Urteil des BGH vom 13.07.2005

BGH (eintritt des versicherungsfalles, satzung, abweisung der klage, allgemeine versicherungsbedingungen, eintritt, zpo, wert, anwartschaft, tarifvertrag, ermittlung)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
ANERKENNTNISTEIL- UND
SCHLUSSURTEIL
IV ZR 167/05
Verkündet
am:
17.
September
2008
Fritz
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat im schriftlichen Verfahren
nach § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum 6. August 2008 durch
den Vorsitzenden Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die
Richterin Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 20. Zivil-
kammer des Landgerichts Köln vom 13. Juli 2005 im Um-
fang des in der Revisionsinstanz gestellten Hilfsantrages
aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts Köln vom
19. Oktober 2004 wie folgt geändert:
Es wird festgestellt, dass die von der Beklagten gemäß ih-
rer Satzung vom 29. Oktober 2002 erteilte Startgutschrift
den Wert der vom Kläger bis zum 31. Dezember 2001 er-
langten Anwartschaft auf eine bei Eintritt des Versiche-
rungsfalles zu leistende Betriebsrente nicht verbindlich
festlegt.
Die weitergehenden Rechtsmittel werden zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu
tragen.
Streitwert: 4.000 €
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
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Die beklagte Zusatzversorgungskasse hat die Aufgabe, den Be-
schäftigten der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes
im Wege privatrechtlicher Versicherung eine zusätzliche Alters-, Er-
werbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Mit
Neufassung ihrer Satzung vom 29. Oktober 2002 (GV.NRW Nr. 31 vom
29. November 2002, S. 540) hat die Beklagte ihr Zusatzversorgungssys-
tem rückwirkend zum 31. Dezember 2001 (Umstellungsstichtag) umge-
stellt. Den Systemwechsel hatten die Tarifvertragsparteien des öffentli-
chen Dienstes im Tarifvertrag Altersvorsorge Kommunal vom 1. März
2002 (ATV-K) vereinbart. Damit wurde das auf früheren tarifvertraglichen
Vereinbarungen beruhende endgehaltsbezogene Gesamtversorgungs-
system aufgegeben und durch ein auf einem Punktemodell beruhendes
Betriebsrentensystem ersetzt.
Die neue Satzung der Beklagten (RZVKS) enthält Übergangsrege-
lungen zum Erhalt von bis zur Systemumstellung erworbenen Rentenan-
wartschaften. Diese werden wertmäßig festgestellt und als so genannte
Startgutschriften auf die neuen Versorgungskonten der Versicherten
übertragen. Dabei werden Versicherte, deren Versorgungsfall noch nicht
eingetreten ist, in rentennahe und rentenferne Versicherte unterschie-
den. Rentennah ist nur, wer am 1. Januar 2002 das 55. Lebensjahr voll-
endet hatte und im Tarifgebiet West beschäftigt war bzw. Pflichtversiche-
rungszeiten in der Zusatzversorgung vor dem 1. Januar 1997 vorweisen
kann (§ 73 Abs. 2 Satz 1 RZVKS). Die Anwartschaften der rentennahen
Versicherten werden weitgehend nach dem alten Satzungsrecht ermittelt
und übertragen. Die Anwartschaften der übrigen rentenfernen Versicher-
ten berechnen sich demgegenüber nach den §§ 32 Abs. 1 und 4, 33
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Abs. 1 Satz 1 ATV-K, 72 Abs. 1 und 2, 73 Abs. 1 Satz 1 RZVKS i.V. mit
§ 18 Abs. 2 des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG). Unabhängig von ih-
rer Zugehörigkeit zu einem rentennahen oder einem rentenfernen Jahr-
gang erhalten Beschäftigte, die am 1. Januar 2002 mindestens 20 Jahre
pflichtversichert waren, als Startgutschrift für jedes volle Kalenderjahr
der Pflichtversicherung bis zum 31. Dezember 2001 mindestens 1,84
Versorgungspunkte (VP), bei Teilzeitbeschäftigung gemindert durch Mul-
tiplikation mit dem am 31. Dezember 2001 maßgebenden Gesamtbe-
schäftigungsquotienten (§§ 9 Abs. 3 ATV-K, 35 Abs. 3 RZVKS).
Der nach dem 31. Dezember 1946 geborene und somit einem ren-
tenfernen Jahrgang zugehörige Kläger und die Beklagte streiten im We-
sentlichen über die Zulässigkeit der Systemumstellung, die Wirksamkeit
der Übergangsregelung für rentenferne Versicherte und die Höhe der
dem Kläger erteilten Startgutschrift von 130,70 Versorgungspunkten (das
entspricht einem Wert von monatlich 522,80 €).
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Der Kläger hält die Beklagte insbesondere für verpflichtet, ihm bei
Eintritt des Versicherungsfalles eine Betriebsrente mindestens in Höhe
des geringeren Betrages zu gewähren, wie er sich unter Zugrundelegung
der bis zum 31. Dezember 2001 gültigen (alten) Satzung der Beklagten
zu diesem Zeitpunkt oder zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungs-
falles ergebe. Darüber hinaus erstrebt er eine Verpflichtung der Beklag-
ten, bei der Ermittlung der Startgutschrift bestimmte, in verschiedenen
Klageanträgen näher konkretisierte Berechnungselemente zugrunde zu
legen.
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Die Beklagte stützt ihren Antrag auf Klagabweisung unter anderem
darauf, dass die beanstandete Übergangsregelung für rentenferne Versi-
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cherte auf eine im Tarifvertrag vom 1. März 2002 von den Tarifvertrags-
parteien getroffene Grundentscheidung zurückgehe, die mit Rücksicht
auf die in Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie der ohnehin ein-
geschränkten rechtlichen Überprüfung standhalte. Im Übrigen wahre die
erteilte Startgutschrift den verfassungsrechtlich geschützten Besitzstand
der rentenfernen Versicherten.
Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben.
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Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine bisherigen Anträge
weiter und hat in der Revisionsinstanz hilfsweise die Feststellung bean-
tragt, dass die ihm erteilte Startgutschrift den Wert der bis zum
31. Dezember 2001 erlangten Anwartschaft auf eine bei Eintritt des Ver-
sicherungsfalles zu leistende Betriebsrente nicht verbindlich festlege.
Diesen Hilfsantrag hat die Beklagte anerkannt.
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Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision hat insoweit Erfolg, als die Beklagte ihrem
Anerkenntnis gemäß dahingehend zu verurteilen war, dass die dem Klä-
ger erteilte Startgutschrift vom 3. Oktober 2002 den Wert der bis zum
31. Dezember 2001 erlangten Anwartschaft auf eine bei Eintritt des Ver-
sicherungsfalles zu leistende Betriebsrente nicht verbindlich festlegt
(§ 307 Satz 1 ZPO). Im Übrigen ist die Revision unbegründet.
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I. Das Berufungsgericht hat die Satzungsänderung der Beklagten
für wirksam gehalten und dazu im Wesentlichen ausgeführt:
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Einer Zustimmung der Versicherten zur Satzungsänderung habe
es wegen der in § 2 Abs. 3 RZVKS a.F. angeordneten Wirkung einer Än-
derung auch für bestehende Mitgliedsverhältnisse, Einzelversicherungs-
verhältnisse und bereits bewilligte Versicherungsleistungen nicht bedurft.
Zudem habe das zuständige Ministerium die Änderung nach § 8 Abs. 2
RZVKS a.F. genehmigt.
Die Satzungsänderung sei auch in materieller Hinsicht nicht zu be-
anstanden. Als Allgemeine Versicherungsbedingungen unterfielen die
Satzungsregelungen zwar der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB. Bei
der Umstellung des Gesamtversorgungssystems auf das sog. Punktemo-
dell handle es sich jedoch um eine Grundentscheidung der Sozialpartner,
die als Ausfluss der Tarifautonomie der Inhaltskontrolle nur insoweit zu-
gänglich sei, als diese Grundentscheidung nicht gegen Grundrechte ver-
stoßen dürfe (§§ 310 Abs. 4 Satz 3, 307 Abs. 3 BGB). Eine Grundrechts-
verletzung sei jedoch nicht festzustellen. Ein Eingriff in erdiente Anwart-
schaften komme schon deswegen nicht in Betracht, weil es konkrete, be-
traglich feststehende Anwartschaften vor Eintritt des Versicherungsfalles
noch gar nicht gebe. Ein Eingriff in erdiente Besitzstände sei zudem als
zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Zusatzversorgungs-
kassen im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erforderlich und
angemessen im engeren Sinne anzusehen. Ein Verstoß gegen Art. 3
Abs. 1 GG liege vor allem deswegen nicht vor, da auch Beamte mit Ab-
strichen bei den Pensionen konfrontiert seien.
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Die Satzungsregelungen seien auch im Übrigen verhältnismäßig
und mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar. Insbesondere trügen
die differenzierten Übergangsregelungen dem Umstand Rechnung, dass
je nach Alter des Versicherten unterschiedliche Anforderungen an den
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Vertrauensschutz zu stellen seien. Bei rentenfernen Jahrgängen seien
die Anforderungen an den Vertrauensschutz geringer, da es für diese
noch möglich und zumutbar sei, sich durch private Altersversorgung zu-
sätzlich abzusichern.
Soweit bei Errechnung der Startgutschriften auf die am Umstel-
lungsstichtag maßgebliche Steuerklasse der Versicherten abgestellt
werde, sei dies nicht zu beanstanden.
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II. Dies hält, wie sich aus dem - nach Erlass des Berufungsurteils
ergangenen - Senatsurteil vom 14. November 2007 (IV ZR 74/06 - BGHZ
174, 127 ff. = BetrAV 2008, 203 = NVwZ 2008, 455 = ZTR 2008, 199) er-
gibt, rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
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Der Senat (aaO) hat festgestellt, dass die von der Versorgungsan-
stalt des Bundes und der Länder (VBL) dem dortigen rentenfernen Versi-
cherten erteilte Startgutschrift den Wert seiner bis zum Umstellungsstich-
tag erworbenen Anwartschaft auf eine bei Eintritt des Versicherungsfal-
les zu leistende Betriebsrente nicht verbindlich festlegt. Die Grundsätze
dieser Entscheidung lassen sich auf die Übergangsregelung für renten-
ferne Versicherte in der neuen Satzung der Beklagten übertragen. Denn
auch die VBL hatte mit der Neufassung ihrer Satzung vom 22. November
2002 (BAnz. Nr. 1 vom 3. Januar 2003) - wie die Beklagte - ihr Zusatz-
versorgungssystem rückwirkend zum 31. Dezember 2001 durch ein auf
einem Punktemodell beruhendes Betriebsrentensystem ersetzt. Aus-
gangspunkt für diese Neuordnung der Altersversorgung im öffentlichen
Dienst war der "Altersversorgungsplan 2001", der in der Folge im Einzel-
nen durch den "Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der
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Beschäftigten des öffentlichen Dienstes" (Tarifvertrag Altersversorgung -
ATV) und den grundsätzlich inhaltsgleichen "Tarifvertrag über die zusätz-
liche Altersvorsorge der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes - Alters-
vorsorge-TV-Kommunal - (ATV-K)" - jeweils vom 1. März 2002 - umge-
setzt wurde. Die Satzung der VBL findet dabei ihre Grundlage im ATV,
die der Beklagten im ATV-K. Die in den Satzungen getroffenen Über-
gangsregelungen zum Erhalt von bis zur Systemumstellung erworbenen
Rentenanwartschaften - zu denen sich das Senatsurteil vom 14. Novem-
ber 2007 (aaO) verhält - stimmen daher weitestgehend überein.
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Sat-
zung der Beklagten auch ohne Zustimmung der Versicherten geändert
und vom bisherigen Gesamtversorgungssystem auf das neue Punktemo-
dell (Betriebsrentensystem) umgestellt werden konnte. Denn zum einen
schließt die Beklagte - wie die VBL - seit 1967 (vgl. zum Inkrafttreten der
Satzung vom 5. Februar 1968 zum 1. Januar 1967 GV. NW. 1968 S. 72)
Gruppenversicherungsverträge ab, bei denen nicht die einzelnen Arbeit-
nehmer - diese werden lediglich als Versicherte und Bezugsberechtigte
in die Gruppenversicherung einbezogen -, sondern die an der Beklagten
beteiligten Arbeitgeber Versicherungsnehmer sind (BGHZ 103, 370,
379 f., 382; 142, 103, 106 und ständig). Zum anderen enthielt die Sat-
zung der Beklagten seither in § 2 Abs. 3 - wie diejenige der VBL in § 14 -
einen Änderungsvorbehalt, der auch für bestehende Versicherungen galt
und eine Zustimmung der Versicherten bei Satzungsänderungen nicht
voraussetzt. Gegen die Wirksamkeit dieses Änderungsvorbehalts, der
sich nicht lediglich auf die Änderung einzelner Satzungsregelungen be-
schränkt, sondern auch zu einer umfassenden Systemumstellung er-
mächtigt (Senatsurteil vom 14. November 2007 aaO Tz. 27), bestehen
keine Bedenken. Satzungsänderungen sind daher ohne die Zustimmung
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des Arbeitnehmers als Versichertem möglich (Senatsurteil vom 14. No-
vember 2007 aaO Tz. 25 m.w.N.). Für den Systemwechsel hat auch ein
ausreichender Anlass bestanden (Senatsurteil vom 14. November 2007
aaO Tz. 26).
2. Der Schutz der im Zeitpunkt des Systemwechsels bereits beste-
henden Rentenansprüche und -anwartschaften ist durch Übergangs-
bzw. Besitzstandsregelungen sicherzustellen. Insofern hängt die Frage,
inwieweit Versicherte in ihren bis zur Umstellung erworbenen Rechten
verletzt sind, allein davon ab, inwieweit die Übergangsvorschriften diese
Rechte wahren (Senatsurteil vom 14. November 2007 aaO Tz. 27). Für
die Ermittlung der Startgutschriften rentenferner Pflichtversicherter ist in
den §§ 32 Abs. 1 und 4, 33 Abs. 1 Satz 1 ATV-K, 72 Abs. 1 und 2, 73
Abs. 1 Satz 1 RZVKS (entspricht §§ 78 Abs. 1 und 2, 79 Abs. 1 Satz 1
VBLS) i.V. mit § 18 Abs. 2 BetrAVG eine Übergangsregelung getroffen
worden. Sie zielt darauf ab, den rentenfernen Pflichtversicherten bei der
Berechnung ihrer Startgutschrift die nach dem Betriebsrentengesetz bis
zum Umstellungsstichtag unverfallbar gewordenen Rentenanwartschaf-
ten in das neue Betriebsrentensystem zu übertragen (Senatsurteil vom
14. November 2007 aaO Tz. 39).
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a) Diese Übergangsregelung ist im Grundsatz nicht zu beanstan-
den (Senatsurteil vom 14. November 2007 aaO Tz. 11, 64). Das gilt
auch, soweit sie durch Festschreibung der maßgeblichen Berechnungs-
faktoren zum Umstellungsstichtag (§§ 32 Abs. 4 ATV-K, 72 Abs. 2
RZVKS - entspricht § 78 Abs. 2 VBLS -, 33 Abs. 1 Satz 1 ATV-K, 73
Abs. 1 Satz 1 RZVKS - entspricht § 79 Abs. 1 Satz 1 VBLS - i.V. mit
§§ 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. c, 2 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG) - insbe-
sondere des Arbeitsentgelts und der Steuerklasse - zu Eingriffen in die
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erdiente Dynamik und damit in einen nach den Grundsätzen des Ver-
trauensschutzes geschützten Bereich führt (Senatsurteil vom 14. Novem-
ber 2007 aaO Tz. 77-79). Dasselbe gilt auch, soweit der Berechnung ei-
ne Teilzeitbeschäftigung im relevanten Zeitraum zugrunde gelegt wird.
Dass die Startgutschriften an einer mit der Anwendung des Alters-
faktors (§ 34 Abs. 2 und 3 RZVKS - entspricht § 36 Abs. 2 und 3 VBLS)
verbundenen Verzinsung nicht teilnehmen, verstößt ebenfalls nicht ge-
gen höherrangiges Recht. Denn die Dynamisierung ist mit der Neurege-
lung nicht entfallen. Nach den §§ 33 Abs. 7, 19 ATV-K, 73 Abs. 7, 66
RZVKS (entspricht §§ 79 Abs. 7, 68 VBLS) werden die zunächst festge-
schriebenen Startgutschriften vielmehr insoweit dynamisiert, als sie Bo-
nuspunkte auslösen können, die eine tatsächliche oder fiktive Beteili-
gung an den - von der Beklagten bzw. den jeweils zehn nach der Bilanz-
summe größten Pensionskassen (vgl. § 66 Abs. 1 Satz 3 RZVKS
- entspricht § 68 Abs. 2 Satz 3 VBLS) - erwirtschafteten Überschüssen
darstellen. Diese von den Tarifvertragsparteien gewählte und von der
Beklagten in ihrer Satzung übernommene Dynamisierung ist angesichts
des Anlasses und der Ziele der Systemumstellung zumindest vertretbar
und schon deshalb verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Tarif-
vertragsparteien haben insoweit ihren durch die Tarifautonomie eröffne-
ten weiten Handlungsspielraum nicht überschritten (Senatsurteil vom
14. November 2007 aaO Tz. 80 f.).
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Eine Verletzung höherrangigen Rechts kann schließlich weder dar-
in gesehen werden, dass die Übergangsregelung den rentenfernen
Pflichtversicherten nach früheren Satzungen zugesagte Mindestleistun-
gen - insbesondere auch diejenige nach § 35a RZVKS a.F. (entspricht
§ 44a VBLS a.F.) - entzieht, noch in dem Umstand, dass die etwa nach
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§ 33 Abs. 2 Satz 1 RZVKS a.F. (entspricht § 42 Abs. 2 Satz 1 VBLS a.F.)
bei Ermittlung der gesamtversorgungsfähigen Zeit zu berücksichtigende
hälftige Anrechnung so genannter Vordienstzeiten nach der Übergangs-
regelung keinen Eingang in die Startgutschriften rentenferner Versicher-
ter findet. Beides hat der Senat im Urteil vom 14. November 2007 näher
dargelegt (aaO Tz. 82-101). Die dortigen Erwägungen lassen sich auch
auf frühere Beamten- oder Soldatenzeiten übertragen.
b) Ob es zulässig ist, bei der Errechnung der Startgutschrift die für
die Ermittlung der Voll-Leistung von der Höchstversorgung in Abzug zu
bringende voraussichtliche gesetzliche Rente gemäß den §§ 33 Abs. 1
Satz 1 ATV-K, 73 Abs. 1 Satz 1 RZVKS (entspricht § 79 Abs. 1 Satz 1
VBLS) i.V. mit § 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. f BetrAVG ausschließlich
nach dem bei der Berechnung von Pensionsrückstellungen allgemein zu-
lässigen Verfahren (dem so genannten Näherungsverfahren) zu ermit-
teln, oder ob dies gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1
GG) verstößt, hat der Senat im Urteil vom 14. November 2007 offen ge-
lassen (aaO Tz. 102-121).
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Die Frage bedarf auch hier keiner Entscheidung. Denn die Über-
gangsregelung für rentenferne Pflichtversicherte verstößt jedenfalls an-
derweitig gegen Art. 3 Abs. 1 GG und ist schon deshalb unwirksam (Se-
natsurteil vom 14. November 2007 aaO Tz. 120). Damit kommt es zurzeit
auch nicht auf die von der Revision gerügte Komplexität der neuen Sat-
zung an.
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c) Durchgreifenden Bedenken gegen die Vereinbarkeit mit Art. 3
Abs. 1 GG begegnet nämlich der nach den §§ 33 Abs. 1 Satz 1 ATV-K,
73 Abs. 1 Satz 1 RZVKS (entspricht § 79 Abs. 1 Satz 1 VBLS) i.V. mit
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§ 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 BetrAVG der Startgutschriftenberechnung zu-
grunde zu legende Versorgungssatz von 2,25% für jedes volle Jahr der
Pflichtversicherung (Senatsurteil vom 14. November 2007 aaO Tz. 122-
140). Dieser Versorgungssatz führt - wie der Senat im Urteil vom 14. No-
vember 2007 im Einzelnen ausgeführt hat (aaO Tz. 128-139) - zu einer
sachwidrigen und damit gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Ungleich-
behandlung innerhalb der Gruppe der rentenfernen Versicherten, die
selbst vom weiten Handlungsspielraum der Tarifvertragsparteien nicht
mehr gedeckt ist. Die Ungleichbehandlung besteht darin, dass Arbeit-
nehmer mit längeren Ausbildungszeiten die zum Erwerb der Vollrente
(100%) erforderlichen 44,44 Pflichtversicherungsjahre in ihrem Arbeits-
leben nicht erreichen können und deshalb von vornherein überproportio-
nale Abschläge hinnehmen müssen. Neben Akademikern sind hiervon
auch all diejenigen betroffen, die aufgrund besonderer Anforderungen
eines Arbeitsplatzes im öffentlichen Dienst, etwa einer abgeschlossenen
Berufsausbildung oder eines Meisterbriefes in einem handwerklichen Be-
ruf, erst später in den öffentlichen Dienst eintreten (Senatsurteil vom
14. November 2007 aaO Tz. 136).
3. Die dargelegte Verfassungswidrigkeit und die sich daraus erge-
bende Unwirksamkeit dieser Detailregelung des Tarifvertrages vom
1. März 2002 und der neuen Satzung der Beklagten ändern an der Wirk-
samkeit der Systemumstellung als solcher nichts. Unwirksam ist lediglich
die in den §§ 32 Abs. 1 und 4, 33 Abs. 1 Satz 1 ATV-K, 72 Abs. 1 und 2,
73 Abs. 1 Satz 1 RZVKS (entspricht §§ 78 Abs. 1 und 2, 79 Abs. 1 Satz 1
VBLS) i.V. mit § 18 Abs. 2 BetrAVG für die rentenfernen Versicherten ge-
troffene Übergangsregelung, was zur Folge hat, dass die dem Kläger er-
teilte Startgutschrift einer ausreichenden rechtlichen Grundlage entbehrt.
Sie legt damit den Wert der vom Kläger bis zum Umstellungsstichtag er-
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dienten Anwartschaft auf eine bei Eintritt des Versicherungsfalles zu leis-
tende Rente nicht verbindlich fest (vgl. Senatsurteil vom 14. November
2007 aaO Tz. 141).
Auf diese Feststellung war der Urteilsausspruch zu beschränken.
Mit Rücksicht auf die in Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie kann
die durch den Wegfall der unwirksamen Übergangsregelung verursachte
Lücke in der Satzung der Beklagten weder durch eine gerichtliche Rege-
lung ersetzt werden, noch kommt zumindest eine Festschreibung be-
stimmter verbindlicher Vorgaben für die Neuerrechnung der Startgut-
schrift in Betracht. Eine solche gerichtliche Entscheidung ist auch nach
dem Rechtsstaatsprinzip nicht geboten. Es ist vielmehr zunächst den Ta-
rifvertragsparteien vorbehalten, eine verfassungskonforme Neuregelung
zu treffen. In diesem Zusammenhang haben diese zugleich Gelegenheit,
die Auswirkungen der ausschließlichen Anwendung des Näherungsver-
fahrens erneut zu bedenken.
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III. Die Kostenentscheidung des amtsgerichtlichen Urteils nach
§ 91 Abs. 1 ZPO bleibt im Ergebnis bestehen. Zwar haben die Berufung
und die Revision des Klägers hinsichtlich des erstmals im Revisionsver-
fahren gestellten Hilfsantrages teilweise Erfolg, insoweit gilt jedoch Fol-
gendes: Soweit die Rechtsmittel des Klägers erfolglos geblieben sind,
hat er die Rechtsmittelkosten nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen. Im Übri-
gen beruht die Kostenentscheidung auf § 93 ZPO. Den begründeten
Hilfsantrag des Klägers hat die Beklagte umgehend und damit sofort i.S.
von § 93 ZPO anerkannt. Sie hat insoweit den Rechtsstreit auch nicht
veranlasst, denn bis zur Stellung des Hilfsantrages hatte der Kläger le-
diglich Ansprüche erhoben, die aus den oben stehenden Erwägungen
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nicht begründet waren. Hinsichtlich dieser früheren Klaganträge durfte
die Beklagte deshalb die Abweisung der Klage beantragen, ohne da-
durch zugleich die klageweise Verfolgung des Hilfsantrages i.S. von § 93
ZPO zu veranlassen.
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch
Vorinstanzen:
AG Köln, Entscheidung vom 19.10.2004 - 135 C 707/03 -
LG Köln, Entscheidung vom 13.07.2005 - 20 S 1/05 -