Urteil des BGH vom 16.07.2002

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5 StR 508/02
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 27. März 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. März 2003
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Mannheim vom 16. Juli 2002 mit den zuge-
hörigen Feststellungen nach § 349 Abs. 4 StPO aufgeho-
ben,
a) soweit der Angeklagte wegen Betrugs verurteilt worden
ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Die
weitergehende
Revision
wird
gemäß
§ 349
Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landge-
richts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in
zwei Fällen und wegen Betrugs unter Einbeziehung einer weiteren Strafe zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt.
Seine hiergegen gerichtete Revision führt zur Aufhebung des Urteils, soweit
der Angeklagte wegen Betrugs verurteilt worden ist, wie auch im Ausspruch
über die Gesamtstrafe. Im übrigen ist das Rechtsmittel aus den Gründen der
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Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349
Abs. 2 StPO.
I.
Die Verurteilung wegen Betrugs hält rechtlicher Überprüfung nicht
stand.
Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte die B V
, ohne sich dingliche Sicherheiten bestellen zu lassen, dem Ange-
klagten im September 1992 einen Kredit für den Ankauf eines Villengrund-
stücks in Höhe von 1 Million DM gewährt. Das Grundstück wurde von einer
Gesellschaft bürgerlichen Rechts erworben, die aus dem Angeklagten und
der A GmbH bestand.
Das Landgericht hat zutreffend eine Täuschungshandlung im Sinne
des § 263 StGB darin gesehen, daß der Angeklagte am 24. Februar 1993
gegenüber der B V ein schriftliches Negativattest aus-
stellte, in dem er wahrheitswidrig erklärte, daß er das vorher mit den Kredit-
mitteln der Bank erworbene Grundstück vor Rückführung des Darlehens
nicht mit Grundpfandrechten zugunsten Dritter belasten werde. Tatsächlich
hatte er vorher bereits der S F für eine Kreditzusage die ent-
sprechende Bestellung einer Grundschuld zugesagt und diese dann auch am
15. März 1993 bewilligt.
Ein Vermögensschaden der B V ist aufgrund der
Täuschungshandlung aber nur dann entstanden, wenn sich die Vermögens-
situation dadurch insgesamt verschlechtert hat. Das Landgericht sieht eine
Verschlechterung der Vermögenssituation der B V
darin, daß diese auf die Stellung von Grundpfandrechten verzichtet habe.
Dieser Ansatz des Landgerichts begegnet schon deshalb rechtlichen Beden-
ken, weil nicht erkennbar ist und vom Landgericht auch nicht begründet wird,
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inwieweit die B V einen Anspruch auf Absicherung ihres
ursprünglich ungesichert ausgereichten Darlehens durch eine Grundschuld
speziell auf diesem Villengrundstück gehabt haben soll. Selbst wenn ein sol-
cher Anspruch bestanden hätte, ist nicht ersichtlich, wieso die B
V über einen derart langen Zeitraum nicht eine Nachholung der
Bestellung dinglicher Sicherheiten betrieben hat. Insofern wäre schon zu be-
zweifeln, ob die Täuschungshandlung für eine entsprechende Vermögens-
verfügung der Bank kausal geworden ist.
Bestand dagegen kein Anspruch auf die Absicherung des Kredits
durch ein Grundpfandrecht, hätte das Landgericht eine Kausalitätsprüfung
anstellen müssen, welche wirtschaftliche Entwicklung das Kreditengagement
der B V im Falle einer wahrheitsgemäßen Erklärung
des Angeklagten genommen hätte. Dies erfordert eine Prüfung, in welchem
Umfang die Rückzahlung des Darlehens im Zeitpunkt der Täuschungshand-
lung bereits gefährdet war. Nur wenn sich durch die Erklärung des Ange-
klagten das Risiko einer Nichterfüllung der Darlehensschuld erhöht haben
sollte, ist die Täuschungshandlung für den Eintritt des Vermögensschadens
im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB ursächlich (BGH wistra 1993, 17; 1986,
170 f.; vgl. auch BGH Beschl. vom 12. Februar 2003 – 5 StR 165/02). Zur
Feststellung dieses hypothetischen Kausalverlaufes wäre zu prüfen gewe-
sen, ob die B V das Darlehen aus wichtigem Grund
hätte kündigen und welchen Betrag sie in diesem Falle hätte realisieren kön-
nen. Nur die Verschlechterung oder Gefährdung der Beitreibung der Darle-
hensforderung, die durch die Täuschungshandlung des Angeklagten bedingt
ist, darf für die Berechnung des Vermögensschadens im Sinne des § 263
Abs. 1 StGB herangezogen werden.
Dieser Betrag entspricht nicht der Summe, in deren Höhe die B
V ausgefallen ist und den das Landgericht hier offenbar zu-
grundegelegt hat. Der betrugsbedingte Schaden kann dabei im Einzelfall so-
gar höher liegen, wenn der Schaden durch spätere günstige Ereignisse
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verringert wird. Ein solcher Umstand, der sich dann wie die nachträgliche
Aufhebung der bereits eingetretenen Gefährdungslage als Schadens-
wiedergutmachung ausgewirkt hätte, wäre hier der spätere Verkauf des
Villengrundstücks im Januar 1994 für mehr als den doppelten Preis an B
K . Andererseits kann auch die vom Landgericht nicht festgestellte
Vermögenssituation des Angeklagten zum Zeitpunkt der Täuschungshand-
lung vom 24. Februar 1993 insgesamt so schlecht gewesen sein, daß die
Täuschungshandlung sich nicht mehr zum Nachteil der Bank auswirken
konnte. In diesem Fall ist der spätere, unvorhergesehen günstige Verkauf
außer Betracht zu lassen.
II.
Die Aufhebung der Verurteilung wegen Betrugs mit den zugehörigen
Feststellungen zieht auch die Aufhebung der höchsten Einzelfreiheitsstrafe
nach sich. Der Senat kann hier jedoch ausschließen, daß die beiden Einzel-
freiheitsstrafen wegen Steuerhinterziehung von der rechtsfehlerbehafteten
Verurteilung wegen Betrugs beeinflußt sein könnten. Es liegt aber ein offen-
sichtliches Fassungsversehen vor, weil das Landgericht ersichtlich die Ein-
zelstrafen vertauscht hat. Der Senat stellt deshalb klar, daß der Angeklagte
wegen Einkommensteuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von zehn
Monaten und wegen Umsatzsteuerhinterziehung zu einer solchen von fünf
Monaten verurteilt ist.
Im Hinblick auf die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf fol-
gendes hin:
1. Der neue Tatrichter wird, falls sich ein Vermögensschaden nicht
nachweisen läßt, zu prüfen haben, ob ein Kreditbetrug gemäß § 265b StGB
gegeben sein könnte. Eine Strafbarkeit nach § 265b StGB kommt auch in
Betracht, wenn kein Vermögensschaden eingetreten ist. Allerdings verlangt
§ 265b Abs. 1 Satz 1 StGB, daß die Kreditgewährung für einen Betrieb
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oder ein Unternehmen erfolgt sein muß. Dies erfordert, daß bei wirtschaftli-
cher Betrachtung der Kreditnehmer ein solches Unternehmen (vgl.
Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 265b Rdn. 26) sein
muß, das – nach der Legaldefinition des § 265b Abs. 3 Nr. 1 StGB – einen
nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbe-
trieb hat.
2. Hinsichtlich einer neu vorzunehmenden Gesamtstrafenbildung ist
der genaue Zeitpunkt der Zahlung der Geldstrafe aus der Vorverurteilung des
Landgerichts Freiburg vom 13. April 1999 in Höhe von 100 Tagessätzen
festzustellen. Dabei wird der neue Tatrichter zu bedenken haben, daß der
Umstand einer rechtskräftig zunächst gebildeten Gesamtstrafe gemäß
§ 460 StPO auch hier Beachtung finden muß. Die Geldstrafe darf bei einer
Gesamtstrafenbildung jedenfalls dann nicht außer Betracht bleiben, wenn die
Voraussetzungen der nachträglichen Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB
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vorgelegen haben (vgl. Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. § 460 Rdn. 13). So-
weit die Geldstrafe dann noch vor Rechtskraft des Gesamtstrafenbeschlus-
ses bezahlt worden sein sollte, ist diese Zahlung auf die Gesamtfrei-
heitsstrafe anzurechnen (§ 51 Abs. 2 und Abs. 4 Satz 1 StGB). Eine solche
Anrechnung ist aber nicht Sache des Gerichts, sondern der Strafvoll-
streckungsbehörde (vgl. BGHSt 21, 186; RG GA Bd. 47, 296).
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