Urteil des BGH vom 15.04.2010

Fettsäurezusammensetzung Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Xa ZR 28/08 Verkündet
am:
15. April 2010
Anderer
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Fettsäurezusammensetzung
PatG § 4
Für den Fachmann, der sich mit dem technischen Problem befasst, eine Zu-
sammensetzung bereitzustellen, die vorteilhafte Wirkungen auf Risikofaktoren
für bestimmte Erkrankungen hat, liegt es in der Regel nahe, sich zunächst mit
für diese Wirkungen bekannten Zusammensetzungen zu befassen, deren Wirk-
stoffe zu ermitteln und diese anzureichern, insbesondere wenn Anhaltspunkte
für eine Verbesserung der Wirkung durch eine höhere Wirkstoffdosis bestehen.
BGH, Urteil vom 15. April 2010 - Xa ZR 28/08 - Bundespatentgericht
- 2 -
Der Xa-Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 15. April 2010 durch die Richter Prof. Dr. Meier-Beck und Keu-
kenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. Bacher und Hoffmann
für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 27. November 2007 verkündete Urteil
des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird
auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte ist Inhaberin des deutschen Patents 39 26 658 (Streit-
patents), das am 11. August 1989 unter Inanspruchnahme der Priorität einer
britischen Patentanmeldung vom 11. August 1988 angemeldet wurde und eine
Fettsäurezusammensetzung betrifft. Das Streitpatent, das inzwischen durch
Zeitablauf erloschen ist, umfasst insgesamt zehn Patentansprüche. Patent-
anspruch 1 lautet in der erteilten Fassung:
1
"Fettsäurezusammensetzung enthaltend omega-3 mehrfach ungesättigte
Fettsäuren einschließlich (all-Z)-5,8,11,14,17-Eicosapentaensäure (EPA)
C 20:5, (all-Z)-4,7,10,13,16,19-Docosahexaensäure (DHA) C 22:6 und ande-
rer omega-3 C 20, C 21 und C 22 Fettsäuren, wahlweise in Form von phar-
mazeutisch verträglichen Salzen oder Estern, dadurch gekennzeichnet, dass
-
die Fettsäurezusammensetzung mindestens 80 Gew.-% der omega-3
mehrfach ungesättigten Fettsäuren enthält,
- wobei
(all-Z)-5,8,11,14,17-Eicosapentaensäure (EPA) C 20:5 und
(all-Z)-4,7,10,13,16,19-Docosahexaensäure (DHA) C 22:6 in relativen
Mengen von größer 1:1 bis 2:1 vorliegen
- 3 -
-
und mindestens 75-Gew.-% des Gesamtfettsäuregehalts ausmachen,
und dass
-
die anderen omega-3 C 20, C 21 und C 22 Säuren 3 bis 9,9 Gew.-%
des Gesamtfettsäuregehalts ausmachen."
Die Klägerin zu 1, die von der Beklagten wegen Verletzung des Streit-
patents in Anspruch genommen wird, und die Klägerin zu 2, die Fettsäure-
zusammensetzungen von der Klägerin zu 1 bezieht und in der Schweiz ver-
treibt, haben geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei insbeson-
dere im Hinblick auf die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung
271 747 (HE4a) und die Veröffentlichung der internationalen Patentanmeldung
WO 87/03899 (HE8a) nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent in
erster Instanz mit einem Haupt- und einem Hilfsantrag in gegenüber der erteil-
ten Fassung jeweils geänderter Fassung verteidigt.
2
3
Das Patentgericht hat das Streitpatent antragsgemäß für nichtig erklärt.
Mit der Berufung verteidigt die Beklagte das Streitpatent in einer nochmals ge-
änderten Fassung, die gegenüber der erteilten Fassung folgende Änderungen
aufweist:
-
In Patentanspruch 1 wird hinter den Worten "Salzen oder Estern" eingefügt:
"zur medizinischen Verwendung".
-
Die Patentansprüche 2 bis 8 beziehen sich auf diese geänderte Fassung.
-
Die Patentansprüche 9 und 10 entfallen.
Hilfsweise verteidigt die Beklagte das Streitpatent mit folgenden Ände-
rungen:
4
Hilfsantrag 1:
5
-
In Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag werden im ersten Spiegelstrich die
Angabe "80 Gew.-%" durch "85 Gew.-%", im dritten Spiegelstrich die An-
- 4 -
gabe "75 Gew.-%" durch "80 Gew.-%" und im vierten Spiegelstrich die An-
gabe "3 bis 9,9 Gew.-%" durch "4,5 bis 9,9 Gew.-%" ersetzt.
-
Die Patentansprüche 2, 3 und 5 bis 8 beziehen sich auf diese geänderte
Fassung.
-
Die Patentansprüche 4, 9 und 10 entfallen.
Hilfsantrag 2:
6
-
In Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag werden am Beginn das Wort "Fett-
säurezusammensetzung" durch "Verwendung einer Fettsäurezusammenset-
zung" und die Worte "zur medizinischen Verwendung" durch "zur Behand-
lung von Hypertriglyceridämie" ersetzt.
-
In Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag werden ferner im ersten Spiegel-
strich die Angabe "80 Gew.-%" durch "90 Gew.-%", im dritten Spiegelstrich
die Angabe "75 Gew.-%" durch "85 Gew.-%" und im vierten Spiegelstrich die
Angabe "3 bis 9,9 Gew.-%" durch "4,5 bis 9,9 Gew.-%" ersetzt.
-
Die Patentansprüche 2 und 5 bis 8 beziehen sich auf diese geänderte Fas-
sung, wobei am Anfang das Wort "Zusammensetzung" jeweils durch "Ver-
wendung" ersetzt wird.
-
Die Patentansprüche 3, 4, 9 und 10 entfallen.
Die Klägerin zu 1 tritt der Berufung entgegen. Hinsichtlich der Klage der
Klägerin zu 2 haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache überein-
stimmend für erledigt erklärt.
7
Im Auftrag des Senats hat Univ.-Prof. Dr. P.
, ein schriftliches Gutachten er-
stattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die
Beklagte hat ein Privatgutachten
von Prof. Dr. S. vorgelegt.
8
- 5 -
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Gegenstand des Streit-
patents ist nicht patentfähig.
9
I. Das Patentgericht hat seine der Klage stattgebende Entscheidung
wie folgt begründet:
10
Es könne dahingestellt bleiben, ob es im Hinblick auf die Entgegenhal-
tungen HE4a und HE8a bereits an der Neuheit fehle. Jedenfalls habe es für den
Fachmann keines erfinderischen Zutuns bedurft, um ausgehend von der Lehre
der HE8a zu einer Fettsäurezusammensetzung mit den Merkmalen gemäß Pa-
tentanspruch 1 zu gelangen.
11
Die Entgegenhaltung HE8a sei als nächstkommender Stand der Technik
zu erachten, weil ihre Lehre ausschließlich darauf abziele, Verfahren zur Kon-
zentrierung von ω
3
-Fettsäuren und von Cholesterin zu optimieren, wobei das
Hauptaugenmerk des Lesers auf solche Konzentrate von ω
3
-Fettsäuren gelenkt
werde, welche die für medizinische Zwecke als besonders geeignet herausge-
stellten Bestandteile Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure
(DHA) in hoher Konzentration enthielten. In dem einzigen Ausführungsbeispiel
von HE8a werde ein Konzentrat hergestellt, das 25 Gewichtsprozent EPA-
Methylester und 43 Gewichtsprozent DHA-Methylester, bezogen auf die Masse
der Gesamtfettsäuren, enthalte. Damit ende die durch die Entgegenhaltung
vermittelte Lehre jedoch nicht. Vielmehr bekomme der fachkundige Leser die
weitergehende Anregung und Anleitung dahin, die Konzentration der beiden
ihm als medizinisch relevant bekannten Hauptkomponenten EPA und DHA des
zuvor erhaltenen Konzentrats noch weiter zu erhöhen. Die hierzu erforderlichen
Arbeitsweisen einschließlich der begleitenden Analytik gehörten zu seinem
Fachwissen und Können. Angesichts all dessen werde der Fachmann nicht
12
- 6 -
umhin können, nach dem in HE8a beschriebenen Verfahren Fischöl-
Rohprodukte zielgerichtet auf die pharmazeutisch interessanten Komponenten
EPA und DHA hin aufzuarbeiten und hoch zu konzentrieren. Zu den hierfür in
Betracht kommenden üblichen und ohne weiteres verfügbaren Ausgangsmate-
rialien gehörten Menhaden-Rohöl und die vor dem Prioritätstag des Streit-
patents im Handel befindlichen Präparate Maxepa und Eicosapen. Die weitere
Aufkonzentrierung dieser Materialien ergebe eine Fettsäurezusammensetzung
mit den Merkmalen von Patentanspruch 1 des Streitpatents in der mit dem
Haupt- und Hilfsantrag verteidigten Fassung.
Gleiches gelte für Zusammensetzungen gemäß den Patentansprüchen 2
bis 7 nach Hauptantrag. Die in den Patentansprüchen 8 und 9 geschützte An-
wendung der in Rede stehenden Fettsäurezusammensetzungen zur Behand-
lung oder Prophylaxe von Mehrfachrisikofaktoren für kardiovaskuläre Erkran-
kungen sei durch den Stand der Technik ebenfalls nahegelegt. Bereits aus der
Beschreibungseinleitung der HE8a gehe hervor, dass gerade EPA und DHA
einen therapeutischen Effekt in der Prävention und bei der Behandlung von
Thrombosen und ischämischen Herzerkrankungen zeigten und den Choleste-
rinspiegel senkten und deshalb für medizinische Zwecke besonders geeignet
seien.
13
Diese Beurteilung hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren stand.
14
II. Das Streitpatent betrifft Fettsäurezusammensetzungen, die näher be-
zeichnete mehrfach ungesättigte Fettsäuren vom Typ ω
3
enthalten. Zu diesen
Fettsäuren gehören insbesondere (all-Z)-5,8,11,14,17-Eicosapentaensäure
(EPA) und (all-Z)-4,7,10,13,16,19-Docosahexaensäure (DHA).
15
1. In der Beschreibung des Streitpatents wird ausgeführt, kardiovasku-
läre Erkrankungen (Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems) würden mit ver-
16
- 7 -
schiedenen Risikofaktoren in Verbindung gebracht, beispielsweise Bluthoch-
druck, zu hoher Gehalt an Triglycerid oder Cholesterin oder hohe Blutplättchen-
aggregation. Antihypertensive (blutdrucksenkende) Medikamente hätten zur
Besserung beigetragen. Wegen der Nebenwirkungen solcher Medikamente be-
stünden aber Bedenken gegen ihre Anwendung. In zahlreichen neueren Veröf-
fentlichungen werde berichtet, dass verschiedene Fischölzubereitungen, die
ω
3
-mehrfach-ungesättigte Fettsäuren enthielten, Serumcholesterin und Blut-
plättchenaggregation beeinflussten.
Nach Einnahme von Fisch, rohem Fischöl (beginnend mit 7 % EPA und
5 % DHA) oder leichtkonzentrierten Fischölzubereitungen (üblicherweise 18 %
EPA und 12 % DHA) sei über eine Senkung des Blutdrucks berichtet worden.
Die für diese Wirkung verantwortlichen Komponenten seien niemals identifiziert
worden. Darüber hinaus wiesen alle Untersuchungen ein oder mehrere ernst-
hafte Fehler auf. EPA sei als die wichtigste ω
3
-mehrfach-ungesättigte Fettsäure
marinen Ursprungs betrachtet worden. Nach zahlreichen neueren Berichten
habe jedoch EPA allein keinen wesentlichen Einfluss auf den Bluthochdruck. Es
gebe auch keine Hinweise darauf, dass DHA allein irgendeine Wirkung auf den
Blutdruck ausübe. Es sei nun gefunden worden, dass bestimmte Fettsäurezu-
bereitungen überraschend vorteilhafte Wirkungen auf alle einleitend erwähnten
Risikofaktoren aufwiesen.
17
2. In der Streitpatentschrift wird nicht näher dargelegt, welches Problem
das Streitpatent betrifft. Dies ist unschädlich, weil das technische Problem oh-
nehin durch Auslegung des Patentanspruchs aus dem zu entwickeln ist, was
die Erfindung tatsächlich leistet (Sen.Urt. v. 4.2.2010 - Xa ZR 36/08, Tz. 27
- Gelenkanordnung m.w.N., zur Veröffentlichung vorgesehen).
18
Auf dieser Grundlage betrifft das Streitpatent das technische Problem,
eine Zusammensetzung bereitzustellen, die vorteilhafte Wirkungen auf die in
19
- 8 -
der Streitpatentschrift angeführten Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkran-
kungen aufweist.
3. Zur Lösung dieses Problems werden in Patentanspruch 1 in der ver-
teidigten Fassung Fettsäurezusammensetzungen vorgeschlagen, die folgende
Merkmale aufweisen:
20
1. Die Fettsäurezusammensetzungen enthalten ω
3
-mehrfach-
ungesättigte Fettsäuren, einschließlich
a) (all-Z)-5,8,11,14,17-Eicosapentaensäure (EPA) C20:5,
b) (all-Z)-4,7,10,13,16,19-Docosahexaensäure (DHA) C22:6
und
c) anderer
ω
3
-C
20
-, -C
21
- und -C
22
-Fettsäuren,
d)
wahlweise in Form von pharmazeutisch verträglichen Sal-
zen oder Estern
e)
zur medizinischen Verwendung.
2. Der Anteil der ω
3
-mehrfach-ungesättigten Fettsäuren an der
Fettsäurezusammensetzung beträgt mindestens 80 Gewichts-
prozent.
3.
EPA und DHA liegen in relativen Mengen von
>
1:1 bis 2:1 vor.
4. EPA und DHA machen mindestens 75 Gewichtsprozent des
Gesamtfettsäuregehalts aus.
- 9 -
5. Die
anderen
ω
3
-C
20
-, -C
21
- und -C
22
-Säuren machen 3 bis
9,9 Gewichtsprozent des Gesamtfettsäuregehalts aus.
4. Einige Merkmale bedürfen näherer Erläuterung.
21
a) Fettsäuren sind Verbindungen, die aus einer Carboxygruppe
(COOH) und einer Kohlenwasserstoffkette bestehen. Bei mehrfach ungesättig-
ten Fettsäuren weist die Kohlenwasserstoffkette mehrere Doppelbindungen auf.
Die chemische Bezeichnung der einzelnen Säuren ist - wie bei Kohlenwasser-
stoffen üblich - aus der Zahl der Kohlenstoffatome und der Doppelbindungen
abgeleitet. Zusätzlich werden die Positionen der Doppelbindungen - von der
Carboxygruppe aus gesehen - angegeben.
22
Bei mehrfach ungesättigten Fettsäuren vom Typ ω
3
(nachfolgend:
ω
3
-Fettsäuren) ist die erste Doppelbindung - von der endständigen Methylgrup-
pe aus gesehen - an der dritten Bindungsstelle angesiedelt. In der Streit-
patentschrift werden zwei Säuren dieses Typs hervorgehoben:
23
24
Die in Merkmal 1a aufgeführte (all-Z)-5,8,11,14,17-Eicosapentaensäure
(EPA) weist eine Kette aus zwanzig Kohlenstoffatomen mit fünf Doppelbindun-
gen (C20:5) auf, letztere an den Positionen 5, 8, 11, 14 und 17. Sie gehört zu
den ω
3
-Fettsäuren, weil die Bindungsposition 17, an der sich die letzte Doppel-
bindung befindet, die drittletzte ist.
Die in Merkmal 1b aufgeführte (all-Z)-4,7,10,13,16,19-Docosahexaen-
säure (DHA) weist eine Kette aus zweiundzwanzig Kohlenstoffatomen mit
25
- 10 -
sechs Doppelbindungen (C22:6) auf, letztere an den Positionen 4, 7, 10, 13, 16
und 19.
Die in Merkmal 1c aufgeführten weiteren ω
3
-Fettsäuren sind (nur) da-
durch näher charakterisiert, dass sie zwischen zwanzig und zweiundzwanzig
Kohlenstoffatome (C20, C21 und C22) aufweisen.
26
b) Der Anteil von EPA und DHA beträgt gemäß Merkmal 4 mindestens
75 Gewichtsprozent des Gesamtfettsäuregehalts. Diese Prozentangabe bezieht
sich nicht auf die patentgemäße Fettsäurezusammensetzung insgesamt, son-
dern auf die Menge aller in der Zusammensetzung enthaltenen Fettsäuren. Zu-
treffend hat das Patentgericht hieraus den Schluss gezogen, dass zum Gegen-
stand von Patentanspruch 1 auch Fettsäurezusammensetzungen gehören, bei
denen der Anteil von EPA und DHA bezogen auf die Zusammensetzung insge-
samt nur 60 Gewichtsprozent beträgt.
27
Weder aus Patentanspruch 1 noch aus dem übrigen Inhalt der Streit-
patentschrift geht hervor, dass eine patentgemäße Fettsäurezusammensetzung
ausschließlich aus Fettsäuren bestehen, also der in den Merkmalen 4 und 5
erwähnte Gesamtfettsäuregehalt 100 % der Fettsäurezusammensetzung betra-
gen muss. Ein Mindestwert für den Gesamtfettsäuregehalt ergibt sich lediglich
aus Merkmal 2, wonach die Zusammensetzung mindestens 80 Gewichts-
prozent an ω
3
-Fettsäuren enthalten muss. Dies schließt zwar nicht aus, dass
die Zusammensetzung daneben auch andere Fettsäuren enthält, lässt aber
auch die Möglichkeit offen, dass neben den ω
3
-Fettsäuren keine anderen Fett-
säuren vorhanden sind. In diesem Fall liegt der Gesamtfettsäuregehalt bei min-
28
- 11 -
destens 80 Gewichtsprozent. Hiervon müssen gemäß Merkmal 4 mindestens
75 Gewichtsprozent aus EPA und DHA bestehen. Bezogen auf die gesamte Zu-
sammensetzung ergibt dies einen Anteil von mindestens 60 Gewichtsprozent.
Dass bei den in der Streitpatentschrift geschilderten Ausführungsbeispie-
len keine anderen Bestandteile als Fettsäuren erwähnt werden und dass solche
Bestandteile bei den in der Streitpatentschrift geschilderten Herstellungsverfah-
ren nicht in nennenswertem Umfang zu erwarten sind, führt zu keiner anderen
Beurteilung. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents ist weder
auf ein besonderes Herstellungsverfahren noch auf die in den Ausführungsbei-
spielen erwähnten Fettsäurezusammensetzungen beschränkt. Die begriffliche
Differenzierung zwischen Prozentangaben, die auf die Fettsäurezusammenset-
zung bezogen sind, und Prozentangaben, die sich auf den Gesamtfettsäurege-
halt beziehen, lässt gerade die Möglichkeit offen, über die beschriebenen Aus-
führungsbeispiele hinaus weitere Bestandteile zur Fettsäurezusammensetzung
hinzuzugeben.
29
30
Eine beschränkte Verteidigung des Streitpatents, etwa mit der Maßgabe,
dass eine patentgemäße Fettsäurezusammensetzung nur aus Fettsäuren be-
stehen darf, hätte auf die Frage der Patentfähigkeit allerdings keinen Einfluss.
Wie unten näher darzulegen sein wird, sind durch den Stand der Technik auch
solche Fettsäurezusammensetzungen mit den Merkmalen von Patentan-
spruch 1 nahegelegt, bei denen der Anteil von EPA und DHA bezogen auf die
Zusammensetzung insgesamt bei 75 Gewichtsprozent und mehr liegt.
c) Das im Berufungsverfahren hinzugefügte Merkmal 1e schränkt den
Gegenstand des Streitpatents auf Fettsäurezusammensetzungen ein, die zur
medizinischen Verwendung geeignet sind. Ausgeschlossen sind damit insbe-
sondere Zusammensetzungen, die gesundheitlich bedenkliche Rückstände von
anderen Stoffen enthalten. Solche Rückstände könnten beispielsweise ent-
31
- 12 -
stehen, wenn bei der Herstellung giftige Lösungsmittel wie Hexan eingesetzt
werden, wie dies bei den in HE4a und HE8a offenbarten Verfahren der Fall ist.
5. Das Streitpatent überlässt es dem Fachmann, nach welchem Verfah-
ren die erfindungsgemäße Zusammensetzung hergestellt wird.
32
In der Beschreibung wird ausgeführt, um EPA und DHA in einer Mi-
schung hoher Konzentration gemäß Erfindung zu isolieren, sei eine spezielle
Methode zum Reinigen und Isolieren der langkettigen Fettsäuren aus natürli-
chen Fischölen entwickelt worden. Zusammensetzungen gemäß Erfindung
könnten nach dem Verfahren des europäischen Patents 255 824 (HE8b, her-
vorgegangen aus der Anmeldung HE8a) hergestellt werden (S. 3 Z. 11-13). Als
bevorzugt wird ein Verfahren geschildert, bei dem das marine Rohölmaterial
verestert und über eine Harnstofffraktionierung oder ähnliches konzentriert wird,
wobei die Bedingungen ausreichend milde sind, um eine Desintegration der
Produkte zu verhindern. Daran schließt sich als zweite Stufe eine Molekulardes-
tillation an (S. 3 Z. 15-18), d.h. eine Destillation unter sehr niedrigem Druck (s.
dazu die US-Patentschrift 3 158 541, HE13, Sp. 3 Z. 58 ff.). Ergänzend wird
ausgeführt, das Verfahren ermögliche ebenso die Anwendung der super-
kritischen Fluidextraktion und/oder der Chromatographie in der zweiten Stufe
mit CO
2
(S. 3 Z. 37-39).
33
III. Zu Recht hat das Patentgericht den Gegenstand des Streitpatents
als nicht patentfähig angesehen.
34
1. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents in der ver-
teidigten Fassung ist neu.
35
a) Die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 271 747
(HE4a) befasst sich allgemein mit einem Verfahren zur kontinuierlichen Fraktio-
36
- 13 -
nierung eines Fettsäuregemischs, für das als Ausgangsstoff ein Gemisch aus
pflanzlichen oder tierischen Fettsäuren oder Fettsäurederivaten in Betracht
kommt. Zum Stand der Technik wird ausgeführt, die bekannten Verfahren führ-
ten zu einer zufriedenstellenden Anreicherung, bereiteten aber Schwierigkeiten
bei der industriellen Umsetzung (HE4a S. 2 Z. 14-16). Um diese Nachteile zu
überwinden, wird ein Verfahren vorgeschlagen, bei dem das Fettsäuregemisch
mit einem in Lösung befindlichen Komplexbildner reagiert und der dadurch ent-
standene Einschlusskomplex abgetrennt wird. Im ersten Ausführungsbeispiel
wird als Fällmittel Harnstoff (urée) und als Lösungsmittel Hexan eingesetzt
(HE4a S. 19 Z. 16, 19 und 34). Die übrigen Ausführungsbeispiele beruhen in-
soweit auf derselben Vorgehensweise (HE4a S. 4 Z. 53, S. 6 Z. 3). In der Be-
schreibung wird ausgeführt, die mit dem Verfahren gewonnenen Fettsäurefrak-
tionen könnten ohne weitere Behandlung oder in Form von Öl, das sich aus
einer Rekombination mit Glycerin ergebe, eingesetzt werden, und zwar als Nah-
rungsmittel, Kosmetikartikel, Hautpflegemittel oder Pharmazeutika (HE4a S. 3
Z. 54-58). Als Beispiel 8 wird die Fraktionierung von Fettsäuren aus Fischöl be-
schrieben. Als Bestandteile des Ausgangs- und des Endprodukts werden Eico-
sapentaensäure und Docosahexaensäure hervorgehoben (HE4a S. 6 Z. 6 f.).
Für die im Endprodukt enthaltenen Fettsäuren werden in Tabelle 3 folgende
Werte angegeben:
C18:4 C20:5 C22:6 Andere [Summe]
8,8 %
40,4 %
37,3 %
13,5 %
[100 %]
(1) Damit sind die Merkmale 1, 1a, 1b, 1d, 1e und 3 von Patent-
anspruch 1 des Streitpatents offenbart.
37
Die in HE4a beschriebene Fettsäurezusammensetzung enthält EPA und
DHA und ist - wahlweise in Form von Glycerin-Estern - unter anderem zur me-
38
- 14 -
dizinischen Verwendung vorgesehen. Das Verhältnis zwischen EPA und DHA
liegt bei 1,08:1 und damit innerhalb des in Merkmal 3 definierten Bereichs.
(2) Nicht zweifelsfrei offenbart ist das Merkmal 4.
39
Zwar machen EPA und DHA nach dem Wortlaut von HE4a zusammen
77,7 % und damit mehr als 75 % des Gesamtfettsäuregehalts aus. Diese Pro-
zentangaben beziehen sich auch ausdrücklich auf das Gewicht (HE4a S. 4
Z. 5 f.). Sie sind aber im Wege der Gaschromatographie ermittelt worden und
damit nach dem Kenntnisstand am Prioritätstag nicht zuverlässig.
40
Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien war am Prioritätstag
bekannt, dass Flächenprozentwerte nicht ohne weiteres mit Gewichtsprozent-
werten gleichgesetzt werden können. Die Unsicherheiten bei der Umrechnung
beruhen darauf, dass die Zusammensetzung Polymere und andere nichtflüchti-
ge Substanzen enthalten kann, die bei der Gaschromatographie nicht eluiert
werden. Zu diesen Substanzen können, wie der gerichtliche Sachverständige
bestätigt hat, auch Fettsäuren gehören.
41
42
Vor diesem Hintergrund war aus der Sicht des Fachmanns am Prioritäts-
tag älteren Veröffentlichungen, die im Wege der Gaschromatographie ermittelte
Gewichtsprozentwerte enthalten, mit Skepsis zu begegnen. Dies gilt nicht nur,
soweit es um den Anteil einzelner Fettsäuren an der Zusammensetzung insge-
samt geht, sondern auch hinsichtlich des für Merkmal 4 maßgeblichen Anteils
am Gesamtfettsäuregehalt. Auch für diesen können sich Ungenauigkeiten er-
geben, weil bestimmte Fettsäuren möglicherweise nicht eluiert worden sind.
Angesichts dessen ist aus fachmännischer Sicht nicht auszuschließen, dass der
tatsächliche Anteil von EPA und DHA am Gesamtfettanteil der in HE4a be-
schriebenen Substanz um einige Prozentpunkte unter dem angegebenen Wert
- 15 -
von 77,7 % und damit unterhalb der in Merkmal 4 angegebenen Grenze von
75 % liegt.
(3) Nicht offenbart sind ferner die Merkmale 1c, 2 und 5.
43
Aus den Ausführungen in NK4a geht nicht hervor, ob neben EPA und
DHA weitere ω
3
-Fettsäuren mit 20, 21 oder 22 Kohlenstoffatomen vorhanden
sind und ob deren Gewichtsanteil innerhalb des in Merkmal 5 angegebenen
Bereichs liegt. Konkret benannt wird lediglich Octadecatetraensäure (C18:4).
Diese weist nicht die in den Merkmalen 1c und 5 genannte Zahl von Kohlen-
stoffatomen auf. Außerdem ist nicht angegeben, ob sie vom Typ ω
3
ist. An-
haltspunkte dafür, dass der Fachmann dies dennoch gleichsam mitliest, sind
nicht ersichtlich. Der vom gerichtlichen Sachverständigen angeführte Umstand,
dass in Tabelle 2 des Streitpatents eine C18:4-Fettsäure vom Typ ω
3
aufgeführt
ist, muss bei der Neuheitsprüfung außer Betracht bleiben. Er würde ohnehin
nicht weiterführen, weil in derselben Tabelle auch eine C18:4-Fettsäure vom
Typ ω
1
aufgeführt ist. Hinsichtlich der in HE4a unter der Rubrik "Andere" zu-
sammengefassten Fettsäuren bleibt darüber hinaus unklar, ob diese mehrfach
ungesättigt sind.
44
45
b) In der Veröffentlichung der internationalen Patentanmeldung
WO 87/03899 (HE8a) sind ein raffiniertes Fischölkonzentrat und ein Verfahren
zur Herstellung desselben offenbart. In der Beschreibung wird ausgeführt, es
sei bekannt, dass bestimmte essentielle Fettsäuren in Fischöl eine medizini-
sche Wirkung besäßen, nützlich für die Vorbeugung und Heilung von thrombo-
tischen Erkrankungen seien und den Cholesterinspiegel im Blut senkten. Aus-
drücklich als für diese Zwecke geeignet benannt werden EPA und DHA (HE8a
S. 1 unten). Als Ziel der in HE8a beanspruchten Erfindung wird genannt, die
essentiellen Fettsäuren von Cholesterin und anderen Fettsäureverbindungen zu
trennen (HE8a S. 2 unten). Hierzu wird ein Verfahren offenbart, bei dem die
- 16 -
Fettsäuren mit niederen Alkoholen verestert oder umgeestert, mit Harnstoff
ausgefällt und mit einem Lösungsmittel extrahiert werden. Bei der näheren Er-
läuterung des im Blockdiagramm nach Figur 1 schematisch dargestellten Ver-
fahrens wird angegeben, als Lösungsmittel werde Hexan eingesetzt (HE8a S. 5
Mitte und S. 7 unten). Nach Entfernen des Lösungsmittels durch Verdampfen
des Extraktes werde ein Konzentrat erhalten, das üblicherweise 20 bis 30 Ge-
wichtsprozent EPA, 35 bis 45 Gewichtsprozent DHA, 10 bis 20 Gewichts-
prozent andere mehrfach ungesättigte Fettsäuren sowie 5 bis 15 Gewichts-
prozent Cholesterin und undefinierte Verbindungen enthalte; die genaue Zu-
sammensetzung hänge jedoch von der Art des verwendeten Fischmaterials, der
Jahreszeit des Fischfangs und von Art und Zustand des Rohmaterials ab (HE8a
S. 8 Abs. 2 und 3).
46
Das nach Abtrennen des Cholesterins verbleibende ω
3
-Konzentrat soll
20 bis 35 Gewichtsprozent EPA, 35 bis 50 Gewichtsprozent DHA und 15 bis
25 Gewichtsprozent anderer mehrfach ungesättigter ω
3
-Fettsäuren sowie für
die Erfindung nicht wesentliche andere ungesättigte Fettsäuren enthalten
(HE8a S. 8 unten).
47
Ergänzend wird ausgeführt, dass das Konzentrat in dieser Form verwen-
det oder die EPA- und DHA-Konzentration erhöht werden könne. Da es nur
kleine Mengen an anderen Fettsäuren mit gleicher Kettenlänge enthalte, sei es
für die Abtrennung von EPA und DHA mittels superkritischer Fluidextraktion gut
geeignet. Ein weiteres Verfahren zur Erhöhung der Konzentration stelle die prä-
parative Flüssigchromatographie dar, mit der der Reinheitsgrad der essentiellen
Fettsäuren auf mehr als 90 % erhöht werden könne (HE8a S. 9 Abs. 1-3).
Zu dem einzigen hinsichtlich der Ausgangszusammensetzung näher be-
schriebenen Beispiel wird angegeben, das konzentrierte Filtrat habe 25 Ge-
wichtsprozent EPA-Methylester und 43 Gewichtsprozent DHA-Methylester, be-
48
- 17 -
zogen auf den Fettsäuregehalt, und Spuren von Cholesterin enthalten (HE8a
S. 11 Abs. 3).
(1) Damit sind die Merkmale 1, 1a, 1b, 1d und 1e offenbart. Die in HE8a
beschriebene Fettsäurezusammensetzung enthält sowohl EPA als auch DHA in
Form von Estern und ist nach den Ausführungen in der Beschreibung für medi-
zinische Zwecke geeignet.
49
(2) Offenbart sind auch die Merkmale 2 und 4. Bereits der Ansatz der
Mittelwerte der für das cholesterinfreie Konzentrat angegebenen "üblichen"
Gewichtsanteile der ω
3
-Fettsäuren führt zu einem Gewichtsanteil von 90 %.
Damit ist der in Merkmal 2 genannte Mindestwert deutlich überschritten, ohne
dass die von der Entgegenhaltung gelehrte weitere Erhöhung der Konzentration
berücksichtigt wäre. Auch wenn berücksichtigt wird, dass die Angaben zu den
Gewichtsanteilen mit gewissen Unsicherheiten behaftet sein mögen, besteht
danach kein Zweifel an der Offenbarung eines 80 % übersteigenden Anteils der
ω
3
-Fettsäuren an der Gesamtzusammensetzung, zumal die Angaben - worauf
die Klägerin zu Recht hinweist - auf das cholesterinfreie ω
3
-Konzentrat bezogen
sind. Entsprechendes gilt für einen EPA- und DHA-Anteil von 75 % am Gesamt-
fettsäuregehalt. Beim Ausführungsbeispiel beträgt dieser Anteil bereits (25
+
43
=) 68
%. Berücksichtigt man wiederum, dass für EPA 20 bis
35 Gewichtsprozent und für DHA 35 bis 50 Gewichtsprozent als üblich bezeich-
net werden und eine weitere Aufreinigung vorgeschlagen wird, kann ein Anteil
von 75 % ohne weiteres erreicht werden.
50
(3) Nicht offenbart ist demgegenüber die Kombination der Merkmale 3
und 4.
51
Die in HE8a angegebenen Gewichtsanteile von EPA sind deutlich gerin-
ger als diejenigen von DHA. Damit wird der von Merkmal 3 verlangte EPA-
52
- 18 -
Überschuss nicht erreicht. Allenfalls lassen die als üblich angegebenen Span-
nen theoretisch auch eine Kombination zu, bei der der Anteil beider Fettsäuren
jeweils 35 % beträgt. Damit wird aber der in Merkmal 4 festgelegte Mindestan-
teil von 75 % für beide Stoffe zusammen nicht erreicht.
(4) Nicht offenbart sind ferner die Merkmale 1c und 5.
53
Aus den Ausführungen in HE8a ergibt sich lediglich, dass neben EPA
und DHA auch andere ungesättigte Fettsäuren mit 20 oder 22 Kohlenstoffato-
men vorhanden sind (HE8a S. 9 Mitte). Ob darunter auch Fettsäuren mit 21
Kohlenstoffatomen sind und ob der Anteil dieser Säuren insgesamt innerhalb
des in Merkmal 5 definierten Bereichs liegt, geht daraus nicht hervor. An ande-
rer Stelle wird ausgeführt, der Anteil von Fettsäuren mit gleicher Kettenlänge
von EPA und DHA - also 20 und 22 - sei klein (HE8a S. 9 Abs. 2). Auch daraus
kann nicht entnommen werden, ob der Anteil der C20- und C22-Säuren den in
Merkmal 5 genannten Mindestwert von 3 Gewichtsprozent erreicht.
54
55
c) Der von Azhgikhin et al. in der Zeitschrift фармация (Farmazija)
1979, 28(5), 18-21, veröffentlichte Aufsatz über die "Gewinnung eines Konzent-
rats von Estern der Eicosapentaensäure und Docohexaensäure als möglicher
Ersatz für Arachiden und Linetol" (HE9a; deutsche Übersetzung HE9c) be-
schreibt ein Verfahren zur Herstellung eines Konzentrats aus EPA und DHA
aus zerkleinerten Fischen. In der Einleitung wird ausgeführt, das Gehirn höhe-
rer Säugetiere enthalte signifikante Mengen von Eicosatetraensäure (Arachi-
donsäure) und DHA. Der Gehalt an anderen höheren ungesättigten Fettsäuren
wie Linolsäure oder Linolensäure sei demgegenüber irrelevant. Auch die Herz-
muskeln synthetisierten und akkumulierten selektiv die beiden eingangs ge-
nannten Säuren (HE9c S. 1). Die cholesterinsenkende Wirkung dieser Säuren
sei ebenfalls deutlich höher als die von Linolsäure. Die Verschreibung von Prä-
paraten auf der Basis von Linolensäure führe gewöhnlich sogar zu einer Erhö-
- 19 -
hung der Cholesterinkonzentration im Lumen der Gefäße (HE9c S. 2). Im An-
schluss an diese Ausführungen wird ein mehrstufiges Extraktionsverfahren be-
schrieben, an dessen Ende drei Fraktionen mit Äthylestern der Fettsäuren er-
halten werden. Für die dritte Fraktion wird der Gehalt von C20:5 mit 43,9 %,
derjenige von C22:6 mit 54,2 % und derjenige von anderen höheren ungesättig-
ten Fettsäuren mit unter 2 % angegeben; ferner wird eine Jodzahl (NI) von
305,5 genannt (HE9c S. 7 oben).
(1) Damit sind die Merkmale 1, 1a, 1b, 1d und 1e von Patentanspruch 1
des Streitpatents offenbart. Die in HE9a beschriebene Fettsäurezusammenset-
zung enthält EPA und DHA in Form von Estern und ist, wie sich aus der Ein-
leitung ergibt, für medizinische Zwecke geeignet.
56
(2) Nicht zweifelsfrei offenbart sind die Merkmale 2 und 4.
57
58
Zwar liegen die beschriebenen Prozentwerte für EPA und DHA deutlich
über den in diesen Merkmalen beschriebenen Grenzen. Nach dem auf das vor-
gelegte Privatgutachten (BK6 S. 4 unten) gestützten und den Senat überzeu-
genden Vorbringen der Beklagten war für den Fachmann jedoch erkennbar,
dass die Angaben in HE9a in sich widersprüchlich sind. Eine Zusammenset-
zung mit den angegebenen Gewichtsanteilen von EPA und DHA müsste eine
Jodzahl von 400 aufweisen. Die in HE9a angegebene Jodzahl von 305,5 steht
dazu in auffälligem Widerspruch und weckt nicht überwindbare Zweifel an der
Richtigkeit der angegebenen Prozentwerte. Diese Unsicherheiten stehen auch
der rechnerischen Ermittlung eines "korrekten" Wertes, etwa durch anteilige
Reduzierung der Prozentangaben entsprechend den genannten Werten für die
Jodzahl, entgegen.
(3) Nicht offenbart ist ferner das Merkmal 3. Nach den in HE9a angege-
benen Prozentwerten ist das Verhältnis zwischen EPA und DHA kleiner als 1:1.
59
- 20 -
(4) Nicht offenbart sind schließlich die Merkmale 1c und 5. Aus HE9a
geht nicht hervor, ob es sich bei den sonstigen Fettsäuren um solche vom Typ
ω
3
handelt. Der mit unter 2 % angegebene Wert liegt zudem außerhalb des in
Merkmal 5 definierten Bereichs.
60
d) Die weiteren Entgegenhaltungen liegen weiter ab und bedürfen in
diesem Zusammenhang keiner vertieften Erörterung.
61
(1) Die US-Patentschrift 3 158 541 (HE13) offenbart ein Fettsäure-
produkt zur Reduzierung der Cholesterinkonzentration im Blut. In der Beschrei-
bung wird ausgeführt, alle natürlichen mehrfach ungesättigten Fettsäuren mit 20
oder mehr Kohlenstoffatomen seien praktisch gleich wirksam (HE13 Sp. 3
Z. 28-30). Beansprucht wird unter anderem eine Zusammensetzung, in der der
Anteil dieser Säuren mindestens 75 % beträgt (Anspruch 4). In Ausführungs-
beispiel 3 wird eine Zusammensetzung beschrieben, bei der der Anteil von
C20:5-Fettsäure 31,1 % und der Anteil von C22:6-Fettsäure 42,0 % beträgt.
Dies liegt außerhalb der in den Merkmalen 3, 4 und 5 von Patentanspruch 1
des Streitpatents festgelegten Bereiche.
62
63
(2) Die im Dictionnaire Vidal (HE6) und in der Roten Liste (HE7) aufge-
führten Produkte Maxepa und Eicosapen enthalten jeweils 18 % EPA und 12 %
DHA. Dies liegt außerhalb der in den Merkmalen 2 und 4 von Patentanspruch 1
des Streitpatents definierten Bereiche.
(3) In dem von Simons et al. veröffentlichten Aufsatz "On the Effects of
Dietary n-3 Fatty Acids (Maxepa) on Plasma Lipids and Lipoproteins in Patients
with Hyperlipidaemia" (HE11) wird über eine klinische Studie mit Maxepa be-
richtet. Ein höherer Gehalt an EPA oder DHA wird nicht offenbart. Im Rahmen
der Diskussion der Ergebnisse wird die Wirkung verschiedener EPA-Dosen auf
Testpersonen miteinander verglichen. Dabei wird die Vermutung geäußert, die
64
- 21 -
Wirkung von ω
3
-Fettsäuren scheine von der Dosis abzuhängen. Bereits bei ei-
ner Dosis von 1,1 Gramm EPA pro Tag habe eine signifikante Verringerung des
Plasmaglyceridspiegels festgestellt werden können. Grönländische Eskimos
nähmen Schätzungen zufolge täglich 5 bis 6 Gramm EPA zu sich (HE11 S. 86).
Auf mögliche Wirkungen von DHA oder Synergieeffekte wird nicht eingegan-
gen.
(4) In dem Auszug aus Ullmann's Encyclopedia of Industrial Chemistry
(HE10) wird für Fischöl der Gehalt an ungesättigten C20-Fettsäuren mit 22 %
und der Gehalt an ungesättigten C22-Fettsäuren mit 10 % angegeben. Auch
dies liegt außerhalb der in Patentanspruch 1 des Streitpatents festgelegten Be-
reiche.
65
(5) Die britische Patentanmeldung 2 033 745 (HE12) betrifft EPA und
deren Derivate in der Behandlung oder Vorbeugung von thromboembolischen
Erkrankungen. Beansprucht werden unter anderem Formulierungen, bei denen
EPA oder ein Derivat dieser Säure mindestens 50 Gewichtsprozent (An-
spruch 2) bzw. mindestens 90 Gewichtsprozent (Anspruch 3) ausmacht und die
restliche Formulierung sich aus nicht bezifferten Anteilen aus anderen Fettsäu-
ren, darunter DHA, zusammensetzt. Damit fehlt es an einer Offenbarung der
Kombination der Merkmale 2, 3 und 4 von Patentanspruch 1 des Streitpatents.
66
(6) Die US-Patentschrift 4 377 526 (HE14) betrifft ein Verfahren zur Rei-
nigung von EPA und ihren Estern. In den Ausführungsbeispielen 1 und 2 wer-
den für das Endprodukt sowie für ein Zwischenprodukt folgende Werte angege-
ben (HE14 Sp. 7 Tabelle 1 und 2):
67
- 22 -
C20:5
C22:6
Zwischenprodukt 1
57,3 %
17,5 %
Endprodukt 1
92,9 %
2,0 %
Zwischenprodukt 2
40,9 %
27,0 %
Endprodukt 2
89,5 %
2,0 %
Die für die Zwischenprodukte offenbarten Werte liegen in der Nähe der in
den Merkmalen 3 und 4 von Patentanspruch 1 des Streitpatents definierten Be-
reiche, verwirklichen aber jedenfalls nicht die Kombination beider Merkmale.
Die Werte der als erfindungsgemäß bezeichneten Endprodukte entfernen sich
demgegenüber weit von dem in Merkmal 3 angegebenen Mengenverhältnis
zwischen EPA und DHA.
68
2. Zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass der Gegenstand
von Patentanspruch 1 des Streitpatents nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
69
a) Dass Fettzusammensetzungen, die EPA und DHA enthalten, vorteil-
hafte Wirkungen auf die in der Streitpatentschrift angeführten Risikofaktoren für
kardiovaskuläre Erkrankungen haben, war, wie sich auch aus den oben erörter-
ten Entgegenhaltungen, dem von der Beklagten vorgelegten Übersichtsartikel
von Ackman "Oils and Fats Group International Lecture - The Year of the Fish
Oils" (Chemistry and Industry 1988, 139, BK 2) und aus der Streitpatentschrift
ergibt, am Prioritätstag bekannt. Für den Fachmann, den das Patentgericht zu-
treffend als erfahrenen Chemiker, Biochemiker, Lebensmittelchemiker oder
Pharmazeuten charakterisiert hat, der mit der Aufarbeitung, Analytik und Wir-
kung natürlich vorkommender Fettsäuren befasst und vertraut ist, lag es ange-
sichts dessen nahe, sich auf der Suche nach verbesserten Rezepturen zu-
nächst mit bekannten Zusammensetzungen zu befassen und diese auf Optimie-
rungsmöglichkeiten zu überprüfen. Zu den naheliegenden Optimierungsmög-
lichkeiten gehört es, wie auch der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, in
bekannten Präparaten die Wirkstoffe zu finden und anzureichern. Für Versuche
70
- 23 -
in diese Richtung bot sich - neben den in der Entgegenhaltung HE8a beschrie-
benen Zusammensetzungen mit DHA-Überschuss - eine Wirkstoffkombination
aus EPA und DHA mit einem relativen Mengenverhältnis zwischen 1:1 und 2:1
besonders an, weil diese Kombination - im Verhältnis 1,5:1 - in den bekannten
Produkten Maxepa und Eicosapen enthalten und mit Menhadenöl ein Aus-
gangsmaterial verbreitet und üblich war, das bereits herkunftsbedingt einen
deutlichen EPA-Überschuss aufweist. Eine weitere Erhöhung der Konzentration
wird von der HE8a ausdrücklich vorgeschlagen.
Eine zusätzliche Anregung, die Konzentration zu erhöhen, ergab sich
aus Veröffentlichungen wie beispielsweise der Entgegenhaltung HE11, in der
auf der Grundlage klinischer Versuche die Vermutung geäußert wurde, die Wir-
kung von ω
3
-Fettsäuren scheine von der Dosis abzuhängen. Der an der Zurver-
fügungstellung einer höheren Dosis interessierte Fachmann konnte in diesem
Zusammenhang der Entgegenhaltung HE12 den Hinweis entnehmen, dass
EPA und gegebenenfalls DHA oder Docosapentaensäure mindestens 90 Ge-
wichtsprozent des Fettsäuregehalts des Präparats ausmachen sollten, wenn
eine gewünschte höhere Menge an EPA (und DHA) ohne Anpassung der Er-
nährung des Patienten verabreicht werden solle (HE12 S. 3 Z. 27-63). Bei einer
höheren Dosis bestand daher besonderer Anlass, eine höhere Reinheit der
Wirkstoffe anzustreben. Hinzu kam, dass nachteilige Wirkungen einer "Über-
dosis" als fernliegend beurteilt wurden (vgl. Ackman, BK2 S. 143 r. Sp. a.E.
S. 144 l. Sp.).
71
Gegen Versuche mit einer höheren Wirkstoffkonzentration sprach auch
nicht der Umstand, dass die genannten Präparate Maxepa und Eicosapen seit
vielen Jahren mit unveränderter Zusammensetzung auf dem Markt waren. Auch
wenn sich ein Medikament über Jahre hinweg bewährt hat, besteht für den an
weiteren Verbesserungen interessierten Fachmann Anlass zu Versuchen mit
einer höheren Wirkstoffkonzentration.
72
- 24 -
b) Besondere Schwierigkeiten, die es dem Fachmann unmöglich ge-
macht hätten, die in Patentanspruch 1 festgelegten Wirkstoffkonzentrationen zu
erreichen, oder ihn zumindest von Versuchen in diese Richtung abgehalten hät-
ten, haben am Prioritätstag nicht bestanden.
73
(1) Nach den zutreffenden Feststellungen des Patentgerichts können die
in Patentanspruch 1 des Streitpatents angegebenen Konzentrationen von EPA,
DHA und den anderen benannten Fettsäuren bei Verwendung geeigneter und
ohne weiteres zur Verfügung stehender Ausgangsstoffe mit dem in HE8a be-
schriebenen Verfahren erreicht werden. Diese Feststellung wird bestätigt durch
die Ausführungen in der Streitpatentschrift, in denen ausdrücklich auf die aus
HE8a hervorgegangene Patentschrift Bezug genommen und das dort beschrie-
bene Verfahren als geeignet bezeichnet wird (S. 3 Z. 11-13). Wie das Patentge-
richt zutreffend ausgeführt hat, enthält HE8a zudem einen ausdrücklichen Hin-
weis, dass die in den dort geschilderten Ausführungsbeispielen erreichten Wer-
te durch superkritische Fluidextraktion oder Flüssigchromatographie gesteigert
werden können, durch die zuletzt genannte Methode sogar auf über 90 %. Auch
in der Streitpatentschrift werden diese beiden Methoden als mögliche Alternati-
ven zu dem als bevorzugt bezeichneten Verfahrensschritt der Molekulardestilla-
tion angeführt (S. 3 Z. 37-39).
74
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Hinweis auf Fluid-
extraktion oder Flüssigchromatographie in HE8a nicht dahin zu verstehen, dass
EPA und DHA jeweils getrennt auf über 90 % aufkonzentriert werden sollen.
Zwar lassen beide genannten Methoden, wie der gerichtliche Sachverständige
bestätigt hat, auch eine solche Trennung zu. Die in Rede stehenden Ausfüh-
rungen in HE8a stehen aber in unmittelbarem Zusammenhang mit den Erläute-
rungen zu dem (unter Bezugnahme auf Figur 1 der Entgegenhaltung) als
"Box 5" bezeichneten Verfahrensschritt, bei dem eine Zusammensetzung mit 20
bis 35 Gewichtsprozent EPA, 35 bis 50 Gewichtsprozent DHA und 15 bis
75
- 25 -
25 Gewichtsprozent anderen ungesättigten Fettsäuren erhalten wird, und dem
ergänzenden Hinweis, dieses Produkt sei ohne weitere Veränderungen nutzbar,
doch könne die Konzentration von EPA und DHA erhöht werden. Damit ist na-
hegelegt, die im unmittelbaren Anschluss daran benannten Methoden nicht zur
Trennung von EPA und DHA heranzuziehen, sondern zur weiteren Aufkon-
zentration des vorhandenen Gemischs. Beide benannten Methoden können,
wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, auch für diesen Zweck ein-
gesetzt werden - die superkritische Fluidextraktion zumindest dergestalt, dass
die einzelnen Bestandteile separiert und sodann die gewünschten Stoffe wieder
zusammengefügt werden.
Die ungefähr zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Entgegenhaltung
HE8a bekanntgewordenen Unsicherheiten bei der Ermittlung von Gewichts-
anteilen mittels Gaschromatographie stellten keinen Grund dar, von dem Ver-
fahren nach HE8a zur Erzielung höherer Konzentrationen Abstand zu nehmen.
Selbst wenn der Fachmann bei der Lektüre von HE8a die Möglichkeit in Er-
wägung ziehen musste, dass die dort in den Ausführungsbeispielen genannten
Prozentwerte über den tatsächlichen Werten liegen, machte dies die in HE8a
enthaltenen Hinweise, wie die Konzentration noch weiter gesteigert werden
kann, nicht wertlos. Die Annahme, dass bekannte Zusammensetzungen eine
geringere Konzentration aufweisen könnten als zuvor angenommen, gab sogar
eher zusätzliche Veranlassung, sich um höhere Konzentrationen zu bemühen
und dazu die im Stand der Technik aufgezeigten Ansätze zu nutzen.
76
Der Umstand, dass in den Ausführungsbeispielen von HE8a Hexan als
Lösungsmittel eingesetzt wird, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Lehre
von HE8a war nicht auf dieses Lösungsmittel beschränkt. Wenn der Fachmann
- abweichend von der in HE8a zum Ausdruck kommenden Beurteilung, wo trotz
der Verwendung von Hexan die Eignung zur Prävention und Behandlung von
Herz- und Kreislauferkrankungen hervorgehoben wurde - befürchtete, Hexan-
77
- 26 -
Rückstände könnten die Eignung zur medizinischen Verwendung beeinträchti-
gen, hatte er die Möglichkeit, andere Lösungsmittel einzusetzen.
(2) Unabhängig davon war auch die im Streitpatent als bevorzugt be-
zeichnete Kombination aus Harnstofffällung und Molekulardestillation ein nahe-
liegender Weg, um zu höher konzentrierten Zusammensetzungen zu gelangen.
Dem Fachmann war, wie sich etwa aus der Entgegenhaltung HE13 (Sp. 2
Z. 25-41, Sp. 3 Z. 49-65, Sp. 4 Z. 39/40, Sp. 5 Z. 43-45) und dem Artikel von
Ackman (BK2 S. 142 r. Sp. u. S. 143 Fig. 6 ) ergibt und durch die Ausführungen
des gerichtlichen Sachverständigen bestätigt wird, am Prioritätstag bekannt,
dass Fischöle vorsichtig und schonend aufgearbeitet werden müssen, weil
ω
3
-Fettsäuren sich leicht zersetzen und die Einwirkung von Luftsauerstoff und
Sonnenlicht, aber auch ein Erhitzen die Moleküle zerstören kann. Angesichts
dessen sprach alles dafür, die aus anderen Entgegenhaltungen bekannte Harn-
stofffällung unter milden Bedingungen durchzuführen und anstelle der in HE8a
als Möglichkeiten zur weiteren Konzentrierung genannten Verfahrensschritte
die gerade deswegen in der HE13 bevorzugte besonders schonende Methode
der Molekulardestillation heranzuziehen.
78
79
c) Bemühte sich der Fachmann nach den - gegebenenfalls in diesem
Sinne modifizierten - Anweisungen der HE8a um eine weitere Konzentration
einer etwa aus Menhadenöl gewonnenen Fettsäurezusammensetzung, gelang-
te er nicht nur zu einer Merkmal 3 entsprechenden Zusammensetzung, bei der
der Anteil der ω
3
-Fettsäuren 80 Gewichtsprozent und mehr beträgt (Merkmal 2)
und mindestens 75 Gewichtsprozent des Gesamtfettsäuregehalts auf EPA und
DHA (Merkmal 4) entfallen. Es konnte sich dabei - je nach verwendetem Aus-
gangsmaterial - auch ohne weiteres ein Anteil von 3 bis 9,9 Gewichtsprozent
des Gesamtfettsäuregehalts an anderen ω
3
-C
20
-, -C
21
- und -C
22
-Säuren einstel-
len (Merkmale 1c und 5). Auch die Beklagte macht nicht geltend, dass es hierzu
besonderer Maßnahmen bedurft hätte.
- 27 -
d) Vor diesem Hintergrund kann auch der von der Beklagten geltend
gemachte Umstand, dass die Verabreichung einer Kombination von EPA und
DHA in höherer Konzentration überraschend höhere Wirksamkeit zeige als die
Verabreichung derselben Wirkstoffmenge in geringerer Konzentration, keine
erfinderische Tätigkeit begründen. Nach der Rechtsprechung des Bundes-
gerichtshofs vermag ein zusätzlicher, wenn auch unerwarteter und überra-
schender Effekt die erfinderische Leistung einer Kombination bekannter Stoffe
nicht zu begründen, wenn die Bereitstellung der Kombination dem Fachmann
durch den Stand der Technik nahegelegt war und ihm ein Weg zur Verfügung
stand, die Kombination tatsächlich in die Hand zu bekommen (st. Rspr., s. nur
BGH, Urt. v. 10.12.2002 - X ZR 68/99, GRUR 2003, 317, 320 - Kosmetisches
Sonnenschutzmittel I; Sen.Urt. v. 10.9.2009 - Xa ZR 130/07, GRUR 2010, 123
Tz. 41 - Escitalopram).
80
81
3. Das Patentgericht hat im Einzelnen begründet, warum auch die Ge-
genstände der Patentansprüche 2 bis 8 nicht patentfähig sind. Seine Ausfüh-
rungen lassen keinen Fehler erkennen und werden auch von der Berufung nicht
gesondert angegriffen.
82
4. Angesichts all dessen kann das Streitpatent auch in der Fassung
gemäß den Hilfsanträgen keinen Bestand haben.
a) Mit Hilfsantrag 1 werden in Patentanspruch 1 der Mindestwert für
den Gehalt der Zusammensetzung an ω
3
-Fettsäuren von 80 Gewichtsprozent
auf 85 Gewichtsprozent, der Mindestwert für den Anteil von EPA und DHA am
Gesamtfettsäuregehalt von 75 Gewichtsprozent auf 80 Gewichtsprozent und
der Mindestwert für den Anteil der anderen ω
3
-Fettsäuren mit 20, 21 und 22
Kohlenstoffatomen von 3,3 Gewichtsprozent auf 4,5 Gewichtsprozent erhöht.
Auch eine Zusammensetzung mit diesen Mindestwerten war aus den oben dar-
gelegten Gründen durch den Stand der Technik nahegelegt. Der Anteil von
83
- 28 -
EPA und DHA liegt auch nach dieser Fassung des Patentanspruchs in dem
unter anderem durch HE8a nahegelegten Bereich.
b) Nach Hilfsantrag 2 sollen die beiden ersten Mindestwerte auf
95 Gewichtsprozent bzw. 90 Gewichtsprozent erhöht werden. Ferner sollen
nicht mehr die Fettsäurezusammensetzungen selbst, sondern nur noch deren
Verwendung zur Behandlung von Hypertriglyceridämie den Gegenstand des
Streitpatents bilden.
84
Auch diese Änderungen führen zu keiner anderen Beurteilung der Pa-
tentfähigkeit. Die nochmals erhöhten Mindestwerte sind ebenfalls durch den
Stand der Technik nahegelegt. Die Verwendung von Fettsäurezusammenset-
zungen aus DHA und EPA zur Behandlung von Hypertriglyceridämie war im
Stand der Technik beispielsweise aus HE6 und HE11 (Maxepa) sowie HE7 (Ei-
cosapen) bekannt. Angesichts dessen sprach alles dafür, Fettsäurezusammen-
setzungen mit den im Streitpatent genannten höheren Konzentrationen eben-
falls für diese Zwecke zu verwenden.
85
86
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG sowie § 97
Abs. 1 und § 91a ZPO.
- 29 -
Die Beklagte hat gemäß § 91a ZPO auch die Kosten zu tragen, die auf
den beiderseits für erledigt erklärten Teil des Rechtsstreits entfallen. Die von
der Klägerin zu 2 erhobene Klage, die aus den oben genannten Gründen eben-
falls zur Nichtigerklärung hätte führen müssen, ist erst durch das Erlöschen des
Streitpatents unzulässig geworden, weil die Klägerin zu 2 kein eigenes Rechts-
schutzbedürfnis an einer Nichtigerklärung hat.
87
Meier-Beck Keukenschrijver Mühlens
Bacher
Hoffmann
Vorinstanzen:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 27.11.2007 - 3 Ni 47/06 -