Urteil des BGH vom 25.10.2006

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 211/04
vom
25. Oktober 2006
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
VAHRG § 3 b Abs. 1 Nr. 1; BGB §§ 1587 g, 1587 h
a) Zur Ermittlung der schuldrechtlichen Ausgleichsrente, wenn das schuldrecht-
lich auszugleichende Versorgungsanrecht zuvor unter der Geltung der seit
dem 1. Januar 2003 gültigen und zum 31. Mai 2006 außer Kraft getretenen
Fassung der Barwert-Verordnung gemäß § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG teilweise
öffentlich-rechtlich ausgeglichen worden ist (Fortführung der Senatsbe-
schlüsse vom 25. Mai 2005 - XII ZB 127/01 - FamRZ 2005, 1464 und vom
6. Juli 2005 - XII ZB 107/02 - NJW-RR 2005, 1522).
b) Eine Anwendung der Härteklausel des § 1587 h Nr. 1 BGB kommt beim
schuldrechtlichen Ausgleich einer betrieblichen Altersversorgung auch im
Hinblick auf die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge des ausgleichs-
pflichtigen Ehegatten nicht in Betracht, wenn der angemessene Unterhalt des
ausgleichspflichtigen Ehegatten bei Zahlung der ungekürzten Ausgleichsren-
te nicht gefährdet ist und auf Seiten des ausgleichsberechtigten Ehegatten
keine evident günstigeren wirtschaftlichen Verhältnisse vorliegen (Fortfüh-
rung des Senatsbeschlusses vom 9. November 2005 - XII ZB 228/03 -
FamRZ 2006, 323).
BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2006 - XII ZB 211/04 - OLG Oldenburg
AG
Osnabrück
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Oktober 2006 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dose
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats
- 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg
vom 6. September 2004 wird auf Kosten des Antragsgegners zu-
rückgewiesen.
Beschwerdewert: 2.000 €.
Gründe:
I.
Die Parteien streiten um schuldrechtlichen Versorgungsausgleich.
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Die im Jahre 1933 geborene Antragstellerin (im Folgenden: Ehefrau) und
der im Jahre 1924 geborene Antragsgegner (im Folgenden: Ehemann) haben
im Jahre 1958 die Ehe geschlossen, aus der zwei mittlerweile volljährige Kinder
hervorgegangen sind. Durch Verbundurteil des Amtsgerichts - Familiengericht -
vom 13. November 1995 wurde ihre Ehe - zum Scheidungsausspruch rechts-
kräftig - geschieden und der Versorgungsausgleich durchgeführt.
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In der Ehezeit (1. August 1958 bis 31. Dezember 1994, § 1587 Abs. 2
BGB) haben beide Parteien Rentenanwartschaften der gesetzlichen Renten-
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versicherung erworben, der Ehemann zusätzliche Anrechte auf betriebliche Al-
tersversorgung bei der C. Deutschland GmbH. Auf die Beschwerde des Ehe-
mannes gegen die Durchführung des Versorgungsausgleichs schloss das
Oberlandesgericht den Versorgungsausgleich durch Beschluss vom 27. De-
zember 1996 wegen langjähriger ehewidriger Beziehungen der Ehefrau unter
Anwendung der Härteklausel des § 1587 c BGB vollständig aus. Hiergegen
legte die Ehefrau Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht ein,
der durch Kammerbeschluss vom 20. Mai 2003 (veröffentlicht in FamRZ 2003,
1173 ff.) stattgegeben wurde. Nach Aufhebung des angefochtenen Beschlusses
und Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht übertrug dieses
vom Versicherungskonto des Ehemannes bei der Bundesversicherungsanstalt
für Angestellte (jetzt Deutsche Rentenversicherung Bund) auf das dortige Ver-
sicherungskonto der Ehefrau Rentenanwartschaften im Wege des Splittings in
monatlicher Höhe von 511
€ und -
zum Ausgleich der betrieblichen
Altersversorgung des Ehemannes - im Wege des erweiterten Splittings in mo-
natlicher Höhe von 40,09 €, jeweils bezogen auf den 31. Dezember 1994. We-
gen des den Grenzbetrag des erweiterten Splittings übersteigenden Aus-
gleichsbetrages aus der betrieblichen Altersversorgung hat es der Ehefrau den
schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten.
Der Ehemann bezieht seit dem 1. Januar 1988 eine Vollrente wegen Al-
ters. Seit dieser Zeit erhält er auch seine ausschließlich in der Ehezeit erworbe-
ne betriebliche Altersversorgung, deren aktuelle Höhe das Oberlandesgericht
mit monatlich brutto 1.374 € festgestellt hat. Die Ehefrau bezieht seit dem
1. November 1996 eine Altersrente für langjährig Versicherte. Mit einem dem
Ehemann am 17. Februar 2004 zugestellten Antrag hat die Ehefrau die Durch-
führung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs beantragt. Das Amtsge-
richt - Familiengericht - hat den Ehemann verpflichtet, seit dem 17. Februar
2004 an die Ehefrau eine Ausgleichsrente in monatlicher Höhe von 642,46 € zu
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zahlen. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Ehemannes hat das Oberlan-
desgericht zurückgewiesen.
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Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Eheman-
nes, mit der er die von dem Oberlandesgericht befolgte Methode einer Aktuali-
sierung des im öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich ausgeglichenen No-
minalbetrages einer volldynamischen Rente anhand der Steigerungsraten der
gesetzlichen Rentenversicherung und die Nichtberücksichtigung der von ihm
auf die volle betriebliche Altersversorgung zu zahlenden Kranken- und Pflege-
versicherungsbeiträge beanstandet.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Das Oberlandesgericht ist im Ausgangspunkt seiner Berechnung da-
von ausgegangen, dass der Ehefrau die Hälfte der betrieblichen Bruttoversor-
gung des Ehemannes in einer Gesamthöhe von 1.374 € ohne Berücksichtigung
von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen zustehe, mithin monatlich
687 €. Hiervon in Abzug zu bringen sei der durch den öffentlich-rechtlichen
Teilausgleich bereits verbrauchte Teil des schuldrechtlichen Ausgleichsbetra-
ges in Höhe der seinerzeit zusätzlich übertragenen 40,09 €, der sich für die
Ehefrau bereits in der gesetzlichen Rentenversicherung rentensteigernd aus-
wirke. Der für den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich bereits verbrauchte
Teil sei auf die Weise zu ermitteln, dass der im Wege des erweiterten Splittings
ausgeglichene Betrag entsprechend der Steigerung des aktuellen Rentenwer-
tes seit dem Ende der Ehezeit aktualisiert werde. Eine Rückrechnung des be-
reits ausgeglichenen Teilausgleichsbetrages in einen statischen Betrag komme
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auch nach der Neufassung der Barwert-Verordnung mit Wirkung zum 1. Januar
2003 nicht in Betracht, weil die Verfassungswidrigkeit der alten Barwert-
Verordnung die Angreifbarkeit einer auf der Entdynamisierung des Teilaus-
gleichsbetrages beruhenden Berechnungsmethode nur offensichtlich gemacht
habe. Da der aktuelle Rentenwert seit Ende der Ehezeit im Dezember 1994 von
23,51943 € (= 46 DM) auf 26,13 € gestiegen sei, sei der Teilausgleich von ur-
sprünglich 40,09 € auf nunmehr 44,54 € (40,09 € : 23,51943 € x 26,13 €) auf-
gewertet worden. Dieser Betrag sei auf den vollen Ausgleichsbetrag anzurech-
nen, so dass für die Ehefrau ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 642,46 €
(687 € - 44,54 €) verbleibe.
Zugunsten des Ehemannes komme im Hinblick auf die Belastung der Be-
triebsrente mit Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen auch kein (Teil-)
Ausschluss des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs nach § 1587 h Nr. 1
BGB in Betracht. Die Ehefrau sei zur Sicherung ihrer Existenz auf die ungekürz-
te Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs angewiesen. Sie
selbst habe nur geringfügige eigene Rentenanwartschaften erworben. Allein
über den Besitz ihrer Immobilie und ihr ererbtes Barvermögen, das im Jahre
2004 noch ca. 80.000 € betragen habe, könne sie den nach ihren Lebensver-
hältnissen angemessenen Unterhalt nicht bestreiten. Dabei sei auch zu berück-
sichtigen, dass die Ehefrau - bedingt durch die Besonderheiten des bisherigen
Verfahrens und trotz eigenen Rentenbezuges seit 1996 - die ihr an sich zuste-
hende schuldrechtliche Ausgleichsrente erst im Jahre 2004 geltend gemacht
habe.
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2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht in allen
Punkten der Begründung, wohl aber im Ergebnis stand.
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a) Soweit das Oberlandesgericht den auf den schuldrechtlichen Versor-
gungsausgleich anzurechnenden öffentlich-rechtlichen Teilausgleich lediglich
nach der Entwicklung des allgemeinen Rentenwerts aktualisiert hat, steht dies
grundsätzlich nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats.
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aa) Aus der betrieblichen Altersversorgung des Ehemannes wurde be-
reits zum Ende der Ehezeit am 31. Dezember 1994 eine laufende Rentenzah-
lung gewährt. Das Oberlandesgericht hat weder beim öffentlich-rechtlichen
Teilausgleich noch bei der Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungs-
ausgleichs eigene Feststellungen dazu getroffen, ob das betriebliche Versor-
gungsanrecht des Ehemannes in dem für laufende Versorgungen am Ende der
Ehezeit allein maßgeblichen Leistungsstadium (vgl. hierzu Senatsbeschluss
vom 25. September 1991 - XII ZB 68/90 - FamRZ 1992, 47, 48) volldynamisch
ist.
Der Umstand, dass die Betriebsrente nicht jährlich, sondern nur in einem
dreijährigen Rhythmus nach § 16 Abs. 1 BetrAVG angepasst wird, steht der
Annahme der Volldynamik im Leistungsstadium allerdings nicht grundsätzlich
entgegen (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 1568; Staudinger/Rehme, BGB
[2004], § 1587 a Rdn. 428). Die sich aus den vom Ehemann vorgelegten Ge-
haltsmitteilungen ergebenden Erhöhungen seiner Altersversorgung lassen
vielmehr erwarten, dass die Anpassung der von der C. Deutschland GmbH ge-
zahlten Betriebsrente in den letzten zehn Jahren mit den nachhaltig gedämpften
Steigerungsraten der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenver-
sorgung (vgl. hierzu grundlegend den nach Erlass der angefochtenen Entschei-
dung ergangene Senatsbeschluss BGHZ 160, 41, 47 ff. sowie den Senatsbe-
schluss vom 20. September 2006 - XII ZB 248/03 - zur Veröffentlichung be-
stimmt) Schritt halten konnte. Dies kann der Senat indes nicht selbst beurteilen.
Denn es ist nicht nur die Aufgabe des Tatrichters, die erforderlichen Feststel-
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lungen zur Entwicklung der Verhältnisse in der Vergangenheit zu treffen, son-
dern auch, auf der Grundlage der gegenwärtigen, für die Versorgung maßgebli-
chen versicherungstechnischen Rechnungsgrundlagen aus den Entwicklungen
der Vergangenheit eine hinreichend gesicherte Prognose für die künftige voll-
dynamische Entwicklung der Versorgung abzuleiten (Senatsbeschluss vom
10. September 1997 - XII ZB 126/95 - FamRZ 1998, 424, 425). Verhält sich die
tatrichterliche Entscheidung hierzu nicht, kann das Rechtsbeschwerdegericht
diese Auslassung nicht durch eine eigene Prognose ersetzen.
bb) Allerdings kommt es hier wegen der Änderung der Barwertverord-
nung seit der Entscheidung über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsaus-
gleich auf diese Frage nicht an.
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Der Senat hat unter der Geltung der Barwert-Verordnung in der zum
31. Dezember 2002 außer Kraft getretenen Fassung ausgesprochen, dass im
Falle des öffentlich-rechtlichen Teilausgleichs eines nicht volldynamischen Ver-
sorgungsanrechts bei der anschließenden Durchführung des schuldrechtlichen
Versorgungsausgleichs der Nominalbetrag des dem ausgleichsberechtigten
Ehegatten im Wege des erweiterten Splittings gemäß § 3 b Abs. 1 Nr. 1
VAHRG gutgebrachten volldynamischen Anrechts auf gesetzliche Rente mit
Hilfe der Barwert-Verordnung in den entsprechenden Nominalbetrag eines nicht
volldynamischen Anrechtes zurückzurechnen ist (Senatsbeschluss vom
29. September 1999 - XII ZB 21/97 - FamRZ 2000, 89, 92). Der solchermaßen
"entdynamisierte" Teilbetrag der Betriebsrente ist anschließend von dem ge-
samten schuldrechtlichen Ausgleichsbetrag in Abzug zu bringen. An dieser Me-
thode hat der Senat nach der Novellierung der Barwert-Verordnung mit Wirkung
zum 1. Januar 2003 (durch die Zweite Verordnung zur Änderung der Barwert-
Verordnung vom 26. Mai 2003 BGBl. I S. 728) in mehreren, nach Erlass des
hier angefochtenen Beschlusses ergangenen Entscheidungen ausdrücklich
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festgehalten (vgl. Senatsbeschlüsse vom 25. Mai 2005 - XII ZB 127/01 -
FamRZ 2005, 1464, 1465 ff. und vom 6. Juli 2005 - XII ZB 107/02 - NJW-RR
2005, 1522, 1523). War demnach - wie hier - der erweiterte Ausgleich eines
nicht volldynamischen Anrechts im öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich
bereits unter der Geltung der zum 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Neufas-
sung der Barwert-Verordnung durchgeführt worden, war nach der Rechtspre-
chung des Senats das dem Ausgleichsberechtigten gutgebrachte volldynami-
sche Anrecht auf gesetzliche Rente mit Hilfe dieser Fassung der Barwert-
Verordnung in den entsprechenden Betrag eines nicht volldynamischen Anrech-
tes zu entdynamisieren. Die Aktualisierung des volldynamischen Teilaus-
gleichsbetrages anhand der jeweiligen aktuellen Rentenwerte kam demgegen-
über nicht in Betracht, wenn sowohl der öffentlich-rechtliche Teilausgleich als
auch der anschließende schuldrechtliche Versorgungsausgleich der Geltung
der zum 1. Januar 2003 novellierten Barwert-Verordnung unterfielen (Senats-
beschluss vom 25. Mai 2005 aaO S. 1467).
cc) Mit Beschluss vom 2. Mai 2006 hat das Bundesverfassungsgericht
nunmehr die Auffassung vertreten, dass die Anwendung der Barwert-Verord-
nung auch in der seit dem 1. Januar 2003 gültigen Fassung gegen den allge-
meinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoße, soweit "teildynamische"
Anrechte - gemeint sind Anrechte, die in der Anwartschaftsphase und/oder der
Leistungsphase einer Anpassung unterliegen, die hinter den Steigerungsraten
der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung zurück-
bleibt - unterschiedslos wie statische Anrechte behandelt werden (BVerfG
FamRZ 2006, 1000, 1001 f. mit Anm. Borth/Glockner S. 1004 f.). Danach könn-
te - vorbehaltlich einer Leistungsdynamik der Betriebsrente - eine Entdynami-
sierung des im öffentlich-rechtlichen Teilausgleich gutgebrachten gesetzlichen
Rentenanrechts in den Nominalbetrag eines nicht volldynamischen Anrechtes
nur noch dann anhand der Barwert-Verordnung erfolgen, wenn das betriebliche
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Anrecht des Ehemannes in dem hier allein maßgeblichen Leistungsstadium
überhaupt keiner Anpassung unterläge (vgl. Senatsbeschluss vom
20. September 2006 aaO). Wie demgegenüber zu verfahren wäre, wenn zwar
eine zukünftige Anpassung der betrieblichen Versorgung des Ehemannes zu
erwarten ist, deren Wertsteigerung jedoch diejenige einer volldynamischen Ver-
sorgung nicht erreichen wird, braucht unter den hier obwaltenden Umständen
nicht entschieden zu werden. Denn die vom Oberlandesgericht befolgte Metho-
de einer Aktualisierung des volldynamischen Anrechts auf eine gesetzliche
Rente ist jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt aus Rechtsgründen nicht mehr zu
beanstanden.
dd) Durch die Dritte Verordnung zur Änderung der Barwert-Verordnung
(vom 3. Mai 2006 BGBl. I S. 1144) ist die Geltung der ursprünglich zum 31. Mai
2006 außer Kraft tretenden Barwert-Verordnung bis zum 30. Juni 2008 verlän-
gert worden. In die seit dem 1. Juni 2006 geltende Neufassung der Barwert-
Verordnung wurden einerseits die Barwertfaktoren und andererseits die Zu- und
Abschläge für die Berücksichtigung eines vom Alter 65 abweichenden Endalters
und einer in der Leistungsphase vorliegenden Volldynamik geändert. Diese
Neuberechnung beruht ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfes
auf einem von 5,5 % auf 4,5 % herabgesetzten Rechnungszins als Abzinsungs-
faktor, was durch die "grundlegende Änderung der wirtschaftlichen Entwicklung
mit ihren Auswirkungen auf die Rentendynamik und die Kapitalmarktrendite"
veranlasst worden sei (BR-Drucks. 123/06, S. 11).
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Der Senat hat bereits zur ersten Aktualisierung der Barwert-Verordnung
im Jahre 2003 ausgesprochen, dass es nicht angängig sei, einen unter der Gel-
tung der zum 31. Dezember 2002 außer Kraft getretenen Fassung der Barwert-
Verordnung durchgeführten öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich im
Hinblick auf einen nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG erfolgten Teilausgleich da-
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durch zu korrigieren, dass eine nach § 1587 g BGB zu zahlende schuldrechtli-
che Ausgleichsrente um einen nach den Parametern der alten Barwert-
Verordnung ermittelten, aber nach der im Jahre 2003 novellierten Barwert-
Verordnung entdynamisierten Teilausgleichsbetrag gekürzt wird (Senatsbe-
schluss vom 25. Mai 2005 aaO, S. 1467). Insoweit kann angesichts der neuerli-
chen Veränderung der Parameter im Verhältnis der vom 1. Januar 2003 bis
zum 31. Mai 2006 geltenden Fassung der Barwert-Verordnung zu der zum
1. Juni 2006 in Kraft getretenen Neufassung nichts anderes gelten. Der Senat
hält es deshalb nach der erneuten Novellierung der Barwert-Verordnung im Er-
gebnis ebenso für vertretbar, einen unter der Geltung der am 31. Mai 2006 au-
ßer Kraft getretenen Barwert-Verordnung durchgeführten erweiterten öffentlich-
rechtlichen Ausgleich im Rahmen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs
dadurch zu berücksichtigen, dass der auf das Ehezeitende bezogene Nominal-
betrag des so übertragenen oder begründeten Anrechts (also der statische Be-
trag des im Wege des erweiterten Splittings im öffentlich-rechtlichen Versor-
gungsausgleich übertragenen Teils) nicht entdynamisiert, sondern wegen sei-
ner zwischenzeitlichen Wertsteigerung auf den derzeitigen Nominalbetrag aktu-
alisiert und dieser dann vom Nominalbetrag des schuldrechtlich auszugleichen-
den Anrechts in Abzug gebracht wird.
b) Es begegnet im Weiteren keinen rechtlichen Bedenken, dass das
Oberlandesgericht im vorliegenden Fall keine Kürzung der schuldrechtlichen
Ausgleichsrente nach § 1587 h Nr. 1 BGB im Hinblick auf die Kranken- und
Pflegeversicherungsbeiträge des Ehemannes in Erwägung gezogen hat.
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Im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (Senatsbeschluss vom
26. Januar 1994 - XII ZB 10/92 - FamRZ 1994, 560, 561) ist das Oberlandesge-
richt bei der Bemessung der Ausgleichsrente vom Bruttobetrag der Betriebsren-
te des Ehemannes ohne Vorwegabzug der Beiträge zur gesetzlichen Kranken-
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und Pflegeversicherung ausgegangen. Durch die Verpflichtung zur Zahlung ei-
ner schuldrechtlichen Ausgleichsrente wird die Höhe der beitragspflichtigen
Einnahmen des Ehemannes in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversiche-
rung zwar nicht berührt, so dass er weiterhin Versicherungsbeiträge auf seine
gesamte betriebliche Altersversorgung zu zahlen hat. Die damit verbundene
Mehrbelastung für den Ausgleichspflichtigen ist seit dem 1. Januar 2004 auch
nicht unerheblich gestiegen, weil pflichtversicherte Betriebsrentner wegen der
zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretenen Änderung des § 248 SGB V durch das
Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom
14. November 2003 (BGBl I, S. 2190, 2230) auf ihre Versorgungsbezüge nun-
mehr den vollen (und nicht nur den halben) Beitragssatz in der Krankenversi-
cherung zahlen müssen. Auch vor diesem Hintergrund hat der Senat in neuerer
Zeit mehrfach ausgesprochen, dass den im System der gesetzlichen Kranken-
und Pflegeversicherung angelegten Unterschieden bei der beitragsrechtlichen
Behandlung der vom Ausgleichspflichtigen bezogenen Betriebsrente einerseits
und der an den Ausgleichsberechtigten gezahlten Ausgleichsrente andererseits
bei evidenten und unter Berücksichtigung der gesamten Einkommens- und
Vermögensverhältnisse der Parteien nicht mehr hinnehmbaren Verstößen ge-
gen den Halbteilungsgrundsatz durch die Anwendung des § 1587 h Nr. 1 BGB
begegnet werden kann (Senatsbeschlüsse vom 10. August 2005 - XII ZB
191/01 - FamRZ 2005, 1982, 1983 und vom 9. November 2005 - XII ZB
228/03 - FamRZ 2006, 323, 325).
Dies ändert aber nichts daran, dass § 1587 h BGB der Charakter einer
reinen Ausnahmeregelung zukommt, die grundsätzlich nur zur Abwendung un-
billiger Härten im Einzelfall herangezogen werden kann, aber keine generelle
Korrektur solcher mit der schematischen Durchführung des Versorgungsaus-
gleichs typischerweise verbundenen Ungleichbehandlungen der Ehegatten in
steuerlicher oder - wie hier - in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht ermög-
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licht. Insoweit hat der Senat zu § 1587 h Nr. 1 BGB ausgesprochen, dass bei
eingeschränkten wirtschaftlichen Verhältnissen des Ausgleichspflichtigen, also
wenn ihm bei Zahlung der ungekürzten Ausgleichsrente lediglich Einkünfte
verbleiben, die den angemessenen Unterhalt allenfalls geringfügig übersteigen,
günstigere Einkommensverhältnisse auf Seiten des Ausgleichsberechtigten die
Prüfung nahe legen, ob die Ausgleichsrente um den auf sie entfallenden Anteil
an den Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen zu kürzen ist (Senatsbe-
schluss vom 9. November 2005 aaO). Nach diesen Maßstäben kommt im vor-
liegenden Fall eine Kürzung der an die Ehefrau zu zahlenden Ausgleichsrente
nicht in Betracht.
aa) Zum einen kann der Ehemann ersichtlich auch bei ungekürzter
Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs seinen angemes-
senen Unterhalt aus den verbleibenden Alterseinkünften bestreiten. Seine ge-
setzliche Rente betrug ausweislich der letzten vorgelegten Rentenanpas-
sungsmitteilung brutto 1.885,97 €. Dabei war die Durchführung des öffentlich-
rechtlichen Versorgungsausgleichs durch Beschluss des Oberlandesgerichts
vom 5. Januar 2004 noch nicht berücksichtigt, der sich zu Lasten des Eheman-
nes mit einem Verlust von insgesamt 23,4313 EP ([511,00 € + 40,09 €] /
23,51943 [46,00 DM]) ausgewirkt hat. Dies entspricht einer Verringerung der
aktuellen gesetzlichen Rente um 612,26 € (23,4313 EP x 26,13 €), so dass dem
Ehemann nach dem öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich noch eine ge-
setzliche Rente in Höhe von rund 1.274 € verbleibt; bei Fortschreibung der aus
der Rentenanpassungsmitteilung ersichtlichen Beitragssätze (15,2 % bzw.
1,7 %) wären auf diese Rente Eigenanteile zur Kranken- und Pflegeversiche-
rung in Höhe von rund 108 € zu zahlen. Die aktuelle Höhe der Betriebsrente
betrug nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts 1.374 € brutto; der Ab-
zug von (erhöhten) Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen auf die Be-
triebsrente fällt mit rund 232 € ins Gewicht. Damit verbleiben dem Ehemann
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nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge Alterseinkünfte in einer Gesamt-
höhe von rund (1.274 € - 108 € + 1.374 € - 232 €) 2.308 €. Dies erlaubt auch
unter Berücksichtigung der von dem Ehemann auf seine Alterseinkünfte mögli-
cherweise noch aufzubringenden Einkommen- und Kirchensteuern bereits jetzt
die Beurteilung, dass der angemessene Unterhalt des Ehemannes durch die
Zahlung einer ungekürzten Ausgleichsrente in der vom Oberlandesgericht er-
mittelten Höhe von 642,46 € offensichtlich nicht gefährdet wäre (2.308 € -
642,46 € = 1.665,54 €). Bei diesen Verhältnissen bedarf es auch keines nähe-
ren Eingehens auf die steuerlichen Auswirkungen der Absetzbarkeit der schuld-
rechtlichen Ausgleichsrente (als dauernde Last gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 a
EStG; vgl. hierzu BFH Urteil vom 15. Oktober 2003 - X R 29/01 - EzFamR BGB
§ 1587 g Nr. 15) und des am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Gesetzes zur
Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorge-
aufwendungen und Altersbezügen (Alterseinkünftegesetz - vom 5. Juli 2004,
BGBl. I S. 1427).
bb) Zum anderen lässt sich eine Anwendung des § 1587 h BGB hier
auch nicht damit rechtfertigen, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte in evi-
dent günstigeren wirtschaftlichen Verhältnissen als der ausgleichspflichtige
Ehegatte lebe. Die Ehefrau hat ausweislich des letzten vorlegten Rentenbe-
scheides eine eigene gesetzliche Bruttorente in Höhe von (nur) 279,27 € erwor-
ben. Zusammen mit den im öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich vom
Ehemann erworbenen 23,4313 EP wird sie voraussichtlich eine gesetzliche
Bruttorente in einer Gesamthöhe von rund 892 € erlangen können. Bei Fort-
schreibung der bisherigen Beitragssätze wären auf diese Rente Eigenanteile
zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von rund 75 € zu zahlen, so dass
der Ehefrau eine gesetzliche Nettorente von rund 817 € verbliebe. Auch mit der
monatlichen Ausgleichsrente in der vom Oberlandesgericht errechneten Höhe
von 642,46 € würden der Ehefrau voraussichtlich keine höheren Alterseinkünfte
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zur Verfügung stehen (817 € + 642,46 € = 1.459,46 €) als sie dem Ehemann
trotz ungekürzter Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs
verbleiben würden.
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Soweit die Ehefrau neben ihren Alterseinkünften noch über die Vorteile
mietfreien Wohnens im eigenen Haus und die Kapitalerträge aus dem vom
Oberlandesgericht mit (noch) 80.000 € ermittelten Barvermögen verfügt, be-
gründet dies jedenfalls unter den hier obwaltenden Umständen keinen so evi-
denten Unterschied in den wirtschaftlichen Verhältnissen der geschiedenen
Ehegatten, dass - obwohl eine Gefährdung des angemessenen Unterhalts beim
ausgleichspflichtigen Ehegatten nicht zu besorgen ist - allein deswegen eine
Korrektur des schuldrechtlichen Versorgungsausgleich nach § 1587 h Nr. 1
BGB geboten erscheint. Denn bei den wirtschaftlichen Verhältnissen der Ehe-
frau ist auch der Gesichtspunkt in die Billigkeitsabwägung einzubeziehen, dass
sie während der außergewöhnlich langen Dauer des Verfahrens über den Ver-
sorgungsausgleich bereits darauf angewiesen war, einen großen Teil ihres Bar-
vermögens zur Bestreitung des angemessenen Unterhalts zu verbrauchen, zu
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mal dieser durch ihre eigene gesetzliche Rente bei weitem nicht sichergestellt
war.
Hahne
Sprick
Weber-Monecke
Wagenitz Dose
Vorinstanzen:
AG Osnabrück, Entscheidung vom 28.04.2004 - 10 F 43/04 VA -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 06.09.2004 - 11 UF 70/04 -