Urteil des BGH vom 20.02.2014

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 137/13
Verkündet am:
20. Februar 2014
Kirchgeßner
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 305c Abs. 1; InsO § 39 Abs. 2, § 174
Die in einem zur Finanzierung des Schulbetriebs zwischen den Eltern der Schüler
und dem Schulträger abgeschlossenen Darlehensvertrag enthaltene Rang-
rücktrittserklärung ist nicht überraschend, wenn sie eingangs des Vertrages zugleich
mit der Darlehenssumme vereinbart wird und die Eltern in einem Begleitschreiben
auf die mit dem Schulbesuch verbundenen finanziellen Belastungen hingewiesen
und dabei, drucktechnisch besonders hervorgehoben, auch um die Ausreichung ei-
nes nachrangigen Darlehens gebeten werden.
BGH, Urteil vom 20. Februar 2014 - IX ZR 137/13 - LG Frankfurt am Main
AG Frankfurt am Main
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. Februar 2014 durch die Richter Vill, Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Pape,
Grupp und die Richterin Möhring
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil der 15. Zivilkammer
des Landgerichts Frankfurt am Main vom 31. Mai 2013 aufgeho-
ben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts
Frankfurt am Main vom 19. September 2012 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren hat die Klägerin zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten über den Rang einer Forderung im Insolvenzverfah-
ren über das Vermögen der L. e.V.
(im Folgenden: Schuldner). Im April 2008 meldete die Klägerin ihren Sohn an
der vom Schuldner betriebenen E. -Schule an. Mit Schreiben vom
31. März 2008 wurde der Klägerin und ihrem Ehemann mit dem Schulvertrag
ein Darlehensvertrag übersandt. Unter der drucktechnisch hervorgehobenen
Überschrift "Zinsloses nachrangiges Darlehen" bat der Schuldner in dem Be-
gleitschreiben unter Hinweis auf seinen Finanzierungsbedarf um ein entspre-
chendes Darlehen. § 1 des Darlehensvertrages lautet:
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"Zum Zwecke der Finanzierung des Betriebs der E. -Schule
gewährt der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer ein unver-
zins
liches nachrangiges Darlehen in Höhe von € 1.350,-- (in Wor-
ten: eintausenddreihundertundfünfzig Euro)."
Ebenso wie andere Eltern gewährten auch die Klägerin und deren Ehe-
mann das erbetene Darlehen, das spätestens bei Ausscheiden des Kindes aus
der Schule zurückgezahlt werden sollte. Am 1. März 2011 wurde das Insol-
venzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und der Beklagte
zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beklagte hat die vom Ehemann der Kläge-
rin im Rang des § 38 InsO angemeldete Forderung auf Darlehensrückzahlung
im Prüfungstermin unter Hinweis auf die vereinbarte Nachrangigkeit bestritten.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass die angemeldete
Forderung nicht nachrangig im Sinne des § 39 Abs. 2 InsO und als reguläre
Insolvenzforderung in die Insolvenztabelle einzutragen ist.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin
hat zum Ausspruch der begehrten Feststellung geführt. Hiergegen wendet sich
der Beklagte mit der durch das Berufungsgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des Beru-
fungsgerichts und zur Zurückweisung der Berufung der Klägerin.
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I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Klägerin handele als Mitgläu-
bigerin (§ 432 BGB) des Rückzahlungsanspruchs (§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB).
Sie mache den Anspruch in Prozessstandschaft auch für ihren Ehemann gel-
tend und sei deshalb auch insoweit prozessführungsbefugt. Die zur Insolvenz-
tabelle angemeldete Darlehensforderung sei nicht nachrangig im Sinne von
§ 39 Abs. 2 InsO, weil die Regelung in § 1 des Darlehensvertrages wegen Ver-
stoßes gegen § 305c Abs. 1 BGB unwirksam sei. Die Vereinbarung eines
Rangrücktritts stelle eine überraschende Klausel im Sinne von § 305c Abs. 1
BGB dar. Sie sei bei einer Darlehensgewährung unter Privatleuten ungewöhn-
lich. Die Klägerin habe als private Darlehensgeberin nicht damit rechnen müs-
sen, dass ihr Rückgewähranspruch aus dem Darlehensvertrag im Insolvenzfall
hinter sämtliche andere Gläubiger zurücktreten solle. Dem stehe nicht entge-
gen, dass der Schuldner im Schreiben vom 31. März 2008 um ein nachrangiges
Darlehen gebeten habe, weil er lediglich den Wortlaut der vertraglichen Verein-
barung wiedergegeben und nicht deren rechtliche Bedeutung erläutert habe.
II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung in einem we-
sentlichen Punkt nicht stand.
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen,
dass durch die Formulierung "nachrangiges Darlehen" in § 1 des Darlehensver-
trages hinsichtlich der klägerischen Forderung auf Darlehensrückgewähr eine
Rangrücktrittsvereinbarung im Sinne des § 39 Abs. 2 InsO für den Fall der In-
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solvenz des Schuldners getroffen worden ist. Der Begriff der Nachrangigkeit
konnte jedenfalls angesichts der sofort zu erfolgenden Ausreichung nur so ver-
standen werden, dass sich der Nachrang auf den Rückforderungsanspruch
(§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB) beziehen und der Darlehensgeber im Insolvenzfall
des Darlehensnehmers deshalb mit seinem Anspruch hinter anderen Gläubi-
gern zurückstehen soll. Die in der Klausel ausdrücklich getroffene Vereinbarung
erfüllt auch die an eine Rangrücktrittsvereinbarung zu stellende Mindestanfor-
derung einer zweiseitigen Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger
(vgl. MünchKomm-InsO/Ehricke, 3. Aufl., § 39 Rn. 63; Preuß in Kübler/
Prütting/Bork, InsO, 2013, § 39 Rn. 25; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl., § 39
Rn. 54; Haas, Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 3. Aufl., S. 1320 Rn. 59;
Peters, WM 1988, 685, 691). Sie hat einen zulässigen Inhalt, weil sie einen
Rangrücktritt der klägerischen Forderung vorsieht und nicht zu Lasten anderer
Gläubiger geht (vgl. Pape/Uhländer/Schluck-Amend, InsO, § 39 Rn. 66; Uhlen-
bruck/Hirte, aaO Rn. 52; Preuß, aaO Rn. 24; Jaeger/Henckel, InsO, § 39 Rn. 97
jeweils mwN). Entsprechend der gesetzlichen Auslegungsregel des § 39 Abs. 2
InsO (vgl. Pape/Uhländer/Schluck-Amend, aaO; Preuß, aaO Rn. 24) bezeichnet
der nicht näher beschriebene Nachrang im Zweifel eine Berichtigung der von
der Vereinbarung erfassten Gläubigerforderung erst nach den in § 39 Abs. 1
InsO benannten Forderungen (MünchKomm-InsO/Ehricke, aaO Rn. 62; HK-
InsO/Eickmann/Kleindiek, 6. Aufl., § 39 Rn. 12).
2. Ebenfalls zutreffend ist die Annahme des Berufungsgerichts, die vor-
genannte Rangrücktrittsvereinbarung unterliege der Kontrolle nach den
§§ 305 ff BGB. Dass es sich bei der Klausel um eine für eine Vielzahl von Ver-
trägen vorformulierte Vertragsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB han-
delt, wird auch durch die Revision nicht in Zweifel gezogen. Soweit sie geltend
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macht, der Schuldner habe diese Bedingungen nicht gestellt, kann sie hiermit
nicht durchdringen.
a) Das genannte Merkmal ist erfüllt, wenn eine Partei die vorformulierten
Bedingungen in die Verhandlung einbringt und deren Verwendung zum Ver-
tragsschluss verlangt (BGH, Urteil vom 17. Februar 2010 - VIII ZR 67/09, BGHZ
184, 259 Rn. 11; vom 1. März 2013 - V ZR 31/12, NJW-RR 2013, 1028 Rn. 17
mwN; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 305 Rn. 10). Dabei kommt es nicht
darauf an, wer die Geschäftsbedingungen entworfen hat (vgl. BGH, Urteil vom
2. November 1983 - IVa ZR 86/82, BGHZ 88, 368, 370; vom 30. Juni 1994
- VII ZR 116/93, BGHZ 126, 326, 332; vom 17. Februar 2010, aaO Rn. 10).
Entsprechendes gilt auch für die Frage eines etwaigen Ungleichgewichts bei
den Verhandlungen (BGH, Urteil vom 17. Februar 2010, aaO Rn. 12). Ein Stel-
len entfällt hingegen, wenn die Einbeziehung vorformulierter Vertragsbedingun-
gen in einen Vertrag auf einer freien Entscheidung desjenigen Vertragsteils be-
ruht, an den der Verwendungsvorschlag herangetragen wird; dazu ist erforder-
lich, dass die Auswahl der in Betracht kommenden Vertragstexte frei ist und die
Gelegenheit besteht, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Mög-
lichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlung einzubringen (BGH, Urteil vom
17. Februar 2010, aaO Rn. 18 mwN; Palandt/Grüneberg, aaO). Die Darle-
gungs- und Beweislast dafür, dass Vertragsbedingungen nach § 305 Abs. 1
Satz 3 BGB im Einzelnen ausgehandelt und damit nicht gestellt wurden, obliegt
dem Verwender (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 1982 - V ZR 82/81, BGHZ 83,
56, 58; vom 3. April 1998 - V ZR 6/97, WM 1998, 1289, 1291; MünchKomm-
BGB/Basedow, 6. Aufl., § 305 Rn. 45).
b) Nach diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht zutreffend von ei-
nem Stellen der Vertragsbedingung durch den Schuldner ausgegangen. Dieser
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hatte mit Schreiben vom 31. März 2008 der Klägerin und ihrem Ehemann das
später unterzeichnete Vertragsformular übersandt und so in die Verhandlung
eingebracht. Unbeachtlich ist, dass ein Teil der Elternschaft das Formular ent-
worfen haben soll, weil zu einer Beteiligung der Klägerin oder ihres Ehemanns
nichts vorgetragen ist. Soweit das Berufungsgericht ausführt, es könne nicht
festgestellt werden, dass die Klägerseite zwischen einem Darlehensvertrag mit
und einem solchen ohne vereinbarten Nachrang hätte wählen können, ist dies
bedenkenfrei. Eine solche Wahlmöglichkeit ist weder dem Anschreiben vom
31. März 2008 noch den allgemeinen Schulbedingungen zu entnehmen. Unab-
hängig davon gelten die Vertragsbedingungen nach § 310 Abs. 3 Nr. 1, § 14
Abs. 1 BGB als durch den Schuldner gestellt.
3. Mit Recht wendet sich die Revision allerdings gegen die Annahme des
Berufungsgerichts, die Rangrücktrittsvereinbarung in § 1 des Darlehensvertra-
ges sei eine überraschende Klausel im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB.
a) Überraschenden Charakter hat eine Regelung in Allgemeinen Ge-
schäftsbedingungen dann, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners
deutlich abweicht und dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise
nicht zu rechnen braucht. Die Erwartungen des Vertragspartners werden dabei
von allgemeinen und von individuellen Begleitumständen des Vertragsschlus-
ses bestimmt. Hierzu zählen der Grad der Abweichung vom dispositiven Geset-
zesrecht und die für den Geschäftskreis übliche Gestaltung einerseits, Gang
und Inhalt der Vertragsverhandlungen sowie der äußere Zuschnitt des Vertra-
ges andererseits (BGH, Urteil vom 18. Mai 1995 - IX ZR 108/94, BGHZ 130, 19,
25; vom 21. Juni 2001 - IX ZR 69/00, WM 2001, 1520, 1521 f; vom 11. Dezem-
ber 2003 - III ZR 118/03, WM 2004, 278, 280; vom 26. Februar 2013 - XI ZR
417/11, WM 2013, 696 Rn. 23 jeweils mwN).
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b) Gemessen hieran ist die genannte Rangrücktrittsvereinbarung nicht
überraschend.
aa) Dem steht nicht entgegen, dass die formularmäßige Vereinbarung
eines Rangrücktritts im Sinne von § 39 Abs. 2 InsO eine objektiv ungewöhnliche
Klausel ist. Die Klausel führt dazu, dass der Gläubiger im Insolvenzfall im ver-
einbarten Rang hinter andere Gläubiger zurücktritt. Wie das Berufungsgericht
mit Recht annimmt, ist eine solche vertragliche Gestaltung für die Gewährung
eines Privatdarlehens durch einen Dritten typischerweise nicht zu erwarten. Sie
nähert die Finanzierungsleistung des Dritten wirtschaftlich den Forderungen auf
Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens an, für welche das Gesetz gemäß
§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO ebenfalls einen Nachrang anordnet, ohne dass den Drit-
ten demgegenüber die Finanzierungsfolgenverantwortung eines Gesellschaf-
ters (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 2013 - IX ZR 32/12, BGHZ 196, 220
Rn. 17 ff und Rn. 31) trifft oder er die Informations- und Einwirkungsmöglichkei-
ten eines Gesellschafters (vgl. MünchKomm-InsO/Ehricke, 3. Aufl., § 39 Rn. 38)
hat.
bb) Nicht gefolgt werden kann indessen der Annahme, es sei unbeacht-
lich, dass der Schuldner in seinem an die Klägerseite gerichteten Anschreiben
vom 31. März 2008 unter Ziffer 4 um ein zinsloses nachrangiges Darlehen ge-
beten habe, weil der Schuldner dort lediglich den Wortlaut der formularvertragli-
chen Regelung wiedergegeben habe. Insbesondere bedurfte es zur Beseitigung
des Überraschungsmoments keiner Erläuterung der rechtlichen Bedeutung der
Klausel.
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(1) Allgemeine Geschäftsbedingungen, mit denen der Gegner des Ver-
wenders nicht von vornherein rechnen musste, können die Eignung zur Über-
rumpelung verlieren, wenn der Verwender durch einen eindeutigen Hinweis auf
sie aufmerksam macht (BGH, Urteil vom 21. Juni 2001, aaO S. 1522; Ulmer/
Schäfer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 11. Aufl., § 305c Rn. 23 f). Der
Überraschungscharakter einer allgemein ungewöhnlichen Klausel kann schon
entfallen, wenn sie inhaltlich ohne weiteres verständlich und drucktechnisch so
hervorgehoben ist, dass erwartet werden kann, der Gegner des Verwenders
werde von ihr Kenntnis nehmen (BGH, Urteil vom 6. Dezember 1984 - IX ZR
115/83, WM 1985, 155, 156 f; vom 30. Juni 1995 - V ZR 184/94, BGHZ 130,
150, 155; vom 21. Juni 2001, aaO mwN).
(2) Der Nachrang kam bereits in § 1 des Darlehensvertrages, der die
Höhe der Darlehenssumme regelt und deshalb für den Darlehensgeber von
besonderer Bedeutung ist, unzweideutig zum Ausdruck. Hiernach war die
Rangrücktrittsklausel in dem auch im Übrigen knapp und übersichtlich gehalte-
nen Formularvertrag nicht überraschend, zumal der Schuldner die Klägerseite
außerdem in dem genannten Anschreiben auf die mit dem Schulbesuch ver-
bundenen finanziellen Belastungen hingewiesen und dabei, drucktechnisch be-
sonders hervorgehoben, auch um die Ausreichung eines nachrangigen Darle-
hens gebeten hatte. Auch wenn sich das Schreiben ausweislich seiner Einlei-
tung auf "Formalitäten" bezieht, werden hierin neben dem nachrangigen Darle-
hen auch die zu leistenden Elternbeiträge erwähnt. Schon deshalb war hinrei-
chend deutlich, dass sich das Schreiben auch auf finanzielle Belastungen be-
zieht. Auch ist in den dem Schreiben beigefügten Allgemeinen Schulbedingun-
gen unter dem Oberpunkt "4. Beiträge" nicht nur die Gewährung eines zinslo-
sen nachrangigen Elterndarlehens sondern auch das Schulgeld, eine Aufnah-
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megebühr, die Verpflichtung zur Abgabe einer unbefristeten Höchstbetrags-
bürgschaft über 3.000
€ sowie ein Lehrmittelbeitrag aufgeführt. Darüber hinaus
hatte der Schuldner in dem Anschreiben vom 31. März 2008 unter Ziffer 4 und
der mittels Fettdruck und Unterstreichung bereits drucktechnisch hervorgeho-
benen Überschrift "Zinsloses nachrangiges Darlehen" ausdrücklich auf seinen
besonderen Finanzbedarf hingewiesen und um die Ausreichung eines solchen
Darlehens als Finanzierungsleistung gebeten. Dabei hatte er auf den Formular-
vertrag verwiesen, wobei weder die im Anschreiben noch die in der Klausel ge-
wählte Formulierung unverständlich ist. Angesichts der sofort zu erfolgenden
Ausreichung des Darlehensbetrags konnte sich der vereinbarte Nachrang auch
aus Sicht der Klägerseite nur auf den Rückzahlungs- und nicht auf den Auszah-
lungsanspruch beziehen.
III.
Das Urteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561
ZPO).
1. Die maßgebliche Rangrücktrittsvereinbarung durch Formularvertrag
hält einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 Nr. 1, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB
stand.
a) Die Vereinbarung eines Nachranges für den Anspruch auf Darlehens-
rückzahlung enthält eine von den allgemeinen insolvenzrechtlichen Bestim-
mungen abweichende Regelung. Wegen §§ 38, 174 Abs. 1 InsO sind die an-
gemeldeten Forderungen der Insolvenzgläubiger im Grundsatz gleichrangig und
damit gleichmäßig zu befriedigen. Ob die Klausel deshalb gegen wesentliche
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Grundgedanken der gesetzlichen Regelung verstößt (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB),
weil der Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung zugleich ein tra-
gendes und beherrschendes Prinzip des Insolvenzrechts ist (MünchKomm-
InsO/Stürner, 3. Aufl., Einl. Rn. 1, 62; Prütting in Kölner Schrift zur Insolvenz-
ordnung, 3. Aufl., S. 19 Rn. 61; Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht,
2. Aufl., Kapitel 12 Rn. 10 mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom 29. Januar 1964
- Ib ZR 197/62, BGHZ 41, 98, 101; vom 13. März 2003 - IX ZR 64/02, BGHZ
154, 190, 197), bedarf jedoch keiner Entscheidung. Auch wenn die Vereinba-
rung eines Nachranges in formularmäßiger Form gegen wesentliche Grundge-
danken des Insolvenzrechts verstoßen sollte, führt dies nur dann zu einer Un-
wirksamkeit der Klausel, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entge-
gen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 307
Abs. 1 Satz 1 BGB). Auch im Anwendungsbereich des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB
ist eine unangemessene Benachteiligung lediglich "im Zweifel" anzunehmen
(vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 1996 - XI ZR 217/95, BGHZ 133, 10, 15 f; vom 28.
Januar
2003
- XI ZR
156/02,
BGHZ
153,
344,
349;
Pfeiffer
in
Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 6. Aufl., § 307 Rn. 100 f).
b) Eine unangemessene Benachteiligung der Verwendungsgegner
(§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB) ist jedoch schon aufgrund der auch im Vertrags-
zweck zum Ausdruck kommenden besonderen Interessenlage der Beteiligten
auszuschließen.
aa) Die Frage, ob eine gegen Treu und Glauben verstoßende unange-
messene Benachteiligung der von der Klausel betroffenen Vertragspartner des
Verwenders vorliegt, ist auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung der
berechtigten Interessen aller Beteiligten zu beantworten (vgl. BGH, Urteil vom
12. März 1987 - VII ZR 37/86, BGHZ 100, 157, 165; vom 28. Januar 2003
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- XI ZR 156/02, BGHZ 153, 344, 350; MünchKomm-BGB/Wurmnest, 6. Aufl., §
307 Rn. 32). Der Verwender darf nicht durch einseitige Vertragsbestimmung
missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzu-
setzen versuchen, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu
berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl.
BGH, Urteil vom 28. Oktober 1999
– IX ZR 364/97, WM 2000, 64, 65 f; vom 3.
November 1999 - VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103, 113; vom 1. Februar 2005
- X ZR 10/04, NJW 2005, 1774, 1775; vom 17. September 2009 - III ZR 207/08,
NJW 2010, 57 Rn. 18 jeweils mwN).
bb) Ausgangspunkt der hiernach erforderlichen Abwägung ist der Um-
stand, dass der Schuldner bei der von ihm erbetenen Darlehensgewährung
aufgrund der Nachrangklausel eine Beteiligung in dieser Höhe an dem von ihm
eingegangenen wirtschaftlichen Risiko beim Betrieb der Schule gefordert hat.
Als Begründung hat er seinen großen Finanzierungsbedarf geltend gemacht,
weil er gerade in der Anlaufphase des privaten Schulprojekts ohne staatliche
Förderung auskommen müsse. Es liegt nahe, dass die getroffene Vereinbarung
dazu führen sollte, die gewährten Darlehensbeträge nicht passivieren zu müs-
sen (vgl. HK-InsO/Kirchhof, aaO § 19 Rn. 22, 25; Kadenbach in Ahrens/
Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 2. Aufl., § 19 Rn. 40; Pape/Uhländer/Sikora, InsO,
§ 19 Rn. 44; Preuß in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2013, § 39 Rn. 27; Schmidt,
InsO, 18. Aufl., § 19 Rn. 35, § 39 Rn. 22 jeweils mwN). Die mit der Risikobetei-
ligung ermöglichte Sicherstellung des Schulbetriebes lag insoweit auch im Inte-
resse der Verwendungsgegner. Bei diesen handelte es sich ausschließlich um
Eltern der Schüler der von dem Schuldner getragenen Schule. Diese wollten
vornehmlich den Schulbesuch ihrer Kinder nach Maßgabe des durch die Schule
angebotenen pädagogischen Konzepts sicherstellen. Dies kommt auch in dem
in der Klausel genannten besonderen Vertragszweck zum Ausdruck. Hiernach
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diente das Darlehen der Finanzierung der vom Schuldner getragenen Schule,
so dass für die Eltern als Verwendungsgegner wirtschaftliche Interessen in den
Hintergrund traten. Das mit der Nachrangklausel verbundene Risiko des wirt-
schaftlichen Verlustes des Rückzahlungsanspruchs aus § 488 Abs. 1 Satz 2
BGB ist von dem aufgezeigten Vertragszweck gedeckt. Die mit der Klausel er-
strebte Risikobeteiligung kann angesichts der dargestellten Interessenlage
schwerlich als einseitige Interessendurchsetzung des Schuldners gewertet wer-
den, zumal der Darlehensbetrag auch nicht außer Verhältnis zu den im Übrigen
für den Schulbesuch geforderten Beträgen steht. Hierzu gehören ausweislich
der allgemeinen Vertragsbedingungen zum Schulvertrag eine einmalige Auf-
nahmegebühr in Höhe von 400 € sowie monatlich ein Schulgeld in Höhe von
200
€, weitere 190 € für die nachmittäglichen Betreuungs- und Unterrichtsan-
gebote sowie weitere 60 € für die Verpflegung während des Schultages.
2. Die in der Klausel gebrauchte Formulierung "nachrangiges Darlehen"
verstößt ferner nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2
BGB.
a) Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nach den
Grundsätzen von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Ver-
tragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen (BGH, Urteil vom
23. Februar 2005 - IV ZR 273/03, BGHZ 162, 210, 213 f; vom 24. März 2010
- VIII ZR 178/08, BGHZ 185, 96 Rn. 15). Er ist jedoch nicht verpflichtet, gängige
Rechtsbegriffe zu erläutern oder den Vertragspartner über die hieraus folgen-
den Pflichten zu belehren (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 1996 - XI ZR 257/94,
BGHZ 133, 25, 32; vom 20. Juli 2005 - VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11, 35 f; vom
8. Mai 2013 - IV ZR 84/12, WM 2013, 1214 Rn. 15; Palandt/
Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 307 Rn. 22). Vielmehr liegt es im eigenen Verant-
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wortungsbereich des Vertragspartners, sich entsprechende Kenntnisse zu ver-
schaffen (Staudinger/Coestner, BGB, 2013, § 307 Rn. 199).
b) Diese Anforderungen sind erfüllt. Die gewählte Klausel war für die El-
tern der Schüler der von dem Schuldner getragenen Schule auch als juristische
Laien weder unklar noch undurchschaubar. Insbesondere waren für sie die mit
der Klausel verbundenen wirtschaftlichen Nachteile erkennbar. Dabei kann of-
fen bleiben, ob der Begriff des nachrangigen Darlehens nicht bereits als
Rechtsbegriff weit verbreitet ist und den genannten fest umrissenen Inhalt hat.
Für die Eltern war jedenfalls verständlich, dass sich der formularvertraglich ver-
einbarte Nachrang nur auf den Rückzahlungsanspruch beziehen konnte und
Zahlungen hierauf deshalb erst nach vollständiger Befriedigung anderer vorran-
giger Gläubiger erfolgen würden. Da nicht schlechthin ausgeschlossen werden
kann, dass das Vermögen des Darlehensnehmers nicht ausreicht, alle Gläubi-
ger zu befriedigen, war hiernach für die Eltern auch erkennbar, dass es sich bei
dem erbetenen nachrangigen Darlehen um eine Finanzierungsleistung handelt,
die mit dem wirtschaftlichen Risiko ihres Ausfalls verbunden ist.
IV.
Das Berufungsurteil ist demnach aufzuheben. Der Senat kann in der Sa-
che abschließend entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die Berufung zurück-
weisen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung (§ 179
Abs. 1, § 181 InsO). Die von der Klägerseite angemeldeten Ansprüche aus
§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB sind auch gegenüber den in § 39 Abs. 1 InsO genann-
ten Forderungen nachrangig. Die Regelung in § 1 des Darlehensvertrages be-
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gründet eine wirksame Rangrücktrittsvereinbarung im Sinne von § 39 Abs. 2
InsO.
Vill
Gehrlein
Pape
Grupp
Möhring
Vorinstanzen:
AG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 19.09.2012 - 31 C 333/12 (17) -
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 31.05.2013 - 2-15 S 155/12 -