Urteil des BGH vom 19.07.2001

BGH (menge, haschisch, waffe, erwerb, besitz, stand, gehilfe, weiterverkauf, bote, beihilfe)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 404/01
vom
12. März 2002
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
7. März 2002 in der Sitzung am 12. März 2002, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Tolksdorf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Winkler,
Pfister,
von Lienen,
Becker
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Justizamtsinspektorin in der Verhandlung,
Justizamtsinspektor bei der Verkündung
als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Kiel vom 19. Juli 2001
a) im Fall II. 1 der Urteilsgründe im Schuldspruch dahin geän-
dert, daß der Angeklagte des unerlaubten Besitzes von Be-
täubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit
unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln schuldig
ist,
b) in den Fällen II. 2 und 3 der Urteilsgründe sowie im gesam-
ten Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststel-
lungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-
tels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückver-
wiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Erwerbs von
Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge und mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungs-
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mitteln (Fall II. 1 der Urteilsgründe) sowie wegen "unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitsichführen einer
Schußwaffe" in zwei Fällen (Fälle II. 2 und 3 der Urteilsgründe) zu einer Ge-
samtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und den Verfall von 460 DM ange-
ordnet. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision
des Angeklagten hat in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
1. Im Fall II. 1 der Urteilsgründe hat der Senat entsprechend § 354
Abs. 1 StPO den Schuldspruch geändert.
Nach den Feststellungen erwarb und besaß der Angeklagte 125 Gramm
Haschisch mit einem THC-Gehalt von insgesamt 9,37 Gramm, das er - wie be-
absichtigt - zur Hälfte selbst verbrauchte und zur Hälfte in kleinen Teilmengen
gewinnbringend weiterveräußerte. Der für den Weiterverkauf bestimmte Anteil
blieb somit unter dem Grenzwert der nicht geringen Menge von 7,5 Gramm
THC. Der Angeklagte hat sich deshalb wegen des unerlaubten Besitzes von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG in
Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG
schuldig gemacht (BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 5; Weber,
BtMG § 29 a Rdn. 147). Der Erwerb der zum Weiterverkauf bestimmten Teil-
menge hat als Teilakt des unerlaubten Handeltreibens keine selbständige Be-
deutung. Der Erwerb der Eigenverbrauchsmenge wird von dem Verbrechen-
statbestand des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge verdrängt (BGHR BtMG § 29 a Abs. 1 Nr. 2 Besitz 3).
§ 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da sich der
geständige Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
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2. In den Fällen II. 2 und 3 der Urteilsgründe hält die Verurteilung wegen
bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln rechtlicher Überprüfung
nicht stand.
a) Nach den Feststellungen erwarb der Angeklagte bei dem Lieferanten
"M. " für den Haschischhändler S. auf dessen Bitte jeweils ein Kilo-
gramm Haschisch, das er mit von diesem zuvor erhaltenem Geld bezahlte und
nach Erhalt ohne Aufschlag sofort an S. weitergab, der in einem Pkw
wartete. Gleichzeitig kaufte er 150 Gramm (Fall II. 2 der Urteilsgründe) bzw.
670 Gramm (Fall II. 3 der Urteilsgründe) Haschisch für sich selbst. Wegen des
Großeinkaufs verringerte sich der Einkaufspreis des vom Angeklagten für
eigene Zwecke erworbenen Haschisch, das überwiegend zum Verkauf in
kleinen Mengen, teilweise aber auch zum Eigenkonsum bestimmt war, von
4,80 DM/Gramm auf 4,10 DM/Gramm. Dieses Haschisch lagerte und verkaufte
der Angeklagte in seiner Wohnung. Im Wohnzimmer verwahrte er unter dem
Sofa eine geladene Gaspistole, bei der das Gas nach vorne durch den Lauf
austrat. Um an die Schußwaffe zu gelangen, mußte "das Sofa hochgekippt
werden" (UA S. 15). Im Fall II. 2 der Urteilsgründe verkaufte der Angeklagte
den ganz überwiegenden Teil der 150 Gramm Haschisch und damit mehr als
eine nicht geringe Menge, im Fall II. 3 der Urteilsgründe war der ganz überwie-
gende Teil der 670 Gramm Haschisch und damit mehr als eine nicht geringe
Menge für den Weiterverkauf vorgesehen.
b) Das Landgericht hat hinsichtlich der vom Angeklagten eingekauften
Gesamtmengen von 1150 Gramm bzw. 1670 Gramm Haschisch jeweils ein
täterschaftliches bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht ge-
ringer Menge (§ 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) angenommen. Dies wird von den
Feststellungen nicht getragen.
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Käufer des für S. bestimmten Rauschgiftes war dieser selbst. Für
ihn erwarb es der Angeklagte als dessen Bote mit dessen Geld nach genauen
Anweisungen und gab es unmittelbar danach an ihn weiter. Der Bote bzw.
Kurier, der Betäubungsmittel für einen anderen besorgt und transportiert, ohne
selbst Käufer oder Verkäufer zu sein, kann entweder Gehilfe oder Mittäter bei
dem fremden Umsatzgeschäft sein. Die Abgrenzung ist nach allgemeinen
Grundsätzen vorzunehmen (st. Rspr., vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Han-
deltreiben 36 und 56). Ob ein Bote bzw. ein Kurier Mittäter oder nur Gehilfe ist,
ist demnach aufgrund einer wertenden Betrachtung aller von der Vorstellung
des Boten bzw. Kuriers erfaßten Umstände zu entscheiden. Wesentliche An-
haltspunkte können sein der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Um-
fang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur
Tatherrschaft, so daß die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich
auch von seinem Willen abhängen (st. Rspr., vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1
Nr. 1 Handeltreiben 54; BGH NStZ 2000, 482, 483). Dabei deutet eine ganz
untergeordnete Tätigkeit schon objektiv darauf hin, daß der Beteiligte nur Ge-
hilfe ist (st. Rspr., vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 56).
Bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände ist die Förderung der Be-
täubungsmittelgeschäfte des S. durch den Angeklagten als eine Gehil-
fentätigkeit zu werten. Seine Tatbeiträge waren von objektiv untergeordnetem
Gewicht. Der Angeklagte besorgte das Haschisch entsprechend den genauen
Vorgaben des S. . Er hatte keinerlei Einfluß auf die Bestimmung von Art
und Menge des Rauschgiftes, dessen Preis sowie die Gestaltung des Trans-
ports. Das Haschisch hatte er nur eine ganz kurze Zeit in Besitz, weil er es so-
fort nach Erhalt dem auf ihn bereits wartenden S. übergab. Ein Eigenin-
teresse an der Tat bestand beim Angeklagten nur insoweit, als er das für sich
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selbst gekaufte Rauschgift zu einem um bis zu 105 DM (Fall II. 2 der Urteils-
gründe) bzw. 469 DM (Fall II. 3 der Urteilsgründe) günstigeren Preis erwerben
konnte, was angesichts der sonstigen Umstände von geringerer Bedeutung ist.
Somit hat sich der Angeklagte hinsichtlich des für S. besorgten Haschisch
lediglich wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge strafbar gemacht.
Der Senat kann gleichwohl den Schuldspruch nicht ändern, weil mit der
Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge, bezogen auf das für eigene Zwecke erworbene Rauschgift, tateinheit-
lich ein täterschaftliches Handeltreiben verknüpft ist, das mit Blick auf die Fra-
ge des bewaffneten Handeltreibens noch weiterer Feststellungen bedarf.
c) Die bisher getroffenen Feststellungen zu dem Haschisch, das der An-
geklagte selbst weiterverkauft hat bzw. weiterverkaufen wollte, tragen eine
Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß
§ 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nicht.
Zwar hat das Landgericht im Ausgangspunkt zutreffend ein Handeltrei-
ben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge angenommen und die gela-
dene Gaspistole als Schußwaffe im Sinne dieser Vorschrift angesehen (vgl.
BGH NStZ 2000, 433). Die Feststellungen dazu, ob der Angeklagte die
Schußwaffe beim Handeltreiben im Sinne des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG mit
sich geführt hat, sind jedoch lückenhaft.
Ein Täter führt eine Schußwaffe beim Handeltreiben dann mit sich, wenn
er sie bewußt gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, daß er sich ihrer je-
derzeit bedienen kann, sie sich also in seiner Griffweite befindet (vgl. BGHSt
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43, 8, 10; BGHR BtMG § 30 a Abs. 2 Mitsichführen 5). Dies ist nicht ausrei-
chend belegt. Zunächst ist nicht festgestellt, in welchem Raum der Wohnung
die Einzelakte des Handeltreibens mit dem Haschisch wie die Lagerung, das
Portionieren und der Verkauf erfolgten. Es versteht sich nicht von selbst, daß
dies im Wohnzimmer war, in dem das Sofa stand, unter dem die Waffe depo-
niert war. Selbst wenn die Einzelakte des Handeltreibens im Wohnzimmer
stattgefunden haben sollten, folgt aus der bereits aus sich heraus nicht recht
verständlichen Feststellung, der Angeklagte habe das Sofa des Wohnzimmers
ohne große Kraftanstrengung hochkippen können (UA S. 15), noch nicht, daß
ihm die Waffe jederzeit griffbereit zur Verfügung stand. Es hätte vielmehr der
konkreten Darlegung bedurft, welche Maßnahmen und welcher Zeitaufwand im
einzelnen erforderlich waren, damit der Angeklagte - wenigstens bei einem
Teilakt des Handeltreibens - jederzeit auf die unter dem Sofa liegende Pistole
zugreifen konnte.
d) Das vom Angeklagten in den Fällen II. 2 und 3 der Urteilsgründe zum
Eigenverbrauch erworbene Haschisch erreicht nicht den Grenzwert der nicht
geringen Menge, so daß er sich insoweit wegen unerlaubten Erwerbs von Be-
täubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 BtMG strafbar gemacht hat (BGHR BtMG
§ 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 5; Weber, BtMG § 29 a Rdn. 145). Das uner-
laubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bzw. das
bewaffnete Handeltreiben, die Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Be-
täubungsmitteln in nicht geringer Menge und der unerlaubte Erwerb von Be-
täubungsmitteln stehen zueinander in Tateinheit.
3. Die dargestellten Mängel führen zur Aufhebung des Schuldspruchs in
den Fällen II. 2 und 3 der Urteilsgründe. Damit entfallen auch die insoweit ver-
hängten Einzelstrafen und die Gesamtstrafe sowie die Anordnung des Verfalls.
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Der Senat hat auch die im Fall II. 1 der Urteilsgründe ausgesprochene Einzel-
strafe aufgehoben, da nicht auszuschließen ist, daß ihre Höhe von den weg-
gefallenen Einzelstrafen der Fälle II. 2 und 3 der Urteilsgründe beeinflußt wur-
de.
4. Sollte das neue Tatgericht hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse
und des Drogenkonsums des Angeklagten zu ähnlichen Feststellungen wie das
angefochtene Urteil kommen, wird es auch die Frage seiner Unterbringung in
einer Entziehungsanstalt zu prüfen haben.
Tolksdorf Winkler Pfister
von Lienen Becker