeteilt werden (vgl. Senatsurteile vom
51
52
- 26 -
17. Dezember 2013 - KZR 66/12, WuW/E DE-R 4159 Rn. 35 ff. - Stromnetz Berkent-
hin - und KZR 65/12, WuW/E DE-R 4139 Rn. 44 ff. - Stromnetz Heiligenhafen).
Genügt die Konzessionsvergabe den aus § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB (§ 20
Abs. 1 GWB aF) und § 46 Abs. 1 EnWG abzuleitenden Anforderungen nicht, liegt
eine unbillige Behinderung derjenigen Bewerber vor, deren Chancen auf die Konzes-
sion dadurch beeinträchtigt worden sind (vgl. Senatsurteile vom 17. Dezember 2013
- KZR 66/12, WuW/E DE-R 4159 Rn. 54 ff. - Stromnetz Berkenthin - und KZR 65/12,
WuW/E DE-R 4139 Rn. 50 ff. - Stromnetz Heiligenhafen). Dies hat zur Folge, dass
der neue Konzessionsvertrag nach § 134 BGB nichtig ist (vgl. Senatsurteil vom
17. Dezember 2013 - KZR 66/12, WuW/E DE-R 4159 Rn. 101 ff. - Stromnetz Ber-
kenthin).
b) Nach diesen Maßgaben steht der Beigeladenen gegen die Betroffene kein
Anspruch auf Überlassung oder Übereignung der zum Netzbetrieb notwendigen Ver-
teilungsanlagen gemäß § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG zu. Das Verfahren der Stadt Hom-
berg bei der Entscheidung über den künftigen Netzbetreiber erfüllt bereits grundle-
gende Anforderungen des Transparenzgebots nicht. Das Beschwerdegericht hat
zwar - aus seiner Sicht nachvollziehbar - von einer eigenen rechtlichen Bewertung
dessen abgesehen, ob auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen
der neue Konzessionsvertrag rechtswirksam oder rechtsunwirksam ist. Diese Frage
kann der Senat indes selbst entscheiden (§ 88 Abs. 5 i.V.m. § 83 Abs. 1 EnWG). Der
Konzessionsvertrag ist nach § 134 BGB nichtig.
In der Bekanntmachung vom 8. April 2009 wurden keine Entscheidungskrite-
rien genannt. Erst in der öffentlichen Bekanntmachung über den Beschluss des
Stadtrats vom 28. Januar 2010 werden drei Kriterien angegeben, die für die Aus-
wahlentscheidung der Beigeladenen maßgeblich gewesen sein sollen. Daraus ergibt
sich, dass die Stadt Homberg die Neukonzessionierung von unzulässigen Kriterien
abhängig gemacht hat. Das Kriterium der Gewähr für einen schnellen und bürgerna-
hen Netzservice ist zwar im Ausgangspunkt nicht zu beanstanden; unzulässig ist
53
54
55
- 27 -
aber insoweit die bloße Anknüpfung an den örtlichen Betriebssitz der Beigeladenen,
weil dadurch ortsfremde Konzessionsbewerber von vornherein ohne Sachgrund be-
nachteiligt werden. Ebenfalls unzulässig ist das Kriterium einer attraktiven Dividende
für die Genossenschaftsmitglieder der Beigeladenen, weil die Stadt Homberg damit
wirtschaftliche Interessen verfolgen will, die im Rahmen der für die Auswahlentschei-
dung maßgeblichen Rechtsnormen nicht berücksichtigt werden dürfen.
Aufgrund dessen kommt es nicht darauf an, ob den Konzessionsbewerbern
nach ihrer Interessebekundung ein detaillierter Kriterienkatalog ausgehändigt oder ob
ihnen vor der verbindlichen Vergabeentscheidung rechtzeitig eine Vorabinformation
über die für die Vergabe maßgeblichen Kriterien erteilt worden ist. Soweit die Betei-
ligten vorgebracht haben, die Stadt Homberg habe der Betroffenen nach Einreichung
des Angebots bestimmte Anforderungen in einer Besprechung mitgeteilt, ist dies
ebenfalls unerheblich. Dies genügt bereits deshalb den Anforderungen des Transpa-
renzgebots nicht, weil die Betroffene keine Gelegenheit hatte, ihr Angebot von vorn-
herein auf die Forderungen der Stadt Homberg auszurichten. Zudem sind mündliche
Angaben per se ungeeignet, einen einheitlichen Informationsstand aller Bewerber zu
gewährleisten (Senatsurteil vom 17. Dezember 2013 - KZR 65/12, WuW/E DE-R
4139 Rn. 73 - Stromnetz Heiligenhafen).
Das Auswahlverfahren der Klägerin verstößt somit wegen Verletzung des
Transparenzgebots gegen das Diskriminierungsverbot des § 46 Abs. 1 EnWG. Es
stellt damit zugleich eine unbillige Behinderung der Beklagten gemäß § 20 Abs. 1
GWB aF dar. Die unbillige Behinderung der Betroffenen durch das Auswahlverfahren
führt im Streitfall nach § 134 BGB zur Unwirksamkeit des zwischen der Beigeladenen
und der Stadt Homberg abgeschlossenen neuen Konzessionsvertrags.
c) Eine andere Beurteilung kommt zwar - wie der Senat mit Urteil vom
17. Dezember 2013 (KZR 66/12, WuW/E DE-R 4159 Rn. 108 f. - Stromnetz Berkent-
hin, für BGHZ bestimmt) entschieden hat - dann in Betracht, wenn alle diskriminier-
ten Bewerber um die Konzession ausreichend Gelegenheit haben, ihre Rechte zu
56
57
58
- 28 -
wahren, diese Möglichkeit aber nicht nutzen. In diesem Fall kann und muss die fort-
dauernde Behinderung durch den fehlerhaft abgeschlossenen Konzessionsvertrag
im Interesse der Rechtssicherheit hingenommen werden. Dies wird insbesondere
dann in Betracht zu ziehen sein, wenn die Gemeinde - in Anlehnung an den auch
§ 101a GWB zugrundeliegenden Rechtsgedanken - alle Bewerber um die Konzessi-
on in Textform über ihre beabsichtigte Auswahlentscheidung unterrichtet und den
Konzessionsvertrag erst 15 Kalendertage nach Absendung der Information ab-
schließt.
Ob dies hier der Fall gewesen ist, kann indes dahinstehen. Auf die vorste-
hend dargestellte Rechtsauffassung des Senats kann sich die Rechtsbeschwerde
bereits deshalb nicht berufen, weil diese Möglichkeit einer "Heilung" eines fehlerhaf-
ten Auswahlverfahrens nur für zukünftige Konzessionsvergaben gilt. Denn erst mit
Bekanntwerden des vorgenannten Senatsurteils vom 17. Dezember 2013 haben die
unterlegenen Bewerber Kenntnis erhalten, welche Funktion die Unterrichtung über
die beabsichtigte Auswahlentscheidung hat und welche Rechtsbehelfe ihnen gegen
diese zustehen.
d) Die Betroffene ist nicht gehindert, sich gegenüber der Bundesnetzagentur
im Missbrauchsverfahren oder gegenüber der Beigeladenen auf deren fehlende An-
spruchsinhaberschaft zu berufen.
aa) Ein Einwendungsausschluss zulasten der Betroffenen ergibt sich nicht
aus einer entsprechenden Anwendung der vergaberechtlichen Präklusionsvorschrif-
ten (§ 107 Abs. 3 GWB). Diese sind Bestandteil eines gesetzlich geregelten Verga-
beverfahrens und können nicht isoliert auf das - nicht näher geregelte - Verfahren der
Konzessionsvergabe übertragen werden (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013
- KZR 66/12, WuW/E DE-R 4159 Rn. 112 - Stromnetz Berkenthin). Dem Interesse an
Rechtssicherheit bei der Konzessionsvergabe kann durch die den Gemeinden eröff-
nete Möglichkeit zur Vorabinformation über die Auswahlentscheidung ausreichend
59
60
61
- 29 -
entsprochen werden (vgl. dazu BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 - KZR 66/12,
WuW/E DE-R 4159 Rn. 108 f. - Stromnetz Berkenthin).
bb) Eine unzulässige Rechtsausübung der Betroffenen folgt entgegen der
Ansicht der Rechtsbeschwerde auch nicht aus einer Verletzung vorvertraglicher Rü-
gepflichten.
Die Rechtsbeschwerde verweist ohne Erfolg darauf, dass die Betroffene be-
reits im Auswahlverfahren auf etwaige Verstöße hätte hinweisen müssen und seit der
Bekanntmachung der Auswahlentscheidung ein wesentlicher Zeitraum verstrichen
sei. Abgesehen davon, dass angesichts der ungeklärten Rechtslage fraglich er-
scheint, ob die Betroffene die grundsätzlichen Mängel der Ausschreibung erkennen
musste, kann sich hieraus eine unzulässige Rechtsausübung schon deshalb nicht
ergeben, weil nichts dafür festgestellt oder geltend gemacht worden ist, dass die
Stadt Homberg die Konzession fehlerfrei neu ausgeschrieben hätte, wenn die Be-
troffene Mängel der Ausschreibung schon im Vergabeverfahren gerügt hätte.
cc) Der Nichtigkeitseinwand ist nicht verwirkt. Dabei kann dahinstehen, ob
- wie das Beschwerdegericht angenommen hat - Einwendungen aus § 20 Abs. 1
GWB aF, § 46 Abs. 3 EnWG von vornherein nicht der allgemeinen Verwirkung nach
§ 242 BGB unterliegen. Jedenfalls hat das Beschwerdegericht eine Verwirkung im
Ergebnis zu Recht verneint.
Eine nach § 134 BGB im öffentlichen Interesse, hier dem des Wettbewerbs
um das Wegerecht zwecks Verbesserung der Versorgungsbedingungen, angeordne-
te Nichtigkeit kann allenfalls in ganz engen Grenzen durch eine Berufung auf Treu
und Glauben überwunden werden (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013
- KZR 66/12, WuW/E DE-R 4159 Rn. 119 mwN - Stromnetz Berkenthin). Die Voraus-
setzungen hierfür liegen im Streitfall schon angesichts der bis zu der vorgenannten
Entscheidung unklaren Rechtslage nicht vor. Aufgrund dessen kommt es nicht darauf
an, dass die damalige Muttergesellschaft der Betroffenen erst mit Schreiben vom
62
63
64
65
- 30 -
4./5. Oktober 2011 und vom 16. Januar 2012 dem Bundeskartellamt das Konzessio-
nierungsverfahren zur Überprüfung aus kartellrechtlicher Sicht vorgelegt hat.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 EnWG.
Meier-Beck
Strohn
Grüneberg
Bacher
Deichfuß
Vorinstanz:
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 12.12.2012 - VI-3 Kart 137/12 (V) -
66