Urteil des BGH vom 09.02.2006

BGH: culpa in contrahendo, zedent, zustandekommen des vertrages, neues vorbringen, schutzwürdiges interesse, wirtschaftliches interesse, ohg, anleger, kapitalanlage, gesellschaftsvertrag

1
2
3
4
5
Gericht:
OLG Frankfurt 26.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
26 U 36/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 276 BGB
(Haftung des Kapitalanlagevermittlers: Zustandekommen
eines Auskunftsvertrages; Aufklärungspflichten bei
Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft)
Leitsatz
1. Zu den Voraussetzungen für das Zustandekommen eines Auskunftsvertrages
zwischen Anleger und Anlagevermittler
2. Aufklärungspflichten bei einer Beteiligung an einer KG
Tenor
[Anmerkung der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Tenor wurde
vom Gericht nicht mitgeteilt.]
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagten aus abgetretenem Recht auf Schadensersatz
wegen Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit einer Kapitalanlage in
Anspruch.
Die Beklagte zu 1. versandte im Dezember 1997 an ihre Kunden, wozu auch ein
Herr A gehörte, Schreiben, in denen auf die Möglichkeit einer Beteiligung an der
Fondsgesellschaft B … GmbH & Co KG aufmerksam gemacht wurde. Herrn A
wurde auf entsprechende Anforderung mit Schreiben 22.12.1997 ein Prospekt
übersandt, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 53 ff d.A. Bezug genommen wird.
Einen Tag später, am 23.12.1997, rief Herr A bei der Beklagten zu 1. an und fragte
nach, ob eine Beteiligung noch im Jahre 1997 möglich sei. Der Beklagte zu 2.
verwies ihn unmittelbar an die Fondsgesellschaft. Noch am 23.12.1997
unterzeichnete Herr A die Beitrittserklärung und übersandte diese zusammen mit
einem Scheck über 21.000,- DM an die Fondsgesellschaft. Diese bestätigte den
Beitritt am 29.12.1997 und übermittelte dem Zedenten eine Durchschrift der von
ihr gegengezeichneten Beitrittserklärung zusammen mit einem Formular für die
Handelsregistereintragung. Am 30.12.1997 meldete sich der Zedent erneut
telefonisch bei dem Beklagten zu 2.; er wollte wissen, ob die von ihm geforderte
notarielle Unterschriftsbeglaubigung noch im laufenden Jahr vorgenommen werden
müsse. Der weitere Inhalt des Gespräches ist zwischen den Parteien streitig.
Mit Vereinbarung vom 24.04.2005 trat Herr A seine Ansprüche aus der
Fondsbeteiligung bei der B … GmbH & Co KG an die Klägerin ab.
Die Klägerin hat in erster Instanz unter mehreren Gesichtspunkten
Pflichtverletzungen der Beklagten geltend gemacht:
- So sei der Beklagte zu 2. als Anlageberater aufgetreten, habe aber nur die
Vorteile der Anlage geschildert und auf die Risiken nicht bzw. nicht ausreichend
hingewiesen, insbesondere nicht über die aus § 172 Abs. 4 HGB folgenden
Haftungsrisiken; die Angaben im Prospekt seien unzureichend und im Fall einer
individuellen Beratung ohnehin nicht maßgeblich.
6
7
8
9
10
11
- Des Weiteren habe der Beklagte zu 2. suggeriert, die Beteiligung könne
jederzeit auf einem Zweitmarkt veräußert werden, was aber tatsächlich nicht der
Fall sei.
- Schließlich sei nicht über das Risiko des Wegfalls der Komplementärin und
einer dadurch bedingten mögliche Umwandlung der KG in eine OHG/GbR
aufgeklärt worden.
Die Beklagten haben die Aktivlegitimation der Klägerin in Zweifel gezogen; für eine
Klage in gewillkürter Prozessstandschaft habe die Klägerin kein eigenes
schutzwürdiges Interesse dargelegt. In dem zweiten Telefonat Ende 1997 sei der
Zedent über die Möglichkeit der wiederauflebenden Haftung informiert worden.
Einer solchen Aufklärung habe es aber ohnehin nicht bedurft, da der Zedent seit
1988 in zwei Fällen entsprechende Beteiligungen gezeichnet habe und ihm damit
insbesondere das Problem der Nachhaftung bekannt gewesen sei. Im Übrigen sei
ein Schaden nicht nachvollziehbar dargelegt worden; steuerliche Vorteile und
Ausschüttungen seien auf den Ersatzanspruch anzurechnen. Die Beklagten haben
schließlich auch die Einrede der Verjährung erhoben, da der Zedent bereits 1998
Kenntnis von dem Risiko der Nachhaftung erlangt habe.
Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen in erster Instanz wird auf den
Tatbestand des am 21.10.2005 verkündeten Urteils (Bl. 194 ff d.A.) verwiesen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da Pflichtverletzungen der Beklagten
nicht hinreichend dargelegt worden seien. Eine unzureichende Aufklärung über das
Risiko der Nachhaftung sei nicht festzustellen. Sowohl der Prospekt als auch der
Gesellschaftsvertrag (§ 4 Nr. 5 und § 11 Nr. 3) enthielten ausreichende Hinweise
zu diesem Problem. Vor diesem Hintergrund hätte es einer Beweisaufnahme zu
den behaupteten mündlichen Zusagen nicht bedurft. In dem Prospekt werde
ferner in ausreichendem Maße über die eingeschränkte Veräußerbarkeit der
Fondsbeteiligung aufgeklärt. Er enthalte den ausdrücklichen Hinweis, dass die
Handelbarkeit von Beteiligungen an geschlossenen Immobilienfonds eingeschränkt
und deshalb ein kurzfristiger Verkauf nur bedingt möglich sei (Bl. 35 d.A.). Der
unterlassene Hinweis auf das Insolvenzrisiko bei der Komplementärin bzw. die
Folgen eines Ausscheidens aus der KG sei nicht haftungsrelevant. Nach dem
Gesellschaftsvertrag könne ein neuer persönlich haftender Gesellschafter
bestimmt werden; jedenfalls könne die KG nicht gegen den Willen des einzelnen
Kommanditisten als OHG/GbR fortgeführt werden. Dieser könne seine Beteiligung
kündigen bzw. an die verbleibenden Gesellschafter übertragen. Schließlich habe
die Klägerin nicht hinreichend dargelegt, dass ihr bzw. dem Zedenten durch die
Fondsbeteiligung ein Schaden entstanden sei.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie hält die
Entscheidung bereits insoweit für rechtsfehlerhaft, als das Landgericht die Frage,
ob die Beklagten als Anlagevermittler oder Anlageberater tätig geworden sei, nicht
beantwortet habe. Dies sei aber erforderlich gewesen, weil sich danach die von den
Beklagten zu beachtenden Sorgfaltspflichten bestimmen würden. Vorliegend seien
die Beklagten als Anlageberater aufgetreten. Als solche hätten sie ihre Pflichten
schon dadurch verletzt, dass sie dem Zedenten eine risikobehaftete Kapitalanlage
angeboten hätten, obwohl dieser eine Absicherung seiner Altersvorsorge gewollt
habe. Auch im Übrigen sei die Aufklärung unzureichend gewesen. Die Beklagten
hätten allein die Vorteile der Kapitalanlage geschildert (Haftungsbeschränkung,
Rendite, Sicherheit der Anlage), ohne auf die damit verbunden Risiken,
insbesondere die Gefahr der wieder auflebenden Kommanditistenhaftung,
hinzuweisen. Da die Beklagten eine individuelle Aufklärung geschuldet hätten, sei
es ihnen versagt, sich auf die Angaben in dem übersandten Prospekt
zurückzuziehen. Zudem beinhalte der Prospekt keine ausreichenden
Informationen. Diese fänden sich nur vereinzelt, seien für einen Laien
unverständlich und zum Teil sogar fehlerhaft; so seien etwa Ausschüttungen
begrifflich mit Entnahmen gleichgesetzt worden und zur Nachschusspflicht im
Innenverhältnis sei auf § 172 HGB Bezug genommen, der nur das Außenverhältnis
betreffe. Des Weiteren habe das Landgericht das mit dem einem möglichen
Ausscheiden der Komplementärin und der dadurch drohenden Umwandlung der
KG in eine OHG/GbR verbundene Haftungsrisiko verkannt. § 5 Nr. 3 des
Gesellschaftsvertrages biete keinen ausreichenden Schutz und dem
Kommanditisten stehe für den Fall, dass ein neuer Komplementär nicht gefunden
werde, kein außerordentliches Kündigungsrecht zu. Innerhalb von drei Monaten sei
entweder die Liquidation durchzuführen oder die Gesellschaft wandle sich in eine
12
13
14
15
16
17
18
19
20
entweder die Liquidation durchzuführen oder die Gesellschaft wandle sich in eine
OHG/GbR mit den entsprechenden Haftungsfolgen für die Gesellschafter um. Das
Landgericht habe schließlich zu Unrecht einen Schaden des Zedenten verneint;
bereits die Zeichnung einer risikobehafteten Fondsbeteiligung stelle eine
Vermögensbeeinträchtigung dar.
Die Klägerin beantragt,
das am 21.10.2005 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main
abzuändern und die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an die Klägerin
9.816,80 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu
zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung zunächst unter Bezugnahme auf
ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie sind darüber hinaus der Auffassung, das
Landgericht habe die Frage, ob das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien als
Anlagevermittlung oder Anlageberatung zu qualifizieren sei, zu Recht offenlassen
können, da eine Pflichtverletzung unter keinem Gesichtspunkt festzustellen sei. Im
Übrigen seien die Beklagten auch lediglich als Anlagevermittler aufgetreten. Sie
hätten den zeitlichen und inhaltlichen Ablauf des geschäftlichen Kontaktes im
Einzelnen geschildert, ohne dass die Klägerin dies substanziiert bestritten und
ihrerseits vorgetragen habe, worin die Beratungsleistung der Beklagten zu sehen
sei. Allein die Übersendung eines Prospektes und eines Informationsschreibens
begründe noch keinen Beratungsvertrag. Der Zedent habe auch zu keiner Zeit
den Wunsch geäußert, über die angebotene Kapitalanlage zu sprechen bzw.
beraten zu werden. Der Beklagte zu 2. habe den Zedenten, der wegen der
Beurkundung der Vollmacht nachgefragt habe, am 30.12.1997 ungefragt auf das
sich aus § 172 Abs. 4 HGB ergebende Haftungsrisiko hingewiesen. Zu diesem
Zeitpunkt habe der Zedent die Beteiligung aber bereits gezeichnet. Im Übrigen
enthalte auch der Prospekt und der dem Zedenten zur Kenntnis gebrachte
Gesellschaftsvertrag hinreichend deutliche Hinweise auf die Haftungsrisiken.
Ungeachtet dessen habe es einer Aufklärung des Zedenten aber nicht bedurft, da
er bereits zuvor gleichartige Kapitalanlagen getätigt habe, von der eine sogar
notleidend geworden sei. Soweit die Klägerin behaupte, die Kapitalanlage habe der
Altersversorgung des Zedenten dienen sollen, handle es sich um neues
Vorbringen, welches in der Berufung nicht zu berücksichtigen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf den
Schriftsatz der Klägerin vom 08.12.2005 (Bl. 222 ff d.A.) und auf den Schriftsatz
der Beklagten vom 06.01.2006 (Bl. 234 ff d.A.) Bezug genommen.
II. Die gemäß §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und darüber
hinaus gemäß § 520 Abs. 2 ZPO rechtzeitig begründete Berufung der Klägerin ist
zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Das Landgericht hat die auf Schadensersatz gerichtete Klage aus abgetretenem
Recht im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Eine hiervon abweichende Beurteilung
der Sach- und Rechtslage ist auch unter Berücksichtigung des
Berufungsvorbringens nicht geboten. Die landgerichtliche Entscheidung beruht
weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde
zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.
Der Beklagte zu 2. haftet schon deshalb nicht, weil er nicht Vertragspartner des
Zedenten geworden ist. Die Haftung nach den Grundsätzen der positiven
Forderungsverletzung (pFV) bzw. culpa in contrahendo (cic - gemäß Art. 229 § 5
EGBGB ist das vor dem 01.01.2002 geltende Recht anzuwenden) trifft
grundsätzlich allein den Partner des Vertrages. Eine persönliche vertraglich
begründete Haftung des Vertreters kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn
er am Vertragsschluss ein unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse hat
oder wenn er ein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und
hierdurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich
beeinflusst hat (vgl. nur BGH, NJW-RR 2005, 1137 – st. Rspr.). Diese
Voraussetzungen hat die Klägerin indes nicht dargetan. Das allgemeine Interesse
des Geschäftsführers oder Gesellschafters einer GmbH am Erfolg seines
Unternehmens begründet noch keine Eigenhaftung. Tritt der Geschäftsführer für
die Gesellschaft auf, nimmt er in der Regel nur ein normales
21
22
23
24
25
die Gesellschaft auf, nimmt er in der Regel nur ein normales
Verhandlungsvertrauen in Anspruch (vgl. BGHZ 126, 183; Palandt-Heinrichs, § 311
Rz. 65 m.w.N.). Dass dies im vorliegenden Fall anders war und die
Anlageentscheidung des Zedenten maßgeblich durch den Beklagten zu 2.
veranlasst wurde, lässt sich dem Vortrag der Klägerin nicht entnehmen. Sie hat
keine konkreten Umstände vorgetragen, aus denen sich die Inanspruchnahme
eines solchen Vertrauens durch den Zedenten ergeben könnte.
Auch im Übrigen besteht ein Anspruch der Klägerin nach den Grundsätzen der
positiven Forderungsverletzung bzw. der culpa in contrahendo i.V.m. § 398 BGB
nicht, weil eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht festzustellen ist. Dabei kann
es dahingestellt bleiben, ob das zwischen dem Zedenten und der Beklagten zu 1.
begründete Schuldverhältnis als Anlagevermittlungs- bzw. Anlageberatungsvertrag
zu qualifizieren ist. In der Rechtsprechung ist es anerkannt, dass auch im Rahmen
der Anlagevermittlung zwischen dem Anlageinteressenten und dem
Anlagevermittler ein Auskunftsvertrag zustande kommt, wenn der Interessent
deutlich macht, dass er, auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen, die
besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen
will und der Anlagevermittler die gewünschte Tätigkeit übernimmt. Dabei spielt es
für das Zustandekommen des Vertrages keine Rolle, wer den Kontakt zum
anderen aufgenommen hat (vgl. BGH, NJW-RR 2005, 1120; 2000, 998; OLG Köln,
MDR 2000, 99; OLG Frankfurt, ZIP 1998, 1713; BGH, NJW 1998, 448).
Es ist bereits fraglich, ob vorliegend auf der Grundlage einer Anlagevermittlung ein
Auskunftsvertrag zwischen dem Zedenten und der Beklagten zu 1. zustande
gekommen ist, da es dem Zedenten bei dem Telefonat vom 23.12.1997 unstreitig
allein um die Frage ging, ob ein Fondsbeitritt noch im laufenden Jahr möglich war –
dem diesbezüglichen Sachvortrag der Beklagten in erster Instanz ist die Klägerin
nicht substanziiert entgegengetreten – und zum Zeitpunkt des zweiten
Telefonates der Beitritt schon erklärt war, so dass jedenfalls aus der Sicht der
Beklagten zu 1. kein Anlass für den Abschluss eines Auskunftsvertrages bestand.
Selbst wenn man aber von einem durch die Übermittlung des Prospektes und die
anschließende Rückmeldung des Zedenten zustande gekommenen
Auskunftsvertrag ausgeht, lässt sich eine Pflichtverletzung der Beklagten zu 1)
nicht feststellen.
Im Rahmen eines solchen Vertrages ist der Anlagevermittler zu richtiger und
vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände des
Anlageobjektes verpflichtet, die für den Anlageentschluss des Interessenten von
besonderer Bedeutung waren; denn ohne diese Angaben kann der Anleger sein
Engagement nicht zuverlässig beurteilen und keine sachgerechte
Anlageentscheidung treffen.
Ein Anlageberater ist darüber hinaus bei entsprechendem Auftrag verpflichtet, die
ihm vom Anleger gegebenen Informationen und Unterlagen unter
Berücksichtigung der Anlageziele und der Risikobereitschaft des Anlegers
fachkundig zu bewerten und zu beurteilen. Insoweit gilt es zum einen
personenbezogene und zum anderen objektbezogene Kriterien zu beachten (vgl.
Assmann, Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerecht, 2. Aufl., § 5 Rz. 19 ff). Zu
den Umständen in der Person des Anlegers gehören insbesondere dessen
Wissensstand über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art und dessen
Risikobereitschaft; zu berücksichtigen ist also vor allem, ob es sich bei dem
Kunden um einen erfahrenen Anleger mit einschlägigen Fachwissen handelt und
welches Anlageziel der Kunde verfolgt. Sind diese Umstände nicht bekannt,
müssen sie erfragt werden. Dabei muss insbesondere festgestellt werden, ob das
beabsichtigte Geschäft der sicheren Geldanlage diesen soll oder spekulativen
Charakter hat. In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung auf diejenigen
Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung
wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Dabei ist zwischen allgemeinen
Risiken (Konjunkturlage, Entwicklung des Börsenmarktes) und den speziellen
Risiken zu unterscheiden, die sich aus den individuellen Gegebenheiten des
Anlageobjektes (Kurs-, Zins- und Währungsrisiko) ergeben. Die Beratung muss
richtig und vollständig sein, d.h. der Anlageinteressent muss über alle Umstände
unterrichtet werden, die für das Anlagegeschäft von Bedeutung sind (vgl. OLG
Frankfurt, a.a.O.).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist zunächst festzustellen, dass die
Beklagte zu 1) schon nach dem Vorbringen der Klägerin keine Bewertung und
Beurteilung der Anlagemöglichkeit unter Berücksichtigung der Anlageziele des
26
27
28
29
30
Beurteilung der Anlagemöglichkeit unter Berücksichtigung der Anlageziele des
Zedenten schuldete. Eine so weitgehende Beauftragung lässt sich dem
entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht entnehmen. Bei dem ersten Anruf
nach Anforderung des Prospektes ging es dem Zedenten allein um die Frage, ob
noch im laufenden Jahr eine Zeichnung möglich sei; er wurde darauf hin direkt an
die Fondsgesellschaft verwiesen. Es ist nicht ersichtlich, dass hier ein Aufklärungs-
und Informationsbedarf bestand, der über den Inhalt des Prospektes hinausging.
Dies gilt umso mehr, als der Zedent bereits in der Vergangenheit vergleichbare
Anlagen getätigt hatte. Vor diesem Hintergrund bestand für die Beklagte zu 1)
keine Veranlassung, die persönlichen Umstände des Anlegers weiter aufzuklären.
Soweit die Klägerin erstmals in der Berufung geltend macht, die Anlage habe der
Altersvorsorge des Zedenten dienen sollen, ist dies aus mehreren Gründen nicht
entscheidungsrelevant. Zum einen hat sie schon nicht dargetan, dass der Zedent
dieses Anlageziel zum damaligen Zeitpunkt überhaupt mitgeteilt hat. Im Übrigen
handelt es sich um ein neues Angriffsmittel im Sinne des § 531 ZPO, das, da es
streitig ist, nur unter den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO zulässig ist.
Diese liegen hier jedoch offensichtlich nicht vor; jedenfalls verhält sich das
Vorbringen der Klägerin hierzu in keiner Weise.
Letztlich war damit allein die Frage zu beantworten, ob der Zedent vollständig über
die mit der Anlage verbundenen Risiken aufgeklärt wurde, insbesondere ob die aus
dem Prospekt sich ergebenden Informationen ausreichend waren oder die
Beklagte zu 1. eine darüber hinausgehende Aufklärung schuldete. Letzteres war
im Ergebnis aber zu verneinen.
Das Maß der Aufklärungspflicht hängt entscheidend von dem dem
Anlagevermittler erkennbaren Informationsbedürfnis des Anlegers ab. Es weder
hinreichend dargetan noch sonst erkennbar, dass der Zedent zu dem hier
maßgeblichen Zeitpunkt des ersten Telefonates am 23.12.1997 ein über die
Informationen aus dem Prospekt hinausgehendes Aufklärungsbedürfnis hatte. Ein
solches hat er weder geäußert noch waren die Beklagten von sich aus gehalten,
weitere Auskünfte zu erteilen, da der Zedent bereits zuvor entsprechende Anlagen
gezeichnet hatte. Anders wäre die Rechtslage nur zu beurteilen, wenn der
übersandte Prospekt unzureichende oder sogar unzutreffende Informationen
enthalten hätte. Dies war aber nicht der Fall.
Die Gefahr einer wiederauflebenden Kommanditistenhaftung wird in dem Prospekt
an zwei Stellen ausdrücklich angesprochen. Dabei handelt es sich auch
keineswegs um versteckte und nur schwer wahrnehmbare Hinweise. Sowohl unter
der fettgedruckten Überschrift „Rechtliche Grundlagen“ als auch unter dem in
gleicher Weise hervorgehobenen Titel „Chancen und Risiken“ (unterstrichener
Untertitel: „Haftung“) wird auf die Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB hingewiesen.
Dabei beschränken diese Hinweise nicht allein auf die Nennung der
entsprechenden Vorschrift. Unter der Überschrift „Haftung“ heißt es u.a.:„… Die in
der Fondslaufzeit vorgesehenen Ausschüttungen können jedoch nach § 172 HGB
teilweise zu einem Wiederaufleben der Haftung führen …, soweit infolge dieser
Entnahmen das Kapitalkonto des Kommanditisten herabgesetzt wurde.“
Allein der Umstand, dass die Begriffe „Ausschüttung“ und „Entnahme“ in diesem
Zusammenhang gleichgesetzt wurden, lässt die Hinweise im Prospekt nicht als
unzureichend und deshalb ergänzungsbedürftig erscheinen. Einem den Prospekt
mit der zu fordernden Sorgfalt lesenden Durchschnittsanleger wird damit die
Haftungssituation deutlich vor Augen geführt. Es kann ohne weiteres erkennen,
dass seine Haftung trotz Einzahlung der Einlage unter bestimmten
Voraussetzungen wieder aufleben kann. Ein Mehr an Informationen zu dieser Frage
schuldeten die Beklagten zunächst nicht, zumal der Zedent bereits zuvor
entsprechende Anlagen gezeichnet hatte. Sie konnten darauf vertrauen, dass
dem Anleger bei einem so eindeutigen Hinweis das Haftungsrisiko bewusst war,
zumal auch in dem Gesellschaftsvertrag insbesondere in § 11 Ziffer 3 auf das aus
§ 172 Abs. 4 HGB folgende Haftungsrisiko hingewiesen wurde. Einer verbleibenden
Ungewissheit konnte er jederzeit durch entsprechende Nachfragen begegnen, die
die Beklagten dann umfassend zu beantworten gehabt hätten. Der Zedent hat
jedoch zu keinem Zeitpunkt ein weitergehendes Informationsbedürfnis kundgetan.
Hinsichtlich der Handelbarkeit der gezeichneten Beteiligung ist eine Verletzung
von Aufklärungspflichten der Beklagten zu 1. ebenfalls nicht erkennbar. Auch hier
genügte sie ihrer Informationspflicht zunächst durch die Angaben in dem von ihr
verteilten Prospekt. Unter der großen Überschrift „Chancen und Risiken“ wird unter
der Teilüberschrift „Fungibilität der Geschäftsanteile“ ausdrücklich auf die fehlende
31
32
der Teilüberschrift „Fungibilität der Geschäftsanteile“ ausdrücklich auf die fehlende
oder eingeschränkte Handelbarkeit solcher Beteiligungen hingewiesen. Es ist nicht
ersichtlich, dass dieser Hinweis unzureichend oder gegenüber der tatsächlichen
Sach- und Rechtslage verharmlosend sein könnte. Soweit die Klägerin in erster
Instanz vorgetragen hat, dem Zedenten sei „suggeriert“ worden, die Beteiligung
könne jederzeit auf einem Zweitmarkt veräußert werden, entbehrt dieses
Vorbringen jeglicher sachlicher Substanz. Wann und wo und mit welchem Inhalt der
Beklagte zu 2) eine solche Äußerung getan haben soll, wird nicht dargetan. Dieser
Gesichtspunkt wird in der Berufung auch nicht mehr geltend gemacht. Schließlich
hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht auch in dem unterlassenen Hinweis auf
das Risiko der Insolvenz der Komplementärin oder deren Ausscheidens keine
Pflichtverletzung gesehen. Aufzuklären ist, wie bereits oben dargelegt, nur über
diejenigen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, die für den Anlageentschluss
des Interessenten von besonderer Bedeutung sind und ohne deren Kenntnis er
sein Engagement nicht zuverlässig beurteilen und keine sachgerechte
Anlageentscheidung treffen kann. Dass sich die KG unter ganz besonderen
Voraussetzungen in eine OHG/GbR umwandeln kann, ist kein Umstand, über den
die Beklagte zu1) aufklären musste, da eine nachhaltige Gefahr für den
Kommanditisten und seine Haftung hiermit nicht verbunden ist. Die Klägerin hat
zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass die Kommanditisten einer KG nach Wegfall
des Komplementärs für den Fall, dass kein neuer gefunden werden kann, innerhalb
einer angemessenen Frist die Liquidation beschließen können und wenn dies nicht
geschieht, sich die KG per se in eine OHG/GbR umwandelt. Indes kann ein
Kommanditist in einer solchen Situation nicht gegen seinen Willen in diese neue
Gesellschaftsform mit einer geänderten Haftungsstruktur gezwungen werden. Für
eine Publikums-KG, die auch hier vorliegt, wird dem Kommanditisten bei Vorliegen
eines wichtigen Grundes ein Austrittrecht zugebilligt (vgl. MüKo, HGB, Bd. 3, § 161
Rz. 131 mit zahlreichen Nachweisen aus Rspr. und Lit.). Zu den anerkannten
wichtigen Gründen in diesem Zusammenhang zählt auch der Fall der
Umstrukturierung der KG (vgl. BGHZ 71, 53, 61 – Auswechselung des
Komplementärs; Änderung des Unternehmensgegenstandes). Unter diese
Fallgruppe fällt zweifellos auch der endgültige Wegfall des Komplementärs und die
damit eintretende grundlegende Änderung der Gesellschafts- und
Haftungsstruktur. Das Austrittrecht ist an keine Frist gebunden, vielmehr ist der
Kommanditist mit Zugang der Erklärung bei den übrigen Gesellschaftern bzw. den
vertretungsberechtigten Gesellschaftern aus der KG ausgeschieden (vgl. BGH, NJW
1975, 1700; 1976, 894; OLG Celle, ZIP 1999, 1129).
Kommt mithin aus Rechtsgründen schon keine haftungsbegründende
Pflichtverletzung der Beklagten in Betracht, bedurfte es einer weitergehenden
Tatsachenfeststellung nicht.
Nach alldem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO
zurückzuweisen Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus
§§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen,
da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des
Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung
des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 1 Ziffer 1, Abs. 2 Ziffer 1, 2 ZPO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.