Urteil des BGH vom 15.05.2007

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VI ZB 18/06
vom
15. Mai 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 4 Abs. 1
Vorprozessual aufgewendete Kosten zur Durchsetzung des im laufenden Verfahren
geltend gemachten Hauptanspruchs wirken nicht werterhöhend (Anschluss BGH,
Beschluss vom 30. Januar 2007 - X ZB 7/06).
BGH, Beschluss vom 15. Mai 2007 - VI ZB 18/06 - LG Krefeld
AG Krefeld
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Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Mai 2007 durch die Vize-
präsidentin Dr. Müller sowie die Richter Dr. Greiner, Wellner, Stöhr und Zoll
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer
des Landgerichts Krefeld vom 21. Februar 2006 wird auf Kosten
der Beklagten als unzulässig verworfen.
Beschwerdewert: 572,30 €
Gründe:
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Mietwagenkosten in Höhe von
572,30 € nebst Zinsen in Anspruch. Daneben begehrt er den Ersatz des auf die
Verfahrensgebühr nicht anrechenbaren Teils der vorprozessualen Geschäfts-
gebühr seines Prozessbevollmächtigten in Höhe von 33,93 € nebst Zinsen.
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Das Amtsgericht hat die Beklagte mit Ausnahme der begehrten Zinsen
beim Freistellungsanspruch antragsgemäß verurteilt. Den Streitwert hat es auf
572,30 € festgesetzt. Die Berufung hat es nicht zugelassen. Gegen das Urteil
hat die Beklagte Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, der Berufungswert
werde überstiegen, da die geltend gemachten anrechnungsfreien vorgerichtli-
chen Anwaltskosten dem Streitwert hinzuzurechnen seien. Das Berufungsge-
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richt hat durch den angefochtenen Beschluss die Berufung als unzulässig ver-
worfen. Das Amtsgericht habe den Streitwert zutreffend festgesetzt. Die vom
Kläger geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten seien ge-
mäß § 4 Abs. 1 ZPO nicht zu berücksichtigen, weil es sich um eine Nebenforde-
rung im Sinne dieser Vorschrift handle. Hiergegen richtet sich die nicht zugelas-
sene Rechtsbeschwerde der Beklagten.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1
Nr. 1 ZPO statthaft. Ihre ursprünglich zur Sicherung einer einheitlichen Recht-
sprechung gegebene Zulässigkeit ist jedoch weggefallen, weil die hier maßgeb-
liche Rechtsfrage inzwischen durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs
geklärt ist und das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat.
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Durch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 30. Januar 2007 (X ZB
7/06), der inzwischen in juris veröffentlicht worden ist und dem sich der ent-
scheidende Senat anschließt, ist höchstrichterlich geklärt, dass vorprozessual
aufgewendete Kosten zur Durchsetzung des im laufenden Verfahren geltend
gemachten Hauptanspruchs unabhängig davon, ob diese Kosten der Hauptfor-
derung hinzugerechnet werden oder neben der im Klagewege geltend gemach-
ten Hauptforderung Gegenstand eines eigenen Antrags sind, nicht werterhö-
hend wirken. Denn nach § 4 Abs. 1 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG und § 23 Abs. 1
Satz 1 RVG bleiben Früchte, Nutzungen, Zinsen und Kosten bei der Wertbe-
rechnung unberücksichtigt, wenn sie als Nebenforderungen geltend gemacht
werden. Wie bei Zinsen besteht auch bezüglich der Kosten das Wesen einer
Nebenforderung darin, dass sie vom Bestehen einer Hauptforderung abhängig
ist. Das ist hier der Fall.
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Einem allgemeinen Grundsatz entsprechend sind die Kosten des laufen-
den Prozesses bei der Wertbemessung nicht zu berücksichtigen, solange die
Hauptsache Gegenstand des Rechtsstreits ist (§ 4 ZPO; vgl. BGHZ 128, 85,
92). Zu den Prozesskosten rechnen nicht nur die durch die Einleitung und Füh-
rung eines Prozesses ausgelösten Kosten, sondern grundsätzlich auch diejeni-
gen Kosten, die der Vorbereitung eines konkret bevorstehenden Rechtsstreits
dienen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Oktober 2005 - I ZB 21/05 - NJW-RR
2006, 501; vom 30. Januar 2007 - X ZB 7/06 - Rn. 6). Soweit derartige Kosten
zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO gehören,
können sie im Kostenfestsetzungsverfahren nach den §§ 103, 104 ZPO, § 11
Abs. 1 Satz 1 RVG geltend gemacht werden; soweit derartige Kosten nicht auf
diesem Wege festgesetzt werden können, können sie auf der Grundlage eines
materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs Gegenstand einer Klage auf
Erstattung dieser Kosten sein.
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Anspruchsvoraussetzung des materiell-rechtlichen Kostenersatzbegeh-
rens ist das Bestehen einer sachlich-rechtlichen Anspruchsgrundlage, nämlich
dass der Schuldner wegen einer Vertragsverletzung, Verzugs oder sonstigen
Rechtsverletzung für den adäquat verursachten Schaden einzustehen hat. Wird
der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch neben der Hauptforderung,
aus der er sich herleitet, geltend gemacht, ist er von dem Bestehen der Haupt-
forderung abhängig, so dass es sich bei dem zur Durchsetzung eines An-
spruchs vorprozessual aufgewendeten und unter dem Gesichtspunkt des mate-
riell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs geltend gemachten Geschäftsge-
bühren um Nebenforderungen im Sinne von § 4 ZPO handelt, solange die
Hauptsache - wie hier - Gegenstand des Rechtsstreits ist. Dies gilt unabhängig
davon, ob die Kosten der Hauptforderung hinzugerechnet werden oder neben
der im Klagewege geltend gemachten Hauptforderung Gegenstand eines eige-
nen Antrags sind (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Januar 2007 - X ZB 7/06 -
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Rn. 7 f. m.w.N.). Insoweit liegt der Fall anders als bei vorgerichtlichen Sachver-
ständigenkosten im Verkehrsunfallhaftpflichtprozess, wenn diese als eine von
mehreren Schadenspositionen geltend gemacht werden und der Sache nach
als Herstellungskosten anzusehen sind (vgl. Senatsbeschluss vom 13. Februar
2007 - VI ZB 39/06, z.V.b.).
Müller Greiner Wellner
Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
AG Krefeld, Entscheidung vom 13.12.2005 - 79 C 177/05 -
LG Krefeld, Entscheidung vom 21.02.2006 - 3 S 1/06 -