Urteil des BGH vom 06.05.2009

BGH (wiedereinsetzung in den vorigen stand, ehemann, zpo, beschwerde, zustellung, höhe, verschulden, 1995, wiedereinsetzung, beschwerdefrist)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 81/08
vom
6. Mai 2009
in der Familiensache
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Mai 2009 durch die Vorsit-
zende Richterin Dr. Hahne, den Richter Prof. Dr. Wagenitz, die Richterin
Dr. Vézina sowie die Richter Dose und Dr. Klinkhammer
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 8. Senats für
Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 2. April
2008 wird auf Kosten des Antragsgegners verworfen.
Gründe:
I.
Die Ehe der Parteien, die durch Ehevertrag vom 19. Juni 1979 u. a. den
Versorgungsausgleich ausgeschlossen hatten, wurde durch Urteil des Amtsge-
richts - Familiengericht - vom 17. November 1987 (am selben Tage rechtskräf-
tig) geschieden. Im Tenor des Scheidungsurteils heißt es: „Der Versorgungs-
ausgleich ist durch Vereinbarung der Parteien vom 19.06.1979 geregelt.“
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Auf den 2007 gestellten Antrag der Ehefrau (Antragstellerin) hat das
Amtsgericht - Familiengericht - mit Beschluss vom 4. Dezember 2007 zu Lasten
des Ehemannes (Antragsgegner) den öffentlich-rechtlichen Versorgungsaus-
gleich durchgeführt. In den Gründen hat es die Währungsangaben verwechselt
und den in den Auskünften der Versorgungsträger in Euro ausgewiesenen Wert
der Rentenanwartschaften irrtümlich in zahlenmäßig gleichen DM-Beträgen
ausgewiesen. Auf dieser Grundlage hat es den Versorgungsausgleich ermittelt
und im Tenor des Beschlusses - ebenfalls irrtümlich - die Höhe der zu übertra-
genden Rentenanwartschaften als DM-Beträge bezeichnet. Dementsprechend
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hat es im Wege des Splittings und erweiterten Splittings vom Versicherungs-
konto des Ehemannes in der gesetzlichen Rentenversicherung Rentenanwart-
schaften in Höhe von 170,09 DM (statt 170,09 €) sowie in Höhe von 28,68 DM
(statt 28,68 €), jeweils monatlich und bezogen auf das Ehezeitende, auf das
Versicherungskonto der Ehefrau bei der gesetzlichen Rentenversicherung über-
tragen. Der Beschluss ist dem Verfahrensbevollmächtigten des Ehemannes am
5. Dezember 2007 zugestellt worden.
Mit Beschluss vom 7. Dezember 2007 hat das Amtsgericht - Familienge-
richt - Tenor und Gründe seines Beschlusses vom 4. Dezember 2007 berichtigt
und die Wertangaben in Tenor und Gründen nunmehr zutreffend als Euro-
Beträge gekennzeichnet. Diesen Beschluss hat es dem Verfahrensbevollmäch-
tigen des Ehemannes am 12. Dezember 2007 zugestellt.
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Der Ehemann hat gegen den Beschluss vom 4. Dezember 2007 am
9. Januar 2008 Beschwerde eingelegt und diese am 23. Januar 2008 begrün-
det. Er hat die Auffassung vertreten, die Beschwerdefrist beginne erst mit der
Zustellung des Berichtigungsbeschlusses am 12. Dezember 2007; vorsorglich
hat er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Das Oberlandesge-
richt hat den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Beschwer-
de als unzulässig verworfen.
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II.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Zulassungsgründe des
§ 574 Abs. 2 (i.V.m. § 574 Abs. 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4) ZPO nicht vorlie-
gen. Insbesondere erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
(§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) keine Entscheidung des Beschwerdegerichts; die an-
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gefochtene Entscheidung verletzt den Ehemann nicht in seinem Verfahrens-
grundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz.
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1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist die Beschwerde unzuläs-
sig, weil sie nicht innerhalb der Frist der § 621 e Abs. 3, § 517 ZPO eingelegt
worden sei. Diese Frist habe bereits mit der Zustellung des - noch nicht berich-
tigten - Beschlusses vom 4. Dezember 2007 (am 5. Dezember 2007) begonnen
und sei durch die Einlegung der Beschwerde (am 9. Januar 2008) nicht ge-
wahrt. Auf den Zeitpunkt der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses (am
12. Dezember 2007) komme es nicht an; denn die Berichtigung habe nur dem
Umstand Rechnung getragen, dass in Tenor und Gründen des ursprünglichen
Beschlusses die Beträge der Rentenanwartschaften durchweg - fälschlich - als
DM-Beträge und nicht - richtig - als EUR-Beträge gekennzeichnet gewesen sei-
en. Für die Beteiligten sei aufgrund der ihnen vorliegenden Rentenauskünfte
ohne weiteres ersichtlich gewesen, dass das Familiengericht nur die Wäh-
rungszeichen verwechselt habe. Das Wiedereinsetzungsbegehren des Ehe-
mannes bleibe erfolglos, da er sich gemäß § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden
seines Verfahrensbevollmächtigten zurechnen lassen müsse und deshalb nicht
ohne Verschulden an der Fristeinhaltung gehindert gewesen sei.
2. Die Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
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a) Das Beschwerdegericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass nach
gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Berichtigung einer Ent-
scheidung wegen offenbarer Unrichtigkeit gemäß § 319 ZPO grundsätzlich kei-
nen Einfluss auf Beginn und Lauf von Rechtsmittelfristen hat. Den Parteien wird
zugemutet, in ihren Entschließungen zur Einlegung eines Rechtsmittels die of-
fenbare Unrichtigkeit der Entscheidung zu berücksichtigen, schon bevor diese
gemäß § 319 ZPO richtig gestellt wird (vgl. Senatsurteile vom 5. Mai 1993
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- XII ZR 44/92 - FamRZ 1993, 1424, 1425 und vom 28. März 1990 - XII ZR
68/89 - FamRZ 1990, 988; Senatsbeschluss vom 25. September 1991 - XII ZB
- VI ZB 8/95 - VersR 1996, 214, 215 und vom 21. Mai 1985 - VI ZB 4/85 - NJW
1986, 935, 936). Nur ausnahmsweise beginnt eine neue Rechtsmittelfrist mit
der Bekanntmachung des Berichtigungsbeschlusses (bzw. mit Zustellung der
berichtigten Ausfertigung) zu laufen, nämlich dann, wenn die zunächst zuge-
stellte Entscheidung insgesamt - also einschließlich der Entscheidungsgründe -
nicht klar genug war, um die Grundlage für die Entschließungen und das weite-
re Handeln der Parteien sowie für die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zu
bilden (vgl. Senatsurteile vom 9. November 1994 - XII ZR 184/93 - FamRZ
1995, 155, 156; vom 5. Mai 1993 - XII ZR 44/92 - FamRZ 1993, 1424, 1425 und
vom 28. März 1990 - XII ZR 68/89 - FamRZ 1990, 988 sowie Senatsbeschluss
vom 28. Juni 2000 - XII ZB 157/99 - FamRZ 2000, 1499; BGH Beschlüsse vom
12. Februar 2004 - V ZR 125/03 - NJW-RR 2004, 712, 713; vom 27. Juni 1995
- VI ZB 8/95 - VersR 1996, 214, 215und vom 26. September 1988 - II ZB 6/88 -
juris, Tz. 8).
b) Ein solcher Ausnahmefall liegt hier indes nicht vor. Der Ehemann hatte
bereits nach dem unberichtigten Tenor Rentenanwartschaften abzugeben, so
dass sein Verfahrensbevollmächtigter schon aus diesem Grunde prüfen muss-
te, ob dem Ehemann zur Einlegung eines Rechtsmittels zu raten sei. Bei gebo-
tener Sorgfalt hätte der Verfahrensbevollmächtigte erkennen können, dass der
Tenor des - unberichtigten - Beschlusses vom 4. Dezember 2007 auf einem
Irrtum des Familiengerichts beruhte. Aus dem Vergleich mit den - im Beschluss
in Bezug genommenen - Auskünften der Versorgungsträger ergab sich zwei-
felsfrei, dass das Familiengericht lediglich die Währungszeichen verwechselt
und die in den Auskünften in EUR ausgewiesenen Werte als DM-Beträge in
seine Berechnung eingestellt hatte. Diesen Vergleich durfte der Verfahrensbe-
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vollmächtigte um so weniger unterlassen, als die Währungsumstellung im Zeit-
punkt der familiengerichtlichen Entscheidung bereits mehrere Jahre zurücklag
und die Verwendung von DM-Beträgen im Tenor der Entscheidung - unbescha-
det des Ehezeitendes (1987) - eine Überprüfung der Werte nahe legte.
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Die Monatsfrist zur Einlegung der Beschwerde begann folglich bereits mit
der Zustellung des nicht berichtigten Beschlusses am 5. Dezember 2007. Sie
wurde durch die am 9. Januar 2008 eingegangene Beschwerde des Eheman-
nes nicht gewahrt. Das Oberlandesgericht hat es auch zu Recht abgelehnt,
dem Ehemann eine Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist zu gewähren.
Denn der Ehemann hat nicht dargelegt, dass er an der Einhaltung der Be-
schwerdefrist gehindert war. Dies gilt umso mehr, als der Berichtigungsbe-
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schluss dem Ehemann bereits am 12. Dezember 2007 zugestellt worden war.
Ein etwaiges Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten muss der Ehe-
mann sich zurechnen lassen (§ 85 Abs. 2 ZPO).
Hahne Wagenitz
Frau RiBGH Dr. Vézina
ist urlaubsbedingt verhin-
dert
zu
unterschreiben.
Hahne
Dose Klinkhammer
Vorinstanzen:
AG Wesel, Entscheidung vom 04.12.2007 - 18 F 38/07 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 02.04.2008 - II-8 UF 10/08 -