Urteil des BGH vom 28.01.2010

BGH (anstiftung, zahlung, mord, strafkammer, opfer, aufhebung, strafzumessung, unternehmen, treffen, konto)

5 StR 524/09
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 28. Januar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Anstiftung zum Mord u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Januar 2010
beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Berlin vom 16. Juli 2009 nach § 349 Abs. 4
StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen versuchter Anstiftung
zum Mord sowie zum erpresserischen Menschenraub
verurteilt ist,
b) im gesamten Strafausspruch.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO
als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Erpressung
und wegen versuchter Anstiftung zum erpresserischen Menschenraub sowie
zum Mord zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Mona-
ten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit einer Verfahrensrü-
ge; ferner rügt er die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel erzielt
mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
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1. Nach den Feststellungen des Landgerichts versuchte der Angeklag-
te im Jahr 2008 und im Januar 2009, seinen ehemaligen Arbeitgeber durch
Drohungen zur Zahlung von zuletzt 6,3 Mio. € zu veranlassen. Er kündigte
an, dem Unternehmen durch – auch öffentliche – Anprangerung von ihm be-
haupteter Unregelmäßigkeiten namentlich im Zusammenhang mit Verkaufs-
prospekten schweren Schaden zuzufügen, falls seine Zahlungsforderung
nicht erfüllt werde.
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Das Unternehmen kam dem Verlangen jedoch nicht nach. Deswegen
fasste der Angeklagte den Entschluss, die Zahlung der 6,3 Mio. € durch die
Entführung eines Vorstandsmitglieds des Unternehmens zu erzwingen. Den
Tatplan entwickelte er im Januar 2009 bei mehreren Treffen mit dem Zeugen
D. , der zuletzt wegen Mordes, schweren Raubes und gefährlicher Kör-
perverletzung zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und
Mitte des Jahres 2008 aus der Strafhaft entlassen worden war.
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Auf Initiative des Angeklagten und nach seinem Vorstellungsbild war
D. spätestens am 19. Januar 2009 bereit, die Tat zwischen dem
20. und 28. Januar 2009 durchzuführen. Er sollte das ins Auge gefasste Op-
fer vor dessen Arbeitsstelle „wegfangen“. Dann sollte er den Geschädigten
u. a. mit einem Telefonbuch schlagen, damit drohen, ihn auch zu Hause auf-
zusuchen, und zumindest konkludent Übergriffe auf dessen Tochter in Aus-
sicht stellen (UA S. 31). Das Opfer sollte auf diese Weise dazu gebracht
werden, die vom Angeklagten erstrebte Summe auf dessen Konto zu über-
weisen. Von dort aus sollte das Guthaben zu einer Bank in Luxemburg trans-
feriert werden, wo es der Angeklagte abheben und dem D. 500.000 €
übergeben wollte. Das Opfer sollte nach Zahlung freigelassen werden. D.
sollte es aber einige Wochen später gegen Zahlung von weiteren
50.000 € „liquidieren“, damit es keine Aussage machen und den Angeklagten
nicht belasten könne (UA S. 31).
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Wie spätestens nach dem Treffen vom 19. Januar 2009 beabsichtigt
führte D. die Tat nicht aus. Vielmehr offenbarte er sich zunächst einem
Rechtsanwalt, der den Sachverhalt am 21. Januar 2009 bei der Staatsan-
waltschaft vortrug und dafür sorgte, dass sein Mandant noch am selben Tage
in den Räumlichkeiten der Mordkommission erschien und eine umfassende
Aussage machte.
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2. Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur Aufhe-
bung des Schuldspruchs wegen versuchter Anstiftung zum erpresserischen
Menschenraub sowie zum Mord, weswegen es eines Eingehens auf die in-
soweit erhobene Verfahrensrüge nicht bedarf. Die mitgeteilte Beweiswürdi-
gung ist unklar und lückenhaft (vgl. BGH NJW 2007, 384, 387, insoweit in
BGHSt 51, 144 nicht abgedruckt). Sie unterlässt es, prägende Umstände der
Tat, wie sie sich nach den Bekundungen des Hauptbelastungszeugen zuge-
tragen hat, näher zu würdigen (vgl. BGH NStZ-RR 2009, 377 m.w.N.; BGH,
Beschluss vom 15. Oktober 2009 – 5 StR 407/09 Tz. 9; Brause NStZ 2007,
505, 506).
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Die Strafkammer stützt ihre Überzeugung, der Angeklagte habe D.
zu einer Entführung und anschließenden Ermordung des Tatopfers an-
zustiften versucht, maßgebend auf dessen Aussage. Eine hinreichende, die
revisionsgerichtliche Nachprüfung ermöglichende Würdigung der Glaubhaf-
tigkeit dieser Zeugenaussage nimmt sie jedoch nicht vor. Sie beschränkt sich
vielmehr auf den Hinweis, der Zeuge habe „ohne ersichtliches Belastungsin-
teresse die Versuche des Angeklagten, ihn zu den in den Feststellungen ge-
schilderten Taten zu veranlassen, glaubhaft geschildert“ (UA S. 51), und die
Mitteilung der Gründe, die den Zeugen nach seinen Bekundungen zur Erstat-
tung der Strafanzeige veranlasst haben. Das wird den Anforderungen nicht
gerecht.
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a) Bei dem Zeugen handelt es sich, wie aus seinen Vorbelastungen
ersichtlich ist, um eine außerordentlich problematische Persönlichkeit. Schon
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deswegen durfte sich das Landgericht nicht mit der formelhaften Wendung
begnügen, sie habe dessen Aussage „einer besonders kritischen Würdigung
unterzogen“ (UA S. 51), sondern musste diese tatsächlich vornehmen.
Im Anschluss an die Verfahrensrüge merkt der Senat in diesem Zu-
sammenhang an, dass sich das Landgericht mit dem Umstand hätte ausein-
andersetzen müssen, dass der Zeuge ausweislich des Urteils des Landge-
richts Berlin vom 21. November 1989, hinsichtlich dessen die Strafkammer
die Durchführung des Selbstleseverfahrens angeordnet hatte und das durch
die Verteidigung im Revisionsverfahren vorgelegt worden ist, u. a. wegen
Verdeckungsmordes verurteilt ist, wobei er nach den Urteilsfeststellungen
seinen Tatbeitrag bagatellisiert und die wesentlichen Verletzungen des Tat-
opfers seinem Mittäter angelastet hatte. Vorstrafen machen einen Zeugen
zwar nicht schlechthin unglaubwürdig; sie nötigen aber jedenfalls unter den
hier gegebenen Umständen zu einer ausführlichen Würdigung seiner Aussa-
ge (vgl. BGH NStZ 2002, 495).
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b) Die Aussage des Zeugen weist auch inhaltliche Merkwürdigkeiten
auf, mit denen sich das Landgericht nicht auseinandersetzt. Insbesondere
widerspricht die Feststellung, D. habe das Opfer nach der Tat zunächst
freilassen, einige Wochen später aber gegen Zahlung von weiteren 50.000 €
zur Verhinderung einer Belastung des Angeklagten „liquidieren“ sollen (UA
S. 31), jeglicher „Verbrechervernunft“ und drängt demnach zu näherer Erör-
terung.
c) Unzureichend würdigen die Urteilsgründe ferner die Bekundungen
des Zeugen zum Motiv der Strafanzeige. Seine Angabe, er habe „Beweise
sammeln wollen“, glaubt ihm die Strafkammer nicht. Hingegen folgt sie ihm
darin, dass er den Angeklagten anfangs nicht ganz ernst genommen, als es
konkret geworden sei, aber „kalte Füße“ bekommen habe, dass er – was sich
in den Feststellungen im Übrigen nicht widerspiegelt – die Sorge hatte, mit
der Tat in Verbindung gebracht zu werden, wenn – einer Ankündigung des
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Angeklagten entsprechend – bei seiner Weigerung ein „zweites Team“ die
Tat „durchziehen“ werde, und dass er davon ausgegangen sei, er werde
„keinen Cent zu sehen bekommen, wenn der Angeklagte das Geld erst auf
dem Luxemburger Konto gehabt hätte“ (UA S. 51 f.). Zwar ist das Tatgericht
nicht gehindert, einem Zeugen nur teilweise zu glauben; es muss dann je-
doch die hierfür maßgebenden Gründe darlegen (BGH NStZ 2004, 635, 636;
Schoreit in KK 6. Aufl. § 261 Rdn. 29). Hieran fehlt es gänzlich. Hinzu kommt,
dass die Angaben des Zeugen miteinander und auch mit den durch das
Landgericht getroffenen Feststellungen teils nur schwer vereinbar sind.
d) Die Erwägungen der Strafkammer sind nicht tragfähig, allein einen
Schuldspruch wegen versuchter Anstiftung zum erpresserischen Menschen-
raub zu bestätigen und einen solchen wegen tateinheitlich versuchter Anstif-
tung zum Mord sicher auszuschließen. Allerdings erscheint nach der Ge-
samtheit der festgestellten Begleitumstände ein solches Ergebnis nach einer
vollständigen rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung nicht unwahrscheinlich.
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3. Aufgrund der Aufhebung des Schuldspruchs wegen versuchter An-
stiftung zum erpresserischen Menschenraub sowie zum Mord haben die in-
soweit verhängte Einzelfreiheitsstrafe von sechs Jahren sowie die Gesamt-
freiheitsstrafe keinen Bestand. Der Senat hebt den gesamten Strafausspruch
auf, um dem neuen Tatgericht eine ausgewogene Strafzumessung zu er-
möglichen.
4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass
die Prüfung der Schuldfähigkeit des Angeklagten angesichts zahlreicher Auf-
fälligkeiten seiner Person und der ihm zur Last gelegten Taten einer einge-
henderen Würdigung bedarf als bisher geschehen. Im Rahmen der Strafzu-
messung wird hinsichtlich der versuchten Erpressung maßgebend zu erör-
tern sein, dass für den Angeklagten von vornherein keinerlei Aussichten be-
standen, die erstrebte Zahlung zu erlangen. Das Landgericht bezeichnet das
Vorgehen des Angeklagten dementsprechend in anderem Zusammenhang
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selbst als „dilettantisch“ (UA S. 52). Soweit die Strafkammer in Bezug auf die
versuchte Anstiftung strafschärfend verwertet, der Angeklagte habe „zu der
im Strafgesetzbuch mit der höchsten Strafe sanktionierten Tat anstiften“ wol-
len (UA S. 55), begegnet dies unter dem Aspekt des § 46 Abs. 3 StGB Be-
denken.
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