Urteil des BGH vom 27.10.2008

BGH (antrag, zpo, frist, schuldner, eröffnung, antragsteller, forderung, arbeitnehmer, partei, erklärung)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZA 49/08
vom
24. September 2009
in dem Verfahren auf Eröffnung des Insolvenzverfahren
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, die Richterin Lohmann und den
Richter Dr. Fischer
am 24. September 2009
beschlossen:
Der Antrag des Schuldners auf Prozesskostenhilfe für eine
Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 25. Zivilkammer des
Landgerichts Düsseldorf vom 27. Oktober 2008 wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller, ein ehemals selbständiger Maler und Lackierer, hat am
13. Mai 2008 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen sowie
die Stundung der Verfahrenskosten und Restschuldbefreiung beantragt. Das
von ihm vorgelegte Forderungsverzeichnis wies 19 Gläubiger aus, darunter die
Berufsgenossenschaft. Auf Nachfrage des Insolvenzgerichts hat der - anwaltlich
vertretene - Schuldner die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen eines Regel-
insolvenzverfahrens lägen nicht vor, weil die Forderung der Berufsgenossen-
schaft keine Forderung aus einem Arbeitsverhältnis im Sinne des § 304 Abs. 1
Satz 2 InsO darstelle; vorsorglich hat er die Eröffnung des Regelinsolvenzver-
fahrens beantragt, um Verfahrensverzögerungen zu vermeiden. Im weiteren
Verlauf des Eröffnungsverfahrens hat er den Antrag auf Eröffnung des Regelin-
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solvenzverfahrens zurückgezogen und ausdrücklich nur die Eröffnung des
Verbraucherinsolvenzverfahrens beantragt.
Das Insolvenzgericht hat den Eröffnungsantrag als in der gewählten Ver-
fahrensart unzulässig abgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Schuldners
ist erfolglos geblieben. Nunmehr beantragt der Schuldner persönlich Prozess-
kostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren.
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II.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht
auf Erfolg (§ 114 Satz 1 ZPO).
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1. Die beabsichtigte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil der An-
tragsteller innerhalb der Frist des § 575 Abs. 1 ZPO weder Rechtsbeschwerde
eingelegt noch einen vollständigen Antrag auf Prozesskostenhilfe eingereicht
hat und die Verspätung auch nicht unverschuldet ist (§ 233 ZPO).
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a) Wenn die rechtzeitige Vornahme einer fristwahrenden Handlung - hier:
die Einreichung einer Rechtsbeschwerdeschrift durch einen beim Bundesge-
richtshof zugelassenen Rechtsanwalt - wegen des wirtschaftlichen Unvermö-
gens einer Partei unterbleibt, so ist die Frist unverschuldet versäumt, wenn die
Partei bis zu deren Ablauf einen den gesetzlichen Anforderungen entsprechen-
den Antrag auf Prozesskostenhilfe eingereicht und alles in ihren Kräften Ste-
hende getan hat, damit über den Antrag ohne Verzögerung sachlich entschie-
den werden kann. Dies setzt voraus, dass die Partei innerhalb der Frist nicht
nur den Antrag stellt, sondern auch die für die Bewilligung der Prozesskosten-
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hilfe erforderlichen Unterlagen - insbesondere die Erklärung gemäß § 117
Abs. 2 ZPO nebst Belegen - beibringt (BGH, Beschl. v. 6. Juli 2006 - IX ZA
10/06, FamRZ 2006, 1522; v. 8. Februar 2007 - IX ZB 220/06, Rn. 4; v.
27. September 2007 - IX ZA 20/07, Rn. 2).
b) Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Zwar hat der Antragsteller inner-
halb der Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Anlage zu
seinem Prozesskostenhilfeantrag die Erklärung über die persönlichen und wirt-
schaftlichen Verhältnisse auf einem unterschriebenen Vordruck übermittelt. Der
Antrag war jedoch nicht vollständig ausgefüllt. Belege insbesondere zur Höhe
seines Einkommens fehlten völlig. Die Beifügung der "entsprechenden Belege"
ist dem Antragsteller in § 117 Abs. 2 ZPO ausdrücklich zur Pflicht gemacht. Der
Vordruck verdeutlicht durch Hinweise, welche Angaben im Regelfall besonders
zu belegen sind; der Nachweis über die Bruttoeinnahmen wird hierbei als not-
wendiger Beleg bezeichnet, der - was unbedingt zu beachten sei - beigefügt
werden müsse. Der Antragsteller ist darauf hingewiesen worden, dass er die
Unterlagen bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist beizubringen habe. Dies hat er
nicht fristgerecht getan. Die e-mail, die am letzten Tag der Frist um 21.23 Uhr in
der Poststelle des Bundesgerichtshofs eingegangen ist, war nicht geeignet, die
Frist zu wahren (vgl. BGH, Beschl. v. 15. Juli 2008 - X ZB 8/08, NJW 2008,
2649; v. 4. Dezember 2008 - IX ZB 41/08, WM 2009, 331).
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2. Zudem ist die beabsichtigte Rechtsbeschwerde auch wegen Fehlens
der Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO unzulässig. Die Rechtssache hat
keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts noch
die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung
des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).
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a) Dadurch, dass das Regelinsolvenzverfahren nicht eröffnet worden ist,
ist der Schuldner nicht beschwert, nachdem er in erster Instanz seinen entspre-
chenden (Hilfs-) Antrag ausdrücklich zurückgenommen hat (vgl. BGH, Beschl.
v. 25. September 2008 - IX ZB 233/07, ZInsO 2008, 1324, 1325 Rn. 9; v.
12. Februar 2009 - IX ZB 215/08, NZI 2009, 384, 386 Rn. 11).
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b) Klärungsbedürftige Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Begriff
der "Forderungen aus Arbeitsverhältnissen" im Sinne von § 384 Satz 2 InsO
stellen sich nicht. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist dieser Begriff weit
auszulegen. Er umfasst nicht nur zivilrechtliche Forderungen der Arbeitnehmer
gegen den Schuldner, sondern auch Forderungen auf Zahlung von Sozialversi-
cherungsbeiträgen und Steuern, die durch ein Arbeitsverhältnis veranlasst sind
(BGH, Beschl. v. 22. September 2005 - IX ZB 55/04, ZVI 2005, 598, 600 unter
Hinweis auf BT-Drucks. 14/5680, S. 14). Im vorliegenden Fall betraf die Forde-
rung der Berufsgenossenschaft jedoch nicht einen Arbeitnehmer des Schuld-
ners, sondern den Schuldner selbst, der im fraglichen Zeitraum nicht einmal
Arbeitnehmer beschäftigt hatte. Dass es sich hierbei nicht um eine Forderung
"aus Arbeitsverhältnissen" handeln kann, folgt unmittelbar aus dem Gesetz.
Veröffentlichte instanzgerichtliche Rechtsprechung oder Literatur, die eine ge-
genteilige Ansicht vertreten, gibt es nicht (vgl. etwa Graf-Schlicker/Sabel, InsO
§
304 Rn.
18; Braun/Buck, InsO 3.
Aufl. §
304 Rn.
16). Ob die
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Vorinstanzen im Einzelfall richtig entschieden haben, ist für die Frage der Zu-
lässigkeit der Rechtsbeschwerde nicht von Bedeutung.
Ganter Gehrlein Vill
Lohmann
Fischer
Vorinstanzen:
AG Düsseldorf, Entscheidung vom 26.10.2008 - 512 IK 116/08 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 27.10.2008 - 25 T 692/08 -