Urteil des BGH vom 15.07.2014

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I I Z B 2 / 1 3
vom
15. Juli 2014
in der Registersache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
HGB §§ 105, 161; StBerG §§ 49, 57 Abs. 3 Nr. 3
Eine Steuerberatungsgesellschaft in der Form einer Kommanditgesellschaft mit
dem Gesellschaftszweck "geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen ein-
schließlich der Treuhandtätigkeit" kann im Handelsregister eingetragen werden.
BGH, Beschluss vom 15. Juli 2014 - II ZB 2/13 - OLG Dresden
AG Chemnitz
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Juli 2014 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann, den Richter Prof. Dr. Strohn, die
Richterinnen Caliebe und Dr. Reichart und den Richter Sunder
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerden der Beteiligten werden der Be-
schluss des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden
vom 6. Dezember 2012 und der Beschluss des Amtsgerichts
Chemnitz - Registergericht - vom 8. Juni 2012 aufgehoben.
Das Registergericht wird angewiesen, über die Anmeldung der
Beteiligten vom 7. Oktober 2011 - UR-Nr. 2168/2011, Notar
M. in M. - unter Beachtung der Rechts-
auffassung des Senats neu zu entscheiden.
Gründe:
I. Die Beteiligten haben nach Gründung der W.
GmbH & Co. KG Steuerberatungsgesellschaft (im Folgenden: Steuerbera-
tungs KG) die Gesellschaft am 7. Oktober 2011 zur Eintragung im Handelsre-
gister angemeldet, u.a. mit folgenden Angaben zum Gesellschaftszweck:
"Die Gesellschaft ist in folgendem Geschäftszweig tätig (Ge-
genstand):
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Gegenstand des Unternehmens sind die geschäftsmäßige Hil-
feleistung in Steuersachen sowie die damit vereinbarten Tä-
tigkeiten gemäß § 33 i.V.m. § 57 Abs. 3 StBerG, einschließlich
der Treuhandtätigkeit.
Tätigkeiten, die mit dem Beruf des Steuerberaters nicht ver-
einbar sind, insbesondere gewerbliche Tätigkeiten i.S.v. § 57
Abs. 4 Nr. 1 StBerG wie z.B. Handels- und Bankgeschäfte
sind ausgeschlossen."
Das Registergericht hat die Anmeldung zunächst mit Beschluss vom
5. Januar 2012 mit der Begründung zurückgewiesen, die Gesellschaft müsse,
damit sie eingetragen werden könne, ausschließlich Treuhandaufgaben wahr-
nehmen. Nach Aufhebung dieses Beschlusses durch das Oberlandesgericht mit
Beschluss vom 14. Mai 2012 hat das Registergericht die Anmeldung mit Be-
schluss vom 8. Juni 2012 erneut zurückgewiesen. Es hat nun zur Begründung
ausgeführt, die Eintragung der Steuerberatungsgesellschaft setze eine
- vorliegend unstreitig nicht beabsichtigte - überwiegende Ausübung der Treu-
handtätigkeit voraus. Die gegen diesen erneuten Zurückweisungsbeschluss
erhobenen Beschwerden der Beteiligten sind ohne Erfolg geblieben. Hiergegen
wenden sich die Beteiligten mit ihren vom Beschwerdegericht zugelassenen
Rechtsbeschwerden.
II. Das Beschwerdegericht (OLG Dresden, NZG 2013, 873) hat zur Be-
gründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Eine Kommanditgesellschaft mit dem Gesellschaftszweck "geschäftsmä-
ßige Hilfeleistung in Steuersachen einschließlich der Treuhandtätigkeit" könne
nur dann im Handelsregister eingetragen werden, wenn die Gesellschaft die für
die Eintragung erforderliche gewerbliche Tätigkeit (hier: die Treuhandtätigkeit)
schwerpunktmäßig ausübe. Dies sei bei der von den Beteiligten angemeldeten
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Steuerberatungs KG unstreitig nicht der Fall. Die Gesellschaft sei auch nicht
nach § 105 Abs. 2 HGB eintragungsfähig. Die berufsrechtliche Möglichkeit,
Personenhandelsgesellschaften, die im Handelsregister eingetragen seien, als
Steuerberatungsgesellschaften anzuerkennen (§ 49 Abs. 2 StBerG), stelle kei-
ne den §§ 105, 161 BGB vorgehende spezialgesetzliche Regelung der Anforde-
rungen an den Umfang der gewerblichen Tätigkeit für die Eintragung einer
Steuerberatungsgesellschaft in der Rechtsform der Personenhandelsgesell-
schaft dar. Auch gebe die berufsrechtliche Anerkennung der Personenhandels-
gesellschaften keinen Anlass zu einer Rechtsfortbildung; die Grenzen der zu-
lässigen Rechtsfortbildung würden vielmehr überschritten.
III. Die Rechtsbeschwerden haben Erfolg. Sie führen unter Aufhebung
der Entscheidungen der Vorinstanzen zur Anweisung an das Registergericht,
über die Anmeldung der Steuerberatungs KG durch die Beteiligten vom
7. Oktober 2011 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu
entscheiden.
1. Die Rechtsbeschwerden sind nach ihrer Zulassung durch das Be-
schwerdegericht gemäß § 70 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zu-
lässig.
2. Die Rechtsbeschwerden sind auch begründet. Das Beschwerdegericht
hat zu Unrecht angenommen, dass das Registergericht die Anmeldung der
Steuerberatungs KG zum Handelsregister aus handelsrechtlichen Gründen
(§§ 105, 161 HGB) ablehnen durfte.
a) Das Beschwerdegericht hat allerdings zutreffend gesehen, dass
(auch) nach der Reform des Handelsgesetzbuchs durch das Handelsrechtsre-
formgesetz vom 22. Juni 1998 (BGBl. I, 1474) die herrschende Ansicht in
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Rechtsprechung und Literatur weiterhin auf dem Standpunkt steht, dass eine
Gesellschaft nur dann als Offene Handelsgesellschaft oder als Kommanditge-
sellschaft im Handelsregister eingetragen werden kann, wenn ihr Zweck auf
den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet ist (§§ 1, 105, 161 HGB). Übt die
Gesellschaft sowohl gewerbliche als auch nicht gewerbliche Tätigkeiten aus,
soll sich die Einordnung des Geschäftsbetriebs als Handelsgewerbe grundsätz-
lich nach dem Gesamtbild des Betriebs, d.h. danach richten, was den Schwer-
punkt darstellt bzw. welche Tätigkeit wesentlich und prägend ist (BGH, Urteil
vom 18. Juli 2011 - AnwZ (Brfg) 18/10, ZIP 2011, 1664 Rn. 9 mwN; BayObLG,
NZG 2002, 718; Oetker/Körber, HGB, 3. Aufl., § 1 Rn. 46; Keßler in
Heidel/Schall, HGB, § 1 Rn. 24; BeckOKHGB/Schwartze, § 1 Rn. 28; Kindler in
Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl., § 1 Rn. 39; Roth in Koller/
Roth/Morck, HGB, 7. Aufl., § 1 Rn. 15; einschränkend etwa Hopt in Baumbach/
Hopt, HGB, 36. Aufl., § 1 Rn. 28). Unter Zugrundelegung dieser Kriterien könnte
die Steuerberatungs KG nicht im Handelsregister eingetragen werden. Sie
strebt - unstreitig - eine überwiegende Ausübung der Treuhandtätigkeit nicht an.
Ebenso im Einklang mit der herrschenden Ansicht in Rechtsprechung
und Literatur hat das Beschwerdegericht die Eintragungsfähigkeit der Steuerbe-
ratungs KG nach § 105 Abs. 2 Satz 1 HGB abgelehnt (vgl. hierzu BGH, Urteil
vom 18. Juli 2011 - AnwZ (Brfg) 18/10, ZIP 2011, 1664 Rn. 11 mwN; Potsch,
NZG 2012, 329, 330; Tersteegen, NZG 2010, 651, 652; a.A. Arens, DStR
2011, 1825, 1826; K. Schmidt, DB 2009, 271, 273 und DB 2011, 2477, 2478).
b) Das Beschwerdegericht hat jedoch verkannt, dass § 49 Abs. 2 StBerG
eine spezialgesetzliche Regelung enthält, nach der Steuerberatungsgesell-
schaften als Personenhandelsgesellschaften bereits dann im Handelsregister
eingetragen werden können, wenn sie nach ihrem Gesellschaftszweck darauf
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ausgerichtet sind, neben der sie prägenden geschäftsmäßigen Hilfeleistung in
Steuersachen (§ 1 Abs. 1 und 2 iVm § 3 Nr. 3 StBerG) - auch - die ihnen be-
rufsrechtlich nach § 57 Abs. 3 Nr. 3 iVm § 72 StBerG gestattete Treuhandtätig-
keit auszuüben (vgl. Arens, DStR 2011, 1825, 1827; ders., DStR 2013, 1103 f.;
Juretzek, DStR 2013, 2792, 2793; Willwerscheid in Kuhls u.a., StBerG, 3. Aufl.,
§ 49 Rn. 4; Timmer in Hense/Ulrich/Maxl, WPO, 2. Aufl., § 27 Rn. 6 ff.; vgl.
hierzu auch schon BGH, Beschluss vom 4. März 1985 - AnwZ (B) 43/84,
BGHZ 94, 65, 69 f.; aA Tersteegen, NZG 2010, 651, 652). Dass der Gesetzge-
ber mit der Regelung in § 49 StBerG eine im Verhältnis zu § 105 Abs. 1 HGB
spezialgesetzliche Regelung geschaffen hat, folgt aus der Gesetzgebungsge-
schichte.
aa) Das Steuerberatungsgesetz vom 16. August 1961 (BGBl. I, 1301) er-
laubte in § 16 StBerG aF Steuerberatungsgesellschaften nur in der Rechtsform
der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, der Aktiengesellschaft und der
Kommanditgesellschaft auf Aktien. Wenngleich treuhänderische Tätigkeiten mit
dem Beruf des Steuerberaters vereinbar sein sollten (§ 22 Abs. 3 Nr. 3 StBerG
aF), verzichtete der Gesetzgeber dennoch für die Steuerberater auf die Rechts-
formen der Offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft. Dies
wurde im schriftlichen Bericht des Wirtschaftsausschusses zum Regierungs-
entwurf des Steuerberatungsgesetzes wie folgt begründet (BT-Drucks. 3/zu
2859 S. 7):
"Da Steuerberatungsgesellschaften ihrem Wesen nach keine
Treuhandtätigkeit ausüben und deswegen auch nicht als
Treuhandgesellschaften in das Handelsregister eingetragen
sind, hat der Ausschuss darauf verzichtet, die Steuerbera-
tungsgesellschaften auch in der Gestalt der Offenen Handels-
gesellschaft oder der Kommanditgesellschaft zu ermöglichen."
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Erst mit dem Dritten Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes
vom 24. Juni 1975 (BGBl. I, 1509) wurde Steuerberatern in § 49 Abs. 1 und 2
StBerG die Möglichkeit eröffnet, eine Steuerberatungsgesellschaft auch in der
Rechtsform einer Personenhandelsgesellschaft zu betreiben. Diese Änderung
wurde wie folgt begründet (BT-Drucks. 7/2852 S. 35):
"Absatz 1 [] entspricht dem bisherigen § 16 Abs. 1. Er
ist jedoch insoweit erweitert worden, als er in Anpassung an
§ 27 WPO für die Anerkennung als Steuerberatungsgesell-
schaft neben der Rechtsform einer juristischen Person des
Handelsrechts auch die einer Personenhandelsgesellschaft
zulässt. Diese Änderung, die den Bedürfnissen der Praxis
Rechnung tragen soll, hat insbesondere für die sogenannten
Doppelgesellschaften Bedeutung, d.h. für die Gesellschaften,
die zugleich als Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und als Steu-
erberatungsgesellschaft anerkannt werden möchten.
Abs. 2 [] macht wie § 27 Abs. 2 WPO die Anerken-
nung davon abhängig, dass die betreffende offene Handels-
gesellschaft oder Kommanditgesellschaft wegen ihrer Treu-
handtätigkeit als Handelsgesellschaft in das Handelsregister
eingetragen worden ist."
bb) Wirtschaftsprüfern war die Ausübung ihres Berufs in der Rechtsform
einer Personenhandelsgesellschaft schon mit Einführung der Wirtschaftsprüfer-
ordnung (WPO) vom 24. Juli 1961 (BGBl. I, 1049) gestattet worden. Dieses Ge-
setz geht zurück auf Entwürfe aus den Jahren 1954 (BT-Drucks. 2/784) und
1958 (BT-Drucks. 3/201). Zur Begründung der § 27 Abs. 2 WPO entsprechen-
den Entwurfsvorschrift ist dort folgendes ausgeführt (BT-Drucks. 3/201 S. 50,
wortgleich schon in BT-Drucks. 2/784 S. 62 f.):
"Die Form der Offenen Handelsgesellschaft und der Komman-
ditgesellschaft, bei denen der Gesichtspunkt der Verantwor-
tung durch die persönliche Haftung betont ist, werden unter
den besonderen Voraussetzungen des Abs. 2 anerkannt. Sie
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müssen ihrer Treuhandtätigkeit wegen in das Handelsregister
eingetragen sein.
Die Personengesellschaft des Handelsrechts setzt im allge-
meinen die gewerbsmäßige Ausübung eines Handelsge-
schäfts voraus (§§ 105, 161, 1, 2 HGB). Der Wirtschaftsprü-
ferberuf ist nach den Vorschriften des Entwurfs kein Gewerbe
(§ 1 Abs. 2). Allein die mit ihm verbundene Treuhandtätigkeit,
die nach § 55 Abs. 4 mit dem Wirtschaftsprüferberuf vereinbar
ist, kann jedoch die Möglichkeit einer Eintragung einer Perso-
nengesellschaft im Handelsregister begründen. Eine so einge-
tragene Gesellschaft darf dann auch als Wirtschaftsprüfungs-
gesellschaft anerkannt werden."
cc) Dieser Begründung ist zu entnehmen, dass Wirtschaftsprüfer-
Personenhandelsgesellschaften schon dann für eintragungsfähig gehalten wur-
den, wenn sie lediglich untergeordnete Treuhandtätigkeiten entfalten.
(1) Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sind aus Treuhandgesellschaften
hervorgegangen. Treuhandgesellschaften wurden (u.a. in Form der Personen-
handelsgesellschaften) erstmals Ende des 19. Jahrhunderts gegründet. Ihr Tä-
tigkeitsgebiet entwickelte sich bereits ab Anfang des 20. Jahrhunderts mehr und
mehr von der Treuhandtätigkeit hin zum Revisionsgeschäft (vgl. dazu ausführ-
lich Haibt, Die Kapitalbeteiligung Berufsfremder an Wirtschaftsprüfungsgesell-
schaften, 1998, S. 31 ff.; Weyershaus, Wirtschaftsprüfung in Deutschland und
erster europäischer Zusammenschluss (1931-1961), 2012, S. 77 f.). Dabei ging
die Revisionstätigkeit inhaltlich aus der Treuhandaufgabe - zumindest teilwei-
se - hervor, so dass die Verknüpfung von Revision und Treuhand als nicht nur
zufällig bezeichnet wird (so Schäuble, Die berufsrechtliche Stellung der Wirt-
schaftsprüfer in Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, 1971, S. 84 ff., 89 f.; vgl.
auch Hagen, Revision und Treuhandwesen, 1978, S. 174, 194 ff., 196). Bereits
um das Jahr 1906 war das Revisionsgeschäft in den Mittelpunkt der Tätigkeit
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der Treuhandgesellschaften gerückt; Mitte der 20er Jahre lag der Anteil der Re-
visionstätigkeit bei bis zu 60 % (vgl. Meisel, Geschichte der deutschen Wirt-
schaftsprüfer, 1992, S. 116, 120). Gleichwohl wurden sie als Personenhandels-
gesellschaften im Handelsregister eingetragen, obwohl auch zu dieser Zeit in
Rechtsprechung und Literatur für sog. Mischbetriebe die Problematik der Prä-
gung einer Handelsgesellschaft durch die gewerbliche Tätigkeit, als die die
Treuhandtätigkeit bereits damals angesehen wurde (vgl. KG, HRR 1932
Nr. 249), schon bekannt war und allgemein gefordert wurde, dass für die Ein-
tragung der Schwerpunkt der Tätigkeit auf dem Gebiet eines Handelsgewerbes
liegen müsse (vgl. nur RGZ 64, 155, 157; 109, 73, 75 f.; Cosack, Lehrbuch des
Handelsrechts, 7. Aufl., S. 32; Wieland, Handelsrecht, I. Band, 1921, S. 131 f.;
Müller-Erzbach, Deutsches Handelsrecht, 2. u. 3. Aufl., S. 53 f.; Staub/Bondi,
HGB, 12. und 13. Aufl., § 1 Anm. 9). An dieser Situation hatte sich bis zur
Schaffung der Wirtschaftsprüferordnung im Jahre 1961 nichts geändert: Wirt-
schaftsprüfer-Personenhandelsgesellschaften, bei denen die Revisionstätigkeit
die Treuhandtätigkeit deutlich überwog, wurden nach wie vor im Handelsregis-
ter eingetragen, obwohl die handelsrechtliche Literatur und Rechtsprechung für
die Eintragung als Handelsgesellschaft weiterhin verlangte, dass der Schwer-
punkt der Tätigkeit der Gesellschaft im gewerblichen Bereich liegen musste.
(2) Vor diesem Hintergrund, den man gerade angesichts des langen, sich
über zwei Legislaturperioden hinziehenden, sehr intensiv diskutierten Gesetz-
gebungsprozesses bei der Einführung der Wirtschaftsprüferordnung als beim
Gesetzgeber bekannt voraussetzen muss, kann man die Formulierung in der
Gesetzesbegründung, dass allein die mit dem freien Beruf verbundene Treu-
handtätigkeit die Möglichkeit einer Eintragung im Handelsregister begründen
könne, nur so verstehen, dass der Gesetzgeber den Wirtschaftsprüfern nicht
nur berufsrechtlich, sondern auch handelsrechtlich die Berufsausübung in der
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Rechtsform einer Personenhandelsgesellschaft in der bislang ausgeübten
Form, d.h. bei untergeordneter Treuhandtätigkeit, (weiterhin) eröffnen wollte.
c) An die Regelung des § 27 Abs. 2 WPO hat der Gesetzgeber mit § 49
Abs. 1 und 2 StBerG idF des Dritten Gesetzes zur Änderung des Steuerbera-
tungsgesetzes vom 24. Juni 1975 (BGBl. I, 1509) ausweislich der Entwurfsbe-
gründung angeknüpft und die Möglichkeit der Berufsausübung in Form der Per-
sonenhandelsgesellschaften auch für Steuerberater eröffnet. Ersichtlich be-
stand damals ebenso wenig wie heute "in der Praxis" ein Bedürfnis, Steuerbe-
ratern mit einem Schwerpunkt in der Ausübung von Treuhandtätigkeiten die
Rechtsform der Offenen Handelsgesellschaft oder der Kommanditgesellschaft
zu eröffnen. Derartige Gesellschaften gab es damals - wenn überhaupt - in al-
lenfalls nur so geringer Zahl wie heute (vgl. Potsch, NZG 2012, 329, 330;
Tersteegen, NZG 2010, 651, 652; Arens, DStR 2011, 1825, 1827; Henssler,
NZG 2011, 1121, 1128; Schüppen, BB 2012, 783, 785). Ein "Bedürfnis der Pra-
xis" bestand - wie bei den Wirtschaftsprüfern - nur für Gesellschaften, die neben
der ihr Berufsbild und ihre Berufsausübung prägenden Hilfeleistung in Steuer-
sachen zusätzlich eine gemäß § 57 Abs. 3 Nr. 3 StBerG vereinbare Treuhand-
tätigkeit in der Rechtsform einer Personenhandelsgesellschaft ausüben wollten.
Dementsprechend wurde in Aufsätzen und Kommentierungen nach 1975 auch
davon gesprochen, die Treuhandtätigkeit sei somit die "Brücke" über die Vor-
schrift des § 105 HGB, nach der nur solche Gesellschaften als Offene Handels-
gesellschaften oder Kommanditgesellschaften gebildet werden könnten, deren
Zweck auf ein Handelsgewerbe gerichtet sei (Gerhard, Der Steuerberater 1975,
109, 115; Charlier/Peter, StBerG, 3. Aufl., § 49 Rn. 8; s. auch Mittelsteiner/
Gehre/Rohweder, StBerG, 2. Aufl., § 49 Ziff. 2, die offensichtlich die Tatsache
der "Vereinbarkeit" als ausreichend für die Eintragung nach § 105 HGB anse-
hen).
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d) In diese Linie des Gesetzgebers, mit den berufsrechtlichen Vorschrif-
ten des § 27 WPO und des § 49 StBerG gegenüber § 105 (iVm § 161) HGB
vorrangige Regelungen zu schaffen, fügt sich die durch das Gesetz zur Stär-
kung der Berufsaufsicht und zur Reform berufsrechtlicher Regelungen der Wirt-
schaftsprüferordnung - Berufsaufsichtsreformgesetz - vom 3. September 2007
(BGBl. I, 2178) mit Wirkung vom 6. September 2007 und durch das Achte Ge-
setz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 8. April 2008 (BGBl. I,
666) mit Wirkung vom 12. April 2008 für Wirtschaftsprüfer und Steuerberater
eröffnete Möglichkeit ein, ihren Beruf in der Rechtsform der GmbH & Co. KG
auszuüben.
Bis dahin waren infolge der Wirtschaftsprüferordnung von 1961 und des
Steuerberatungsgesetzes von 1975 zahlreiche Wirtschaftsprüfungs- und Steu-
erberatungsgesellschaften in Form der Personenhandelsgesellschaften, die
nach ihrem Gesellschaftsvertrag "auch" die Ausübung von Treuhandtätigkeiten
im befugten (§ 2 Abs. 3 Nr. 4 WPO) bzw. im vereinbaren (§ 57 Abs. 3 Nr. 3
StBerG) Rahmen ausüben wollten, gegründet und unbeanstandet im Handels-
register eingetragen worden. In der veröffentlichten Rechtsprechung und Litera-
tur aus dieser Zeit findet sich kein Nachweis dazu, dass in irgendeiner Form die
Eintragungsfähigkeit dieser Gesellschaften in Frage gestellt wurde. Ganz im
Gegenteil ging gerade auch die Rechtsprechung selbstverständlich von der
Rechtsbeständigkeit der solchermaßen gegründeten und eingetragenen Ge-
sellschaften aus (vgl. nur BGH, Urteil vom 4. März 1985 - AnwZ (B) 43/84,
BGHZ 94, 65 ff.). Personenhandelsgesellschaften von Wirtschaftsprüfern und
Steuerberatern mit Schwerpunkt auf einer Treuhandtätigkeit bestanden - wenn
überhaupt - in völlig unbedeutendem Umfang, zumal durchaus in Frage gestellt
wird, ob derartige Gesellschaften mit schwerpunktmäßiger Treuhandtätigkeit
überhaupt berufsrechtlich anerkennungsfähig sind (zweifelnd etwa Henssler,
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NZG 2011, 1121, 1129; Potsch, NZG 2012, 329, 330; Römermann, GmbHR,
2012, 64, 67; vgl. hierzu ferner BGH, Urteil vom 4. März 1996 - StbSt(R) 4/95,
BGHSt 42, 55, 63; Urteil vom 12. Mai 2011 - III ZR 107/10, ZIP 2011, 1367
Rn. 17; s. aber auch Maxl in Kuhls u.a., StBerG, 3. Aufl., § 57 Rn. 299; Settele/
v. Eichborn, DStR 2010, 1444).
Wenn dann der Gesetzgeber in Kenntnis dieser seit mehr als 40 Jahren
bestehenden Gründungs- und Eintragungspraxis Wirtschaftsprüfern und wenig
später auch Steuerberatern den Weg zur Berufsausübung in Form der GmbH &
Co. KG mit der Begründung eröffnet, für diese "Liberalisierung" sei "aufgrund
steuerrechtlicher und haftungsrechtlicher Vorteile
… ein Bedarf im Berufsstand
durchaus gegeben" (Begründung des Regierungsentwurfs des Berufsaufsichts-
reformgesetzes zur entsprechenden Erweiterung des § 28 Abs. 1 WPO,
BT-Drucks. 16/2858, S. 24), so kann das nicht anders verstanden werden, als
dass er es - weiterhin - für die Eintragung nach §§ 105, 161 HGB als ausrei-
chend und als durch § 27 WPO und § 49 StBerG legitimiert ansieht, dass im
Gesellschaftszweck einer Wirtschaftsprüfungs- oder Steuerberatungsgesell-
schaft in der Form einer Personenhandelsgesellschaft Treuhandtätigkeiten le-
diglich als untergeordnete Tätigkeiten enthalten sind. Alles andere liefe darauf
hinaus, dem Gesetzgeber die Schaffung einer inhaltsleeren Regelung zu unter-
stellen (vgl. Henssler, NZG 2011, 1121, 1129; Arens, DStR 2011, 1825, 1827;
ders., DStR 2013, 1103). Es gab und gibt keine - jedenfalls keine nennenswerte
Zahl von - Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften, die
schwerpunktmäßig eine Treuhandtätigkeit entfalten, und deshalb auch keinen
"Bedarf im Berufsstand" für eine auf solche Gesellschaften beschränkte und
dann inhaltsleere Regelung. Dagegen bestand unter steuerrechtlichen und haf-
tungsrechtlichen Aspekten ein Bedürfnis der Wirtschaftsprüfer und Steuerbera-
ter, für ihre Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften mit unter-
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geordneter Treuhandtätigkeit die Rechtsform der GmbH & Co. KG wählen zu
können.
e) Auch das Bundesverfassungsgericht - jedenfalls versteht der Senat
den Nichtannahmebeschluss vom 6. Dezember 2011 (1 BvR 2280/11,
ZIP 2012, 367 ff.) in diesem Sinne (ebenso Timmer in Hense/Ulrich/Maxl, WPO,
2. Aufl., § 27 Rn. 10) - geht davon aus, dass § 49 Abs. 2 StBerG und § 27
Abs. 2 WPO spezielle Regelungen gegenüber § 105 Abs. 1, § 161 HGB darstel-
len. In dem diesem Beschluss zugrunde liegenden Fall bildete die von den be-
troffenen Rechtsanwälten beabsichtigte Treuhandtätigkeit in der von ihnen ge-
gründeten GmbH & Co. KG gerade keinen Schwerpunkt der Tätigkeit (vgl.
BGH, Urteil vom 18. Juli 2011 - AnwZ (Brfg) 18/10, ZIP 2011, 1664 Rn. 8 f.).
Gleichwohl hat das Bundesverfassungsgericht (im Gegensatz zu BGH, Urteil
vom 18. Juli 2011 - AnwZ (Brfg) 18/10, ZIP 2011, 1664 Rn. 25) angenommen,
dass es der GmbH & Co. KG freistehe, statt als Rechtsanwalts GmbH & Co. KG
"im Rahmen der berufsrechtlichen Anforderungen eine Zulassung als Steuerbe-
ratungs- oder Wirtschaftsprüfungs-Kommanditgesellschaft zu erhalten, wenn
sie sich wegen ihrer Treuhandtätigkeit in das Handelsregister eintragen lässt"
(BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2011 - 1 BvR 2280/11, ZIP 2012, 367
Rn. 16 aE).
f) Einer Divergenzvorlage nach § 132 Abs. 2 GVG im Hinblick auf das Ur-
teil des Senats für Anwaltssachen des Bundesgerichtshofs vom 18. Juli 2011
- AnwZ (Brfg) 18/10, ZIP 2011, 1664 bedarf es nicht. Soweit dort zur Auslegung
des § 49 Abs. 2 StBerG und des § 27 Abs. 2 WPO die Auffassung vertreten
wird, nach diesen Vorschriften sei nur die auf eine überwiegende Treuhandtä-
tigkeit eingeschränkte Möglichkeit des Betriebs einer Wirtschaftsprüfungs- oder
Steuerberatungsgesellschaft in der Rechtsform der Offenen Handelsgesell-
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schaft oder der Kommanditgesellschaft eröffnet worden, war diese Rechtsan-
sicht für die ergangene Entscheidung nicht tragend.
IV. Der angefochtene Beschluss ist somit aufzuheben (§ 74 Abs. 5
FamFG). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil die für die Eintra-
gung der angemeldeten Steuerberatungs KG maßgeblichen weiteren Voraus-
setzungen bislang nicht festgestellt sind. Da diese Feststellung zweckmäßiger-
weise durch das Registergericht erfolgt, ist die Sache an dieses zurückzuver-
weisen (§ 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG).
Bergmann
Strohn
Caliebe
Reichart
Sunder
Vorinstanzen:
AG Chemnitz, Entscheidung vom 08.06.2012 - 93 AR 1273/11 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 06.12.2012 - 12 W 865/12 -
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