Urteil des BGH vom 29.06.2006

BGH (stadt berlin, berlin, beg, aufenthalt, auslegung, beschwerde, ausschluss, prüfung, gesetzesmaterialien, rechtssatz)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 73/04
vom
29. Juni 2006
in dem Entschädigungsrechtsstreit
- 2 -
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Dr. Ganter,
Raebel, Vill, Cierniak und die Richterin Lohmann
am 29. Juni 2006
beschlossen:
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision im Urteil des 19. Zivilsenats des Kammergerichts in
Berlin vom 20. November 2003 wird als unzulässig verworfen.
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden
dem Kläger auferlegt.
Gründe:
Eine Revision des Klägers gegen das Berufungsurteil wäre nach § 229
BEG, § 33 des Berliner Gesetzes über die Anerkennung und Versorgung der
politisch, rassisch oder religiös Verfolgten des Nationalsozialismus vom
13. April 1956 in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Januar 1991
(PrVG - GVBl. S. 38) und der danach entsprechend anzuwendenden Vorschrift
des § 222 BEG unstatthaft. Das gilt dann auch für eine Beschwerde, die - wie
hier - die Zulassung einer solchen Revision erstrebt.
1
Gemäß § 222 BEG kann die Revision nicht darauf gestützt werden, dass
die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einer Verletzung landesrechtlicher
Vorschriften beruht. Das ist auch für das im Streitfall angewendete Berliner
2
- 3 -
Landesgesetz bereits entschieden (vgl. BGH, Urt. v. 18. Juni 1958 - IV ZR
24/58, LM GG Art. 100 Nr. 10).
Das Berufungsurteil beruht auf der Auslegung von § 10 PrVG und dem
dort zur Umschreibung des Versorgungstatbestandes verwendeten Begriff des
ständigen Aufenthalts im Lande Berlin. Das Berufungsgericht hat dazu den
Rechtssatz aufgestellt, ständiger Aufenthalt sei der Lebensmittelpunkt des Ver-
folgten verbunden mit einem zeitlich ganz überwiegenden Aufenthalt in der
Stadt Berlin unter Ausschluss anderer Lebensmittelpunkte.
3
Die vom Kläger vorgelegten und die vom Berufungsgericht angeführten
Gesetzesmaterialien ergeben nicht, dass mit der Einfügung des Tatbestands-
merkmals ständiger Aufenthalt in § 10 und § 22 Abs. 1 Nr. 5 PrVG durch den
Berliner Landesgesetzgeber die bewusste Übernahme eines feststehenden
Begriffes des Bundesrechtes zum Zwecke der Rechtsangleichung beabsichtigt
war, was die revisionsrechtliche Überprüfbarkeit seiner Auslegung nach sich
ziehen könnte (vgl. BGHZ 4, 219, 220; 118, 295, 297 f).
4
Im Übrigen findet sich der Rechtsbegriff des ständigen Aufenthaltes der-
zeit in über 100 Vorschriften des Bundesrechtes, ohne dass in sämtlichen
Normbereichen ein identisches Begriffsverständnis festgestellt werden könnte.
Lässt sich der Rechtsbegriff des ständigen Aufenthaltes - wenn auch mit Blick
auf das allgemeine Recht - in seiner Auslegung jedoch nicht aus dem jeweili-
5
- 4 -
gen Normzusammenhang - hier des Landesrechts - lösen, muss es beim Aus-
schluss der revisionsrechtlichen Prüfung des § 10 PrVG gemäß § 222 BEG
bleiben.
Ganter Raebel Vill
Cierniak
Lohmann
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 05.06.2003 - 33 O (Entsch) 3/03 -
KG Berlin, Entscheidung vom 20.11.2003 - 19 U (Entsch) 5/03 -