Urteil des BGH vom 13.03.2017

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 106/08
Verkündet am:
10. Juni 2010
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
HGB § 441 Abs. 1, § 366 Abs. 3
a) Steht das zur Beförderung übergebene Gut nicht im Eigentum des Absen-
ders, so genügt es für die Entstehung eines Frachtführerpfandrechts nach
§ 441 Abs. 1 HGB, dass der Eigentümer mit dem Transport uneinge-
schränkt einverstanden ist, was sich auch aus einem konkludent erklärten
generellen Einverständnis des Eigentümers ergeben kann.
b) Die Vorschrift des § 441 Abs. 1 HGB ist im Wege einer teleologischen Re-
duktion dahin auszulegen, dass ein Frachtführerpfandrecht an Drittgut nur
wegen konnexer Forderungen des Frachtführers entstehen kann.
c) Für den gutgläubigen Erwerb eines Frachtführerpfandrechts nach § 366
Abs. 3 HGB reicht es nicht aus, dass der Frachtführer hinsichtlich einer Er-
mächtigung des Absenders durch den Eigentümer, einen Beförderungsauf-
trag zu erteilen, gutgläubig war.
d) Wird der ausführende Frachtführer von einem Spediteur/Frachtführer beauf-
tragt, muss er in der Regel davon ausgehen, dass dieser nicht Eigentümer
des zu befördernden Gutes ist.
BGH, Urteil vom 10. Juni 2010 - I ZR 106/08 - OLG Köln
AG Duisburg-Ruhrort
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 11. Februar 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Bergmann und Dr. Kirchhoff
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Köln als Schifffahrtsobergericht vom 30. Mai
2008 wird verworfen, soweit sie sich gegen die Abweisung des
geltend gemachten Anspruchs auf Erstattung der in erster Instanz
entstandenen außergerichtlichen Kosten der Klägerin richtet. Im
Übrigen werden die Rechtsmittel der Parteien gegen das genann-
te Urteil zurückgewiesen.
Von den Kosten des Revisionsverfahrens werden der Klägerin
40% und dem Beklagten 60% auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz in
Anspruch, weil er Mais, der im Eigentum der Klägerin stand, aufgrund eines von
ihm beanspruchten Frachtführerpfandrechts durch Verkauf verwertet hat.
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Die Klägerin war Eigentümerin von 580,04 t Mais, den sie mit Vertrag
vom 16. September 2005 für 71.344,92 € (123 €/t) an die J. M.
GmbH in S. bei N. veräußert hatte. Mit dem Transport des Gutes
von Gönyü/Ungarn nach Wageningen/Niederlande beauftragte sie Anfang No-
vember 2005 die Danube-Sea Transport & Logistic (im Weiteren: DSTL), die
den Beförderungsauftrag an die in Österreich ansässige Mu.
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GmbH (im Weiteren: Mu. ) weitergab. Bereits am 20./21. Oktober
2005 hatte Mu. mit dem Beklagten eine - dem deutschen Binnenschiff-
fahrtsrecht unterworfene - Vereinbarung getroffen, wonach der Beklagte mit
seinem Schiff MS Pascal etwa 1.000 t Soja von Amsterdam nach Ungarn und
anschließend "Agrar, Stahl oder Konstruktionen" von Ungarn zurück in die Nie-
derlande oder bis Belgien transportieren sollte. Hierfür wurde zwischen Mu.
und dem Beklagten eine "Rundlaufpauschale" von 59.000 € vereinbart;
nach Beladung in Amsterdam war ein Vorschuss in Höhe von 15.000 €, nach
Beladung in Ungarn ein weiterer Vorschuss in Höhe von 10.000 € zu zahlen;
nur die erste Vorschusszahlung wurde von Mu. erbracht. Am 11. No-
vember 2005 übernahm der Beklagte in Ungarn mit seinem Schiff MS Pascal
die streitgegenständliche Partie Mais. Während des Transports wurde das Gut
vom ursprünglichen Bestimmungsort Wageningen/Niederlande nach Neuss/
Deutschland umdisponiert.
Am 22. November 2005 teilte Mu. dem Beklagten ihre Zahlungsun-
fähigkeit mit. Daraufhin machte der Beklagte mit Schreiben seiner früheren Pro-
zessbevollmächtigten vom selben Tag gegenüber Mu. noch offenstehende
Frachtvergütungen in Höhe von insgesamt 80.290 € geltend und drohte an, die
Ladung Mais als Pfand zu verwerten, wenn seine offenen Forderungen nicht
ausgeglichen würden. Am 23. November 2005 wurde der Mais auf Veranlas-
sung des Beklagten in Neuss eingelagert. Die Klägerin erlangte Ende Novem-
ber 2005 Kenntnis von der angedrohten Pfandverwertung, der sie umgehend
widersprach. Gleichwohl wurde der Mais am 8. Dezember 2005 im Auftrag des
Beklagten von einem zum Pfandverkauf öffentlich ermächtigten Makler zum
Marktpreis von 122 €/t veräußert.
3
Im Verlauf des vorliegenden Rechtsstreits hat die Klägerin auf ihre im In-
solvenzverfahren der Mu. angemeldete und festgestellte Forderung für
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den entgangenen Verkaufserlös in Höhe von 71.344,92 € folgende Zahlungen
erhalten: am 8. August 2006 8.561,39 €, am 14. Mai 2007 4.102,33 € und am
28. Februar 2008 4.102,33 €.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, ihr stehe gegen den Beklagten ein
Schadensersatzanspruch in Höhe des ihr entgangenen Kaufpreises von
71.344,92 € zu. Darüber hinaus schulde der Beklagte ihr den Ersatz von vorge-
richtlichen Kosten in Höhe von 2.982,50 € sowie die Erstattung der in erster
Instanz entstandenen außergerichtlichen Kosten in Höhe von 5.212,22 €. Diese
Ansprüche könnten gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVVO vor den deutschen Gerichten
geltend gemacht werden, weil der Beklagte mit der Pfandverwertung in Neuss
eine unerlaubte Handlung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 246 StGB began-
gen habe. Dem Beklagten habe ein zur Verwertung berechtigendes Pfandrecht
nicht zugestanden, da es sich bei den von ihm geltend gemachten Forderungen
ausschließlich um inkonnexe Forderungen gehandelt habe. Es gebe keine kon-
krete Forderung des Beklagten aus einem Transport von 580,04 t Mais. Sofern
doch von der Entstehung eines Frachtführerpfandrechts zugunsten des Beklag-
ten auszugehen sei, habe dieses jedenfalls nicht im geltend gemachten Umfang
bestanden.
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Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 71.344,92 € zuzüglich weiterer 2.982,50 €
sowie zuzüglich weiterer 5.212,22 € nebst Zinsen zu zahlen, abzüglich einer am
8. August 2006 geleisteten Zahlung in Höhe von 8.561,39 €, abzüglich einer
weiteren Zahlung vom 14. Mai 2007 in Höhe von 4.102,33 € sowie abzüglich
einer Zahlung vom 28. Februar 2008 in Höhe von 4.102,33 €.
Der Beklagte hat die fehlende internationale Zuständigkeit der deutschen
Gerichte gerügt, da er gegenüber der Klägerin keine unerlaubte Handlung be-
gangen habe. Er sei aufgrund eines ihm zustehenden Frachtführerpfandrechts
zur Verwertung der 580,04 t Mais berechtigt gewesen. Bei dem Frachtvergü-
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tungsanspruch aus dem Frachtvertrag vom 20./21. Oktober 2005 handele es
sich insgesamt um eine konnexe Forderung, da ein einheitlicher Frachtvertrag
für die West-Ost-Reise und die Rückreise in die Niederlande bzw. nach Belgien
vorliege. Die Frachtvergütungsforderung aus einem früheren Frachtvertrag
(vom 5. September 2005) sei zwar inkonnex, jedoch unbestritten, so dass dar-
auf ebenfalls ein Pfandrecht gestützt werden könne. Überdies habe sich das
Pfandrecht auf die Sicherung der entstandenen Lager- und Verwertungskosten
erstreckt.
Das Schifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort hat der Klage in dem in erster
Instanz geltend gemachten Umfang stattgegeben. Auf die Berufung des Beklag-
ten hat das Schifffahrtsobergericht (im Weiteren: Berufungsgericht) den Beklag-
ten unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels und Abweisung
der Klage im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 28.704,96 € nebst Zinsen zu
zahlen. In Höhe eines Betrags von 16.766,05 € hat es die Erledigung des
Rechtsstreits in der Hauptsache festgestellt (OLG Köln TranspR 2009, 37).
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Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Kläge-
rin ihr Klagebegehren weiter, soweit diesem bislang nicht entsprochen wurde.
Der Beklagte erstrebt mit seiner Revision die vollständige Abweisung der Klage.
Beide Parteien beantragen ferner, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzu-
weisen.
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Entscheidungsgründe:
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A. Das Berufungsgericht hat der Klägerin aus § 823 Abs. 1 BGB einen
Schadensersatzanspruch in Höhe von 43.669,92 € zuerkannt, weil der Beklagte
durch die Pfandverwertung unberechtigt in deren Eigentum an dem von ihm
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beförderten Mais eingegriffen habe, soweit er mehr als 225 t Mais habe veräu-
ßern lassen. Darüber hinaus hat es einen Schadensersatzanspruch der Kläge-
rin in Höhe von 1.801,09 € wegen vorgerichtlich angefallener Rechtsanwalts-
kosten für begründet erachtet. Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt:
Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die von der
Klägerin geltend gemachten Ansprüche aus unerlaubter Handlung ergebe sich
aus Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO, da die Klägerin das Bestehen solcher Ansprüche
schlüssig vorgetragen habe. Gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 1 EGBGB komme auf
den vorliegenden Fall deutsches Sachrecht zur Anwendung, da der Beklagte
den Mais in Neuss verwertet habe.
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Der Beklagte habe durch die Verwertung der 580,04 t Mais in das Eigen-
tum der Klägerin an diesem Gut eingegriffen, weil sie durch den vom Beklagten
veranlassten freihändigen Verkauf das Eigentum verloren habe. Dieser Eingriff
sei nur zum Teil gerechtfertigt gewesen. Dem Beklagten habe gemäß § 441
Abs. 1 HGB lediglich ein Pfandrecht wegen eines Frachtlohnanspruchs in Höhe
von 22.000 € zuzüglich Nebenkosten (Kosten für Lagerung, Verwertung und
Rechtsverfolgung) zugestanden, das ihn nur zur Verwertung einer Teilmenge
Mais von 225 t berechtigt habe.
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Ein Pfandrecht des Beklagten an dem von ihm beförderten Mais komme
nur in Bezug auf konnexe Ansprüche, also für mit der Beförderung des betref-
fenden Gutes zusammenhängende Forderungen, in Betracht. In diesem Sinne
konnex sei ein Frachtvergütungsanspruch des Beklagten aus dem Vertrag vom
20./21. Oktober 2005, der sich gerade auch auf die Beförderung der 580,04 t
Mais auf der Ost-West-Reise bezogen habe. Der konnexe Frachtlohnanspruch
des Beklagten in Höhe von 22.000 € errechne sich wie folgt: Die für den Rund-
lauf vereinbarte Frachtvergütung in Höhe von insgesamt 59.000 € sei zur Hälf-
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te, also in Höhe von 29.500 €, für die Ost-West-Reise in Ansatz zu bringen. Von
diesem Betrag sei die Hälfte des für den Rundlauf gezahlten Vorschusses in
Höhe von 15.000 € abzusetzen, so dass sich für die Ost-West-Reise zum Zeit-
punkt der Pfandverwertung ein offener Frachtvergütungsanspruch in Höhe von
22.000 € ergeben habe. Für den Frachtvergütungsanspruch des Beklagten ge-
gen Mu. aus dem Vertrag vom 5. September 2005 habe dagegen kein
Pfandrecht bestanden, weil es sich hierbei nicht um eine konnexe Forderung
handele. Gemäß § 1230 Satz 2 BGB beschränke sich die dem Pfandgläubiger
zustehende Verwertungsbefugnis auf die zu seiner Befriedigung erforderliche
Menge an Pfandgütern. Dementsprechend sei der Beklagte nur zur Verwertung
von 225 t Mais berechtigt gewesen.
Der Eingriff des Beklagten in das Eigentum der Klägerin sei schuldhaft
erfolgt, auch wenn er sich für berechtigt gehalten habe, die gesamte Ladung
Mais zu verwerten, da ihm jedenfalls Fahrlässigkeit zur Last falle. Der Klägerin
sei durch die unerlaubte Handlung des Beklagten ein erstattungsfähiger Scha-
den in Höhe von 43.669,92 € zuzüglich vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in
Höhe von 1.801,09 € entstanden. Hätte der Beklagte den nicht zu seiner Be-
friedigung erforderlichen Teil des Frachtgutes beim Empfänger abgeliefert, so
hätte die Klägerin zumindest noch einen entsprechenden Teil des Kaufpreises
(123 €/t für 355,04 t Mais) vereinnahmen können. Auf den ihr entstandenen
Schaden müsse sich die Klägerin die im Verlaufe des Rechtsstreits erfolgten
Zahlungen der Mu. in Höhe von insgesamt 16.766,05 € anrechnen lassen.
Die Zahlungen von Mu. hätten gemäß § 422 Abs. 1 Satz 1 BGB auch zu-
gunsten des Beklagten Erfüllungswirkung, da er und Mu. insoweit Ge-
samtschuldner seien. In Höhe der Anrechnung sei auf entsprechenden Antrag
der Klägerin die Erledigung der Hauptsache festzustellen.
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B. Die dagegen gerichtete Revision der Klägerin ist teilweise unzulässig
und im Übrigen unbegründet. Die Angriffe der Revision des Beklagten gegen
das Berufungsurteil haben ebenfalls keinen Erfolg.
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I. Zur Revision der Klägerin
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1. Die Zulässigkeit der Revision der Klägerin scheitert entgegen der Re-
visionserwiderung des Beklagten nicht an einer vom Berufungsgericht vorge-
nommenen Zulassungsbeschränkung. Das Berufungsgericht hat die Revision
zugelassen, ohne im Tenor des angegriffenen Urteils eine Einschränkung hin-
sichtlich des Umfangs der Zulassung vorzunehmen. In den Gründen hat es da-
zu ausgeführt, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung bezüglich der Frage,
ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen ein Frachtführerpfand-
recht gemäß § 441 HGB im Falle inkonnexer Forderungen entstehen könne.
Diese für die Praxis bedeutsame Frage sei in der höchstrichterlichen Recht-
sprechung bislang noch nicht abschließend geklärt.
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Es entspricht zwar der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts-
hofs, dass sich auch bei uneingeschränkter Zulassung des Rechtsmittels im
Entscheidungssatz eine wirksame Beschränkung aus den Entscheidungsgrün-
den ergeben kann (BGHZ 153, 358, 360 f.; BGH, Beschl. v. 14.5.2008
- XII ZB 78/07, NJW 2008, 2351 Tz. 15). Dies bedeutet jedoch nicht, dass allein
aus der Begründung der Zulassung stets eine Beschränkung auf die mitgeteil-
ten Gründe entnommen werden kann. Eine Zulassungsbeschränkung kann in
solchen Fällen nur dann angenommen werden, wenn aus den Gründen mit hin-
reichender Klarheit hervorgeht, dass das Berufungsgericht die Möglichkeit einer
Nachprüfung im Revisionsverfahren nur wegen eines abtrennbaren Teils seiner
Entscheidung eröffnen wollte (BGH NJW 2008, 2351 Tz. 16; Urt. v. 26.3.2009
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- I ZR 44/06, GRUR 2009, 660 Tz. 21 - Resellervertrag, m.w.N.). Das ist hier
nicht der Fall.
2. Die Revision der Klägerin ist jedoch wegen Fehlens der nach § 551
Abs. 1 ZPO erforderlichen Begründung gemäß § 552 ZPO insoweit unzulässig,
als sie den Antrag auf Zahlung weiterer 5.212,22 € weiterverfolgt.
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Das Berufungsgericht hat hinsichtlich dieses selbständig geltend ge-
machten Anspruchs das Rechtsschutzbedürfnis verneint. Die Klägerin hat in
ihrer Revisionsbegründung insofern keine Angriffe vorgebracht.
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3. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die auch un-
ter der Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz zu prüfen ist (vgl.
BGH, Urt. v. 22.10.2009 - I ZR 88/07, TranspR 2009, 479 Tz. 12), ergibt sich für
die gegen den in Belgien wohnhaften Beklagten gerichteten Ansprüche aus
Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO.
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a) Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung insoweit zutreffend die
Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die ge-
richtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entschei-
dungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel-I-VO) zugrunde gelegt, der sowohl
die Bundesrepublik Deutschland als auch Belgien beigetreten sind (Musielak/
Stadler, ZPO, 7. Aufl., Vorbem. EG-Verordnungen Rdn. 4). Nach Art. 5 Nr. 3
der Brüssel-I-VO ist die internationale Entscheidungszuständigkeit deutscher
Gerichte für einen Rechtsstreit mit einer in Belgien ansässigen Partei begrün-
det, wenn der Kläger eine im Inland begangene unerlaubte Handlung des Be-
klagten schlüssig darlegt. Das gilt auch, soweit dieselben Tatsachen sowohl für
die Zulässigkeit als auch für die Begründetheit der Klage erheblich sind (soge-
nannte doppelrelevante Tatsachen; vgl. BGHZ 124, 237, 240 f.). Für die Zuläs-
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sigkeit der Klage reicht in solchen Fällen eine schlüssige Behauptung der für
eine unerlaubte Handlung erforderlichen Tatsachen durch den Kläger aus. Die
Feststellung dieser Tatsachen ist erst zur Begründetheit der Klage erforderlich
(BGHZ 124, 237, 240 f.; BGH, Versäumnisurt. v. 6.11.2007 - VI ZR 34/07,
NJW-RR 2008, 516 Tz. 14).
b) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Klägerin
schlüssig eine rechtswidrige Verletzung ihres Eigentums (§ 823 Abs. 1 BGB) an
dem mit dem MS Pascal beförderten Mais durch die von dem Beklagten veran-
lasste und in Neuss vorgenommene Verwertung des Transportgutes dargelegt
hat, weil sie nach ihrer Behauptung aufgrund des freihändigen Verkaufs gemäß
§§ 1257, 1235 Abs. 2, §§ 1221, 1244, 932 BGB ihr Eigentum an dem Gut verlo-
ren hat. Ob der Beklagte zu der Veräußerung aufgrund eines ihm zustehenden
Pfandrechts berechtigt war, ist für die Frage der internationalen Zuständigkeit
ohne Bedeutung, da im Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gemäß Art. 5
Nr. 3 Brüssel-I-VO auch zu prüfen ist, ob eine deliktische Verletzungshandlung
gerechtfertigt war (vgl. BGH, Urt. v. 11.2.1988 - I ZR 201/86, NJW 1988, 1466,
1467).
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4. Ohne Erfolg bleiben die Angriffe der Revision der Klägerin gegen die
Annahme des Berufungsgerichts, dem Beklagten habe zum Zeitpunkt der Ver-
wertung der 580,04 t Mais gemäß § 441 Abs. 1 HGB wegen eines Frachtvergü-
tungsanspruchs in Höhe von 22.000 € zuzüglich Nebenkosten ein Pfandrecht
an dem von ihm beförderten Gut zugestanden.
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a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich die
Frage, ob zugunsten des Beklagten ein Frachtführerpfandrecht bestanden hat,
nach § 441 Abs. 1 HGB beurteilt. Der Beklagte und Mu. haben für ihre
Vertragsbeziehungen unstreitig die Geltung des deutschen Binnenschifffahrts-
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rechts in der letztgültigen Fassung vereinbart. Gemäß § 26 BinSchG finden auf
das Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern auf Binnengewässern die Vor-
schriften des Vierten Abschnitts des Vierten Buchs des Handelsgesetzbuchs
- das sind die §§ 407 bis 452 d HGB - Anwendung. Damit ist § 441 HGB im
Streitfall für die Frage der Entstehung eines Frachtführerpfandrechts maßgeb-
lich.
b) Gemäß § 441 Abs. 1 Satz 1 HGB hat der Frachtführer wegen aller
durch den Frachtvertrag begründeten Forderungen sowie wegen unbestrittener
Forderungen aus anderen mit dem Absender abgeschlossenen Fracht-, Spedi-
tions- oder Lagerverträgen ein Pfandrecht an dem Gut. Gesichert sind alle
frachtvertraglichen Geldforderungen gegen den Absender oder Empfänger, die
gerade mit der Beförderung des dem Pfandrecht unterfallenden Gutes zusam-
menhängen (konnexe Forderungen; vgl. BGHZ 17, 1, 3; Koller, Transportrecht,
6. Aufl., § 441 HGB Rdn. 9; Schaffert in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB,
2. Aufl., § 441 Rdn. 8). Ferner sichert das Frachtführerpfandrecht gemäß
§§ 1257, 1210 Abs. 2 BGB auch die Forderungen, die dem Frachtführer wegen
Verwendungen für das Gut und wegen der Kosten der Pfandverwertung
- beispielsweise Lagergeld und Verkaufsprovisionen - zustehen (Koller aaO
§ 441 HGB Rdn. 12a; Schaffert aaO § 441 Rdn. 14; MünchKomm.HGB/
C. Schmidt, 2. Aufl., § 441 Rdn. 7). Das Pfandrecht entsteht gemäß § 441
Abs. 1 Satz 1 HGB an dem Gut des Absenders, dessen Besitz der Frachtführer
mit Willen des Absenders - im Streitfall ist dies im Verhältnis zum Beklagten die
Mu. - erlangt hat. Steht das zur Beförderung übergebene Gut - wie im
Streitfall - nicht im Eigentum des Absenders, so genügt es, dass der Eigentü-
mer mit dem Transport uneingeschränkt einverstanden war. Der Eigentümer
kann auch konkludent sein generelles Einverständnis erklärt haben, etwa weil
er eine Beförderung nicht nur durch seinen unmittelbaren Vertragspartner, son-
dern durch einen Dritten für möglich halten musste und gleichwohl das Gut aus
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der Hand gegeben hat (Koller aaO § 441 HGB Rdn. 3; Schaffert aaO § 441
Rdn. 3; Fremuth in Fremuth/Thume, Komm. zum Transportrecht, § 441 HGB
Rdn. 11; Andresen, TranspR 2004, Beilage S. V).
c) Das Berufungsgericht hat angenommen, dem Beklagten habe bei
Verwertung der Ladung Mais eine konnexe Forderung in Höhe von 22.000 €
aus dem von ihm am 20./21. Oktober 2005 mit der Mu. geschlossenen
Frachtvertrag zugestanden. Die Übernahme der Partie Mais durch den Beklag-
ten am 11. November 2005 in Ungarn sei in Erfüllung dieses Vertrages erfolgt,
auch wenn die Vereinbarung vom 20./21. Oktober 2005 noch keine konkrete
Ladung für die Ost-West-Reise von Ungarn in die Niederlande vorgesehen ha-
be. Die Absenderin Mu. sei zwar nicht Eigentümerin des Gutes gewesen.
Bei einer konnexen Forderung entstehe ein Frachtführerpfandrecht jedoch
gleichwohl, wenn der Absender - wie im Streitfall - vom Eigentümer ermächtigt
worden sei, über das betreffende Gut im eigenen Namen einen Frachtvertrag
abzuschließen. Das Einverständnis der Klägerin mit dem Abschluss eines
Frachtvertrages zwischen Mu. und dem Beklagten habe allerdings nur für
den Transport von Gönyü/Ungarn nach Wageningen/Niederlande bestanden.
Dementsprechend entfalle von der für den Rundlauf von den Niederlanden
nach Ungarn und zurück vereinbarten Frachtvergütung von insgesamt 59.000 €
auf die Teilstrecke von Ungarn in die Niederlande nur ein Betrag von 29.500 €,
auf den die Hälfte des von Mu. gezahlten Vorschusses in Höhe von insge-
samt 15.000 € anzurechnen sei.
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d) Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält der revisionsrechtlichen
Nachprüfung stand.
aa) Das Berufungsgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegan-
gen, dass dem Beklagten für die Beförderung der Ladung Mais von Ungarn in
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die Niederlande aus dem Vertrag vom 20./21. Oktober 2005 ein Frachtvergü-
tungsanspruch von noch 22.000 € zugestanden hat.
Der Beklagte und Mu. hatten vereinbart, dass der Beklagte für die
West-Ost-Reise und zurück eine Rundlaufpauschale in Höhe von 59.000 € er-
halten sollte. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsge-
richts entsprachen sich die West-Ost- und die Ost-West-Strecke - offenbar auch
unter Berücksichtigung der Anteile von Berg- und Talfahrten - im Wesentlichen.
Es erscheint unter diesen Umständen gerechtfertigt, die vereinbarte Frachtver-
gütung hälftig aufzuteilen, so dass sich für jede Teilstrecke eine Vergütung in
Höhe von 29.500 € ergibt. Auch den von Mu. auf die Rundlaufpauschale
gezahlten Vorschuss in Höhe von 15.000 € hat das Berufungsgericht - von den
Revisionen ebenfalls nicht angegriffen - hälftig auf die West-Ost- und auf die
Ost-West-Strecke angerechnet. Die dahinterstehende Erwägung, eine solche
Aufteilung entspreche der Bestimmung des Schuldners, liegt im Hinblick darauf
nahe, dass es sich um eine vertraglich vereinbarte Vorschusszahlung auf eine
einheitliche Frachtvergütung handelte, so dass sich die Frage einer entspre-
chenden Anwendung des § 366 Abs. 2 BGB von vornherein nicht stellte (vgl.
dazu P. Schmidt, Das Frachtführerpfandrecht in der Binnenschifffahrt, in: Kuh-
len/Lorenz/Riedel/Schmidt/Wiese, Probleme des Binnenschifffahrtsrechts,
Band XII, S. 21, 40 ff.). Danach hatte der Beklagte für die Ost-West-Reise aus
dem Vertrag vom 20./21. Oktober 2005 noch einen restlichen Frachtvergü-
tungsanspruch in Höhe von 22.000 €.
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bb) Ohne Erfolg bleibt die Rüge der Revision, dem vom Berufungsgericht
angenommenen Einverständnis der Klägerin mit dem Abschluss des Frachtver-
trags zwischen Mu. und dem Beklagten stehe der Umstand entgegen,
dass die Klägerin die ihrer Vertragspartnerin DSTL geschuldete Frachtvergü-
tung in Höhe von etwa 28.000 € bereits bezahlt habe.
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Die Klägerin musste damit rechnen, dass ihre Vertragspartnerin, ein
amerikanisches Speditionsunternehmen, das Gut nicht selbst befördern würde,
sondern dass der Frachtauftrag von der DSTL weitergegeben und der Trans-
port von einem der Klägerin möglicherweise nicht bekannten Frachtführer
durchgeführt werden würde. Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Klägerin
der DSTL eine Beauftragung von Drittunternehmen untersagt hatte, sind von
der Klägerin nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich. Durch die Verein-
barung einer Vorleistung mit ihrer Vertragspartnerin hat die Klägerin auf die Ein-
rede einer Zahlung Zug-um-Zug gegen Ablieferung des Gutes verzichtet. Sie ist
freiwillig das Risiko eingegangen, dass der ausführende Frachtführer, der sei-
nen Vergütungsanspruch für den Transport der im Eigentum der Klägerin ste-
henden Ware nicht realisieren kann, das Gut aufgrund eines ihm zustehenden
Pfandrechts verwertet. Es kann zwar davon ausgegangen werden, dass ein
verständiger Dritteigentümer grundsätzlich nicht will, dass sein Eigentum als
Sicherheit für Forderungen aus einer für ihn fremden Rechtsbeziehung dient
(vgl. Risch, TranspR 2005, 108, 110). Die Klägerin muss sich jedoch entgegen-
halten lassen, dass sie durch die Übergabe ihres Gutes zur Beförderung die
tatsächlichen Voraussetzungen für die Entstehung eines Frachtführerpfand-
rechts gemäß § 441 Abs. 1 HGB geschaffen hat. Da die Voraussetzungen für
die Entstehung eines gesetzlichen Pfandrechts objektiver Natur sind, hat der
Eigentümer, der sein Gut bewusst in eine Situation gebracht hat, in der das
Pfandrecht entsteht, auch die gesetzlichen Folgen eben dieser Pfandrechtsent-
stehung zu tragen. Auf seinen Willen kommt es insoweit nicht an. Der Drittei-
gentümer kann nicht bestimmen, ob ein gesetzliches Pfandrecht entsteht, son-
dern nur entscheiden, ob er ein Dritthandeln mit dieser Konsequenz zulässt.
Letzteres hat die Klägerin freiwillig getan. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte
ist auch davon auszugehen, dass der Klägerin vor der Freigabe des Gutes zur
Beförderung in die Niederlande bekannt war, dass der Transport nicht von ihrer
unmittelbaren Vertragspartnerin DSTL, sondern von einem anderen Frachtfüh-
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- 15 -
rer durchgeführt werden würde. Dem Vortrag der Klägerin ist nicht zu entneh-
men, dass sie damit nicht einverstanden war.
cc) Die Revision der Klägerin macht des Weiteren ohne Erfolg geltend,
es könne nicht unterstellt werden, dass die Klägerin bei Erteilung des Beförde-
rungsauftrags an die DSTL damit einverstanden gewesen sei, dass ihr Gut für
Frachtvergütungsansprüche hafte, die für die Beförderung von Gütern Dritter
entstanden seien, wie dies bei einem Sammeltransport üblicherweise der Fall
sei. Die Klägerin habe sich - so die Revision - ausdrücklich darauf berufen, dass
ihr nicht bekannt sei, mit welchen Gütern das MS Pascal auf der Ost-West-
Reise in die Niederlande beladen gewesen sei. Danach hätte der Beklagte dar-
legen und gegebenenfalls beweisen müssen, dass auf der Rückfahrt von Un-
garn in die Niederlande außer dem im Eigentum der Klägerin stehenden Mais
keine weiteren Güter befördert worden seien, so dass die vom Berufungsgericht
für die Ost-West-Reise in Ansatz gebrachte Frachtvergütung von 22.000 € al-
lein für den Transport des Eigentums der Klägerin entstanden sei. Entspre-
chende Darlegungen des Beklagten fehlten jedoch.
33
Mit diesem Vorbringen vermag die Revision nicht durchzudringen, weil
sie erheblichen zweitinstanzlichen Sachvortrag des Beklagten unberücksichtigt
gelassen hat. Der Beklagte hat in seinem Schriftsatz vom 18. September 2007
dargelegt, dass das MS Pascal auf der Ost-West-Reise nur mit dem Mais der
Klägerin beladen gewesen sei. Zum Zeitpunkt der Rückreise habe außerge-
wöhnliches Niedrigwasser geherrscht. Aus diesem Grunde habe sein Schiff
nicht mehr Tonnage als die 580 t Mais aufnehmen können. Diesem Vortrag ist
die Klägerin in keiner Weise entgegengetreten mit der Folge, dass er gemäß
§ 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden und damit als unstreitig anzusehen ist.
Dementsprechend ist das Berufungsgericht mit Recht davon ausgegangen,
34
- 16 -
dass die Hälfte der für die Rundreise insgesamt vereinbarten Vergütung im Zu-
sammenhang mit dem Transport des Eigentums der Klägerin entstanden ist.
dd) Der Entstehung eines Frachtführerpfandrechts gemäß § 441 Abs. 1
HGB in dem vom Berufungsgericht angenommenen Umfang steht - anders als
die Revision der Klägerin meint - auch nicht der Umstand entgegen, dass im
Frachtvertrag, den der Beklagte und Mu. am 20./21. Oktober 2005 ge-
schlossen haben, für die Ost-West-Reise nicht bereits die Beförderung der
streitgegenständlichen 580,04 t Mais, sondern lediglich der Transport von
"Agrar, Stahl oder Konstruktionen" vereinbart war.
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Der Beklagte hat das Gut der Klägerin in Ungarn aufgrund einer konkre-
tisierenden Weisung seiner Vertragspartnerin Mu. übernommen. Unstreitig
wurden auf der Ost-West-Reise keine weiteren Güter vom Beklagten befördert.
Der auf die Rückfahrt entfallende Anteil der Gesamtvergütung - gegen die vom
Berufungsgericht vorgenommene Aufteilung hat die Revision der Klägerin
nichts erinnert; sie ist mit Blick auf § 287 Abs. 2 ZPO auch rechtlich unbedenk-
lich - ist ausschließlich und gerade im Zusammenhang mit dem Transport des
Eigentums der Klägerin angefallen. Es handelte sich mithin um eine i.S. von
§ 441 Abs. 1 HGB konnexe Forderung, die durch das Pfandrecht am Gut der
Klägerin gesichert war.
36
37
ee) Die Revision der Klägerin wendet sich schließlich auch vergeblich
gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Umstand, dass der Beklagte
bei der Übernahme des Gutes in Ungarn nicht den im Vertrag vom
20./21. Oktober 2005 vereinbarten weiteren Vorschuss in Höhe von 10.000 €
von der Mu. eingefordert habe, führe nicht zu einer Kürzung des gesicher-
ten Frachtvergütungsanspruchs des Beklagten.
- 17 -
Entgegen der Auffassung der Revision ist das Berufungsgericht mit
Recht davon ausgegangen, dass der dem § 776 BGB zugrunde liegende
Rechtsgedanke auf die streitgegenständliche Fallgestaltung nicht anwendbar
ist. Der Anspruch auf Vorschusszahlung stellt keine Sicherheit i.S. von § 776
BGB dar, sondern ist Teil der vom Auftraggeber geschuldeten Leistung. Im Üb-
rigen ist die auf die Bürgschaft zugeschnittene Vorschrift des § 776 BGB auf
das Verhältnis eines Pfandgläubigers zum Verpfänder nicht entsprechend an-
wendbar (vgl. BGH, Urt. v. 20.12.1990 - IX ZR 268/89, NJW-RR 1991, 499,
500; a.A. MünchKomm.BGB/Habersack, 5. Aufl., § 776 Rdn. 2; MünchKomm.
BGB/Damrau, 5. Aufl., § 1225 Rdn. 9).
38
II. Zur Revision des Beklagten
39
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass auf den
mit der Klage geltend gemachten Anspruch gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 1
EGBGB deutsches Recht zur Anwendung kommt. Die Vorschrift bestimmt, dass
auf einen Anspruch aus unerlaubter Handlung das Recht des Tatortes anwend-
bar ist. Nach dem Vortrag der Klägerin hat der Beklagte in Neuss eine uner-
laubte Handlung begangen, da er hier den in ihrem Eigentum stehenden Mais
unbefugt verwertet hat.
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2. Entgegen der Auffassung der Revision des Beklagten hat das Beru-
fungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Klägerin aus § 823 Abs. 1
BGB ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 43.669,92 € gegen den Beklag-
ten zusteht, weil dieser durch die Verwertung einer 225 t übersteigenden Men-
ge Mais rechtswidrig und schuldhaft das Eigentum der Klägerin am Frachtgut
verletzt hat.
- 18 -
a) Der Beklagte hat mit der von ihm veranlassten Verwertung des
Frachtgutes im Wege eines freihändigen Verkaufs eine Verletzungshandlung
begangen, die gemäß §§ 1257, 1235 Abs. 2, §§ 1221, 1244, 932 BGB zum Ver-
lust des Eigentums der Klägerin an den 580,04 t Mais geführt hat.
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b) Der Eingriff des Beklagten in das Eigentum der Klägerin war nur hin-
sichtlich der Verwertung von 225 t Mais berechtigt und im Übrigen rechtswidrig.
Eine nicht gerechtfertigte Eigentumsverletzung liegt bei einer Pfandverwertung
dann vor, wenn dem die Verwertung betreibenden Gläubiger kein Pfandrecht
zustand oder dieser trotz eines ihm zustehenden Pfandrechts nicht oder jeden-
falls nicht so wie geschehen zur Verwertung berechtigt war (vgl. BGH, Urt. v.
10.07.1997 - I ZR 75/95, NJW-RR 1998, 543, 544). Dem Beklagten hat zwar ein
Pfandrecht wegen eines Frachtvergütungsanspruches in Höhe von 22.000 €
zuzüglich Nebenkosten zugestanden. Dies hat ihn jedoch nicht zur Verwertung
des gesamten Frachtgutes, sondern nur zur Veräußerung einer Teilmenge von
225 t Mais berechtigt.
43
aa) Die Revision macht demgegenüber ohne Erfolg geltend, dem Beklag-
ten habe sowohl hinsichtlich der gesamten noch nicht beglichenen Frachtlohn-
forderung aus dem Vertrag vom 20./21. Oktober 2005 als auch in Bezug auf die
offene Frachtvergütung aus dem Vertrag vom 5. September 2005 am Gut der
Klägerin ein Frachtführerpfandrecht gemäß § 441 Abs. 1 HGB zugestanden.
44
45
bb) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es
sich bei der aus dem Vertrag vom 5. September 2005 geltend gemachten For-
derung nicht um eine konnexe, sondern um eine inkonnexe Forderung handel-
te, da sie in keiner Weise mit der Beförderung des Gutes der Klägerin im Zu-
sammenhang stand. In Bezug auf die aus der Vereinbarung vom 20./21. Ok-
tober 2005 beanspruchte Forderung hat das Berufungsgericht Konnexität nur
- 19 -
für den auf die Ost-West-Reise entfallenden Teil der "Rundlaufpauschale", die
insgesamt 59.000 € betragen hat, in Höhe von 29.500 € angenommen.
Das lässt entgegen der Ansicht der Revision des Beklagten einen
Rechtsfehler nicht erkennen. Das Gut der Klägerin wurde auf der West-Ost-
Reise von den Niederlanden nach Ungarn nicht befördert. Dieser Teil des ver-
einbarten Rundlaufs, auf dem 1.000 t Soja von Amsterdam nach Ungarn trans-
portiert wurden, war vollständig abgeschlossen, als der Beklagte in Ungarn als
neue Ladung das Gut der Klägerin übernahm. Die Zusammenfassung von Hin-
und Rückreise in einem einheitlichen Vertrag führt nicht dazu, dass der versen-
dende Eigentümer auch für Forderungen aus dem Verhältnis eines Haupt-/
Unterfrachtführers zum ausführenden Unterfrachtführer einzustehen hat, die mit
der Beförderung seines Gutes gerade nichts zu tun haben (vgl. OLG Karlsruhe
TranspR 2004, 467, 468; Koller aaO § 441 HGB Rdn. 3; Risch, TranspR 2005,
108, 110; a.A. Andresen, TranspR 2004, Beilage S. VI).
46
cc) Gemäß § 441 Abs. 1 Satz 1 HGB hat der Frachtführer allerdings nicht
nur wegen konnexer, sondern auch wegen unbestrittener Forderungen aus an-
deren mit dem Absender abgeschlossenen Fracht-, Speditions- oder Lagerver-
trägen ein Pfandrecht an dem Gut. Der Wortlaut der Vorschrift unterscheidet,
was die Erstreckung des Pfandrechts auf inkonnexe Forderungen anbelangt,
nicht danach, ob es sich um Eigen- oder Fremdware des den Beförderungsauf-
trag erteilenden Versenders handelt.
47
48
Aus der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des
Fracht-, Speditions- und Lagerrechts (Transportrechtsreformgesetz - TRG;
BT-Drucks. 13/8445, S. 80 f.) ergeben sich keine Anhaltspunkte für die Annah-
me, dass der Reformgesetzgeber die Erstreckung des gesetzlichen Pfandrechts
auf die Absicherung inkonnexer Forderungen auch insoweit gewollt hat, dass
- 20 -
Dritteigentum wegen solcher Forderungen verhaftet sein solle. Das Gegenteil
ist vielmehr der Fall. Denn in der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es,
nicht mit dem Absender identische Dritte, die ein dingliches Recht am Pfandgut
innehaben, würden durch die Begründung eines gesetzlichen inkonnexen
Pfandrechts nicht unangemessen beeinträchtigt, weil der Frachtführer das in-
konnexe Pfandrecht eines Nichteigentümers nur dann gutgläubig erwerben
könne, wenn er in gutem Glauben an das Eigentum des Absenders an der
übergebenen Sache gewesen sei. Ein gutgläubiger Erwerb des gesetzlichen
Pfandrechts in Bezug auf sogenannte inkonnexe Forderungen bei bloßem gu-
ten Glauben an die Verfügungsbefugnis des Absenders solle nicht in Betracht
kommen. Damit werde vermieden, dass der mit dem Absender nicht identische
dritte Eigentümer des Gutes zu stark belastet werde, insbesondere bei Ein-
schaltung von Unterfrachtführern durch den Frachtführer letztlich für sämtliche
Schulden einer ihm oft nicht bekannten Person mit seinem Eigentum haften
müsse (BT-Drucks. 13/8445, S. 80 f.).
Bei einem Mehrpersonenverhältnis, wie es im Streitfall gegeben ist, wird
man zwar nicht ohne Weiteres sagen können, es sei dem Eigentümer regelmä-
ßig nicht möglich, eine Forderung aus dem Verhältnis des ausführenden Unter-
frachtführers zum Haupt-/Unterfrachtführer mehr als nur pauschal und damit
beachtlich zu bestreiten, so dass der Eigentümer es selbst in der Hand hat, die
Entstehung eines Frachtführerpfandrechts für inkonnexe Forderungen an sei-
nem Gut zu verhindern. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Eigentümer
im Allgemeinen nicht weiß, welche offenen Forderungen dem ausführenden
Unterfrachtführer gegen seinen Vertragspartner zustehen. Des Weiteren darf
nicht außer Acht gelassen werden, dass dem Vertragspartner des versenden-
den Eigentümers die Möglichkeit eröffnet würde, dem ausführenden Unter-
frachtführer eine Befriedigungsmöglichkeit an Fremdgut zu verschaffen, indem
er es unterlässt, eine gegen ihn gerichtete Forderung ausreichend zu bestrei-
49
- 21 -
ten, obwohl er dazu in der Lage wäre. Dadurch würde eine erhebliche Ver-
schiebung eines Ausfallrisikos zu Lasten des versendenden Eigentümers ge-
schaffen, wenn sein Vertragspartner Einwendungen gegenüber dem gegen ihn
geltend gemachten Anspruch zurückhält oder unterdrückt und gleichwohl nicht
zahlt. In einem solchen Fall könnte sich der ausführende Unterfrachtführer aus
dem ihm wegen seiner (unbestrittenen) Forderung verhafteten Gut des versen-
denden Eigentümers Befriedigung verschaffen, obwohl die inkonnexe Forde-
rung keinerlei Bezug zum Eigentum des Dritten aufweist. Eine solche Risikover-
lagerung zu Lasten des versendenden Eigentümers hat der Gesetzgeber gera-
de nicht gewollt. Daher ist die Vorschrift des § 441 Abs. 1 Satz 1 HGB im Wege
einer teleologischen Reduktion dahin auszulegen, dass ein Pfandrecht an Dritt-
gut nur wegen konnexer Forderungen entstehen kann (vgl. P. Schmidt, in
Kuhlen/Lorenz/Riedel/Schäfer/Schmidt/Wiese aaO, S. 21, 27). Dementspre-
chend hat der Beklagte für seine aus dem Vertrag vom 5. September 2005 und
die aus der Vereinbarung vom 20./21. Oktober 2005 für die West-Ost-Reise
resultierenden Forderungen kein Pfandrecht am Gut der Klägerin gemäß § 441
Abs. 1 Satz 1 HGB erworben.
dd) Ein gutgläubiger Pfandrechtserwerb des Beklagten gemäß §§ 1257,
1207 BGB i.V. mit § 366 Abs. 1 und 3 HGB kommt im Streitfall ebenfalls nicht in
Betracht. Nach § 366 Abs. 3 HGB muss sich der gute Glaube des Erwerbers
eines Frachtführerpfandrechts im Falle der Sicherung einer inkonnexen Forde-
rung auf das Eigentum des Absenders (seines Vertragspartners) erstrecken.
Der gute Glaube an eine Ermächtigung des Absenders durch den Eigentümer
genügt nicht (vgl. OLG Karlsruhe TranspR 2004, 467, 468; Koller aaO § 441
HGB Rdn. 12; Schaffert aaO § 441 Rdn. 5). Wird der ausführende Frachtführer
- wie im vorliegenden Fall - von einem Spediteur oder einem anderen Fracht-
führer beauftragt, muss er in der Regel davon ausgehen, dass diese nicht Ei-
gentümer des zu befördernden Gutes sind mit der Folge, dass der gutgläubige
50
- 22 -
Erwerb eines Frachtführerpfandrechts nicht in Betracht kommt (Koller aaO
§ 441 HGB Rdn. 12; MünchKomm.HGB/C. Schmidt aaO § 441 Rdn. 17; Risch,
TranspR 2004, 108, 111).
Da dem Beklagten nur zur Sicherung der für den Ost-West-Transport
entstandenen Frachtvergütung ein Pfandrecht am Gut der Klägerin zustand,
war lediglich die Verwertung von 225 t Mais gerechtfertigt. Die darüber hin-
ausgehende Veräußerung des Eigentums der Klägerin war dagegen rechtswid-
rig.
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Eine andere Beurteilung ergibt sich entgegen der Auffassung der Revisi-
on auch nicht daraus, dass die Klägerin die Geltung der Internationalen Verla-
de- und Transportbedingungen für die Binnenschifffahrt (IVTB) akzeptiert hat
und diese auch im Verhältnis zwischen der Mu. und dem Beklagten ver-
einbart waren. Die Regelung in § 14 Nr. 1 IVTB stimmt im Wesentlichen mit
§ 441 Abs. 1 HGB überein und ist daher in gleicher Weise wie die gesetzliche
Vorschrift zu verstehen. Soweit § 14 Nr. 4 IVTB bestimmt, dass dritte Personen,
die Ansprüche auf die Ware aufgrund des Konnossements oder Frachtbriefs
erheben, durch die Empfangnahme oder Verfügung über solche Papiere das
Zurückbehaltungs- oder Pfandrecht des Frachtführers anerkennen, ist zu be-
achten, dass die Ausdehnung Allgemeiner Transportbedingungen auf vertrags-
fremde Personen grundsätzlich unwirksam ist (vgl. BGH, Urt. v. 29.6.1959
- II ZR 114/57, NJW 1959, 1679, zu § 34 lit. a ADSp a.F.). Im Übrigen hat der
Beklagte nicht im Einzelnen dargelegt, dass die Voraussetzungen des § 14
Nr. 4 IVTB erfüllt waren.
52
c) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht auch
rechtsfehlerfrei ein Verschulden des Beklagten festgestellt. Es hat dieses darauf
gestützt, dass die Möglichkeit eines Pfandrechtserwerbs an Dritteigentum für
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- 23 -
inkonnexe Forderungen zum Zeitpunkt der Verwertung des Gutes bereits ober-
gerichtlich verneint worden war (OLG Karlsruhe TranspR 2004, 467, 468). Da-
nach musste der Beklagte ohne Weiteres mit einem Unterliegen in einem späte-
ren Rechtsstreit rechnen, wenn er das gesamte im Eigentum der Klägerin ste-
hende Gut verwerten würde. Ebenso hätte der Beklagte bei sorgfältiger Prüfung
der Sach- und Rechtslage damit rechnen müssen, dass nicht der gesamte aus
dem Vertrag vom 20./21. Oktober 2005 noch offene Frachtvergütungsanspruch
durch ein Pfandrecht am Gut der Klägerin gesichert war.
d) Gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Berechnung des der
Klägerin entstandenen Schadens hat die Revision des Beklagten keine Bean-
standungen erhoben. Insoweit sind auch keine Rechtsfehler ersichtlich.
54
- 24 -
C. Danach ist die Revision der Klägerin als unzulässig zu verwerfen, so-
weit sie sich dagegen richtet, dass das Berufungsgericht den geltend gemach-
ten Anspruch auf Erstattung der in erster Instanz entstandenen außergerichtli-
chen Kosten der Klägerin abgewiesen hat. Im Übrigen sind die Rechtsmittel der
Parteien mit der Kostenfolge aus § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuwei-
sen.
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Bornkamm Pokrant Büscher
Bergmann
Kirchhoff
Vorinstanzen:
AG Duisburg-Ruhrort, Entscheidung vom 11.12.2006 - 5 C 18/06 BSch -
OLG Köln, Entscheidung vom 30.05.2008 - 3 U 7/07 BSch -