Urteil des BGH vom 24.02.2011

BGH: einstellung des verfahrens, hehlerei, anklageschrift, mindeststrafe, mittäterschaft, gesamtstrafe, strafzumessung, sicherheit, beute, diebstahl

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 651/10
vom
24. Februar 2011
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Bandendiebstahls u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und des Beschwerdeführers am 24. Februar 2011 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Dortmund vom 23.April 2010, soweit es ihn betrifft,
a) in der Urteilsformel dahin ergänzt, dass der Angeklagte im
Übrigen freigesprochen wird und dass die Staatskasse in-
soweit die Kosten des Verfahrens und die notwendigen
Auslagen des Angeklagten trägt;
b) aufgehoben in den Aussprüchen über
aa) die in den Fällen II.1, II.2, II.5, II.7, II.8, II.18, II.29
und II.33 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen,
bb) die Gesamtstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten
des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landge-
richts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendieb-
stahls in 13 Fällen, wegen "gewerbsmäßigen Diebstahls" in einem weiteren Fall
sowie wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheits-
strafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Ange-
klagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat in dem aus der
Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel
unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Der Schuldspruch wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in den Fällen II.1,
II.2, II.5, II.7, II.8, II.18, II.29 und II.33 der Urteilsgründe ist frei von den Ange-
klagten beschwerenden Rechtsfehlern.
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a) Das Landgericht hat sich in diesen Fällen rechtsfehlerfrei davon über-
zeugt, dass der Angeklagte G. - was vom konkreten Anklagesatz der An-
klageschrift der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 11. Mai 2009 umfasst ist -
jeweils zuvor auf einem Gelände der V. AG gestohlenes Buntmetall im Inte-
resse der Mitangeklagten an Schrotthändler veräußerte. Eine - ihm mit der An-
klageschrift jeweils als mittäterschaftlich begangener schwerer Bandendiebstahl
zur Last gelegte - "Beteiligung" (etwa UA 27) bzw. "Mitwirkung" (etwa UA 30) an
den Diebstählen hat es dagegen nicht bzw. "nicht sicher" (etwa UA 30) feststel-
len können.
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b) Bei einer derartigen Fallgestaltung der Nichterweislichkeit der Mittäter-
schaft bei der Vortat und der zweifelsfreien Feststellung einer Hehlereihandlung
ist eine Verurteilung wegen der dem Diebstahl folgenden "Nachtat" der Hehlerei
im Wege der Postpendenzfeststellung möglich und geboten (vgl. BGH, Urteil
vom 14. September 1989 - 4 StR 170/89, BGHR vor § 1/Wahlfeststellung
Postpendenz 3).
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c) Da Gegenstand der Anklage in den Fällen II.1, II.2, II.5, II.7, II.8, II.18,
II.29 und II.33 jeweils zwei Taten waren, nämlich das Diebstahlsgeschehen in
der Nacht und der Verkauf der Beute am folgenden Tag, eine Beteiligung des
Angeklagten G. an den Diebstahlstaten aber nicht nachgewiesen werden
konnte, war er insoweit freizusprechen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 1995
- 2 StR 157/95; Beschluss vom 14. Juli 1998 - 4 StR 214/98, NStZ 1998, 635,
zur Erforderlichkeit eines Teilfreispruchs bei eindeutiger Verurteilung nach An-
klage von Alternativtaten). Dies holt der Senat nach.
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2. Die Einzelstrafen in den Fällen II.1, II.2, II.5, II.7, II.8, II.18, II.29 und
II.33 haben jedoch keinen Bestand.
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Auf die Postpendenzfeststellung finden die Grundsätze der Wahlfeststel-
lung Anwendung (vgl. LK-Dannecker, StGB, 12. Aufl. Anh. § 1, Rn. 104), bei
der die Strafe dem Gesetz entnommen werden muss, das die - aufgrund kon-
kreter Betrachtung zu ermittelnde - mildeste Strafe zulässt (BGH, Beschluss
vom 19. Januar 2000 - 3 StR 500/99, NStZ 2000, 473, 474). Da das Landge-
richt für die genannten Taten rechtsfehlerfrei eine bandenmäßige Verbindung
zwischen dem Angeklagten G. und den Mitangeklagten verneint hat, wäre bei
erwiesener Mittäterschaft an den Diebstählen die Strafe aus § 243 Abs. 1 StGB
zu schöpfen gewesen, der einen Strafrahmen von drei Monaten bis zu zehn
Jahren Freiheitsstrafe eröffnet. Das Landgericht ist jedoch vom Strafrahmen
des § 260 Abs. 1 StGB ausgegangen, der bei gleicher Strafobergrenze eine
Mindeststrafe von sechs Monaten vorsieht. Es hat sich bei der Strafzumessung
auch an dieser Mindeststrafe orientiert. Der Senat kann daher nicht mit der er-
forderlichen Sicherheit ausschließen, dass die Einzelstrafen in den Fällen II.1,
II.2, II.5, II.7, II.8, II.18, II.29 und II.33 noch niedriger ausgefallen wären, wenn
das Landgericht den zutreffenden Strafrahmen zugrunde gelegt hätte.
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3. Wegen der Aufhebung der genannten Einzelstrafen hat auch die Ge-
samtstrafe keinen Bestand.
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4. Die der Strafbemessung zugrunde liegenden Feststellungen sind von
dem aufgezeigten Rechtsfehler unberührt; sie können deshalb bestehen blei-
ben. Dies schließt nicht aus, dass der neue Tatrichter ergänzende Feststellun-
gen trifft; diese dürfen den bisherigen nicht widersprechen.
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5. Der Senat weist darauf hin, dass der den Angeklagten G. betref-
fende Fall 19 der Anklageschrift vom 11. Mai 2009 noch beim Landgericht an-
hängig ist. Er ist weder Gegenstand des angefochtenen Urteils noch des Be-
schlusses vom 14. April 2010 (PB 92) über die Einstellung des Verfahrens we-
gen einzelner Tatvorwürfe gemäß § 154 Abs. 2 StPO (vgl. BGH, Beschlüsse
vom 11. November 1993 - 4 StR 629/93, BGHR StPO § 352 Abs. 1 Prüfungs-
umfang 4; vom 16. März 2010 - 4 StR 48/10, NStZ-RR 2010, 251).
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Ernemann
Solin-Stojanović
Roggenbuck
Franke
Bender