Urteil des BGH vom 17.07.2014, 4 StR 78/14
BGH: beweis des gegenteils, rüge, beweisantrag, anklageschrift, urkunde, überzeugung, pauschal, handel, beweismittel, abgabe
- Entschieden
- 17.07.2014
- Schlagworte
- Beweis des gegenteils, Rüge, Beweisantrag, Anklageschrift, Urkunde, überzeugung, Pauschal, Handel, Beweismittel, Abgabe
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 78/ 14
vom
17. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Bestimmens einer Person unter 18 Jahren, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Juli 2014,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt in der Verhandlung,
Richterin am Landgericht bei der Verkündung
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Pflichtverteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Magdeburg vom 26. November 2013 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
1Das Landgericht hat den Angeklagten des „Bestimmens einer Person unter 18 Jahren, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, in Tateinheit
mit gewerbsmäßiger unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren, der gewerbsmäßigen unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren in 14 Fällen, des vorsätzlichen
unerlaubten Besitzes einer verbotenen Waffe und des vorsätzlichen Besitzes
von Arzneimitteln in nicht geringer Menge zu Dopingzwecken im Sport“ schuldig
gesprochen und ihn hierwegen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren
verurteilt. Ferner hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 15.770 € angeordnet. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen
Rechts gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet.
I.
2Nach den Feststellungen veranlasste der Angeklagte Ende August 2011
den, wie er wusste, 16-jährigen P. , 20 Gramm Haschisch,
20 Gramm Marihuana, 20 Gramm Amphetamingemisch und 20 Ecstasy-Tabletten zu von ihm vorab festgelegten Verkaufspreisen gewinnbringend zu veräu-
ßern. Nachdem P. dies gelungen war und er die ebenfalls vom Angeklagten festgelegten Einkaufspreise an diesen erstattet hatte, verkaufte P. anschließend bis Ende Februar 2012 (UA 8) in 14 weiteren Fällen sich sukzessive
erhöhende Rauschgiftmengen gewinnbringend für den Angeklagten. Bei der
Durchsuchung seiner Wohnung am 7. Februar 2013 wurde der Angeklagte im
Besitz eines silberfarbenen Schlagrings und 196 Tabletten, die insgesamt
691,88 mg des verschreibungspflichtigen anabolen Steroids Metandienon enthielten, angetroffen.
II.
3Keine der Verfahrensrügen greift durch.
41. Vergeblich rügt der Beschwerdeführer, das Gericht habe seine Überzeugung entgegen § 261 StPO nicht aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung
geschöpft.
5a) Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
6Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung die Verstöße gegen das
Waffen- und das Arzneimittelgesetz eingeräumt, die ihm vorgeworfenen
15 Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz indes pauschal bestritten. Der
Zeuge P. hat in der Hauptverhandlung „auf konkreten – wortwörtlichen –
Vorhalt“ (UA 9) seiner Beschuldigtenvernehmungen vom 14. Mai und 25. Juni
2012 bestätigt, die Angaben gegenüber der Vernehmungsbeamtin jeweils so
wie protokolliert gemacht zu haben. Im angefochtenen Urteil hat das Landgericht die polizeilichen Angaben, die in den Niederschriften insgesamt knapp
13 Seiten einnehmen, von den jeweiligen Belehrungen abgesehen, in wörtlicher
Rede wiedergegeben. Diese Darstellung nimmt im Urteil – mit textlichen Überleitungen – annähernd neun Seiten ein. Der Beschwerdeführer trägt vor, die
polizeilichen Niederschriften seien in der Hauptverhandlung nicht verlesen worden; durch Vorhalt an den Zeugen P. hätten sie schon wegen ihres Umfangs nicht eingeführt werden können.
7b) Die Rüge ist unzulässig, weil sie nicht in einer den Anforderungen
des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Form begründet worden ist. Diese
Vorschrift verlangt eine so genaue Angabe der die Rüge begründenden Tatsachen, dass das Revisionsgericht auf ihrer Grundlage prüfen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (BGH, Urteil vom 14. Oktober 1952 – 2 StR 306/52, BGHSt 3,
213, 214; Beschluss vom 8. November 2000 – 3 StR 282/00 mwN; KK-StPO/
Gericke, 7. Aufl., § 344 Rn. 38 f.). Wird beanstandet, das Tatgericht habe den
Inhalt in der Hauptverhandlung nicht verlesener Urkunden verwertet, so gehört
zur ordnungsgemäßen Begründung der Verfahrensrüge nicht nur die Behauptung, dass die Urkunde nicht verlesen worden, sondern auch – verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG, NJW 2005, 1999, 2001 f.) – die Darlegung,
dass der Inhalt der Urkunde nicht in sonst zulässiger Weise eingeführt worden sei (BGH, Urteil vom 11. April 2001 – 3 StR 503/00, NJW 2001, 2558 f.;
OLG Düsseldorf, StV 1995, 120; Gericke, aaO, § 344 Rn. 58; Sander in Löwe/
Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 185).
8Daran fehlt es hier: Der Beschwerdeführer hat versäumt, das Urteil des
Amtsgerichts Wittlich vom 6. November 2012 vorzutragen, mit dem der Zeuge
P. wegen der nämlichen Betäubungsmitteldelikte verurteilt worden ist. Dieses Urteil wurde nicht nur dem Angeklagten vorgehalten (Teilprotokoll vom
21. November 2013, S. 5), sondern auch urkundenbeweislich verlesen (Teilprotokoll vom 26. November 2013, S. 2). Ohne Vorlage dieses Urteils kann der
Senat nicht prüfen, ob die Angaben des Zeugen P. in den beiden polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen durch Verlesung im Strengbeweis eingeführt worden sind. Denn P. hat in der tatrichterlichen Hauptverhandlung
bekundet, er habe vor dem Amtsgericht Wittlich den Sachverhalt dem Gericht
gegenüber „sinngemäß“ so geschildert wie in den Vernehmungen vor der Polizei (UA 18). Der möglicherweise gesondert zu beurteilende Fall, dass das Tatgericht den Wortlaut der Urkunden verwertet hat, liegt hier ersichtlich nicht
vor; das Landgericht hat lediglich den Inhalt der polizeilichen Vernehmungen
P. s bei seiner Beweisführung herangezogen (vgl. BGH, Beschlüsse vom
11. August 1987 – 5 StR 162/87, BGHR StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung 5, und vom 5. April 2000 – 5 StR 226/99, BGHR StPO § 249 Abs. 1 Verlesung, unterbliebene 1 sowie zur Abgrenzung, wenn – anders als hier – eine
bestätigende Erklärung der Auskunftsperson fehlt, BGH, Beschluss vom
13. April 1999 – 1 StR 107/99, StV 1999, 359 f.; Urteile vom 30. August 2000
– 2 StR 85/00, NStZ 2001, 161, und vom 6. September 2000 – 2 StR 190/00,
NStZ-RR 2001, 18).
9Die Revision unterlässt es außerdem, zum Ablauf der Einvernahme der
Kriminalkommissarin F. , die P. vernommen hatte, näher vorzutragen
(vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 1995 – 3 StR 99/95, BGHR StPO § 344 Abs. 2
Satz 2 Verwertungsverbot 4; Beschluss vom 23. Oktober 2012 – 1 StR 377/12).
Denn es liegt nahe anzunehmen, dass Polizeibeamte, die sich erfahrungsgemäß im Wege der vorherigen Durchsicht ihrer Ermittlungsunterlagen auf ihre
Vernehmung intensiv vorbereiten, sich an Einzelheiten erinnern können und
ihnen die entscheidenden Passagen wörtlich präsent sind (BGH, Beschluss
vom 9. Mai 2001 – 2 StR 111/01, BGHR StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung 39).
10Da die Rüge bereits unzulässig ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob der Inhalt einer Vernehmungsniederschrift durch abschnittsweisen Vorhalt und die jeweilige Bestätigung des Zeugen ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt werden kann (vgl. auch zur Beruhensfrage BGH, Urteil vom 6. Juni 1957 – 4 StR 165/57; Beschluss vom 22. September 2006
– 1 StR 298/06, NStZ 2007, 235; OLG Düsseldorf StV 1995, 120, 121 mwN;
Diemer in KK, 7. Aufl., § 249 Rn. 52).
112. Unzulässig ist ferner die Rüge, das Landgericht habe den Antrag,
„Frau R. B. , W. und Herrn J. R. , Se. , Adressen
zu erfragen über das AG Wittlich, …“ zu vernehmen, zu Unrecht wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Im Beweisantrag ist der
Zeuge als Beweismittel grundsätzlich mit vollständigem Namen und genauer
Anschrift zu benennen; nur wenn der Antragsteller dazu nicht in der Lage ist,
genügt es, im Einzelnen den Weg zu beschreiben, auf dem dies zuverlässig
ermittelt werden kann (BGH, Urteil vom 8. Dezember 1993 – 3 StR 446/93,
BGHSt 40, 3, 7; Becker in LR-StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 105). Der Beschwerdeführer hat nicht vorgetragen, was ihn gehindert haben könnte, die vollständige
Adresse der von ihm benannten Zeugen anzugeben (vgl. BGH, Beschluss vom
23. Oktober 2013 – 5 StR 313/13).
12Ferner zielt der Antrag darauf, der Zeuge P. habe in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Wittlich „lediglich die
Taten der Anklageschrift (eingeräumt)“, ohne dass nachgefragt worden sei und
ohne dass (er) dazu ausführlich Stellung genommen habe. Die Revision sieht
hierin einen Widerspruch zu der Annahme des Landgerichts, der Zeuge habe in
der gegen ihn gerichteten Gerichtsverhandlung den Sachverhalt sinngemäß so
geschildert wie in seinen polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen. Um dies
nachvollziehen zu können, hätte es der Vorlage der in dem Verfahren gegen
den Zeugen erhobenen Anklage bedurft. Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs müssen nämlich – verfassungsrechtlich unbedenklich
(BVerfG, Beschluss vom 10. März 2009 – 2 BvR 49/09) – die im Beweisantrag
in Bezug genommenen Aktenbestandteile mit der Begründungsschrift vorgelegt
oder jedenfalls inhaltlich vorgetragen werden (vgl. BGH, Urteile vom 25. November 2003 – 1 StR 182/03, StV 2004, 305, 306, und vom 25. November 2004
– 5 StR 401/04, NStZ-RR 2006, 33, 34 bei Sander; Beschlüsse vom 7. Januar
2008 – 5 StR 390/07, vom 25. Mai 2011 – 4 StR 87/11, und vom 12. März 2013
– 2 StR 34/13, NStZ-RR 2013, 222 [Ls.]; Becker in LR-StPO, 26. Aufl., § 244
Rn. 372; vgl. auch BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 – 3 StR 269/04, NJW 2005,
2322, 2323).
133. Als unzulässig erweist sich auch die Rüge, das Landgericht habe den
Antrag, „StA S. , StA Magdeburg, zu hören zu der Behauptung, dass
er die Aussage des Zeugen P. für so unglaubwürdig hielt, dass er keinerlei
Anfangsverdacht in diesen Angaben sah, um ein Ermittlungsverfahren gegen
Herrn A. einzuleiten (…)“, zu Unrecht wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt. Bei diesem Zitat handelt es sich um einen kurzen Auszug aus
dem zwei Seiten umfassenden Beweisantrag; insbesondere lässt der Revisionsführer die von ihm im Beweisantrag bezeichnete Aussage P. s weg. Er
trägt auch seine im Beweisantrag aufgestellte Schlussfolgerung nicht vor, als
glaubhaft eingeschätzte Angaben P. s hätten Maßnahmen nach „§§ 100 ff.
StPO“ gegen A. nach sich ziehen müssen, „um sich nicht dem
Verdacht auszusetzen, Strafvereitelung im Amt zu begehen“. Diese Auslassun-
gen führen zur Unzulässigkeit der Rüge gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO (vgl.
BGH, Urteile vom 11. Juni 1986 – 3 StR 10/86, BGHR StPO § 344 Abs. 2
Satz 2 § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO 1, vom 14. April 1999 – 3 StR 22/99, NJW
1999, 2683, 2684, und vom 30. April 1999 – 3 StR 215/98, NStZ 1999, 396,
399; Beschlüsse vom 9. Mai 2000 – 4 StR 115/00, NStZ-RR 2001, 6, 7 bei
Miebach/Sander, vom 12. März 2013 – 2 StR 34/13, aaO, und vom 23. Oktober
2013 – 5 StR 313/13; Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 244
Rn. 372).
14Der Unzulässigkeit dieser von Rechtsanwalt Bo. erhobenen Verfahrensrüge steht nicht entgegen, dass Rechtsanwalt Fu. , der diese Rüge nicht
erhoben hat, im Rahmen einer anderen Verfahrensrüge das gesamte Hauptverhandlungsprotokoll nebst Anlagen vorgelegt hat und sich in diesem Konvolut
auch eine Ablichtung des Staatsanwalt S. betreffenden Beweisantrags
findet (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 1986 – 4 StR 370/86, NStZ 1987,
221 bei Pfeiffer/Miebach; Beschlüsse vom 25. September 1986 – 4 StR 496/86,
NStZ 1987, 36, und vom 14. April 2010 – 2 StR 42/10).
154. Jedenfalls unbegründet ist die Rüge, das Landgericht habe den Antrag
auf Verlesung der die Observation des Angeklagten betreffenden Urkunden zu
Unrecht wegen Bedeutungslosigkeit – ersichtlich: aus tatsächlichen Gründen –
abgelehnt. Denn die Strafkammer hat im Urteil (UA 25) die unter Beweis gestellte Tatsache, „dass die Observationsmaßnahmen gem. obigem Beschluss
ohne Erfolg waren“, als – durch die Vernehmung des Observationsbeamten –
erwiesen behandelt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1991 – 3 StR 115/91, NStZ
1991, 547, 548; Beschlüsse vom 7. Februar 2002 – 1 StR 222/01, NStZ 2003,
417 bei Becker, und vom 5. Dezember 2012 – 1 StR 531/12; Meyer-Goßner/
Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 244 Rn. 86; KK-Krehl, StPO, 7. Aufl., § 244 Rn. 234;
Güntge in Alsberg/Nüse/Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozess, 6. Aufl.,
Rn. 1676 f.). Von weiteren Bedenken gegen die Zulässigkeit und Begründetheit
der Rüge abgesehen bedarf es daher auch keiner Entscheidung, ob das Landgericht durch die Vernehmung des Observationsbeamten, zu der die Revision
nichts vorträgt, die angebotenen Beweismittel (Urkunden) wirksam ausgetauscht hat (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, Rn. 47).
165. Schon unzulässig ist die Rüge, das Landgericht habe den Beweisantrag auf Vernehmung des Vorsitzenden des Jugendschöffengerichts bei dem
Amtsgericht Wittlich zu Unrecht wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt. Unter
Beweis gestellt war, dass P. in der gegen ihn gerichteten Hauptverhandlung „die ihm gem. Anklageschrift zur Last gelegten Taten zwar einräumte,
ohne jedoch nähere Angaben, insbesondere Details zu dem Lieferanten seiner
BtM zu machen“, ferner, dass der Verhandlung ein informelles Gespräch zwischen den Verfahrensbeteiligten vorausgegangen sei. Diesen Antrag hat das
Landgericht wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt und zur Begründung u.a.
ausgeführt: „Selbst wenn der damalige Angeklagte P. in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Wittlich am 06.11.2012 den ihn betreffenden Anklagevorwurf pauschal bestätigt hätte, ohne ausführlich zu seinem Lieferanten
Stellung zu nehmen, ist hieraus nicht notwendig der Schluss zu ziehen, dass
die ausführlichen und detaillierten Angaben des damaligen Beschuldigten
P. in Bezug auf den Angeklagten We. in seinen Beschuldigtenvernehmungen vom 14.05.2012 und 25.06.2012 nicht der Wahrheit entsprechen.“
17Der Rügevortrag genügt nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2
Satz 2 StPO. Der Beschwerdeführer hat im Beweisantrag ausdrücklich auf die
im damaligen Verfahren gegen P. erhobene Anklageschrift Bezug genommen. Wie unter Ziffer II.2 ausgeführt, ist die Vorlage der Anklageschrift hier
schon wegen der – nach dem Inhalt der Beweisbehauptung – vorgenommenen
Inbezugnahme der Aussage P. s auf die Anklageschrift unverzichtbar.
18Es trifft auch nicht zu, dass die Strafkammer in ihrem Ablehnungsbeschluss die Beweiswürdigung in unzulässiger Weise vorweggenommen hätte
(Revisionsbegründung von Rechtsanwalt Bo. S. 24). Der Tatrichter hat nach
den – in der Revision nur auf Rechtsfehler nachprüfbaren – Grundsätzen der
freien Beweiswürdigung gemäß § 261 StPO zu beurteilen, ob der vom Antragsteller intendierte Schluss gerechtfertigt wäre. Hierzu hat er die unter Beweis
gestellte Indiz- oder Hilfstatsache so, als sei sie erwiesen, in das bisherige Beweisergebnis einzustellen und prognostisch zu prüfen, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung vom Beweiswert des anderen Beweismittels – evtl. in Anwendung des Zweifelssatzes – in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde (vgl. Becker in LR-StPO,
26. Aufl., § 244 Rn. 220 mwN). So ist die Strafkammer hier mit noch ausreichender Begründung rechtsfehlerfrei verfahren.
196. Auch die Rüge, das Landgericht habe die als wahr unterstellten Äußerungen P. s in einer früheren Beschuldigtenvernehmung vom 12. April 2012
zu Lasten des Angeklagten verwertet, greift nicht durch. Das Landgericht hat
sich auf UA 21 mit den Darstellungen P. s zu seinen verschiedenen
Schwarzfahrten auseinandergesetzt. Es hat aus der als wahr unterstellten Tatsache, P. habe eingeräumt, öfter bzw. „fast jedes Mal“ beim Schwarzfahren
auf der Strecke von C. nach T. „erwischt“ worden zu sein, allerdings nicht
den vom Angeklagten gewünschten Schluss auf fehlende Konstanz zur Angabe
weiterer Schwarzfahrten in der späteren polizeilichen Vernehmung gezogen.
Hierzu war es nicht gehalten. Das Gericht braucht aus einer als wahr unterstellten Indiztatsache nicht die Schlussfolgerungen zu ziehen, die der Antrag-
steller gezogen wissen will (BGH, Urteile vom 6. August 1986 – 3 StR 234/86,
BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Wahrunterstellung 1, und vom 7. Februar
2008 – 4 StR 502/07, Tz. 27, insoweit in NJW 2008, 1093 nicht abgedruckt).
207. Die beiden mit der Revision vorgetragenen Aufklärungsrügen (§ 244
Abs. 2 StPO) sind ebenfalls unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
21a) Soweit die Revision die unterbliebene Vernehmung des Staatsanwalts
S. als Zeugen beanstandet, unterlässt sie es, eine bestimmte Beweistatsache zu bezeichnen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 244
Rn. 81 mwN). Eine solche ergibt sich auch nicht aus ihrem Vorbringen, die
Strafkammer habe den „Beweis des Gegenteils, mithin der Tatsache, dass der
Zeuge P. gerade keine glaubhaften Angaben machte, … nicht zugelassen“.
22b) Nicht anders liegt es, soweit die Revision beanstandet, das Landgericht hätte die Mitglieder des Jugendschöffengerichts bei dem Amtsgericht
Wittlich vernehmen müssen. Der Beschwerdeführer hätte sich insoweit nicht mit
einer pauschalen negativen Bewertung des Aussageverhaltens P. s begnügen dürfen („keine Tatsachen für einen Tathergang“).
III.
23Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die Sachrüge hat keinen
materiellen-rechtlichen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Soweit die Revision sich – mit zum Teil urteilsfremdem Vorbringen – gegen die
Beweiswürdigung wendet, vermag sie keinen Rechtsfehler aufzuzeigen; die
Beweiswürdigung ist insbesondere nicht widersprüchlich oder lückenhaft. Im
Übrigen bedarf nur Folgendes der Erörterung:
24Die Feststellungen tragen die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe P. im Fall II.2 der Urteilsgründe zu dessen Handeltreiben bestimmt.
Der Umstand, dass P. die Möglichkeit, für den Angeklagten Drogen zu verkaufen, bereitwillig ergriff, steht dem nicht entgegen. Jedenfalls hatte sich die
Tatbereitschaft P. s noch nicht auf ein bestimmtes Geschäft konkretisiert
(vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 2000 – 4 StR 400/99, BGHSt 45, 373, 374 ff.;
Beschlüsse vom 30. Januar 2001 – 4 StR 557/00, StV 2001, 406, und vom
23. Mai 2007 – 2 StR 569/06, NStZ 2008, 42 mwN).
25Die Feststellungen zur Häufigkeit der weiteren Betäubungsmittelstraftaten tragen den Schluss der Strafkammer auf 14 Fälle des Verstoßes gegen
§ 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG. Deren konkurrenzrechtliche Bewertung durch die
Strafkammer ist rechtsfehlerfrei.
26Es beschwert den Angeklagten nicht, dass das Landgericht ihn in den
Fällen II.2 bis 5 (Taten 1 bis 15) nicht auch wegen (gewerbsmäßigen) Handeltreibens verurteilt hat (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juli 1997 – 4 StR 222/97, StV
1997, 636, 637; Beschluss vom 23. Mai 2007, aaO, S. 42 f.).
27Die Anordnung des Wertersatzverfalls weist ebenfalls keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Bender Quentin