Urteil des BGH vom 15.11.2001
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 403/01
Verkündet am:
11. März 2003
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:                   ja
BGHR:                   ja
_____________________
GG Art. 1 Abs. 3, 3 Abs. 1, 21
BGB § 134
AGB Sparkassen Nr. 26 Abs. 1
a) Sparkassen  sind  als  Anstalten  des  öffentlichen  Rechts  im  Bereich  staatlicher
Daseinsvorsorge unmittelbar an die Grundrechte (Art. 1-19 GG) gebunden.
b) Die  ohne  sachgerechten  Grund  erklärte  Kündigung  eines  Girovertrages
durch  eine  Sparkasse  gemäß  Nr. 26  Abs. 1  AGB  Sparkassen  verstößt
gegen  das  in  Art. 3  Abs. 1  GG  zum  Ausdruck  kommende  Willkürverbot
und ist gemäß § 134 BGB nichtig.
c) Eine  Sparkasse  kann  ihren  Girovertrag  mit  einer  politischen  Partei  nicht
mit  der  Begründung,  diese  verfolge  verfassungsfeindliche  Ziele,  kündi-
gen,  solange  das  Bundesverfassungsgericht  die  Verfassungswidrigkeit
der Partei nicht festgestellt hat.
BGH, Urteil vom 11. März 2003 - XI ZR 403/01 - OLG Dresden
LG Leipzig
- 2 -
Der  XI. Zivilsenat  des  Bundesgerichtshofes  hat  auf  die  mündliche  Ver-
handlung vom 11. März 2003 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, die
Richter  Dr. Bungeroth,  Dr. Joeres,  die  Richterin  Mayen  und  den  Richter
Dr. Appl
für Recht erkannt:
Die  Revision  gegen  das  Urteil  des  7. Zivilsenats  des
Oberlandesgerichts  Dresden  vom  15. November  2001
wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der  Kläger,  der  Landesverband  S.  der  NPD,  nimmt  die  beklagte
Sparkasse  auf  Fortführung  eines  Girokontos,  hilfsweise  auf  Feststellung
der  Unwirksamkeit  der  Kündigung  des  Girovertrages  und  der  Rechtswid-
rigkeit der Auflösung des Kontos, in Anspruch.
Der Kläger ließ am 23. März 1999  ein  Girokonto  bei  der  Beklagten
eröffnen.  Am  21. August  2000  berichtete  das  ARD-Magazin  "Report"  im
Zusammenhang  mit  der  öffentlichen  Diskussion  über  einen  Verbotsan-
trag gegen die NPD über Geschäfte dieser Partei mit Kreditinstituten. Die
Beklagte  kündigte  am  22. August  2000  unter  Bezugnahme  auf  Nr. 26
Abs. 1 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen ohne Angabe von Grün-
- 3 -
den die Geschäftsbeziehung mit dem Kläger. In einem als "Offener Brief"
bezeichneten  Schreiben  vom  29. August  2000  teilte  der  Kläger  der  Be-
klagten  u.a.  mit,  daß  er  diese  Handlungsweise  weder  vergessen  noch
akzeptieren  werde  und  mit  juristischen  Mitteln  dagegen  vorgehen  wolle.
In  dem  daraufhin  eingeleiteten  Verfahren  auf  Erlaß  einer  einstweiligen
Verfügung machten die Prozeßbevollmächtigten des Klägers geltend, die
Kündigung  sei  sittenwidrig  und  verstoße  gegen  mehrere  Straftatbestän-
de.  Wegen  dieser  Äußerungen  erklärte  die  Beklagte  am  26.  und
27. September  2000  die  fristlose  Kündigung.  Am  9. April  2001  stellte  sie
die Fortführung des Kontos vorübergehend ein.
Die  Beklagte  hat  die  ordentliche  Kündigung  mit  einer  verfas-
sungsfeindlichen  Zielsetzung  der  NPD  und  des  Klägers  begründet,  auf
den Verbotsantrag der Bundesregierung vom  29. Januar  2001  verwiesen
und  geltend  gemacht,  die  Fortführung  des  Kontos  sei  ihr  wegen  eines
drohenden Imageschadens nicht zumutbar.
Das  Landgericht  hat  die  Beklagte  zur  Fortführung  des  Kontos  ver-
urteilt.  Das  Berufungsgericht  (W M 2002,  486 =  NJW 2002,  757)  hat  den
Hauptantrag  der  Klage  abgewiesen  und  auf  den  Hilfsantrag  festgestellt,
daß  der  Girovertrag  durch  die  Kündigungen  vom  22. August  2000  sowie
vom  26.  und  27. September  2000  nicht  beendet  worden  ist  und  daß  die
Auflösung  des  Girokontos  rechtswidrig  war.  Mit  der  Revision  verfolgt  die
Beklagte ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter.
- 4 -
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nicht begründet.
I.
Das  Berufungsgericht  hat  zur  Begründung  seiner  Entscheidung,
soweit es der Klage stattgegeben hat, im wesentlichen ausgeführt:
Der  Kläger  habe  ein  rechtliches  Interesse  an  der  Feststellung  der
Unwirksamkeit  der  Kündigungen  und  der  Rechtswidrigkeit  der  Kontoauf-
lösung.
Die ordentliche Kündigung  vom  22. August  2000  sei  als  unzulässi-
ge  Rechtsausübung  im  Sinne  des  § 242  BGB  unwirksam,  weil  sie  allein
wegen  der  politischen  Zielsetzung  des  Klägers  ausgesprochen  worden
sei.  Bei  der  Anwendung  des  § 242  BGB  sei  die  mittelbare  Drittwirkung
der  Grundrechte  zu  berücksichtigen.  Die  Beklagte  könne  sich  zwar  auf
die durch  Art. 2  Abs. 1  GG  gewährleistete  Privatautonomie  berufen.  Die-
se werde jedoch durch die Grundrechte des Klägers gemäß Art. 5 Abs. 1,
9  Abs. 1  in  Verbindung  mit  Art. 21  Abs. 1  GG  und  sein  Recht  auf  Chan-
cengleichheit  gemäß  Art. 3  Abs. 1,  21  Abs. 1  GG  begrenzt.  Bei  der  Ab-
wägung  dieser  Grundrechtspositionen  gebühre  der  Freiheit  der  politi-
schen Betätigung der Vorrang. Die Betätigung des Klägers als politischer
Partei  vollziehe  sich  außerhalb  des  Giroverhältnisses  der  Parteien.  Der
Kläger  sei  auf  das  Girokonto  essentiell  angewiesen,  um  seine  Aufgaben
erfüllen  zu  können.  Die  Beklagte  nehme  als  Anstalt  des  öffentlichen
- 5 -
Rechts  Aufgaben  der  öffentlichen  Daseinsvorsorge  wahr  und  dürfe  die
Geschäftsbeziehung  zum  Kläger  nicht  allein  wegen  dessen  politischen
Standorts  kündigen.  Die  verfassungsfeindliche  Ausrichtung  des  Klägers
sei  wegen  des  Parteienprivilegs  gemäß  Art. 21  Abs. 2  GG  belanglos,
solange  das  Bundesverfassungsgericht  die  NPD  nicht  für  verfassungs-
widrig  erklärt  habe.  Auf  einen  Imageschaden  könne  die  Beklagte  sich
nicht berufen, weil  die  bloße Führung  eines  Girokontos  auf  Guthabenba-
sis  in  der  Öffentlichkeit  nicht  als  Förderung  der  politischen  Ziele  des
Kontoinhabers verstanden werde.
Die  ordentliche  Kündigung  vom  22. August  2000  sei  auch  deshalb
unwirksam, weil dem Kläger der Abschluß eines neuen Girovertrages mit
einem  anderen  Kreditinstitut  nicht  möglich  und  der  Beklagten  die  Auf-
rechterhaltung  der  Geschäftsverbindung  zumutbar  sei.  Der  Kläger  habe
Schreiben  zahlreicher  Kreditinstitute  vorgelegt,  die  den  Abschluß  eines
Girovertrages  abgelehnt  hätten.  Daß  der  Kläger  über  ein  anderes  Giro-
konto  verfüge,  sei  nicht  ersichtlich.  Die  Beklagte  habe  die  Geschäftsbe-
ziehung  zum  Kläger  erst  am  23. März  1999  aufgenommen,  als  die  politi-
schen Aktivitäten des Klägers bereits Gegenstand öffentlicher Diskussio-
nen gewesen seien.
Die  außerordentlichen  Kündigungen  vom  26.  und  27. September
2000 seien unwirksam, weil kein wichtiger Grund zur Kündigung vorliege.
Das  Schreiben  des  Klägers  vom  29. August  2000  sei  nicht  als  verhüllte
Drohung zu verstehen. Der Vorwurf, die Beklagte habe gegen Straftatbe-
stände  verstoßen,  sei  als  Wahrnehmung  prozessualer  Rechte  gemäß
§ 193 StGB gerechtfertigt.
- 6 -
II.
Diese  Ausführungen  halten  rechtlicher  Überprüfung  im  Ergebnis
stand.
1.  Der  Kläger  hat,  wie  das  Berufungsgericht  rechtsfehlerfrei  ange-
nommen hat und die Revision nicht in Zweifel zieht, ein rechtliches Inter-
esse  im  Sinne  des  § 256  Abs. 1  ZPO  an  den  mit  dem  Hilfsantrag  be-
gehrten Feststellungen.
2. Der Feststellungsantrag ist auch in der Sache begründet.
a)  Die  Kündigung  vom  22. August  2000  verstößt  gegen  das  in
Art. 3  Abs. 1  GG  zum  Ausdruck  kommende  Willkürverbot  und  ist  gemäß
§ 134  BGB  nichtig  (vgl.  zur  Anwendbarkeit  des  § 134  BGB  auf  Grund-
rechtsverstöße:
BGHZ 65,
284,
287;
MünchKomm/Mayer-Maly/
Armbrüster, BGB 4. Aufl. § 134 Rdn. 33).
aa)  Das  Vertragsverhältnis  zwischen  den  Parteien  unterliegt,  an-
ders  als  das  Berufungsgericht  meint,  nicht  nur  einer  mittelbaren  Drittwir-
kung  der  Grundrechte.  Die  Beklagte  ist  vielmehr  unmittelbar  an  die
Grundrechte gebunden (vgl. Boemke JuS 2001, 444, 446; Brömmelmeyer
WuB I A  3  Nr. 26  AGB-Sparkassen  1993  - 1.02),  ohne  selbst  grund-
rechtsfähig zu sein (BVerfGE 75, 192, 197).
Gemäß  Art. 1  Abs. 3  GG  binden  die  Grundrechte  die  vollziehende
Gewalt  als  unmittelbar  geltendes  Recht.  Sparkassen  sind  als  Anstalten
- 7 -
des  öffentlichen  Rechts  im  Bereich  staatlicher  Daseinsvorsorge  Teil  der
vollziehenden  Gewalt  (BVerfGE 75,  192,  197 ff.;  BGH,  Urteil  vom
10. März  1983  - 4 StR 375/82,  NJW 1983,  2509,  2511;  BVerwGE 41,
195,  196 f.;  NRWVerfGH  NVwZ 1987,  211,  212;  BayVerfGH  DVBl. 1986,
39,  41).  Der  Auftrag  der  Beklagten  zur  Daseinsvorsorge  ergibt  sich  aus
§ 2 Abs. 1 Satz 1 SächsSparkG. Danach haben Sparkassen die Aufgabe,
in ihrem Geschäftsbereich die  Versorgung  mit  geld-  und  kreditwirtschaft-
lichen  Leistungen  sicherzustellen.  Dazu  gehört  auch  die  Eröffnung  der
Teilnahme  am  bargeldlosen  Zahlungsverkehr  durch  die  Führung  von  Gi-
rokonten.
Daß  die  Beklagte  ihre  Aufgaben  der  Daseinsvorsorge  mit  Mitteln
des Privatrechts erfüllt und der Girovertrag zwischen den Parteien privat-
rechtlicher  Natur  ist,  ändert  an  der  unmittelbaren  Grundrechtsbindung
der  Beklagten  nichts.  Die  öffentliche  Hand  ist  auch  dann  unmittelbar  an
die Grundrechte gebunden, wenn sie öffentliche Aufgaben in  privatrecht-
lichen Rechtsformen wahrnimmt (BGHZ 29, 76, 80; 33, 230, 233; 36,  91,
95 f.; 37, 1, 27; 52, 325, 328; 65, 284, 287; 91, 84, 96 f.).
bb)  Die  Kündigung  vom  22. August  2000  ist  mit  Art. 3  Abs. 1  GG
nicht vereinbar.
(1)  Die  Grundrechtsverletzung  ergibt  sich  allerdings  nicht  bereits
aus  einem  Verstoß  gegen  das  durch  Art. 3  GG  in  Verbindung  mit  Art. 21
GG gewährleistete Recht politischer Parteien auf Chancengleichheit (vgl.
BVerfGE 104,  14,  19 f.  m.w.Nachw.).  Nach  § 5  Abs. 1  Satz 1  ParteiG
sollen  alle  Parteien  gleich  behandelt  werden,  wenn  ein  Träger  öffentli-
cher  Gewalt  politischen  Parteien  Einrichtungen  zur  Verfügung  stellt  oder
- 8 -
andere  öffentliche  Leistungen  gewährt.  Dies  gilt  auch  für  die  Eröffnung
der  Teilnahme  am  bargeldlosen  Zahlungsverkehr  aufgrund  eines  Giro-
vertrages  (OVG  Hamburg,  Beschluß  vom  16. September  2002  - 1 Bs
243/02,  Umdr.  S. 10).  Ein  Anspruch  auf  Gleichbehandlung  setzt  aber
voraus,  daß  eine  bestimmte  Leistung  einer  anderen  Partei  tatsächlich
erbracht wird. Daran fehlt es hier. Das Berufungsgericht hat nicht festge-
stellt,  daß  die  Beklagte  ein  Girokonto  für  eine  andere  politische  Partei
führt. Der Kläger hat dies auch nicht geltend gemacht.
(2)  Auch  eine  Ungleichbehandlung  des  Klägers  im  Verhältnis  zu
anderen  Girokunden  der  Beklagten  verstößt  nicht  gegen  Art. 3  Abs. 1
GG.  § 5  Abs. 1  Satz 1  ParteiG  bindet  Träger  öffentlicher  Gewalt  nicht  in
der  Entscheidung,  ob  sie  für  politische  Parteien  bestimmte  Leistungen
erbringen  wollen.  Da  die  Beklagte  gemäß  § 5  SächsSpkVO  nur  gegen-
über  natürlichen  Personen  verpflichtet  ist,  unter  bestimmten  Vorausset-
zungen  Girokonten  zu  führen,  ist  sie  nicht  gehindert,  diesen  Personen-
kreis  und  andere  Personen,  zu  denen  auch  politische  Parteien  zählen,
ungleich zu behandeln.
(3) Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG erschöpft sich nicht in
dem  Verbot  einer  ungerechtfertigten  Ungleichbehandlung  verschiedener
Personen  oder  Personengruppen,  sondern  bringt  als  fundamentales
Rechtsprinzip  ein  Willkürverbot  zum  Ausdruck  (BVerfGE 55,  72,  89;  78,
232,  248;  99,  367, 388;  105,  73,  110;  jeweils  m.w.Nachw.).  Das  Willkür-
verbot ist verletzt, wenn sich bei verständiger Würdigung der das Grund-
gesetz  beherrschenden  Gedanken  ein  sachgerechter  Grund  für  eine
Maßnahme  der  öffentlichen  Gewalt  nicht  finden  läßt  (BVerfGE 55,  72,
- 9 -
89 f.;  78,  232,  248).  Gemessen  hieran  hat  die  Beklagte  mit  der  Kündi-
gung vom 22. August 2000 Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.
(a) Die Beklagte kann sich  zur  Rechtfertigung der  Kündigung  nicht
auf  eine  verfassungsfeindliche  Zielsetzung  des  Klägers  berufen.  Dem
steht  die  Sperrwirkung  des  Art. 21  Abs. 2  Satz 2  GG  entgegen.  Nach
dieser  Bestimmung  entscheidet  über  die  Verfassungswidrigkeit  einer
Partei  das  Bundesverfassungsgericht.  Hierbei  handelt  es  sich  nicht  um
eine  bloße  Zuständigkeitsregelung,  sondern  - in  Verbindung  mit  Art. 21
Abs. 1  GG -  um  eine  Privilegierung  der  politischen  Parteien  gegenüber
anderen  Vereinigungen  und  Verbänden.  Bis  zu  einer  Entscheidung  des
Bundesverfassungsgerichts  kann  deshalb  niemand  die  Verfassungswid-
rigkeit  einer  Partei rechtlich  geltend  machen  (BVerfGE 12,  296,  304;  40,
287, 291).  Die  Partei  soll in ihren  politischen  Aktivitäten  von  jeder  recht-
lichen  Behinderung frei  sein,  solange  sie  mit  allgemein  erlaubten  Mitteln
arbeitet (BVerfGE 13, 123, 126; 39, 334, 357; 40, 287, 291; 47, 130, 139;
BVerfG NJW  2001, 2076, 2077).
Die  Kündigung  vom  22. August  2000  stellt  eine  unzulässige  recht-
liche  Behinderung  dar.  Sie  greift  zwar  nicht  unmittelbar  in  die  politische
Tätigkeit  des  Klägers  ein,  beeinträchtigt  seine  Betätigungsfreiheit  aber
wesentlich.  Der  Kläger  ist  bei  seiner  Arbeit  auf  die  Teilnahme  am  bar-
geldlosen  Zahlungsverkehr  angewiesen.  Anders  kann  er  Zahlungen  von
existentieller  Bedeutung,  nämlich  die  staatliche  Teilfinanzierung  (§ 19
Abs. 1  Satz 2  ParteiG),  nicht  entgegennehmen.  Auch  die  Begleichung
von  Mieten,  Telefongebühren  oder  von  Rechnungen  im  Zusammenhang
mit Parteiveranstaltungen ist in weitem Umfang ohne Girokonto praktisch
nicht durchführbar.
- 10 -
Ob  eine  rechtlich  erhebliche  Behinderung  des  Klägers  ausge-
schlossen  wäre,  wenn  er  ein  Girokonto  bei  einem  anderen  Kreditinstitut
unterhielte  oder  eröffnen  könnte,  bedarf  keiner  Entscheidung.  Das  Be-
rufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, daß dies nicht der Fall ist.
Anders  als  die  Revision  meint,  kann  eine  unzulässige  rechtliche  Behin-
derung  auch  nicht  mit  der  Begründung  verneint  werden,  der  Kläger  kön-
ne ein Treuhandkonto, etwa seines Prozeßbevollmächtigten, in Anspruch
nehmen.
(b)  Die  Beklagte  kann  die  Kündigung  nicht  mit  einem  Imagescha-
den  rechtfertigen,  der  nach  ihrer  Darstellung  bei  Fortführung  der  Ge-
schäftsverbindung  mit  dem  Kläger  droht.  Ein  solcher  Schaden  ist  nach
den  rechtsfehlerfrei  getroffenen  Feststellungen  des  Berufungsgerichts
nicht  zu  erwarten.  Zudem  befürchtet  die  Beklagte  diesen  Schaden  allein
aufgrund  einer  Verfassungsfeindlichkeit  des  Klägers,  die,  wie  dargelegt,
vor  einer  entsprechenden  Entscheidung  des  Bundesverfassungsgerichts
rechtlich nicht geltend gemacht werden kann.
(c)  Auch  die  Forderung  des  Klägers  nach  "Überwindung  der  kapi-
talistischen  Zinswirtschaft"  ist  kein  begründeter  Anlaß  für  eine  Kündi-
gung.  Sie ist  Teil  der  mit  allgemein  erlaubten  Mitteln  arbeitenden  partei-
offiziellen  Tätigkeit,  die  wegen  der  Sperrwirkung  des  Art. 21  Abs. 2
Satz 2  GG  nicht  zum  Anlaß  rechtlicher  Sanktionen  genommen  werden
darf  (vgl.  BVerfGE 40,  287,  291).  Einen  Verstoß  gegen  die  allgemeinen
Strafgesetze,  der  eine  andere  Beurteilung  rechtfertigen  würde,  hat  die
Beklagte nicht dargetan. Anhaltspunkte dafür, daß die Guthaben auf dem
Girokonto  für  verbotene  oder  strafbare  Aktivitäten  genutzt  werden,  oder
- 11 -
daß  die  für  den  Kläger  handelnden  Personen  Straftaten  begangen  ha-
ben, sind nicht vorgetragen.
b)  Die  fristlosen  Kündigungen  vom  26.  und  27. September  2000
sind  unwirksam,  weil,  wie  das  Berufungsgericht  rechtsfehlerfrei  erkannt
hat,  kein  wichtiger  Grund  im  Sinne  der  Nr. 26  Abs. 2  Satz 1  der  Allge-
meinen Geschäftsbedingungen der Beklagten vorliegt.
aa)  Ob  ein  bestimmtes  Verhalten  als  ein  die  fristlose  Kündigung
rechtfertigender  wichtiger  Grund  zu  werten  ist,  ist  weitgehend  eine  Tat-
sachenfrage (BGH, Urteil vom 8. Dezember 1994 - II ZR  9/94, W M 1995,
709,  710).  Die  revisionsrechtliche  Nachprüfung  dieser  Entscheidung  ist
im  wesentlichen  darauf  beschränkt,  ob  das  Berufungsgericht  den
Rechtsbegriff des  wichtigen  Grundes  verkannt  hat,  ob ihm  von  der  Revi-
sion  gerügte  Verfahrensfehler  unterlaufen  sind  und  ob  es  den  Tatsa-
chenstoff  vollständig  gewürdigt  hat  (BGH,  Urteil  vom  17. Januar  2001
- VIII ZR 186/99, WM 2001, 1031, 1032).
bb)  Dieser  Überprüfung  hält  das  Berufungsurteil  stand.  Das  Beru-
fungsgericht  ist  rechtsfehlerfrei  davon  ausgegangen,  daß  ein  wichtiger
Grund zur Kündigung nur vorliegt, wenn bei einer Gesamtwürdigung aller
Umstände  des  Einzelfalles  und  einer  Abwägung  der  Interessen  beider
Vertragsparteien  dem  Kündigenden  die  Fortsetzung  der  Geschäftsbezie-
hung  nicht  zugemutet  werden  kann  (BGH,  Urteile  vom  6. März  1986
- III ZR  245/84,  W M 1986,  605,  606  und  vom  9. November  1992  - II ZR
234/91,  WM 1992,  2142,  2143;  Bunte,  in:  Schimansky/Bunte/Lwowski,
Bankrechts-Handbuch  2. Aufl.  § 24  Rdn. 28;  jeweils  m.w.Nachw.).  Diese
Voraussetzungen  hat  das  Berufungsgericht  unter  vollständiger  Würdi-
- 12 -
gung  der  von  der  Beklagten  vorgetragenen  Tatsachen  rechtsfehlerfrei
verneint.
(1)  Das  Berufungsgericht  hat  in  dem  Schreiben  des  Klägers  vom
29. August  2000  zu  Recht  keine  verhüllte  Drohung  gesehen.  Die  Äuße-
rung,  der  Kläger  werde  die  Handlungsweise  der  Beklagten  nicht  verges-
sen, steht in unmittelbarem Sachzusammenhang mit der Ankündigung, er
werde  mit  juristischen  Mitteln  gegen  die  Kündigung  vorgehen.  Die  An-
drohung  wirtschaftlicher  Sanktionen  oder  körperlicher  Gewalt  kommt
darin nicht zum Ausdruck.
(2) Die vom Kläger im vorausgegangenen Verfahren der einstweili-
gen  Verfügung  vertretene  Auffassung,  die  Kündigung  vom  22. August
2000 verstoße gegen die guten Sitten sowie  gegen  Straftatbestände und
sei  deshalb  nichtig,  war,  wie  das  Berufungsgericht  zutreffend  erkannt
hat, gemäß § 193 StGB gerechtfertigt und stellt deshalb ebenfalls keinen
wichtigen Grund zur Kündigung dar.
cc)  Die  fristlosen  Kündigungen  vom  26.  und  27. September  2000
bleiben auch dann unwirksam, wenn sie gemäß § 140 BGB in ordentliche
Kündigungen  gemäß  Nr. 26  Abs. 1  der  Allgemeinen  Geschäftsbedingun-
gen  der  Beklagten  umgedeutet  werden.  Das  Verhalten  des  Klägers,  in
dem  die  Beklagte  einen  wichtigen  Grund  zur  Kündigung  sieht,  ist,  wie
dargelegt,  rechtlich  nicht  zu  beanstanden  und  stellt  insbesondere  unter
Berücksichtigung  des  Umstands,  daß  der  Kläger  lediglich  auf  vertrags-
widriges  Verhalten  der  Beklagten  reagiert  hat,  keinen  sachgerechten
Grund zur Kündigung des Girovertrages dar.
- 13 -
c) Da die Kündigungen der Beklagten unwirksam sind, hat das Be-
rufungsgericht  zu  Recht  festgestellt,  daß  die  Auflösung  des  Girokontos
rechtswidrig war.
III.
Die  Revision  der  Beklagten  war  daher  als  unbegründet  zurückzu-
weisen.
Nobbe                                        Bungeroth                                 Joeres
Mayen                                                Appl