Urteil des BGH vom 30.06.2004

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 321/03
Verkündet am:
30. Juni 2004
P o t s c h ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
CISG Art. 40
Zur Frage der Darlegungs- und Beweislast für die Kenntnis bzw. grobe fahrlässige
Unkenntnis des Verkäufers in Bezug auf die Vertragswidrigkeit der gelieferten Ware.
BGH, Urteil vom 30. Juni 2004 - VIII ZR 321/03 - OLG Celle
LG Stade
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. Juni 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter
Dr. Beyer, Wiechers, Dr. Wolst sowie die Richterin Hermanns
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Celle vom 24. September 2003 aufgeho-
ben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten über einen Schadensersatzanspruch, mit dem die
Beklagte gegen eine nach Grund und Höhe unstreitige Kaufpreisforderung der
Klägerin aufgerechnet hat.
Die Klägerin, eine in Spanien ansässige Gesellschaft, und die Beklagte,
die ihren Sitz in L. hat und Gewürze herstellt und vertreibt, stehen seit
längerem in laufender Geschäftsbeziehung. Am 28. Februar 2001 lieferte die
Klägerin an die Beklagte Paprikapulver und Öl zu einem Gesamtbetrag von
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30.816 €. Die Beklagte hat diese Forderung nach Grund und Höhe anerkannt,
jedoch in Höhe der Klageforderung mit einer Schadensersatzforderung wegen
angeblicher Vertragswidrigkeit einer früher gelieferten Ware aufgerechnet. Die
Aufrechnungsforderung beruht auf folgendem Sachverhalt:
Im September 2000 erfolgte eine Lieferung von 5.000 Kilogramm "Papri-
ka-Edelsüß", die nach den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen
nicht bestrahlt sein sollte. Die Beklagte überprüfte die Ware nach der Anliefe-
rung lediglich auf den Reinheitsgrad; von der Untersuchung auf eine Strahlen-
belastung sah sie ab, weil diese Maßnahme sehr aufwendig und kostenintensiv
ist und deshalb nicht zu den regelmäßig vorgenommenen Laboruntersuchun-
gen gehört. Anschließend verarbeitete sie das Paprikapulver durch Mischung
mit einem Anteil "Chillie" zu dem Artikel "Paprika, scharf, gemahlen" und ver-
kaufte es im Dezember 2000 an eine ihrer Abnehmerinnen weiter. Mit Ein-
schreiben vom 26. März 2001 rügte die Beklagte der Klägerin gegenüber, das
im September 2000 gelieferte Paprikapulver sei bestrahlt gewesen. Mit Schrei-
ben vom 20. April 2001 bezifferte sie den ihr entstandenen Schaden
- Ersatzleistung an ihre Kundin, Gutachtenskosten und Nebenkosten - auf ins-
gesamt 65.309,48 DM; später ermäßigte sie ihre Schadensersatzforderung auf
41.613,48 DM.
Die Beklagte behauptet, die Ware sei bestrahlt gewesen; Anhaltspunkte
hierfür habe sie erst durch einen Bericht in einer Testzeitschrift bekommen.
Auch mit ihrer Abnehmerin habe sie die Lieferung unbestrahlter Ware verein-
bart. Auf Anfrage habe die Klägerin am 8. Januar 2001 erklärt, die Ware sei
nicht bestrahlt worden. Eine Laboruntersuchung von vier Proben der von der
Klägerin gelieferten Ware habe jedoch ausweislich der Prüfberichte vom
22. Januar, 5. Februar und 20. Februar 2001 jeweils den Nachweis einer Strah-
lenbelastung erbracht.
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Das Landgericht hat der auf die volle Kaufpreisforderung gerichteten
Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das
Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision
verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat dahin stehen lassen, ob das von der Klägerin
gelieferte Paprikapulver tatsächlich bestrahlt war, und ausgeführt: Die von der
Beklagten erhobene Rüge sei nach der hier maßgebenden Bestimmung des
Art. 39 Abs. 1 CISG verspätet gewesen, so daß die Beklagte das Recht verlo-
ren habe, sich auf eine Vertragswidrigkeit der Ware zu berufen. Die Beklagte
habe bereits seit dem Prüfbericht vom 22. Januar 2001 gewußt, daß das Pulver
bestrahlt gewesen sei; dennoch habe sie sich mit ihrer Rüge bis zum 26. März
2001 Zeit gelassen. Da die angemessene Rügefrist etwa zwei Wochen betrage,
sei die Beanstandung zu spät erfolgt. Die Beklagte habe für diese Verspätung
keine Entschuldigungsgründe im Sinne des Art. 44 CISG vorgetragen. Schließ-
lich könne sich die Beklagte auch nicht auf Art. 40 CISG berufen, weil sie nicht
den ihr obliegenden Beweis dafür angeboten habe, daß die Klägerin die Be-
strahlung des Paprikapulvers gekannt habe oder hätte kennen müssen. Die
Klägerin sei nicht zur Überprüfung der Ware verpflichtet gewesen, weil derartige
Labortests nach dem Vortrag der Beklagten wirtschaftlich unzumutbar seien.
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II.
Diese Erwägungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht in vollem
Umfang stand.
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, daß sich
etwaige Rechte der Beklagten wegen der behaupteten Vertragswidrigkeit der
Ware nach den Bestimmungen des UN-Kaufrechts (CISG) richten, weil die Par-
teien ihren Sitz jeweils in einem Vertragsstaat des Übereinkommens haben
(Art. 1 Abs. 1 Buchst. a CISG). Zu Recht ist es weiter davon ausgegangen, daß
gemäß Art. 39 Abs. 1 CISG der Käufer das Recht, sich auf eine Vertragswidrig-
keit der Ware (Art. 36 CISG) zu berufen, verliert, wenn er sie dem Verkäufer
nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach dem Zeitpunkt, in dem er sie
festgestellt hat oder hätte feststellen müssen, anzeigt und dabei die Art der Ver-
tragswidrigkeit genau bezeichnet. Zuzustimmen ist dem Berufungsgericht
schließlich auch darin, daß die Rügefrist im vorliegenden Fall zwar nicht vor
dem Eingang des Testberichts vom 22. Januar 2001 zu laufen begonnen hat,
weil - wovon das Oberlandesgericht stillschweigend ausgegangen ist - eine
vorherige routinemäßige Untersuchung des Paprikapulvers wegen des damit
verbundenen Aufwandes für die Beklagte wirtschaftlich nicht zumutbar war, daß
der danach verstrichene Zeitraum von mehr als zwei Monaten aber nicht mehr
als angemessene Frist im Sinne des Art. 39 Abs. 1 CISG anzusehen ist.
2. Dem Berufungsgericht kann jedoch nicht gefolgt werden, soweit es
nach den bisherigen Feststellungen und dem revisionsrechtich zugrunde zu
legenden Vorbringen der Beklagten die Voraussetzungen des Art. 40 CISG ver-
neint. Nach dieser Vorschrift kann sich der Verkäufer auf die Verspätung einer
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Mängelrüge (Art. 39 CISG) nicht berufen, wenn die Vertragswidrigkeit der Ware
auf Tatsachen beruht, die er kannte oder über die er nicht in Unkenntnis sein
konnte.
a) Das Oberlandesgericht meint, es sei der Klägerin nicht verwehrt, sich
auf die Verspätung der Rüge zu berufen, weil die Beklagte keinen Beweis dafür
angeboten habe, daß die Klägerin die (angebliche) Vertragswidrigkeit der Ware
gekannt habe oder hätte kennen müssen. Richtig ist, daß im Grundsatz die Be-
weislast für die Bösgläubigkeit des Verkäufers den Käufer trifft; denn, wie der
Senat entschieden hat, folgt das CISG, auch soweit es die Beweislast nicht
ausdrücklich festlegt, dem Regel-Ausnahme-Prinzip (Senatsurteil vom 9. Janu-
ar 2002 - VIII ZR 304/00, NJW 2002, 1651 = WM 2002, 1022 unter II 2 b
m.w.Nachw.). In der Rechtsprechung der Instanzgerichte überwiegen ebenfalls
die Entscheidungen, die sich im Ergebnis für eine Beweislast des Käufers aus-
sprechen (OLG Karlsruhe, BB 1998, 393, 395; OLG München, Transp.R-IHR
1999, 20, 22; OLG Koblenz, OLGR Koblenz 1999, 49, 50). Beweislastfragen im
Rahmen des Art. 40 CISG waren auch Gegenstand mehrerer ausländischer
Entscheidungen (Schiedsgericht der Handelskammer Stockholm, Entscheidung
vom 5. Juni 1998, www.cisg-online.ch 379; Arrondissementsrechtbank
Roermond/Niederlande, Urteil vom 19. Dezember 1991, CISG-online 29,
900336; ICC International Court of Arbitration, CISG-online 705; Ontario
Superior Court of Justice (Kanada), IHR 2001, 46).
Auch nach der herrschenden Meinung im Schrifttum liegt die Beweislast
für die tatsächlichen Voraussetzungen grundsätzlich beim Käufer, weil er die
Rechtsfolgen der Art. 38 f. CISG abwenden will (Bamberger/Roth/Saenger,
BGB, Bd. 3, Art. 40 CISG, Rdnr. 6; Baumgärtel/Laumen/Hepting, Handbuch der
Beweislast im Privatrecht, 2. Aufl., Bd. 2, Art. 40 WKR Rdnr. 1; Schlechtriem/
Schwenzer, CISG, 3. Aufl., Art. 40 Rdnr. 12).
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b) Für Fälle der vorliegenden Art bedeutet dies zunächst, daß grundsätz-
lich der Käufer die tatsächlichen Voraussetzungen des Art. 40 CISG darzutun
und gegebenenfalls zu beweisen hat, da er sich auf die Ausnahme von der
(Regel-) Bestimmung des Art. 39 CISG über den Verlust des Rügerechts beruft.
Das Berufungsgericht hat jedoch nicht ausreichend berücksichtigt, daß eine
Ausnahme im Einzelfall unter dem Gesichtspunkt der Beweisnähe oder dann
zuzulassen ist, wenn eine Beweisführung mit unzumutbaren Beweisschwierig-
keiten für den Käufer verbunden wäre.
Für den Geltungsbereich des CISG ist anerkannt, daß eine strikte An-
wendung des Regel-Ausnahme-Prinzips zu Ungerechtigkeiten führen kann und
daß deshalb eine Korrektur nach den genannten Grundsätzen geboten ist (vgl.
Baumgärtel/Laumen/Hepting aaO Rdnr. 28 bis 30 vor Art. 1 WKR; Staudin-
ger/Magnus (1999) Art. 4 CISG Rdnr. 69; Schlechtriem/Ferrari aaO Art. 4
Rdnr. 51), wobei jedoch Zurückhaltung angebracht ist. Das Gesetz trägt diesem
Gesichtspunkt im Rahmen des Art. 40 CISG dadurch Rechnung, daß es nicht
ausnahmslos den Nachweis einer Kenntnis des Verkäufers von den der Ver-
tragswidrigkeit zugrundeliegenden Tatsachen verlangt, sondern es genügen
läßt, daß der Verkäufer über jene Tatsachen "nicht in Unkenntnis sein konnte";
damit erfaßt Art. 40 CISG auch Fälle grob fahrlässiger Unkenntnis (Achilles,
Kommentar zum UN-Kaufrechtsübereinkommen (CISG), Art. 40 Rdnr. 1;
Soergel/Lüderitz, 12. Aufl., EKG Art. 40 Rdnr. 1; Soergel/Lüderitz/Schüßler-
Langeheine, 13. Aufl., CISG Art. 40 Rdnr. 1, 2). Der erforderliche Beweis kann
sich unter Umständen schon aus der Art des Mangels selbst ergeben, so daß
bei groben Abweichungen von der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit gro-
be Fahrlässigkeit vermutet wird, wenn sich die Vertragswidrigkeit im Bereich
des Verkäufers ereignet hat (Achilles, aaO Art. 40 Rdnr. 4; Soergel/Lüderitz
aaO, Art. 40 EKG Rdnr. 1, vgl. auch Soergel/Lüderitz/Schüßler-Langeheine,
aaO Art. 40 CISG Rdnr. 3; Staudinger/Magnus aaO Art. 40 Rdnr. 13). Nach den
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genannten Grundsätzen kann es geboten sein, die Beweisführungslast des
Käufers bei Vorliegen einer groben Vertragswidrigkeit und im Hinblick auf den
Gesichtspunkt der Beweisnähe zur Vermeidung unzumutbarer Beweisschwie-
rigkeiten einzuschränken.
c) Im gegebenen Fall erlaubt die Art der revisionsrechtlich zu unterstel-
lenden Vertragswidrigkeit jedenfalls für sich allein keine Rückschlüsse auf eine
Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin hiervon; denn die
Strahlenbelastung des Paprikapulvers war äußerlich nicht feststellbar und nur
mit aufwendigen Laboruntersuchungen zu ermitteln. Dies wirkt sich bei der Prü-
fung der Frage, ob ein grobes Fehlverhalten der Klägerin anzunehmen ist, zu
ihren Gunsten aus. Jedoch erscheint es nach den bisherigen Feststellungen
und unter Berücksichtigung des von der Revision in bezug genommenen Tat-
sachenvorbringens der Beklagen nicht ausgeschlossen, daß ihr unter dem Ge-
sichtspunkt der Beweisnähe der Klägerin und der Unzumutbarkeit einer eigenen
vollen Beweisführung in angemessener Weise, die auch auf die Belange der
Klägerin Rücksicht nimmt, Beweiserleichterungen zu gewähren sind.
Die Beklagte wird zwar zunächst den vollen Beweis dafür zu erbringen
haben, daß die von der Klägerin gelieferte Ware bestrahlt war; dies setzt vor-
aus, daß es sich bei dem von der Laboruntersuchung erfaßten Material um das
von der Klägerin gelieferte Paprikapulver gehandelt hat - was die Klägerin
bestritten hat - und daß die Ware, dem Vortrag der Beklagten entsprechend,
weder in ihrem, der Beklagten, Bereich noch im Bereich ihrer Abnehmerin be-
strahlt worden ist. Sollten sich diese Behauptungen der Beklagten als richtig
herausstellen, wäre ihr aber mit dem Nachweis der Vertragswidrigkeit zugleich
der Beweis für ihre Behauptung gelungen, daß das Pulver entweder im Betrieb
der Klägerin oder bei deren Vorlieferantin bestrahlt worden ist. Dazu, auf wel-
che dieser beiden noch in Betracht kommenden, nicht in ihren Verantwortungs-
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bereich fallenden Ursachen die Vertragswidrigkeit des Paprikapulvers zurückzu-
führen ist, sind der Beklagten jedoch aus eigener Kenntnis Angaben nicht mög-
lich. Zu den inneren Betriebsabläufen der Klägerin könnte sie allenfalls eine
Behauptung "ins Blaue hinein" aufstellen; von ihr als außenstehender Käuferin
sind hinreichende Kenntnisse über die internen Produktionsbedingungen ihrer
Verkäuferin, die die gelieferte Ware hergestellt oder bearbeitet hat, nicht zu er-
warten. Dagegen ist es der Klägerin als Verkäuferin ohne weiteres möglich, sich
hierzu zu erklären. In diesem Zusammenhang hat die Klägerin unter Zeugen-
beweis vorgetragen, daß das Paprikapulver in ihrem Unternehmen nicht be-
strahlt worden ist und daß dies schon deshalb ausscheidet, weil sie nicht über
die entsprechenden Geräte verfügt. Für ihre gegenteiligen Behauptungen wird
die Beklagte, wenn ihr der Beweis der Bestrahlung der Ware vor Anlieferung
gelungen ist, die Beweismittel der Klägerin aufzugreifen haben. Ist die Bestrah-
lung des Paprikapulvers tatsächlich im Betrieb der Klägerin erfolgt, könnte sich
diese, falls es sich um ein bloßes Versehen handelt, auf ein nur leicht fahrlässi-
ges Verhalten lediglich dann berufen, wenn sie ausreichend erklären könnte,
wie es trotz entsprechender Vorkehrungen zu einem derart gewichtigen Fehler
in ihrem Betrieb gekommen und aus welchem Grunde ihr dies nicht zur Kennt-
nis gelangt ist; denn der Verkäuferin, in deren Bereich sich die Vertragswidrig-
keit ereignet hat, ist die Darlegungslast dafür aufzuerlegen, weshalb ihr ein der-
artig gewichtiger Fehler unterlaufen ist und dies in ihrem Betrieb unbemerkt
bleiben konnte (vgl. Senat, Urteil vom 5. Juli 1989 - VIII ZR 123/88, NJW 1989,
3097 unter 2 d zu Art. 40 EKG).
Etwas anderes müßte unter dem Gesichtspunkt der grob fahrlässigen
Unkenntnis gelten, wenn bereits das Rohmaterial, das die Klägerin von ihrem
Vorlieferanten bezogen hat, belastet gewesen ist. Zwar wäre in der abredewid-
rigen Lieferung des bestrahlten Pulvers an die Beklagte eine erhebliche Ver-
tragswidrigkeit zu sehen. Hieraus ergeben sich aber nicht bereits Anhaltspunkte
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dafür, daß der Klägerin die Vorbelastung der Ware infolge grober Fahrlässigkeit
unbekannt geblieben ist. Insoweit wäre nämlich wiederum zu berücksichtigen,
daß eine zumindest stichprobenartige Untersuchung des Paprikapulvers auf
eine Bestrahlung wegen des damit verbundenen Aufwandes der Klägerin eben-
sowenig zuzumuten war wie der Beklagten. Eine grobe Fahrlässigkeit wäre
deshalb schon dann nicht gegeben, wenn die Klägerin darlegen könnte, daß sie
durch geeignete sonstige Vorkehrungen, zum Beispiel entsprechende vertragli-
che Abreden mit ihrem Lieferanten, Sorge dafür getroffen hat, daß für die Be-
stellung der Beklagten nur unbelastetes Rohmaterial verwendet würde.
3. Ist mithin nach den bisherigen Feststellungen nicht auszuschließen,
daß das an die Beklagte gelieferte Paprikapulver - ihrem von der Revision in
bezug genommenen Vortrag entsprechend, wonach eine Bestrahlung im Be-
trieb der Klägerin oder bei deren Vorlieferantin erfolgt sein soll - im Zeitpunkt
des Gefahrübergangs entgegen den vertraglichen Vereinbarungen bestrahlt
war, und ist weiter unter Zugrundelegung des Beklagtenvorbringens davon aus-
zugehen, daß diese Vertragswidrigkeit der Klägerin nicht hätte verborgen blei-
ben dürfen, könnte sich die Klägerin gemäß Art. 40 CISG auf die Verspätung
der Rüge der Beklagten nicht berufen. Infolgedessen würde die von der Beklag-
ten erklärte Aufrechnung mit ihrer Schadensersatzforderung gegen die Kauf-
preisforderung der Klägerin durchgreifen.
III.
Nach alledem kann die angefochtene Entscheidung nicht bestehen blei-
ben, weil es nach dem oben Gesagten zur Entscheidung des Rechtsstreits
noch weiterer Aufklärung bedarf. Auf die Revision der Beklagten ist deshalb das
Berufungsurteil aufzuheben, und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Ent-
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scheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). In
der neuen Berufungsverhandlung werden die Parteien Gelegenheit haben, ihr
Vorbringen zu den hier dargelegten tatsächlichen und rechtlichen Gesichts-
punkten zu ergänzen.
Dr. Deppert
Dr. Beyer
Wiechers
Dr. Wolst
Hermanns