Urteil des BGH vom 02.06.2003, II ZR 84/02
BGH (abfindung, höhe, aktie, abweisung der klage, ausübung der option, ausgleich, verhältnis zu, ausgleichszahlung, anrechnung, gesellschaft)
- Entschieden
- 02.06.2003
- Schlagworte
- Abfindung, Höhe, Aktie, Abweisung der klage, Ausübung der option, Ausgleich, Verhältnis zu, Ausgleichszahlung, Anrechnung, Gesellschaft
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 84/02 Verkündet am: 2. Juni 2003 Vondrasek Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juni 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht
und die Richter Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly, Kraemer und Münke
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird - unter Zurückweisung seines
weitergehenden Rechtsmittels - das Urteil des 11. Zivilsenats des
Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 29. Januar
2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als in Höhe von
32.700,00 DM nebst Zinsen zu seinem Nachteil erkannt worden
ist.
Auf die Berufung des Klägers wird - unter Zurückweisung seines
weitergehenden Rechtsmittels - das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 11 für Handelssachen, vom 10. Januar 2001 weitergehend teilweise abgeändert und wie folgt gefaßt:
Die Beklagte wird - unter Abweisung der Klage im übrigen - verurteilt, an den Kläger 93.424,00 DM (= 47.766,93 %
Zinsen aus 60.724,00 DM (= 31.047,69 Juli 2000
und aus 32.700,00 DM (= 16.719,24 Juli 2000 zu
zahlen.
Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger
zu 48 % und der Beklagten zu 52 % auferlegt.
Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 4 %
und die Beklagte zu 96 % zu tragen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens werden dem Kläger zu 6 %
und der Beklagten zu 94 % auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger war Aktionär der P. K. I. AG (PKI).
Diese schloß am 9./12. Mai 1989 mit der Beklagten (vormals: A. D.
P. I. GmbH) als herrschendem Unternehmen einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag gemäß §§ 304 ff. AktG, der am 3. Juli
1989 in das Handelsregister der PKI eingetragen wurde. In dem Vertrag, der
bereits für das ganze laufende Geschäftsjahr der PKI wirksam sein sollte (§ 8),
war für außenstehende Aktionäre pro Aktie im Nennwert von 50,00 DM eine
Ausgleichszahlung von 19,50 DM und eine Abfindung von 500,00 DM festgesetzt; durch Änderungsvertrag vom 7./9. Mai 1990 vereinbarten die Vertragsparteien u.a., daß von der im Ursprungsvertrag vorgesehenen Rückwirkung die
Regelungen zum Beherrschungsverhältnis ausgenommen sein sollten. In dem
auf Antrag des Klägers und anderer außenstehender Aktionäre der PKI durchgeführten Spruchverfahren setzte das Landgericht Nürnberg-Fürth durch Beschluß vom 22. April 1999 - jeweils bezogen auf einen Aktiennennwert von
50,00 DM - die angemessene Barabfindung auf 567,00 DM zuzüglich 2 % Zin-
sen über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank ab 29. Juni
1989 und den angemessenen Ausgleich auf 19,80 DM für die Zeit vom 29. Juni
1989 bis 31. Dezember 1993 sowie auf 21,70 DM ab dem 1. Januar 1994 fest;
der Beschluß wurde nach Rücknahme der sofortigen Beschwerde der Beklagten rechtskräftig. Während der Dauer des Spruchverfahrens nahm der Kläger
für die Geschäftsjahre 1989 bis 1998 jeweils jährliche Ausgleichszahlungen von
19,50 DM pro Aktie entgegen; darüber hinaus erhielt er im Jahre 1991 eine
Sonderdividende von 72,00 DM je Aktie aus der Auflösung einer vor Abschluß
des Unternehmensvertrages im Jahre 1989 gebildeten Gewinnrücklage. Im Juni
2000 nahm er Differenznachzahlungen auf die Ausgleichsleistungen für die
Jahre 1989 bis 1998 von 12,50 DM sowie den Ausgleich für 1999 in Höhe von
21,70 DM je Aktie entgegen. Danach nahm er das im Spruchverfahren erhöhte
Barabfindungsangebot an und reichte im Juli 2000 u.a. 400 PKI-Aktien - auf die
sich die vorliegende "Teilklage" bezieht - bei der Beklagten zum Erwerb gegen
die im Spruchverfahren festgesetzte Abfindung ein. Die Beklagte weigerte sich,
dem Kläger den verlangten Betrag von 981,85 DM je Aktie (Abfindung:
567,00 DM; Abfindungszinsen bis 27. Juli 2000: 414,85 DM) zu zahlen und
überwies gemäß Abrechnungsbeleg vom 2. August 2000 lediglich
- entsprechend dem von ihr im Bundesanzeiger Nr. 105 vom 6. Juni 2000 veröffentlichten rechnerisch modifizierten Abfindungsangebot - 528,84 DM für jede
der 400 Aktien; dabei zog die Beklagte von dem unstreitigen Betrag von
981,85 DM den Ausgleich von 195,00 DM und die Nachzahlungen von
12,50 DM für die Jahre 1989 bis 1998, die Sonderausschüttung von 72,00 DM
für 1991, die Ausgleichszahlung von 21,70 DM für 1999 sowie die von ihr für
Ausschüttungskörperschaftsteuer erteilten Gutschriften mit 151,81 DM pro Aktie
ab.
Mit der Klage hat der Kläger zunächst von der Beklagten Zahlung des
Differenzbetrages von 181.204,00 DM (453,01 DM x 400 Aktien) verlangt. In
der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat er die Berechtigung der
Beklagten zur Geltendmachung von Abzügen in Höhe von 209,70 DM je Aktie
(Ausgleich für 1990 bis 1998 in Höhe von 175,50 DM, Nachzahlung von
12,50 DM, Ausgleich für 1999 von 21,70 DM) nicht mehr bestritten und insoweit
in Höhe von 83.880,00 DM (209,70 DM x 400) den Rechtsstreit in der Hauptsache einseitig für erledigt erklärt. Das Landgericht hat dem Zahlungsbegehren in
Höhe von 32.700,00 DM nebst Zinsen stattgegeben, im übrigen hat es die Klage - einschließlich des Erledigungsfeststellungsantrags - abgewiesen; von den
noch streitigen Positionen hat es die Körperschaftsteuergutschriften von
151,81 DM, die Ausgleichszahlung für 1989 zur Hälfte (9,75 DM) auf die restliche Abfindung nebst Zinsen angerechnet, nicht hingegen die Sonderdividende
von 72,00 DM für 1991. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung
eingelegt, die Beklagte mit dem Ziel vollständiger Klageabweisung, der Kläger
beschränkt auf den aberkannten Teil seines Zahlungsbegehrens. Das Berufungsgericht hat in teilweiser Abänderung des Landgerichtsurteils dem Kläger
insgesamt 60.724,00 DM nebst Zinsen zuerkannt, indem es von dem erstinstanzlich zuletzt verfolgten Zahlungsbegehren von 97.324,00 DM (Abfindung +
Abfindungszinsen) die Sonderausschüttung von 72,00 DM je Aktie und die
Ausgleichszahlung für 1989 in voller Höhe von 19,50 DM je Aktie, nicht hingegen die Körperschaftsteuergutschriften abgesetzt hat. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Revision eingelegt. Der Senat hat mit Beschluß vom
24. März 2003 das Rechtsmittel der Beklagten wegen der Nichtanrechnung der
Körperschaftsteuergutschriften nicht angenommen. Mit seiner - zugelassenen -
Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren im Umfang der Abweisung
durch das Berufungsgericht, d.h. in Höhe von insgesamt 36.600,00 DM (Abzug
der Sonderdividende von 72,00 DM und des Ausgleichs für 1989 in Höhe von
19,50 DM je Aktie) weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Klägers ist teilweise begründet. Sie führt im Umfang der
vom Oberlandesgericht zu Unrecht von der Klageforderung abgesetzten Sonderdividende 1991 in Höhe von insgesamt 28.800,00 DM (72,00 DM x
400 Aktien) sowie der - nicht anrechnungspflichtigen - "ersten“ Hälfte des Ausgleichs für 1989 von insgesamt 3.900,00 DM (9,75 DM x 400 Aktien) zum weitergehenden Erfolg der Klage und damit zur Erhöhung des Verurteilungsbetrages von 60.724,00 DM auf 89.844,00 DM nebst Zinsen; demgegenüber bleibt
das Rechtsmittel wegen der Absetzung der "zweiten" Hälfte des Ausgleichs für
1989 in Höhe von 3.900,00 DM mit der Maßgabe erfolglos, daß die Anrechnung
dieser Leistung, wie schon der anderen unstreitigen Abzugsbeträge, entgegen
der Ansicht des Oberlandesgerichts nicht auf die Abfindung selbst, sondern auf
die von der Beklagten geschuldeten Abfindungszinsen zu erfolgen hat.
1. Sonderdividende
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, dem Kläger stehe die im Jahr 1991
ausgeschüttete Sonderdividende nicht mehr zu, weil durch die spätere Option
für die Abfindung ein gesellschaftsrechtliches Rückabwicklungsverhältnis entstanden sei, aufgrund dessen der Aktionär gegenüber der Gesellschaft so zu
stellen sei, als ob er schon bei Abschluß des Unternehmensvertrages ausgeschieden und der Abfindungsanspruch damals entstanden wäre; in diesem
Falle hätte er einen Anspruch auf die jährlichen Ausgleichszahlungen und die
Sonderdividende nach Wirksamwerden des Unternehmensvertrages gehabt.
Auch die Sonderdividende sei danach auf die Barabfindung anzurechnen. Das
hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Nach der - durch Einfügung der Verzinsungspflicht für die Barabfindung in § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG (vgl. Art. 6 Nr. 8 UmwBerG 1994) nicht veränderten - Grundkonstellation der §§ 304, 305 AktG bestehen der Ausgleichsanspruch (§ 304 AktG) und das Recht, die Abfindung zu wählen (§ 305
AktG), zunächst nebeneinander. Der mit Wirksamwerden des Unternehmensvertrages entstehende Ausgleichsanspruch erlischt - für die Zukunft - erst dann,
wenn Abfindung verlangt wird und die Aktien zum Tausch eingereicht werden,
weil damit der Aktionär aus der (beherrschten) Gesellschaft ausscheidet. In einem solchen Fall ist für das vom Oberlandesgericht - im Anschluß an Stimpel
(AG 1998, 259, 263) vertretene - Konzept einer schuldrechtlichen rückwirkenden Rückabwicklung empfangener Ausgleichszahlungen und Sonderdividenden
durch Behandlung als Abschlag oder Teilzahlung auf die Abfindung nach der
derzeitigen Gesetzeslage kein Raum (vgl. Sen.Urt. v. 16. September 2002
- II ZR 284/01, ZIP 2002, 1892, 1894, zur Veröffentlichung in BGHZ 152, 29
bestimmt).
b) Eine Verrechnung der Sonderdividende mit den Abfindungszinsen
nach § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG - wie sie der Senat für die dem Aktionär bis zu
seinem durch die Wahl der Abfindung bedingten Ausscheiden geleisteten Ausgleichszahlungen gemäß § 304 AktG grundsätzlich angenommen hat - scheidet
im vorliegenden Fall ebenfalls aus. Die vom Senat entwickelte Anrechnungspflicht auf die Abfindungszinsen betrifft nur die auf der Grundlage des Gewinnabführungsvertrages vom Aktionär empfangenen Ausgleichsleistungen des
§ 304 AktG. Sie ist nicht auf sonstige "Sonderdividenden" übertragbar, die nicht
auf dem Unternehmensvertrag beruhen, der Grundlage für Ausgleich, Abfin-
dung und Abfindungsverzinsung gemäß §§ 304, 305 AktG ist. Die im vorliegenden Fall an alle Aktionäre der PKI - einschließlich der Beklagten als Hauptaktionärin - entsprechend ihrer Beteiligung im Jahre 1991 geleistete Sonderdividende beruht auf der Auflösung einer besonderen vorvertraglichen Gewinnrücklage, die gemäß § 4 Abs. 5 des Unternehmensvertrages in Übereinstimmung mit
der zwingenden Regelung des § 301 Satz 2 AktG nicht zur Gewinnabführung
herangezogen werden durfte. Sie konnte daher nur wie eine "reguläre" Dividende unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (§§ 60 Abs. 1, 53 a
AktG) an alle Aktionäre außerhalb des Regelungsbereichs des Unternehmensvertrages ausgeschüttet werden und fällt danach schon aus diesem Grunde
nicht unter die besondere Kompensationspflicht des Ausgleichs nach § 304
AktG im Verhältnis zu den Abfindungszinsen gemäß § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG.
2. Ausgleichszahlung 1989
Den für das Geschäftsjahr 1989 empfangenen Ausgleich von 19,50 DM
je Aktie muß sich der Kläger nicht in vollem Umfang, sondern nur zur Hälfte von
der Klageforderung abziehen lassen.
a) Eine Anrechnung des auf die erste Jahreshälfte 1989 entfallenden
Anteils der Ausgleichszahlung in Höhe von 9,75 DM auf die (höheren) Abfindungszinsen für dieses Geschäftsjahr scheidet aus. Im vorliegenden Fall besteht nämlich die - vom Oberlandesgericht nicht bedachte - Besonderheit, daß
die Vertragschließenden in § 8 des Ursprungsvertrages vom 9./12. Mai 1989
i.V.m. § 8 Abs. 1 des Änderungsvertrages vom 7./9. Mai 1990 zwar hinsichtlich
der Gewinnabführung und damit auch des Beginns der Ausgleichsleistungspflicht in zulässiger Weise eine Rückwirkung auf den Beginn des laufenden Geschäftsjahrs 1989 vereinbart haben (vgl. zur zulässigen Rückwirkung der Er-
gebnisabführung: Senat, BGHZ 122, 211, 223 f.), während für die Abfindungsverzinsung eine derartige Rückwirkung kraft Gesetzes (§ 305 Abs. 3 Satz 2
AktG i.V.m. § 294 Abs. 2 AktG) ausgeschlossen ist. Für diesen Sonderfall des
vertraglich vereinbarten früheren Beginns der Ausgleichsverpflichtung gegenüber dem gesetzlich festgelegten Zeitpunkt des Anfangs der Abfindungsverzinsung scheidet eine Verrechnung des bis dahin angefallenen anteiligen Ausgleichs mit den Zinsen aus, weil insoweit mangels zeitlicher Kongruenz beider
Forderungen eine ungerechtfertigte "Überkompensation" durch Kumulation nebeneinander bestehender Ansprüche schon begrifflich nicht in Betracht kommt.
b) Demgegenüber hat das Berufungsgericht im Ansatz zu Recht den auf
die zweite Jahreshälfte entfallenden Anteil des Ausgleichs für 1989 in Höhe von
9,75 DM je Aktie für abzugsfähig erachtet. Freilich ist die Verrechnung - wie der
Kläger zutreffend rügt - nicht mit der Abfindung selbst, sondern nach der
Senatsrechtsprechung zur Vermeidung einer Kumulation ausschließlich mit den
Abfindungszinsen nach § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG für den betreffenden Referenzzeitraum vorzunehmen (Urt. v. 16. September 2002 aaO). Für die zweite
Jahreshälfte 1989 stand der hierauf entfallende Teil des Ausgleichs "deckungsgleich" neben der (höheren) gesetzlichen Abfindungsverzinsung.
c) Entgegen der Ansicht der Revision ist die Anrechnungspflicht nicht etwa von einem - vom herrschenden Unternehmen - zu führenden Nachweis einer konkreten "Überkompensation" mittels betriebswirtschaftlicher Vergleichsberechnung abhängig. Der Senat hat vielmehr im Urteil vom 16. September
2002 (aaO) - insoweit in Übereinstimmung mit der früheren obergerichtlichen
Rechtsprechung und dem Schrifttum - betont, daß nach dem Gesetzeszweck
der §§ 304, 305 AktG, den außenstehenden Aktionär gegen Verluste infolge
von Unternehmensverträgen durch "angemessene" Kompensation zu entschä-
digen, generell eine Verpflichtung des anderen Vertragsteils, kumulativ Ausgleich und Abfindungszinsen leisten zu müssen, nicht gerechtfertigt wäre und
daß der Gesetzgeber mit der Einfügung der Verzinsungsregelung eine derart
unverhältnismäßige "Überkompensation" nicht beabsichtigt habe. Daran ist von
Rechts wegen festzuhalten. Auch unter dem von der Revision des Klägers hervorgehobenen Blickwinkel des Art. 14 Abs. 1 GG ist keine andere Bewertung
des Verhältnisses zwischen Ausgleich und Abfindung veranlaßt. Die außenstehenden Aktionäre werden für den Verlust ihrer Rechtsposition aufgrund des
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages sowohl durch den Ausgleich
gemäß § 304 AktG als auch durch die Abfindung nach § 305 AktG - je für sich
gesehen - im Prinzip "wirtschaftlich voll entschädigt" (BVerfG, Beschl. v.
27. April 1999 - 1 BvR 1613/94, ZIP 1999, 1436, 1440 - DAT/Altana; BVerfG,
Beschl. v. 8. September 1999 - 1 BvR 301/89, ZIP 1999, 1804, 1806
- Hartmann & Braun, jew. unter Bezugnahme auf BGHZ 138, 136, 139); denn
der Ausgleich kompensiert die Beeinträchtigung der vermögensrechtlichen
Stellung, und die Abfindung kompensiert die Aufgabe der Beteiligung an der
Gesellschaft. Sofern außenstehende Aktionäre sich nicht entsprechend der
Grundregelung der §§ 304, 305 AktG entweder sogleich für die Abfindung oder
für das dauerhafte Verbleiben in der Gesellschaft gegen angemessenen Ausgleich entscheiden, sondern die gegebene Gesetzeslage dazu benutzen, zunächst Ausgleichszahlungen entgegenzunehmen und sich erst später nach Abschluß des Spruchverfahrens zur Option für die Barabfindung zu entschließen,
bleibt durch die in der Senatsentscheidung vom 16. September 2002 (aaO)
vorgegebene Anrechnung der empfangenen Ausgleichszahlungen, die wirtschaftlich einer Verzinsung der vom Aktionär geleisteten Einlage entsprechen,
auf die vom Gesetzgeber in erster Linie vorgeschriebene Verzinsung der Abfindung gemäß § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG das verfassungsrechtlich vorgegebene
Prinzip voller wirtschaftlicher Entschädigung gewahrt; soweit die Ausgleichs-
zahlung - wie bei ertragsstarken Unternehmen - die Abfindungszinsen für entsprechende Referenzzeiträume übersteigt, darf der Aktionär sie sogar ohne
Anrechnung behalten. Ob der außenstehende Aktionär je nach dem Zeitpunkt
der in seine alleinige Entscheidung gestellten Ausübung der Option für die Abfindung unter bestimmten Konstellationen im Ergebnis unterschiedliche Erträge
mit der als angemessen festgesetzten Abfindung erzielen kann, ist unter dem
verfassungsrechtlichen Aspekt voller wirtschaftlicher Entschädigung (Art. 14
GG) unerheblich, da das entschädigungspflichtige herrschende Unternehmen
dem Anleger nicht die - ebenfalls von seiner persönlichen Entscheidung abhängige - bestmögliche wirtschaftliche Verwertung der Aktie gewährleisten muß.
3. Zinsanspruch
Das Zinsbegehren des Klägers ist nach Grund und Höhe im wesentlichen gerechtfertigt (§ 305 Abs. 3 Satz 3 AktG, § 288 Abs. 1, 4 BGB); es bezieht
sich - nach Maßgabe der bisherigen Verrechnungen - auf die restliche Barabfindung als Hauptforderung, nicht etwa auf Abfindungszinsen. Hinsichtlich der
schon vom Berufungsgericht zuerkannten 60.724,00 DM verbleibt es - da von
der Beklagten mit der Revision nicht angegriffen - bei dem 27. Juli 2000 als
Zinsbeginn; der vom Senat weitergehend zuerkannte Betrag von 36.600,00 DM
ist jedoch erst ab 28. Juli 2000 zu verzinsen, da die Beklagte die Abfindung unstreitig bereits bis einschließlich 27. Juli 2000 verzinst hat (§ 247 BGB).
Röhricht Goette Kurzwelly
Kraemer Münke