Urteil des BGH vom 27.02.2014

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
III ZB 99/13
vom
27. Februar 2014
in dem Kostenfestsetzungsverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO § 104; BGB § 2039
a) Ist in einem Kostenfestsetzungsverfahren ein Miterbe Gegner der verstorbe-
nen Partei gewesen, sind nur die übrigen Miterben befugt, auf Antragsteller-
seite das Kostenfestsetzungsverfahren fortzuführen. Der Miterbe, der Gegner
der verstorbenen Partei gewesen ist, behält seine prozessuale Stellung bei.
b) Dem aus § 2039 Satz 1 BGB folgenden Recht des Miterben, einen zum
Nachlass gehörenden Kostenfestsetzungsanspruch im eigenen Namen für
die Erbengemeinschaft geltend zu machen, steht ein Widerspruch eines an-
deren Miterben nicht entgegen.
BGH, Beschluss vom 27. Februar 2014 - III ZB 99/13 - LG Saarbrücken
AG Saarlouis
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Februar 2014 durch den
Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dr. Herrmann, Hucke, Tombrink und
Dr. Remmert
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss der
5. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 30. September
2013 - 5 T 311/13 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen die Beklag-
ten als Gesamtschuldner.
Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf
637,81
€ festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Parteien streiten über die Festsetzung von Kosten eines Rechts-
streits zu Lasten der beklagten Eheleute, nachdem die Klägerin verstorben und
von der Antragstellerin und dem Beklagten zu 1 beerbt worden ist.
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Das Amtsgericht hat durch rechtskräftiges Urteil vom 21. Dezember 2012
der Klage im Wesentlichen stattgegeben und die Kosten des Rechtsstreits den
Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt. Mit Schreiben ihres Bevollmächtig-
ten vom 28. Dezember 2012 hat die Klägerin die Kostenfestsetzung gegen die
Beklagten beantragt.
Die Klägerin ist am 17. Januar 2013 verstorben und von ihren Kindern,
der Antragstellerin und dem Beklagten zu 1, je zur Hälfte beerbt worden. Mit
Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16. April 2013 hat das Amtsgericht den Be-
klagten als Gesamtschuldnern auferlegt, aufgrund des Urteils vom 21. Dezem-
ber 2012 an die Klägerin Kosten in Höhe von
637,81 € zu erstatten. Hiergegen
haben die Beklagten sofortige Beschwerde erhoben und unter anderem die Auf-
fassung vertreten, der Beschluss vom 16. April 2013 sei bereits formell fehler-
haft, da die Klägerin verstorben und von dem Beklagten zu 1 und der Antrag-
stellerin beerbt worden sei. Darüber hinaus sei der Kostenfestsetzungsbe-
schluss auch inhaltlich fehlerhaft. Die Antragstellerin hat den Beschluss vom 16.
April 2013 verteidigt. Zugleich hat sie ausgeführt, der Beschluss dürfe jedoch
nicht auf die Klägerin, sondern auf die Erbengemeinschaft, bestehend aus ihr
und dem Beklagten zu 1 lauten. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde
der Beklagten mit Beschluss vom 30. September 2013 zurückgewiesen. Es hat
das Rubrum des Beschlusses vom 16. April 2013 dahingehend berichtigt, dass
auf Seiten der Antragstellerin I. P. als Mitglied der Erbengemeinschaft
nach der verstorbenen F. M. , bestehend aus I. P. und E.
Sch. , aufgeführt wird. Mit der vom Landgericht unbeschränkt zugelassenen
Rechtsbeschwerde begehren die Beklagten die Zurückweisung des auf die
Festsetzung der Kosten zugunsten der Antragstellerin gerichteten Antrags.
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II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1.
Das Beschwerdegericht hat die Auffassung vertreten, das Kostenfestset-
zungsverfahren werde auf Antragstellerseite nicht durch die Erbengemeinschaft
nach der verstorbenen Klägerin fortgeführt, da die Erbengemeinschaft weder
rechts- noch parteifähig sei. Wenn mehrere Erben als Rechtsnachfolger vor-
handen seien und einer von ihnen der Gegner der ausgeschiedenen Partei sei,
so bleibe seine bisherige prozessuale Stellung erhalten. Zu einer Rechtsnach-
folge im Prozess komme es nur für die übrigen Rechtsnachfolger.
Der Umstand, dass der Beklagte zu 1 als Miterbe der Kostenfestsetzung
widersprochen habe, verhelfe der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg. Die
Bestimmung des § 2039 BGB berechtigte jeden Miterben auch gegen den Wi-
derspruch der übrigen Miterben zur Prozessführung für die Erbengemeinschaft.
Das gelte jedenfalls dann, wenn - wie hier - der widersprechende Miterbe selbst
Schuldner des zum Nachlass gehörenden Anspruchs sei, da andernfalls dieser
Miterbe durch bloßen Widerspruch seine Inanspruchnahme zugunsten der Er-
bengemeinschaft verhindern könne.
Das Amtsgericht habe die Kosten auch der Höhe nach zu Recht festge-
setzt. Die Miterben müssten untereinander im Wege der Auseinandersetzung
der Erbengemeinschaft klären, dass sie im Verhältnis zueinander an der Kos-
tenerstattung nur anteilig berechtigt seien. Im Kostenfestsetzungsverfahren er-
lange eine nur anteilige Berechtigung keine Bedeutung, zumal die Erstattung
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nicht in das Privatvermögen der antragstellenden Miterben, sondern in das
Sondervermögen der Erbengemeinschaft zu leisten sei.
2.
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
a) Das Beschwerdegericht ist mit zutreffenden Erwägungen davon aus-
gegangen, dass das Kostenfestsetzungsverfahren nach dem Tod der Klägerin
auf Antragstellerseite nicht von der Erbengemeinschaft, sondern der Beschwer-
degegnerin fortgeführt worden ist und der Beklagte seine prozessuale Stellung
beibehalten hat, obwohl er Miterbe nach der Klägerin ist (vgl. Stein/Jonas/Roth,
ZPO, 22. Aufl., § 239 Rn. 13; Jaspersen in BeckOK, ZPO, § 239 [1.1.2014]
Rn. 34). Es hat ebenfalls zutreffend angenommen, dass der Widerspruch des
Beklagten zu 1 als Miterbe nach der Klägerin der Kostenfestsetzung nicht ent-
gegensteht (vgl. BVerwG, FamRZ 2009, 1827 Rn. 19; MüKoBGB/Gergen,
6. Aufl., § 2039 Rn. 14; Palandt/Weidlich, BGB, 73. Aufl., § 2039 Rn. 6, 10;
Lohmann in BeckOK, BGB, § 2039 [1.11.2013] Rn. 6; Schütte, NJW 2012,
2596; a.A. OLG Frankfurt am Main, NJW 2012, 2595). In der Literatur wird inso-
fern zu Recht darauf hingewiesen, dass es gerade der Sinn von § 2039 BGB
ist, eine Einziehung auch gegen den Widerspruch von Miterben zu ermöglichen
(MüKoBGB/Gergen aaO; Schütte aaO). Die Rechtsbeschwerde erhebt hierge-
gen auch keine Einwendungen.
b) Im Ansatz zutreffend weist die Rechtsbeschwerde darauf hin, dass der
Miterbe, der einen Aktivprozess fortführt, die Rechte der anderen Miterben zu
berücksichtigen hat und gemäß § 2039 Satz 1 BGB Leistung nicht an sich,
sondern nur an alle Miterben verlangen kann (BGH, Urteile vom 13. Juli 1954
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- V ZR 56/50, BGHZ 14, 251, 254 und vom 30. Januar 1957 - V ZR 186/55,
BGHZ 23, 207, 212; MüKoZPO/Gehrlein, 4. Aufl., § 239 Rn. 22; HK-ZPO/
Wöstmann, 5. Aufl., § 239 Rn. 3; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 239 Rn. 9;
Palandt/Weidlich aaO Rn. 8; Lohmann aaO).
Die Beschwerdegegnerin hat indes im Rahmen des vorliegenden Kos-
tenfestsetzungsverfahrens nicht die Kostenerstattung an sich beantragt. Ur-
sprünglich hatte der Bevollmächtigte der Klägerin - für diese und noch zu ihren
Lebzeiten - mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2012 die Kostenerstattung bean-
tragt. Das Amtsgericht hat sodann - in Unkenntnis des Umstands, dass die Klä-
gerin zwischenzeitlich verstorben war - in dem angefochtenen Beschluss vom
16. April 2013 die Kostenerstattung an die Klägerin angeordnet. Dieser, der
formellen und materiellen Rechtskraft fähige Beschluss wirkt nach Eintritt der
Rechtskraft gemäß § 325 Abs. 1 ZPO für die Erben der Klägerin als die Perso-
nen, die Rechtsnachfolger der Klägerin geworden sind (zur formellen und mate-
riellen Rechtskraft von Kostenfestsetzungsbeschlüssen vgl. BGH, Beschluss
vom 16. Januar 2003 - V ZB 51/02, NJW 2003, 1462; Zöller/Herget aaO § 104
Rn. 21 "Rechtskraft" mwN; Hk-ZPO/Gierl aaO § 104 Rn. 23; zum Geltungs-
bereich von § 325 ZPO vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO,
72. Aufl., § 325 Rn. 2; Prütting/Gehrlein/Völzmann-Stickelbrock, ZPO, § 325
Rn. 4). Tritt - wie hier - die Rechtsnachfolge bereits vor Rechtskraft ein, so
kommt es für § 325 Abs. 1 ZPO nicht darauf an, ob auf Leistung an den Kläger
oder an den Rechtsnachfolger erkannt worden ist (Zöller/Vollkommer aaO
§ 325 Rn. 17). Der Beschluss vom 16. April 2013 verpflichtet mithin nach Eintritt
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seiner Rechtskraft die Beklagten, die festgesetzten Kosten an die Erben der
Klägerin zu erstatten.
Mit dieser materiellen Wirkung, das heißt mit der Verpflichtung zur Kos-
tenerstattung an die Erben der Klägerin, ist der Beschluss Gegenstand des Be-
schwerdeverfahrens geworden. Er verpflichtet die Beklagten dagegen nicht, die
Kosten ausschließlich an die Antragstellerin zu erstatten. Einen entsprechenden
Antrag hat letztere auch zu keinem Zeitpunkt gestellt. Sie hat den angefochte-
nen Beschluss vom 16. April 2013 im Beschwerdeverfahren zwar verteidigt.
Einen von seinem Inhalt abweichenden Antrag dergestalt, dass die Kostener-
stattung nunmehr ausschließlich an sie erfolgen solle, hat sie hingegen nicht
gestellt. Durch ihre Ausführungen in der Beschwerdeerwiderung, der Kosten-
festsetzungsbeschluss dürfe nicht auf die Klägerin, sondern auf die Erbenge-
meinschaft, bestehend aus ihr und dem Beklagten zu 1, lauten, hat sie grund-
sätzlich die nach dem Tod der Klägerin eingetretene Rechtsnachfolge aner-
kannt. Vor diesem Hintergrund ist die Annahme, sie begehre nunmehr die Er-
stattung der Kosten ausschließlich an sich, fernliegend. Da ein solcher Kosten-
festsetzungsantrag nicht vorliegt, war er - entgegen der Auffassung der Rechts-
beschwerde - seitens des Beschwerdegerichts auch nicht zurückzuweisen. Das
Beschwerdegericht hat die aus § 325 Abs. 1 ZPO folgende Wirkung vielmehr
erkannt und seiner Entscheidung zutreffend zugrunde gelegt, indem es ausge-
führt hat, die einzelnen Mitglieder der Erbengemeinschaft seien im Verhältnis
zueinander nur anteilig berechtigt, die Kostenerstattung sei nicht in das Privat
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vermögen der antragstellenden Miterben, sondern in das Sondervermögen der
Erbengemeinschaft zu leisten.
Schlick
Herrmann
Hucke
Tombrink
Remmert
Vorinstanzen:
AG Saarlouis, Entscheidung vom 16.04.2013 - 27 C 501/12 (13) -
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 30.09.2013 - 5 T 311/13 -