Urteil des BGH vom 29.04.2009

BGH (vermieter, bereicherungsanspruch, mietzins, bereicherung, zwangsversteigerung, ersteigerer, ersteher, investition, herausgabe, mietvertrag)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 69/07 Verkündet
am:
29. April 2009
Breskic,
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. April 2009 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, den Richter
Fuchs, die Richterin Dr. Vézina und die Richter Dose und Dr. Klinkhammer
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 19. April 2007 im Kosten-
punkt und insoweit aufgehoben, als die Widerklage des Beklagten
abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur erneuten Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision,
an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Räumung und Herausgabe von Gewerbe-
räumen sowie darum, ob der Mieter bei vorzeitiger Rückgabe des Mietobjektes
nach Durchführung eines Zwangsversteigerungsverfahrens einen Bereiche-
rungsanspruch gegen den Ersteigerer hat.
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Mit schriftlichem Vertrag vom 12. Mai 1998 mietete der Beklagte von der
damaligen Grundstückseigentümerin Gewerberäume für 15
Jahre. Die
B. -Bank, deren 100 %ige Tochter die Klägerin ist, betrieb in der Folgezeit die
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Zwangsversteigerung des Mietgrundstücks. Mit Beschluss des Amtsgerichts
vom 15. Dezember 2003 erhielt die Klägerin den Zuschlag für das Grundstück.
Sie kündigte mit Schreiben vom 29. Dezember 2003 gegenüber dem Beklagten
das Mietverhältnis unter Bezugnahme auf § 57 a ZVG zum nächstmöglichen
Zeitpunkt. Der Beklagte verweigerte unter Hinweis auf von ihm getätigte Investi-
tionen die Herausgabe des Mietobjektes.
Das Landgericht hat der Räumungs- und Herausgabeklage stattgegeben
und die für den Fall seiner Verurteilung vom Beklagten erhobene Feststel-
lungswiderklage als unzulässig abgewiesen. Mit seiner Berufung hat sich der
Beklagte gegen seine Verurteilung zur Räumung und Herausgabe gewandt und
im Wege der Hilfswiderklage nunmehr beantragt, die Klägerin zu verurteilen, an
ihn für die Zeit vom Tage der Räumung und Herausgabe der Mieträume bis
zum 31. März 2009 monatlich 244 €, für den Zeitraum danach bis zum 31. März
2014 monatlich 229 € und für die Zeit danach bis zum 31. März 2019 monatlich
213 € zu zahlen. Gegen die Abweisung der Widerklage wendet sich der Beklag-
te mit der vom Berufungsgericht teilweise zugelassenen Revision.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des Beru-
fungsurteils, soweit das Oberlandesgericht die Berufung gegen die Abweisung
der Widerklage zurückgewiesen hat, und im Umfang der Aufhebung zur Zu-
rückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
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1. Das Oberlandesgericht hat, soweit für die Revision noch von Bedeu-
tung, ausgeführt: Das Mietverhältnis sei unabhängig von den Voraussetzungen
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der §§ 57 a, c ZVG beendet und der Beklagte gemäß § 546 Abs. 1 BGB zur
Räumung und Herausgabe der Mieträume verpflichtet. Wegen der fehlenden
Beurkundung des von den Parteien vereinbarten verlorenen Baukostenzu-
schusses sei die Schriftform nicht eingehalten. Gemäß § 566 Satz 2 a.F. BGB
gelte der Vertrag deshalb als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und könne
daher von der Klägerin gemäß § 580 a Abs. 2 BGB jederzeit spätestens am
3. Werktag eines Kalendervierteljahres zum Ablauf des nächsten Kalendervier-
teljahres ordentlich gekündigt werden. Von dieser Kündigungsmöglichkeit habe
die Klägerin spätestens mit Wirkung zum 31. Dezember 2005 Gebrauch ge-
macht.
Da die Rechtsverteidigung gegen die Räumungsklage keinen Erfolg ha-
be, sei über die in zweiter Instanz erweiterte, gemäß §§ 263, 525, 533 ZPO zu-
lässige Hilfswiderklage zu entscheiden. Mit dieser erstrebe der Beklagte eine
Verurteilung der Klägerin unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Be-
reicherung. Nach der wegen des Beklagtenvorbringens zu unterstellenden Ver-
einbarung eines verlorenen Baukostenzuschusses komme ein Bereicherungs-
anspruch in Betracht, weil wegen der vorzeitigen Beendigung des langfristig
konzipierten Mietvertrages der Baukostenzuschuss nicht "abgewohnt" sei und
somit der rechtliche Grund der für die Zeit nach der Beendigung des Mietvertra-
ges erbrachten Leistung weggefallen sei. Nach der Rechtsprechung des Bun-
desgerichtshofs sei die Bereicherung weder nach den mit dem Zuschuss ge-
deckten Baukosten noch nach der durch die Mieterleistung geschaffenen Wert-
erhöhung des Bauwerks zu bemessen, sondern allein nach den Vorteilen, die
der Vermieter daraus erzielen könne, dass er vorzeitig in den Genuss der Nut-
zungsmöglichkeit gelangt sei, die dem Mieter für die Zeit nach tatsächlicher
Vertragsbeendigung bis zum an sich vorgesehenen Vertragsablauf entgangen
sei. Ob bei der Bestimmung dieses Ertragswertes ein fiktiv erzielbarer oder der
mit einem Mietnachfolger tatsächlich vereinbarte Mietzins maßgebend sei, kön-
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ne dahinstehen. Der Bereicherungsanspruch richte sich nämlich nicht gegen
den Ersteigerer des Grundstücks, sondern gegen den ursprünglichen Vermie-
ter. Seien die wertsteigernden Aufwendungen bereits zu einer Zeit vorgenom-
men worden, als der ursprüngliche Vermieter noch Eigentümer des Grund-
stücks gewesen sei, richte sich der Bereicherungsanspruch nach der Entschei-
dung des Bundesgerichtshofs vom 5. Oktober 2005 (XII ZR 43/02 - NJW-RR
2006, 294) gegen den Erwerber. Dies gelte aber nicht, wenn das Grundstück
nicht rechtsgeschäftlich, sondern im Wege der Zwangsversteigerung erworben
worden sei. Bei einem verlorenen Baukostenzuschuss, um den es sich nach
dem Vorbringen des Beklagten handele, komme nach der Rechtsprechung des
BGH (BGHZ 16, 31, 35 f.; BGH, Urteil vom 14. Juli 1960 - VIII ZR 156/59 - WM
1960, 1125) ein Bereicherungsanspruch nur gegen den früheren Vermieter,
nicht aber gegen den Ersteher in Betracht. Der Entscheidung des Bundesge-
richtshofs vom 5. Oktober 2005, der ein rechtsgeschäftlicher Eigentumswechsel
zugrunde liege, lasse sich nicht entnehmen, dass der Bundesgerichtshof inso-
weit von seiner früheren Rechtsprechung habe abweichen wollen. Zwar be-
stünden keine durchgreifenden Bedenken gegen die Haftung des Erstehers für
als Baukostenzuschuss geleistete Mietvorauszahlungen; der Ersteher müsse
nämlich ebenso wie der Realgläubiger mit solchen rechnen und könne sich
ebenso wie dieser nach ihnen erkundigen. Die Erkundigungsmöglichkeit versa-
ge aber, wenn - wie hier - die Einsicht in die Mietverträge nicht zu einer Klärung
führe, weil der verlorene Zuschuss nicht dokumentiert sei und der Mietvertrag
auch keine Regelung über eine Abwohnbarkeit, Anrechenbarkeit auf Mietzins,
Zurückzahlung usw. enthalte. Jedenfalls in diesem Fall gebiete es der Schutz
der Realgläubiger, den Ersteher bei vorzeitiger Vertragsbeendigung nicht nach
Bereicherungsrecht für einen verlorenen Baukostenzuschuss des gewerblichen
Mieters haften zu lassen. Die Erzielung angemessener Erlöse in der Zwangs-
versteigerung sei im Rahmen der dinglichen Rechtsordnung für die Realgläubi-
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ger von ausschlaggebender Bedeutung. Ihre Rechtsstellung werde gegenüber
der Anerkennung ausdrücklicher Abwohn-, Mietvorauszahlungs- und Verrech-
nungsvereinbarungen viel weitgehender beeinträchtigt, wenn sich in der
Zwangsversteigerung kein angemessener Erlös mehr erzielen lasse, weil der
Ersteher dem Risiko eines Bereicherungsanspruches ausgesetzt sei. Die Real-
gläubiger könnten dem nur begegnen, indem sie kein oder nur ein geringeres
Gebot abgäben. Vor diesem Hintergrund könne die Entscheidung des BGH
vom 5. Oktober 2005 im Interesse der Rechtssicherheit im Realkreditwesen
nicht auf den Erwerber des Grundstücks in der Zwangsversteigerung angewen-
det werden.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
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a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass dem
Beklagten ein Bereicherungsanspruch (Bereicherung in sonstiger Weise) zu-
stehen kann, weil die Klägerin als Vermieterin vorzeitig, und zwar infolge ihrer
Kündigung schon zum 31. Dezember 2005 und nicht erst mit Ablauf der vertrag-
lich vorgesehenen Mietzeit in den Genuss der wertsteigernden Investition des
Beklagten gekommen ist (BGH, Senatsurteil vom 5. Oktober 2005 - XII ZR
43/02 - NJW-RR 2006, 294). Dem steht auch nicht entgegen, dass - nach Auf-
fassung des Berufungsgerichts - der auf eine bestimmte Zeit fest geschlossene
Mietvertrag wegen Nichteinhaltung der Schriftform des § 550 BGB mit gesetzli-
cher Kündigungsfrist kündbar war. Der Umstand, dass der Mietvertrag in einem
solchen Fall vorzeitig kündbar ist, ändert nichts daran, dass die Parteien einen
auf 15 Jahre unkündbaren Mietvertrag haben vereinbaren wollen. Der Ab-
schluss eines insoweit langfristigen Vertrages bildet nach wie vor die Grundlage
für die von dem Beklagten getätigten Investitionen. Mit der Beendigung des
Mietvertrages vor dem von den Parteien geplanten Ende ist der Rechtsgrund
für die von dem Beklagten vorgenommene Investition insoweit weggefallen
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(BGH, Urteil vom 21. Januar 1960 - VIII ZR 16/59 - WM 1960, 497, 498) mit der
Folge, dass der Vermieter bereichert sein kann.
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b) Soweit das Berufungsgericht aber unter Bezugnahme auf die Ent-
scheidungen des Bundesgerichtshofs vom 17. Dezember 1954 (BGHZ 16, 31
ff.) und vom 14. Juli 1960 (VIII ZR 156/59 - WM 1960, 1125 ff.) meint, ein et-
waiger Bereicherungsanspruch richte sich nicht gegen den Ersteigerer, sondern
gegen den ursprünglichen Vermieter, kann ihm nicht gefolgt werden.
aa) Zwar hat der Bundesgerichtshof in den genannten Entscheidungen
einen Bereicherungsanspruch gegen den Ersteigerer verneint, allerdings statt-
dessen eine vertragliche Rückzahlungsverpflichtung des Ersteigerers bejaht.
Mit Urteil vom 5. Oktober 2005 (aaO) hat der erkennende Senat aber entschie-
den, dass bei einem Vermieterwechsel infolge Grundstücksveräußerung nicht
derjenige Bereicherungsschuldner ist, der im Zeitpunkt der Vornahme der In-
vestition Vermieter war, sondern der neue Vermieter, der die Mietsache vorzei-
tig zurückerhält. Tragender Grund dieser Entscheidung ist, dass sich der Um-
fang der Bereicherung nicht nach der Höhe der Aufwendung des Mieters richtet
und auch nicht im Zeitwert der Investition oder der Verkehrswertsteigerung des
Mietobjektes bei Rückgabe (und erst recht nicht zu einem früheren Zeitpunkt)
besteht, sondern allein in der Erhöhung des Ertragswertes, soweit der Vermie-
ter diesen früher als vertraglich vorgesehen durch anderweitige Vermietung zu
einem höheren Mietzins realisieren kann. Um eine derartige Möglichkeit ist der
Voreigentümer, der die Nutzung zum vertraglich vereinbarten Mietzins dem
Mieter bis zum Eigentumsübergang gewähren musste und gewährt hat, nicht
bereichert worden. Bereichert ist vielmehr der neue Vermieter, der die Mietsa-
che vor Ablauf der vereinbarten Mietzeit zurückerhält und sie dadurch zu einem
höheren Mietzins weiter vermieten kann (Senatsurteil aaO).
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bb) Diese Grundsätze gelten auch bei einem Erwerb durch Zuschlag im
Zwangsversteigerungsverfahren. Der Ersteigerer erhält aufgrund seiner Kündi-
gung die Mietsache früher zurück als nach dem Mietvertrag vorgesehen. Wenn
er deshalb das Objekt zu einem höheren Mietzins als bisher vermieten kann, ist
allein er und nicht der ursprüngliche Vermieter bereichert.
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Die vom Berufungsgericht angeführten Bedenken, der Schutz der Real-
gläubiger gebiete es, den Ersteher bei vorzeitiger Vertragsbeendigung nicht
nach Bereicherungsrecht haften zu lassen, teilt der Senat nicht. Die Auffassung,
in der Zwangsversteigerung ließen sich keine angemessenen Erlöse mehr er-
zielen, weil der Interessent gezwungen sei, kein oder nur ein geringeres Gebot
abzugeben, vermag nicht zu überzeugen. Sie beruht auf einem unzutreffenden
Verständnis der Bereicherung. Dem vom Senat in der Entscheidung vom
5. Oktober 2005 bejahten Bereicherungsanspruch ist der Ersteigerer nur dann
ausgesetzt, wenn er die Mietsache vorzeitig zurückerhält und sie zu einem hö-
heren Mietzins als bisher weiter vermieten kann. Nur wenn er mehr erlösen
kann, als er nach dem bisherigen Vertrag erhalten hat, ist er bereichert. Erlöst
er nur das, was er bisher erhalten hat, besteht kein Anspruch gegen ihn. Er
muss also gerade nicht befürchten, dass seine Einnahmemöglichkeiten durch
einen Bereicherungsanspruch geschmälert werden, und hat deshalb keine be-
gründete Veranlassung, ein geringeres Gebot im Versteigerungsverfahren ab-
zugeben. Die Auffassung des Bundesgerichtshofs in den vom Berufungsgericht
erwähnten Entscheidungen beruht auf der - überholten - Vorstellung, dass der
ursprüngliche Vermieter durch die Investition des Mieters bereichert ist. Sieht
man den Umfang der Bereicherung aber nicht in der Höhe der Aufwendungen
des Mieters und nicht im Zeitwert der Investitionen oder der Verkehrswertstei-
gerung des Mietobjektes bei Rückgabe, sondern allein in der Erhöhung des Er-
tragswertes, den der Vermieter früher als vertraglich vorgesehen durch ander-
weitige Vermietung zu einem höheren Mietzins realisieren kann (so Senatsurteil
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vom 5. Oktober 2005 aaO), kann sich der Anspruch nur gegen denjenigen rich-
ten, der das Mietobjekt vorzeitig zurückerhält.
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3. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da das Ober-
landesgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob und gegebenenfalls
in welcher Höhe die Klägerin bereichert ist. Der Rechtsstreit muss deshalb an
das Oberlandesgericht zurückverwiesen werden, damit es die erforderlichen
Feststellungen treffen kann.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin: Das Beru-
fungsgericht hat unter Hinweis auf Schmidt-Futterer/Blank Mietrecht 9. Aufl.
§ 539 BGB Rdn. 61 ausgeführt, solange das Mietobjekt nicht geräumt und neu
vermietet sei, fehle einer Ermittlung des Ertragswertes die Bemessungsgrund-
lage. Eine Bereicherung, die der Vermieter noch nicht realisiert habe, müsse er
nicht herausgeben. Sollte das Berufungsgericht damit gemeint haben, dass der
Bereicherungsanspruch gegen den Ersteher von einer Weitervermietung ab-
hänge, so wäre dem nicht zu folgen. Der im Wege einer Neuvermietung erzielte
Mietzins kann zwar ein wichtiges Indiz für die Höhe der Bereicherung sein, ist
aber nicht Voraussetzung für einen Bereicherungsanspruch. Maßgeblich ist
nicht die tatsächliche Vermietung, sondern die konkrete Vermietbarkeit zu ei-
nem höheren als dem bisherigen Mietzins. Das ist auch die Auffassung von
Blank (Schmidt-Futter/Blank aaO Rdn. 61). Die vom Berufungsgericht herange-
zogene Stelle befasst sich nicht mit den Voraussetzungen des Anspruchs,
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sondern mit der weiteren Frage, ob der Mieter den vom Erwerber erzielbaren
Wertzuwachs in einem Betrag verlangen kann.
Hahne
Fuchs
Vézina
Dose
Klinkhammer
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 31.07.2006 - 1 O 554/04 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 19.04.2007 - I-10 U 121/06 -