Urteil des BGH vom 29.01.2008

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 160/07 Verkündet
am:
29. Januar 2008
Herrwerth,
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
_____________________
BGB §§ 199, 311b, 765;
MaBV § 7
a) Eine Bürgschaft gemäß § 7 MaBV sichert den Rückgewähranspruch des Er-
werbers bei Nichtigkeit des Bauträgervertrages mangels ordnungsgemäßer
Beurkundung gemäß § 313 Satz 1 BGB a.F. bzw. § 311b Satz 1 BGB n.F. un-
abhängig davon, ob Erwerber und Bauträger die Formunwirksamkeit zu ver-
treten haben.
b) Die Fälligkeit der Forderung aus einer selbstschuldnerischen Bürgschaft tritt,
sofern die Parteien nichts anderes vereinbaren, mit der Fälligkeit der Haupt-
schuld ein und ist nicht von einer Leistungsaufforderung des Gläubigers ab-
hängig.
BGH, Urteil vom 29. Januar 2008 - XI ZR 160/07 - KG Berlin
LG Berlin
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Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 29.
Januar 2008 durch den Vorsitzenden Richter
Dr. h.c. Nobbe, den Richter Dr. Joeres, die Richterin Mayen und die
Richter Dr. Ellenberger und Maihold
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des
6.
Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom
26. Januar 2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens
sowie die außergerichtlichen Kosten der Streithelfer
der Beklagten. Der Streithelfer des Klägers trägt seine
außergerichtlichen Kosten selbst.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
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Der Kläger nimmt die beklagte Bank aus einer Bürgschaft gemäß
§ 7 Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) in Anspruch.
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Der Kläger vereinbarte mit der P. GmbH (im Folgenden:
Hauptschuldnerin) die Übereignung eines Grundstücks und die Sanie-
rung des darauf befindlichen Mehrfamilienhauses gegen Zahlung von
4.066.020 DM. Dem Notar, seinem Cousin, der an der Hauptschuld-
nerin beteiligt war und die Vereinbarung beurkunden sollte, stellte der
Kläger am 1. Dezember 2000 Blankounterschriften zur Verfügung. Unter
Verwendung dieser Unterschriften errichtete der Notar in Abwesenheit
des Klägers eine auf den 14. Oktober 2000 datierte Urkunde über einen
Grundstückskaufvertrag mit Sanierungsverpflichtung.
Der Kläger überwies der Hauptschuldnerin am 30. März 2001
3.923.709,30 DM (= 2.006.160,71 €). Mit Urkunde vom selben Tag über-
nahm die Beklagte, gegen Rückgabe einer bereits zuvor ausgestellten
Bürgschaftsurkunde, unter Verzicht auf die Einreden der Anfechtbarkeit,
der Aufrechenbarkeit und der Vorausklage eine selbstschuldnerische
Bürgschaft gemäß § 7 MaBV bis zum Höchstbetrag von 3.923.709,30 DM
für die Ansprüche des Klägers gegen die Hauptschuldnerin "auf Rückge-
währ oder Auszahlung der vorgenannten Vermögenswerte". Unter dem
13. Juni 2003 rügte der Kläger zahlreiche Baumängel und setzte der
Hauptschuldnerin für die Fertigstellung der Sanierung eine Frist bis zum
14. Juli 2003. Bereits mit Schreiben vom 16. Juli 2003 erklärte er den
Rücktritt vom Vertrag mit der Hauptschuldnerin und forderte diese zur
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Rückzahlung der 2.006.160,71 € zuzüglich Schadensersatz auf. Gleich-
zeitig nahm er die Beklagte aus der Bürgschaft in Anspruch.
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Am 25. März 2004 wurde über das Vermögen der Hauptschuldne-
rin das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger meldete seine Rückzah-
lungsforderung in Höhe von 2.006.160,71 € mit Schreiben vom 3. Mai
2004 zur Tabelle an. Ausweislich des Tabellenauszuges vom 2. Juni
2004 bestritt die Insolvenzverwalterin die Forderung.
Der Kläger beantragte unter dem 14. April 2004 beim Oberlandes-
gericht N. , das zuständige Gericht für ein selbständiges Beweis-
verfahren gegen die Hauptschuldnerin und die Beklagte zu bestimmen.
Nach Rücknahme dieses Antrags beantragte er mit Schriftsatz vom
3. Mai 2004 beim Landgericht B. ein selbständiges Beweisverfahren
gegen die Beklagte zur Feststellung zahlreicher Baumängel und nicht
erbrachter Restleistungen sowie der Höhe des Aufwandes für die Män-
gelbeseitigung und der noch zu erbringenden Restarbeiten. Das Landge-
richt B. lehnte diesen Antrag mit Beschluss vom 8. November 2004
ab.
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Am 16. Dezember 2005 schlossen der Kläger und die Haupt-
schuldnerin, nachdem die Insolvenzverwalterin das Grundstück aus dem
Insolvenzbeschlag entlassen hatte, einen Aufhebungsvertrag. Darin stell-
ten sie fest, dass die Hauptschuldnerin das Sanierungsvorhaben nicht
fertig gestellt habe und wegen ihrer Insolvenz nicht in der Lage sei, den
Kaufvertrag zu erfüllen. Die notarielle Urkunde vom 14. Oktober 2000 sei
unwirksam, weil sie gegenüber dem Kläger nicht und gegenüber der
Hauptschuldnerin nicht ordnungsgemäß verlesen worden sei und ein
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gemeinsamer Notartermin mit Teilnahme des Verkäufers und des Käu-
fers nicht stattgefunden habe. Zur Vermeidung etwaiger Streitigkeiten
über die Wirksamkeit dieser Urkunde und das Maß der Fertigstellung des
Objekts hoben der Kläger und die Hauptschuldnerin den Vertrag vom
14. Oktober 2000 auf. Die Hauptschuldnerin verpflichtete sich, dem Klä-
ger den gezahlten Kaufpreisteil Zug-um-Zug gegen Rückgabe der Bürg-
schaftsurkunde zu erstatten.
Das Landgericht hat die am 15. September 2005 eingereichte und
am 30. Januar 2006 zugestellte Klage auf Zahlung von 2.006.160,71 €
nebst Zinsen abgewiesen. Die Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der
- vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger sei-
ne Anträge aus dem Berufungsverfahren weiter.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet.
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I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt:
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Die Hauptforderung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB sei vom
Bürgschaftszweck nicht umfasst. Die Bürgschaftsforderung sei auch ver-
jährt.
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11
Der
bereicherungsrechtliche
Rückgewähranspruch werde vom
Schutzzweck der Bürgschaft nicht umfasst. Der Kläger und die Haupt-
schuldnerin hätten den Bürgschaftsfall zwar nicht einvernehmlich zum
Nachteil der Beklagten herbeigeführt. Sie hätten aber ein außergewöhn-
liches Risiko geschaffen, mit dem die Beklagte bei Eingehung der Bürg-
schaft nicht habe rechnen müssen. Der Kaufvertrag sei aus von ihnen zu
vertretenden Gründen formell nichtig. Da es an jeglicher Beurkundungs-
verhandlung gefehlt habe, sei auch für einen juristischen Laien offen-
kundig gewesen, dass etwas Falsches beurkundet worden sei und dies
Folgen für die Wirksamkeit des Vertrages habe. Werde eine solche Ur-
kunde einem Dritten als Grundlage für eine von ihm einzugehende Ver-
pflichtung vorgelegt, beruhe dies auf einem nachlässigen Verhalten, das
auf die Interessen des Vertragspartners keine Rücksicht nehme. Eine
Bürgschaft gemäß § 7 MaBV sichere Risiken, die bei Hingabe der Bürg-
schaft noch nicht eingetreten oder noch nicht bekannt seien. Hier sei der
Bürgschaftsfall aber schon vor oder mit Abschluss des Bürgschaftsver-
trages eingetreten. Dieses Risiko werde vom Schutzzweck der Bürg-
schaft nach § 7 MaBV nicht umfasst, wenn die Parteien es - wie hier -
zumindest grob fahrlässig herbeigeführt hätten.
Außerdem sei die Forderung aus der Bürgschaft verjährt. Maßgeb-
lich sei die dreijährige Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 BGB n.F., die
am 1. Januar 2002 begonnen habe. Die Bürgschaftsforderung sei ebenso
wie die Hauptverbindlichkeit mit der Zahlung des Teilkaufpreises am
30. März 2001 entstanden. Die subjektiven Voraussetzungen lägen vor.
Die Entstehung der Bürgschaftsforderung hänge nicht von der tatsächli-
chen Inanspruchnahme des Bürgen durch den Gläubiger ab. Dass ein
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Bürge aufgrund seiner akzessorischen Haftung für eine fremde Schuld
erst dann konkret Mittel aufwenden müsse, wenn er aus der Bürgschaft
in Anspruch genommen werde, sei für den Beginn der Verjährungsfrist
nicht entscheidend. Die Bürgschaftsurkunde vom 30. März 2001 enthalte
keine ausdrückliche Bestimmung, die die Fälligkeit der Bürgschaftsforde-
rung von der Inanspruchnahme der Bürgschaft abhängig mache.
Hemmungstatbestände, die die Zeit vom Ablauf der Verjährungs-
frist am 31. Dezember 2004 bis zur Klagezustellung am 30. Januar 2006
überbrücken könnten, lägen nicht vor. Das selbständige Beweisverfahren
und der vorausgegangene Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung hätten
die Verjährung der Bürgschaftsforderung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 7 und
13 BGB n.F. nicht gehemmt, weil sich die hemmende Wirkung nur auf
Ansprüche beziehe, für deren Nachweis die Behauptung, die den Ge-
genstand des Beweissicherungsverfahrens bilde, von Bedeutung sein
könne. Durch Verhandlungen zwischen den Parteien sei die Verjährung
gemäß § 203 Satz 1 BGB n.F. allenfalls vom 22. Oktober 2003 bis zum
24. Februar 2004 gehemmt worden. Die Klagezustellung am 30. Januar
2006 sei nicht demnächst erfolgt und habe keine Rückwirkung gemäß
§ 167 ZPO.
13
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im Ergebnis
stand.
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1. Rechtsfehlerhaft ist allerdings die Auffassung des Berufungsge-
richts, der Anspruch des Klägers gegen die Hauptschuldnerin gemäß
§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB auf Rückzahlung der 2.006.160,71 € sei
vom Sicherungszweck der Bürgschaft nicht umfasst.
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a) Bürgschaften gemäß § 7 Abs. 1 MaBV sind Vorauszahlungs-
bürgschaften, die sicherstellen sollen, dass der Erwerber bei einem
Scheitern oder einer nicht vollständigen oder nicht ordnungsgemäßen
Vertragsdurchführung seine nicht durch entsprechende Leistungen und
damit Vergütungsansprüche des Bauträgers verbrauchte Vorauszahlung
zurück erhält (BGH, Urteil vom 19. Juli 2001 - IX ZR 149/00, WM 2001,
1756, 1757 f.; Nobbe, Festschrift Horn S. 801, 805). Sie fangen Störun-
gen des Gleichgewichts zwischen den Vorauszahlungen des Erwerbers
und den Leistungen des Bauträgers umfassend auf und sichern das ent-
sprechende Vorauszahlungsrisiko ab (BGH, Urteil vom 12. April 2007
- VII ZR 50/06, WM 2007, 1089, 1093 Tz. 58 m.w.Nachw., für BGHZ 172,
63 vorgesehen).
Vom Wortlaut und Schutzzweck einer Bürgschaft gemäß § 7 MaBV
werden nicht nur Gewährleistungsansprüche gemäß §§ 633 ff. BGB we-
gen Baumängeln (BGHZ 151, 147, 151; BGH, Urteile vom 12. April 2007
- VII ZR 50/06, WM 2007, 1089, 1093 Tz. 52 ff. und vom 18. September
2007 - XI ZR 211/06, WM 2007, 2352, 2355 Tz. 30 ff., für BGHZ vorge-
sehen) und Rückgewähransprüche nach einem Rücktritt vom Vertrag
gemäß § 326 BGB (BGHZ 160, 277, 281), sondern ebenso Rückzah-
lungsansprüche des Erwerbers nach einvernehmlicher Aufhebung oder
bei Nichtigkeit des Bauträgervertrages (Senat BGHZ 162, 378, 383; OLG
München BauR 1998, 1104, 1105; Bergmeister/Reiß, MaBV für Bauträ-
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ger 4. Aufl. S. 167) erfasst. Dabei setzt der Anspruch aus der Bürgschaft
gemäß § 7 MaBV nicht voraus, dass der Bauträger die Nichtdurchfüh-
rung des Bauvorhabens verschuldet oder zu vertreten hat. Selbst wenn
die Aufhebung oder die Nichtigkeit des Bauträgervertrages, die einen
bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch zur Folge hat, auf
Gründen beruht, die in der Sphäre des Erwerbers liegen oder von ihm zu
vertreten sind, hindert dies die Inanspruchnahme des Bürgen grundsätz-
lich nicht. Auch in diesem Fall soll dem Erwerber das Insolvenzrisiko des
Bauträgers durch die Bürgschaft gemäß § 7 MaBV abgenommen werden
(Senat BGHZ 162, 378, 383; Nobbe, Festschrift Horn S. 801, 811; Klose,
BGH-Report 2005, 968). Nur wenn Erwerber und Bauträger den Bürg-
schaftsfall einvernehmlich bewusst zum Nachteil des Bürgen herbeifüh-
ren, kommt eine Einschränkung der Bürgenhaftung nach §§ 242, 826
BGB in Betracht (Senat BGHZ 162, 378, 383).
b) Nach diesen Grundsätzen sichert die Bürgschaft der Beklagten
den Rückgewähranspruch des Klägers gegen die Hauptschuldnerin ge-
mäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. Dieser Anspruch ergibt sich daraus,
dass der Vertrag zwischen dem Kläger und der Hauptschuldnerin nicht
ordnungsgemäß gemäß § 313 Satz 1 BGB a.F. beurkundet worden und
deshalb nichtig ist. Er ist, unabhängig davon, ob der Kläger und die
Hauptschuldnerin die Formunwirksamkeit zu vertreten haben, vom Siche-
rungszweck der Bürgschaft umfasst. Entscheidend hierfür ist, dass der
Rückforderungsanspruch auch bei einem etwaigen Verschulden des Klä-
gers an der Formunwirksamkeit besteht und der Kläger bei der Durchset-
zung dieses Anspruchs das Insolvenzrisiko der Hauptschuldnerin trägt,
das ihm durch die Bürgschaft gemäß § 7 MaBV abgenommen werden
soll. Dass die Parteien des Bauträgervertrages dessen Unwirksamkeit
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und damit den Bürgschaftsfall einvernehmlich bewusst zum Nachteil der
Beklagten herbeigeführt haben, ist vom Berufungsgericht nicht festge-
stellt und von den Parteien nicht vorgetragen worden. Die Sanierungs-
maßnahmen der Hauptschuldnerin und die Fristsetzung des Klägers zur
Fertigstellung der Arbeiten zeigen, dass die Vertragsparteien den Ver-
trag zunächst durchführen wollten.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann die Siche-
rung des Rückgewähranspruchs des Klägers durch die Bürgschaft der
Beklagten nicht mit der Begründung verneint werden, der Bürgschaftsfall
sei bereits mit Abschluss des Bürgschaftsvertrages eingetreten. Der ge-
sicherte Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB ist zwar durch
die Überweisung des Teilkaufpreises am selben Tag entstanden, an dem
die Beklagte die Bürgschaft übernommen hat. Entscheidend für die Inan-
spruchnahme des Bürgen ist aber nicht die Entstehung des gesicherten
Anspruchs, sondern die Insolvenz des Hauptschuldners. Das Insolvenz-
risiko, das dem Kläger durch die Bürgschaft der Beklagten abgenommen
werden sollte, hat sich erst erhebliche Zeit nach Abschluss des Bürg-
schaftsvertrages, letztlich mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
über das Vermögen der Hauptschuldnerin am 25. März 2004, realisiert.
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2. Ob der Kläger verpflichtet war, die Beklagte über die Umstände,
unter denen die auf den 14. Oktober 2000 datierte notarielle Urkunde
zustande gekommen war, und das dadurch begründete Risiko einer In-
anspruchnahme der Beklagten aufzuklären, bedarf keiner Entscheidung,
weil das Berufungsgericht jedenfalls rechtsfehlerfrei davon ausgegangen
ist, dass die im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachte Bürgschafts-
forderung verjährt ist.
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a) Da die Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB a.F. am 1. Januar
2002 noch nicht abgelaufen war, ist gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1,
Abs. 4 Satz 1 EGBGB die Frist gemäß § 195 BGB n.F. maßgeblich. Die
Frist begann danach am 1. Januar 2002.
aa) Die Forderung aus der Bürgschaft (§ 765 BGB) ist zusammen
mit dem gesicherten Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB
gegen die Hauptschuldnerin durch die Überweisung des Teilkaufpreises
am 30. März 2001 entstanden (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F.).
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Die Frage, wann der Anspruch aus einer Bürgschaft entsteht und
fällig wird, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Der Bundesge-
richtshof hat in Entscheidungen, die zur Rechtslage vor dem
1. Januar 2002 ergangen sind, als für Bürgschaftsforderungen noch die
30jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB a.F. galt, beiläufig und ohne
Begründung teilweise auf die Inanspruchnahme des Bürgen durch den
Gläubiger (BGHZ 92, 295, 300; BGH, Urteile vom 10. November 1988
- III ZR 215/87, WM 1989, 129, 131 und vom 25. September 1990
- XI ZR 142/89, WM 1990, 1910, 1911), teilweise auf die Fälligkeit der
Hauptschuld (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2003 - IX ZR 9/03, WM
2004, 371) abgestellt. Auch in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung
und der Literatur wird die Fälligkeit der Bürgschaftsforderung einerseits
von einer Leistungsaufforderung des Gläubigers abhängig gemacht (OLG
Hamm WM 1983, 772; LG Coburg BauR 2006, 692; Staudinger/Horn,
BGB 13. Bearb. 1997 § 765 Rdn. 112; Mansel/Budzikiewicz, Das neue
Verjährungsrecht 2002 § 3 Rdn. 100; Gay NJW 2005, 2585, 2587; Linda-
cher, Festschrift Gerhard, S. 587, 592 f.; Bülow, Recht der Kreditsicher-
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- 12 -
heiten 7. Aufl. Rdn. 855; Schlößer NJW 2006, 645, 647; Schulze-Hagen
BauR 2007, 170, 183 ff.; jeweils m.w.Nachw.), andererseits die Fälligkeit
der gesicherten Hauptschuld für ausreichend gehalten (OLG Hamm
BauR 2007, 1265, 1266; OLG Frankfurt am Main WM 2007, 1369, 1370;
OLG Karlsruhe ZIP 2008, 170, 171; Schmitz/Wassermann/Nobbe,
in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 3.
Aufl. §
91
Rdn. 100; MünchKomm/Grothe, BGB 5. Aufl. § 199 Rdn. 7; Münch-
Komm/Habersack, BGB 4. Aufl. § 765 Rdn. 82; Palandt/Heinrichs, BGB
67. Aufl. § 199 Rdn. 3; Palandt/Sprau, BGB 67. Aufl. § 765 Rdn. 26; We-
ber, Kreditsicherungsrecht 8. Aufl. S. 79; Hadding, Festschrift Wiegand,
S. 299, 307 f.; Schmitz/Vogel ZfIR 2002, 509, 518 f.; Bräuer NZBau
2007, 477, 478; Hohmann WM 2004, 757, 760; Jungmann WuB I F 1 a.
Bürgschaft 5.06).
Der nunmehr für das Bürgschaftsrecht zuständige erkennende Se-
nat, der die Frage in seinem Urteil vom 8. Mai 2007 (XI ZR 278/06, WM
2007, 1241, 1242 Tz. 13) offen gelassen hat, schließt sich, jedenfalls für
den vorliegenden Fall der selbstschuldnerischen Bürgschaft, der Auffas-
sung an, dass die Fälligkeit der Bürgschaftsforderung mit der Fälligkeit
der Hauptschuld eintritt und nicht von einer Leistungsaufforderung des
Gläubigers abhängig ist. Das Gesetz sieht eine Leistungsaufforderung
des Gläubigers als Entstehungs- oder Fälligkeitsvoraussetzung der Bürg-
schaftsforderung nicht vor. Die Forderung aus der Bürgschaft gehört
nicht zu den so genannten verhaltenen Ansprüchen (vgl. Staudinger/
Frank Peters, BGB Neubearb. 2004 § 199 Rdn. 9), deren Verjährung
kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (vgl. § 604 Abs. 5, § 695
Satz 2, § 696 Satz 3 BGB) erst mit ihrer Geltendmachung oder unter wei-
teren Voraussetzungen beginnt. Der Gesetzgeber ist bei der Neufassung
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des § 771 BGB durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts
vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) vielmehr ausdrücklich davon
ausgegangen, dass „der Anspruch des Gläubigers gegen den Bürgen
gleichzeitig mit der Hauptforderung“ entsteht (Beschlussempfehlung und
Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages vom
9. Oktober 2001, BT-Drucks. 14/7052, S. 206). Auch der Grundsatz der
Akzessorietät, d.h. der Abhängigkeit der Forderung aus der Bürgschaft
von der Hauptschuld im Hinblick auf Entstehung, Durchsetzbarkeit und
Erlöschen, spricht dafür, dass die Fälligkeit der Bürgschaftsforderung mit
der Fälligkeit der Hauptschuld eintritt. Außerdem dient das Rechtsinstitut
der Verjährung dem Schutz des Schuldners und der Herstellung des
Rechtsfriedens nach Ablauf der Verjährungsfrist. Mit dieser Schutzin-
tention wäre es unvereinbar, die Fälligkeit der Bürgschaftsforderung von
einer Leistungsaufforderung des Gläubigers abhängig zu machen und
diesem damit die Möglichkeit zu eröffnen, den Verjährungsbeginn und
die Notwendigkeit verjährungsunterbrechender Maßnahmen beliebig hin-
auszuzögern.
Demgegenüber fällt die Gefahr des Bürgen, frühzeitig in Verzug zu
geraten (vgl. Schlößer NJW 2006, 645, 648), angesichts des § 286
Abs. 1 und 4 BGB nicht entscheidend ins Gewicht. Dass - hier nicht ge-
gebene - längere Verjährungsfristen des gesicherten Anspruches eine
vorzeitige Inanspruchnahme des Bürgen erforderlich machen können
(Palandt/Sprau, BGB 67. Aufl. § 765 Rdn. 26), rechtfertigt es ebenfalls
nicht, die Verjährung der Bürgschaftsforderung ohne entsprechende Par-
teiabrede erst mit einer Leistungsaufforderung des Gläubigers beginnen
zu lassen. Den Parteien steht es in diesen Fällen frei, die Geltendma-
chung der Forderung als vertragliche Fälligkeitsvoraussetzung zu ver-
25
- 14 -
einbaren. Dies ist im vorliegenden Fall, wie das Berufungsgericht rechts-
fehlerfrei angenommen hat, nicht geschehen. Die Bürgschaftsurkunde
vom 30. März 2001 enthält für eine solche Fälligkeitsvereinbarung keinen
Anhaltspunkt, sondern regelt lediglich Bedingungen und Beschränkungen
der Bürgschaftsforderung.
bb) Das Berufungsgericht hat auch die subjektiven Voraussetzun-
gen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F. (vgl. Senat, Urteil vom 23. Januar
2007 - XI ZR 44/06, WM 2007, 639, 641 Tz. 23 ff. für BGHZ 171, 1 vor-
gesehen) rechtsfehlerfrei bejaht. Der Kläger hatte seit dem 30. März
2001 Kenntnis von den die Bürgschaftsforderung und den gesicherten
Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners. Ein
Gläubiger, der einen Bereicherungsanspruch verfolgt, hat Kenntnis von
den den Anspruch begründenden Umständen, wenn er von der Leistung
und vom Fehlen des Rechtsgrundes, d.h. von den Tatsachen, aus denen
dessen Fehlen folgt, weiß (Staudinger/Frank Peters, BGB Neu-
bearb. 2004 § 199 Rdn. 46). Dies war hier der Fall. Der Kläger wusste
seit dem 30. März 2001, dass die Hauptschuldnerin durch die Überwei-
sung vom selben Tag, also durch seine Leistung, die Klagesumme er-
langt hatte. Er kannte auch die Tatsachen, aus denen sich die Formun-
wirksamkeit des auf den 14. Oktober 2000 datierten Kaufvertrages er-
gab. Dass er hieraus auch den Schluss auf die Unwirksamkeit des Ver-
trages und das Fehlen des Rechtsgrundes gezogen hat, ist für die
Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände nicht erforderlich
(MünchKomm/Grothe, BGB 5. Aufl. § 199 Rdn. 25). Die etwaige Un-
kenntnis des Klägers von der Rechtsgrundlosigkeit der Leistung beruhte
im Übrigen, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat, auf
grober Fahrlässigkeit.
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b) Das Berufungsgericht hat ferner rechtsfehlerfrei angenommen,
dass die dreijährige Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 BGB n.F. nach
ihrem Beginn am 1. Januar 2002 abgelaufen war, bevor die Klageschrift
der Beklagten am 30. Januar 2006 zugestellt wurde.
aa) Die Revision macht ohne Erfolg geltend, der Bürgschaftsver-
trag enthalte die konkludente Abrede, dass die Verjährung so lange ge-
hemmt sei, wie es zur Erreichung des dem Bürgen bekannten Siche-
rungszwecks der Bürgschaft erforderlich sei. Danach sei die Verjährung
bis heute gehemmt, weil der Kaufvertrag nicht rechtswirksam sei und die
Hauptschuldnerin nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legen-
den Sachverhalt das Sanierungsvorhaben nicht fertig gestellt habe. Die-
se Auffassung ist bereits deshalb unzutreffend, weil der Kläger die Bürg-
schaft, wie dargelegt zu Recht, für eine bereicherungsrechtliche Rück-
zahlungsforderung in Anspruch nimmt, die die Unwirksamkeit des
Kaufvertrages gerade voraussetzt und unabhängig von der ordnungsge-
mäßen Fertigstellung des Sanierungsvorhabens besteht.
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bb)
Unbegründet
ist
weiter die Auffassung der Revision, die Ver-
jährungsfrist sei durch den Antrag vom 14. April 2004 auf Bestimmung
des zuständigen Gerichts für ein selbständiges Beweisverfahren gegen
die Beklagte und die Hauptschuldnerin sowie den Antrag vom 3. Mai
2004 auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens gegen die
Beklagte gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 7 und 13 BGB n.F. in der Zeit vom
16. April 2004 bis zum 8. Mai 2005 gehemmt gewesen.
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Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens sollten Mängel
der Sanierungsarbeiten der Hauptschuldnerin, noch auszuführende Rest-
leistungen sowie die Kosten der Mängelbeseitigung und Fertigstellung
sein. Ein solcher Antrag auf Beweissicherung, und ebenso der darauf
bezogene Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung, unterbricht bzw.
hemmt die Verjährung nur für Ansprüche aus den Mängeln, auf die die
Sicherung des Beweises sich bezieht (BGHZ 120, 329, 331; Urteil
vom 30. April 1998 - VII ZR 74/97, WM 1998, 1980, 1981). Dazu gehört
der streitgegenständliche Anspruch aus der Bürgschaft nicht. Wegen der
Akzessorietät der Bürgschaft ist der verbürgte Anspruch, im vorliegenden
Fall also der Bereicherungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1
BGB, Teil des Streitgegenstandes der Klage aus der Bürgschaft (Senat,
Urteil vom 25. November 2003 - XI ZR 379/02, WM 2004, 121, 122). Der
Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB besteht unabhängig von
den Mängeln, auf die sich der Antrag auf Beweissicherung bezog. Die
Revision macht in diesem Zusammenhang ohne Erfolg geltend, zwischen
dem Verhalten des Klägers, das zur Unwirksamkeit des Kaufvertrages
und damit zu dem Bereicherungsanspruch geführt habe, und dem Bürg-
schaftsfall bestehe kein Kausalzusammenhang, wenn die Hauptschuld-
nerin die Vorauszahlung auch bei Wirksamkeit des Kaufvertrages wegen
Baumängeln und der deshalb erklärten Kündigung des Vertrages hätte
zurückzahlen müssen. Selbst wenn der Kläger den Rückforderungsan-
spruch nur wegen der von ihm behaupteten Mängel geltend gemacht ha-
ben sollte, sind diese Mängel nicht Voraussetzung des Bereicherungsan-
spruchs gegen die Hauptschuldnerin und des streitgegenständlichen
Bürgschaftsanspruchs. Dieser ist kein Anspruch aus einem Mangel, auf
den sich der Antrag auf Sicherung des Beweises bezog. Die Verjährung
dieses Anspruchs ist durch die Anträge auf Durchführung eines selb-
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ständigen Beweisverfahrens und auf Gerichtsstandsbestimmung nicht
gehemmt worden.
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cc) Ob das Berufungsgericht zu Recht eine Verjährungshemmung
gemäß § 203 Satz 1 BGB n.F. für die Zeit vom 22. Oktober 2003 bis zum
24. Februar 2004 angenommen hat, braucht nicht entschieden zu wer-
den. Auch unter Zugrundelegung einer solchen Hemmung ist die Verjäh-
rungsfrist vor Zustellung der Klageschrift am 30. Januar 2006 abgelau-
fen. Eine Rückwirkung gemäß § 167 ZPO hat das Berufungsgericht
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rechtsfehlerfrei und von der Revision unangegriffen verneint, weil die Zu-
stellung der Klageschrift nach ihrer Einreichung nicht demnächst erfolgt
ist.
III.
Die Revision war demnach als unbegründet zurückzuweisen.
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Nobbe Joeres Mayen
Ellenberger Maihold
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 05.05.2006 - 34 O 42/06 -
KG Berlin, Entscheidung vom 26.01.2007 - 6 U 128/06 -