Urteil des BGH vom 22.08.2013

BGH: gesamtstrafe, vollstreckung, freiheitsberaubung, überprüfung, erpressung, anhörung, entscheidungsformel

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 141/13
vom
22. August 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
hier: Revision des Angeklagten T.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerde-
führers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
22. August 2013 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1b, § 357 StPO ein-
stimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Oldenburg vom 14. November 2012, auch soweit es den
Mitangeklagten F. betrifft, aufgehoben, soweit eine nach-
trägliche Gesamtstrafenbildung abgelehnt worden ist, mit der
Maßgabe, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung
über die Gesamtstrafenbildung nach §§ 460, 462 StPO, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, zu treffen ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hatte die Angeklagten T. und F. jeweils we-
gen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und
(mit) räuberischer Erpressung schuldig gesprochen. Den Angeklagten T.
hatte es unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts
Oldenburg vom 2. Juni 2009 zur Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und
neun Monaten, den Angeklagten F. unter Einbeziehung der Freiheitsstra-
fe aus dem Urteil des Amtsgerichts Osnabrück vom 27. November 2008 zu ei-
ner solchen von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.
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Auf die Revisionen der Staatanwaltschaft und der Angeklagten ist dieses
Urteil insgesamt mit den Feststellungen aufgehoben und zu neuer Verhandlung
und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückver-
wiesen worden.
Das Landgericht hat die Angeklagten nunmehr jeweils wegen gefährli-
cher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung zur Freiheitsstrafe
von einem Jahr und drei Monaten (T. ) bzw. von einem Jahr und sechs Mo-
naten (F. ) verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte T. mit
seiner in allgemeiner Form erhobenen Sachrüge. Das Rechtsmittel hat den aus
der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg, gemäß § 357 StPO auch hin-
sichtlich des Mitangeklagten F. ; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne
von § 349 Abs. 2 StPO.
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat
zum Schuld- und Einzelstrafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des
Angeklagten ergeben. Das Urteil hat hingegen keinen Bestand, soweit es das
Landgericht - anders als im ersten Urteil - abgelehnt hat, mit den Einzelstrafen
aus dem Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 2. Juni 2009 nachträglich eine
Gesamtstrafe zu bilden (§ 55 Abs. 1 Satz 1 StGB). Die hieraus folgende Teil-
aufhebung des angefochtenen Urteils erstreckt sich auch auf den Nichtreviden-
ten F. , weil das Urteil auch ihn betreffend an demselben materiellrechtli-
chen Fehler leidet.
Das Landgericht hat ausgeführt, dass bei beiden Angeklagten aufgrund
der zwischenzeitlichen vollständigen Vollstreckung der im ersten Urteil einbe-
zogenen Vorstrafen, bei dem Angeklagten F. die Freiheitsstrafe von
sechs Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Osnabrück vom 27. November
2008, bei dem Angeklagten T. zwei Freiheitsstrafen von jeweils zwei Jah-
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ren aus dem Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 2. Juni 2009, eine erneute
Gesamtstrafenbildung nicht mehr vorzunehmen sei und die Angeklagten des-
wegen nicht in den Vorteil der Regelung des § 55 StGB kommen könnten. Das
Landgericht hat als Ausgleich hierfür bei beiden Angeklagten einen (unbeziffer-
ten) Härteausgleich vorgenommen.
Die Annahme des Landgerichts, dass mit den im ersten Urteil jeweils
einbezogenen Vorstrafen wegen deren zwischenzeitlichen Vollstreckung eine
Gesamtstrafe aus diesen und den durch das angefochtene Urteil verhängten
Strafen gemäß § 55 Abs. 1 StGB nachträglich nicht mehr gebildet werden kann,
hält der rechtlichen Prüfung nicht stand.
Nach Aufhebung einer Gesamtstrafe und Zurückverweisung der Sache
an das Tatgericht hat die (erneute) Bildung einer Gesamtstrafe gemäß § 55
Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich nach Maßgabe der Vollstreckungssituation
zum Zeitpunkt der ersten Entscheidung zu erfolgen (st. Rspr.; vgl. nur BGH,
Beschluss vom 20. Dezember 2011 - 3 StR 374/11, NStZ-RR 2012, 106). Dies
gilt nicht nur in dem Fall, in dem die Urteilsaufhebung gerade wegen fehlerhaft
unterbliebener nachträglicher Gesamtstrafenbildung erfolgt ist. Vielmehr ist es
so regelmäßig auch in anderen Fällen der Gesamtstrafenaufhebung zu verfah-
ren (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2004 - 2 StR 170/04, BGHR StGB § 55
Abs. 1 Einbeziehung 9; LK/Rissing-van Saan, StGB, 12. Aufl., § 55 Rn. 25
mwN). Weiter gilt nichts anderes, wenn - wie hier - das erste Urteil nicht allein
auf die Revision des Angeklagten, sondern auch auf die der Staatsanwaltschaft
aufgehoben worden ist. Denn auch in diesem Fall soll einem Revisionsführer
der durch eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung erlangte Rechtsvorteil nicht
durch sein Rechtsmittel genommen werden.
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Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO Ge-
brauch gemacht. Die Kosten- und Auslagenentscheidung war dem Verfahren
gemäß §§ 460, 462 StPO vorzubehalten.
Schäfer Hubert Mayer
Gericke
Ri'inBGH Dr. Spaniol ist
urlaubsbedingt ortsabwesend
und deshalb an der Unterschrift
gehindert.
Schäfer
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