Urteil des BGH vom 31.07.2003
BGH (strafkammer, verhältnis zu, täterschaft, schuld, feuer, einlassung, vernehmung, tochter, zweifel, benzin)
5 StR 581/02
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 31. Juli 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
31. Juli 2003, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt H                ,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof     . F
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
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für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des
Landgerichts Cottbus vom 26. März 2002 wird verworfen.
Die  dem  Angeklagten  im  Revisionsverfahren  entstande-
nen  notwendigen  Auslagen  fallen  der  Staatskasse  zur
Last.
– Von Rechts wegen –
G r ü n d e
Das  Landgericht  hat  den  Angeklagten  vom  Vorwurf  des  Mordes  in
Tateinheit  mit  qualifizierter  Brandstiftung  aus  tatsächlichen  Gründen  freige-
sprochen.  Gegen  diesen  Freispruch  richtet  sich  die  mit  der  Sachrüge  be-
gründete,  vom  Generalbundesanwalt  vertretene  Revision  der  Staatsanwalt-
schaft. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I.
Die Strafkammer hat folgendes festgestellt:
Am 18. November 2000 hielten sich in der Wohnung des Angeklagten
seine von ihm geschiedene Ehefrau A          F               und  die  gemeinsame
Tochter S         F          sowie seine Lebensgefährtin S        O              und
deren Tochter C            O            auf. Zwischen dem Angeklagten und den
beiden Frauen kam es im Verlauf des Abends zu mehreren Auseinanderset-
zungen, wobei es im wesentlichen um Fragen der Kindererziehung ging. So
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beklagte  sich  S            O                      darüber,  daß  der  Angeklagte  seine  eigene
Tochter S           ihrer Tochter C           vorziehe. S         hatte gegen den
Willen  ihres  Vaters  auf  dem  Dachboden  des  Hauses  eine  Geburtstagsfeier
veranstaltet,  die  dieser  – vor  vollendete  Tatsachen  gestellt –  dann  doch  er-
laubt hatte. Während der Feier waren Polizeibeamte erschienen, weil  Nach-
barn  sich  über die laute  Musik  beschwert  hatten.  Außerdem  hatten  die  Ge-
burtstagsgäste  auf  dem  Teppich  in  der  Diele  Schmutzflecken  hinterlassen,
die mit Wasser und Seife nicht zu beseitigen waren. Beides führte erneut zu
Streitigkeiten zwischen dem Angeklagten und den beiden Frauen, zumal alle
Beteiligten  angetrunken  waren.  Schließlich  schickte  der  Angeklagte  A
F               und  seine  Lebensgefährtin  aus  dem  Wohnzimmer;  er  äußerte  zu
Frau O              : „Laß mich in Ruhe. Geh mit A       in die Küche diskutieren.
Wenn  ihr  Langeweile  habt,  putzt  den  Teppich.“  Entweder  der  Angeklagte
oder  eine  der  Frauen  holte  daraufhin  einen  mit  zehn Liter  Benzin  gefüllten
Kanister aus dem Keller.
Etwa gegen 23.20 Uhr kam es im Flur der Wohnung zu einem Benzin-
brand. An drei Stellen auf dem Fußboden hatten sich insgesamt ein bis zwei
Liter  Benzin  aus  dem  Kanister  ergossen,  das  dann  in  Brand  geraten  war.
Das  Feuer  entwickelte  sich  schnell;  es  entstanden  rußige  heiße  Gase,  die
sich zunächst unmittelbar unterhalb der Decke sammelten und dann langsam
nach unten sanken. Bei Ausbruch des Brandes befand sich S       O
im Korridor. Ihr Nachthemd fing sofort Feuer; sie brannte alsbald am ganzen
Körper. Zur gleichen Zeit befand sich A           F         im Badezimmer. Als
heiße  Rauchgase  durch  die  Türspalte  in  das  Badezimmer  gelangten,  flüch-
tete  sie  sich  in  die  Badewanne.  Der  Angeklagte  begab  sich  vom  Wohnzim-
mer über den Flur ins Schlafzimmer, aus dem er eine Bettdecke holte, lief in
den Flur zurück und legte die Decke auf die brennende S       O            , um
die Flammen zu ersticken. Dabei erlitt er Verbrennungen an den Händen. Als
brennendes  Plastikmaterial  von  der  Decke  tropfte,  explodierte  ein  Feuer-
zeug, das sich in einem Kleidungsstück an der Garderobe befand. Hierdurch
wurde  der  Angeklagte in  Richtung  Schlafzimmer  geschleudert,  wo  er  besin-
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nungslos  zusammenbrach.  Durch  die  Explosion  erwachte  im  Kinderzimmer
C          O                          ,  die  sich  durch  einen  Sprung  aus  dem  Fenster  retten
konnte. S          F          hatte das Haus bereits einige Zeit vor Ausbruch des
Brandes verlassen.
Beide  Frauen  konnten  noch  lebend  geborgen  werden,  sie  waren  je-
doch nicht mehr ansprechbar. S        O            , die schwerste Brandverlet-
zungen erlitten hatte, gab noch Laute von sich, wobei die Rettungsassisten-
ten die Worte: „Tu’s nicht, tu’s nicht!“, „Frank nicht“ und „da ist noch jemand
drin“ verstanden und  sie  von  einem  Kind  reden  hörten.  Die Frauen  konnten
nicht mehr gerettet werden; sie starben am folgenden Tag im Krankenhaus.
Auch der Angeklagte hatte das Bewußtsein verloren und war zunächst nicht
ansprechbar.  Auf  mehrfaches  Nachfragen  durch  den  Polizeibeamten  H
nannte  der  Angeklagte  sein  Geburtsdatum  und  auf  die  Frage,  ob  noch
Personen  im  Haus  seien,  den  Namen  seiner  geschiedenen  Frau  und  den
seiner  Lebensgefährtin.  Er  stammelte  mehrmals  leise:  „Ich  war’s.“  Auf  den
Zeugen wirkte der Angeklagte „irgendwie abwesend“, er  hatte  auch Zweifel,
ob dieser ihn als Polizeibeamten überhaupt wahrgenommen hatte.
Nach  einer  ersten  ärztlichen  Versorgung  wurde  der  Angeklagte  vor-
läufig  festgenommen  und  in  einen  Polizeiwagen  verbracht.  Zuvor  hatte  der
Angeklagte  immer  wieder  nach  dem  Zustand  der  Frauen  gefragt,  wobei  er
undeutlich sprach und lallte. Beim Einsteigen in den Wagen äußerte er: „Jetzt
hab ich aber Mist gemacht.“ Bei seiner polizeilichen Vernehmung am 19. No-
vember 2000 wurde dem Angeklagten mitgeteilt, daß A              F          in-
zwischen  verstorben  sei.  Verzweifelt  und  aufgeregt  sagte  der  Angeklagte:
„Bin ich jetzt ein Mörder? Ich kann meinen Kindern nicht mehr vor die Augen
treten.“  Als  er  bei  der  an  demselben  Tag  noch  durchgeführten  haftrichterli-
chen Vernehmung gefragt wurde, ob sein Sohn von der Verhaftung benach-
richtigt werden solle, erklärte er: „Naja, ich  weiß  nicht.  Ich  hab  ja  die  Mutter
auf dem Gewissen.“
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Gleichwohl  hat  der  Angeklagte  sowohl  im  Ermittlungsverfahren  als
auch in der Hauptverhandlung bestritten, den Brand gelegt zu haben. Nach-
dem  er  die  Frauen  hinausgeschickt  habe,  sei  er im  Sessel  im Wohnzimmer
eingeschlafen. Er sei erst durch die Hilfeschreie von S          O              auf-
gewacht  und  habe  daraufhin  das  Feuer  bemerkt.  Er  habe  Frau  O
helfen  wollen  und  deshalb  eine  Decke  aus dem  Schlafzimmer  geholt.  Dann
habe  es  ihn  umgehauen  und  er  habe  ein  Dröhnen  im  Kopf  gehört.  Weiter
wisse  er  nicht,  was  passiert  sei.  Zu  dem  in  der  Wohnung  vorgefundenen
Benzinkanister hat der Angeklagte sich dahin eingelassen, er wisse nicht, ob
er den Kanister aus dem Keller geholt habe, nehme es aber an. Die Frauen
hätten das wohl nicht getan. Die Frauen hätten wahrscheinlich versucht, den
Teppich  mit  Benzin  zu  reinigen.  Er  wisse  auch  nicht,  warum  es  dann  ge-
brannt  habe.  Er  sei  ein  starker  Raucher,  vielleicht  sei  es  dadurch  passiert.
Sie alle seien starke Raucher.
Die  Strafkammer  hat  die  Einlassung  des  Angeklagten  zum  äußeren
Tatgeschehen, dem die objektiven Beweisergebnisse zum Brandverlauf nicht
widersprächen,  als  unwiderlegt  angesehen.  Auch  die  verschiedenen  Äuße-
rungen des Angeklagten nach dem Brandgeschehen haben dem Landgericht
nicht  die  Überzeugung  von  der  Täterschaft  des  Angeklagten  verschaffen
können,  da  jede  dieser  Äußerungen  auch  als  Selbstvorwurf  im  moralischen
Sinne  ohne  Eingeständnis  einer  strafrechtlich  relevanten  Schuld  gedeutet
werden  könne.  Auch  eine  Gesamtschau  lasse  keinen  zweifelsfreien  Schluß
auf  die  Täterschaft  des  Angeklagten  zu.  Letztlich  seien  Handlungsabläufe
denkbar,  die  eine  Verursachung  des  Brandes  durch  andere  Personen  als
möglich erscheinen ließen.
II.
Die Beweiswürdigung hält rechtlicher Prüfung stand.
1. Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner
Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsge-
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richt  in  der  Regel  hinzunehmen.  Die  revisionsrechtliche  Beurteilung  ist  auf
die  Prüfung  beschränkt,  ob  dem  Tatrichter  bei  der  Beweiswürdigung
Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall,
wenn  die  Beweiswürdigung  widersprüchlich,  unklar  oder  lückenhaft  ist  oder
gegen  die  Denkgesetze  oder  gegen  sichere  Erfahrungssätze  verstößt
oder  an  die  zur  Verurteilung  erforderliche  Gewißheit  überspannte  Anforde-
rungen  gestellt  sind  (st.  Rspr.:  vgl.  BGHR StPO  § 261  Überzeugungsbil-
dung 22,  25  und  Beweiswürdigung 16;  BGH StV 1994,  580  m. w. N.).  Ein
Sachmangel  kann  vorliegen,  wenn  sich  das  Urteil  im  Rahmen  der  Beweis-
würdigung  nicht  mit  allen  festgestellten  Umständen  auseinandersetzt,  die
den Angeklagten be-  oder  entlasten.  Erst die  Würdigung  des  gesamten  Be-
weisstoffes  entscheidet  darüber,  ob  der  Richter  die  Überzeugung  von  der
vollen  Schuld  des  Angeklagten  und  den  sie  tragenden  Feststellungen  ge-
winnt.  Auch  wenn  keine  der  jeweiligen  Indiztatsachen  für  sich  allein  zum
Nachweis  der  Täterschaft  des  Angeklagten  ausreichen  würde,  besteht  die
Möglichkeit,  daß  sie  in  ihrer  Gesamtheit  dem  Gericht  die  entsprechende
Überzeugung vermitteln können (BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2).
2. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil gerecht.
a) Auf  der  Grundlage  der  getroffenen  Feststellungen  zum  äußeren
Tatgeschehen  ist  die  Überzeugung  des  Landgerichts,  die  Einlassung  des
Angeklagten  zum  Brandverlauf  sei  jedenfalls  anhand  der  vorgefundenen
Brandspuren nicht zu widerlegen, tragfähig begründet.
Die Strafkammer stützt sich insoweit auf  die – von  der  Revision nicht
in  Frage  gestellten –  Ausführungen  des  Brandsachverständigen  Professor
K            ,  wonach  die  Angaben  des  Angeklagten,  sich  bei  Ausbruch  des
Brandes  im  Wohnzimmer  befunden  zu  haben,  mit  den  vorgefundenen
Brandspuren in  Einklang  zu  bringen  seien.  Die  Auswertung  der  Spurenlage
belege,  daß  der  Angeklagte  eine  Bettdecke  samt  Bezug  aus  dem  Schlaf-
zimmer  geholt  und  beide Wäschestücke  um  die  brennende  S              O
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gelegt habe. Dafür sprächen des weiteren auch die von dem gerichtsmedizi-
nischen Sachverständigen Dr. D              festgestellten Verbrennungen am
linken  Handrücken  und  am  linken  Daumen  des  Angeklagten.  Aufgrund  der
sachverständig untersuchten Brandspuren lasse sich auch erklären, daß sich
der Angeklagte durch eine Explosion zurückgeschleudert gefühlt habe, da in
der Diele ein Feuerzeug infolge der Hitzeentwicklung explodiert sei. Ein wei-
teres objektives Indiz, das die Einlassung des Angeklagten stütze, sieht das
Tatgericht  darin,  daß  sowohl  die  Kleidung  als  auch  der  Körper  des  Ange-
klagten  jedenfalls  keine  erheblichen  Brandspuren  aufgewiesen  hätten.  Sol-
che wären aber nach dem Gutachten des Brandsachverständigen beim Aus-
schütten  des  Benzins  unweigerlich, insbesondere im  Bereich  der  Beine  des
Täters entstanden (UA S. 53, 54, 60). Ein in diesem Zusammenhang von der
Beschwerdeführerin  geltend  gemachter  Widerspruch  zwischen  dem  Gut-
achten des Professor K         und den Ausführungen der Sachverständigen
Dr. R      , die die Kleidung des Angeklagten  auf  Brandbeschädigungen  un-
tersucht  hatte,  ist  nicht  ersichtlich.  Denn  die  Sachverständige  hat  insoweit
ausgeführt, daß die Kleidung des Angeklagten zwar zahlreiche, aber nur ge-
ringfügige Brandbeschädigungen aufgewiesen habe (UA S. 31).
In  diesem  Zusammenhang  stellt  die  Strafkammer  aufgrund  der  Aus-
führungen  des  Brandsachverständigen  weiter  fest,  daß  auch  andere  Hand-
lungsabläufe,  etwa  ein  Unfallgeschehen,  denkbar  und  mit  den  Brandspuren
zu  vereinbaren  seien.  So  kämen  auch  eine  Zündung  durch  eine  glühende
Zigarette oder durch herabfallende Zigarettenasche, durch ein angezündetes
Streichholz oder die Flamme eines gehaltenen, angezündeten Feuerzeugs in
Betracht.  Hieran  anknüpfend  weist  das  Landgericht  auf  die  jedenfalls  nicht
gänzlich fernliegende Möglichkeit hin, daß auch S         O             oder A
F             – beide Raucherinnen und zudem alkoholisiert – durch un-
bedachtes  Anzünden  einer  Zigarette  das  Feuer  verursacht  haben  könnten,
nachdem der Kanister bei dem Versuch, den Teppich zu reinigen, versehent-
lich  umgestoßen  worden  sei.  Auch  der  Angeklagte  selbst  könne  in  dieser
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Weise  fahrlässig  gehandelt  haben.  All  diese  Erwägungen  sind  aus  Rechts-
gründen nicht zu beanstanden.
b) Indes  hat  die  Strafkammer  nicht  verkannt,  daß  auch  ein  anderer,
den  Angeklagten im  Sinne  der  Anklage  belastender  Handlungsablauf  denk-
bar  sei,  worauf  sowohl  die  von  einem  der  Rettungsassistenten  wahrgenom-
menen Worte der verstorbenen S          O            als auch die gegenüber den
Polizeibeamten  und  der  Haftrichterin  gemachten  Äußerungen  des  Ange-
klagten  hindeuten  könnten.  Das  Landgericht  hat  die  betreffenden  Äußerun-
gen  zunächst  unter  medizinischen  Gesichtspunkten  geprüft  und  entspre-
chend den Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen  Dr. Ri
– auch  dessen  Gutachten  wird  von  der  Revision  nicht  in  Zweifel  gezogen –
festgestellt, daß die Worte der verstorbenen S         O            , falls diese
überhaupt richtig verstanden worden  seien, im  Hinblick  auf ihre  Verwertbar-
keit mit aller Vorsicht behandelt werden müßten. S         O          sei schwer
verletzt  gewesen,  habe  unter  furchtbaren  Schmerzen,  einer  Rauchgasver-
giftung und einem Inhalationstrauma gelitten; auch sei sie alkoholisiert gewe-
sen. Deshalb sei schon zweifelhaft, ob sie die betreffenden Worte überhaupt
willensgetragen  ausgesprochen  habe.  Darüber  hinaus  meint  das  Landge-
richt, daß die Worte nicht notwendig den Angeklagten hätten betreffen müs-
sen.  Abgesehen  davon,  daß  der  Angeklagte  nicht  den  Vornamen  „Frank“
trage, hätte auch A                      F                 gemeint sein können. Schließ-
lich  weist die  Strafkammer  in  diesem  Zusammenhang  noch  darauf  hin,  daß
sich die betreffenden Worte  nicht  unbedingt  auf das  Brandereignis  bezogen
haben müßten.
In ähnlicher Weise hat das Landgericht die erste Äußerung des Ange-
klagten gegenüber dem Polizeibeamten H            gewürdigt. Auch hier hat
der  Sachverständige  empfohlen,  die Worte  des  Angeklagten  „Ich  war’s“  mit
Zurückhaltung zu bewerten, weil der Angeklagte zum Zeitpunkt des Brander-
eignisses  eine  Blutalkoholkonzentration  von  mindestens  1,4  und  maximal
2,02  ‰  gehabt  habe.  Darüber  hinaus  bewirke  eine  derart  erhebliche  Koh-
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lenmonoxid-Vergiftung, wie sie der Angeklagte erlitten habe, eine Einengung
des Bewußtseins, eine Reduktion der Denkleistung und eine Desorientierung
und Verkennung der Situation. Danach sei der Angeklagte zu dem fraglichen
Zeitpunkt wie ein Volltrunkener einzustufen gewesen.
Nach allem bestehen nach Auffassung des Landgerichts schon erheb-
liche  Zweifel,  ob  es  sich  bei  diesen  Worten  des  Angeklagten  um  eine  wil-
lensgetragene und sinnhafte Äußerung gehandelt habe. Auch wenn dies der
Fall gewesen sein sollte, so müßten die Worte des Angeklagten nicht unbe-
dingt  als  Tateingeständnis  gesehen  werden.  So  könnten  sie  beispielsweise
auch in dem Sinne zu deuten sein, daß der Angeklagte sich vorgeworfen ha-
be, einen Ursachenzusammenhang in Gang gesetzt zu haben, der im weite-
sten  Sinne  zum  Brandereignis  geführt  habe.  Konkret  könne  sich  der  Ange-
klagte auch vorgeworfen haben, die Frauen – unbeaufsichtigt – zur Teppich-
reinigung aus dem Wohnzimmer geschickt zu haben. Schließlich könnten die
Worte  des  Angeklagten  auch  als  Selbstvorwurf  in  dem  Sinne  aufzufassen
sein, daß er eingeschlafen sei und deshalb das Feuer nicht rechtzeitig unter
Kontrolle bekommen habe.
Auch  im  Hinblick  auf  die  späteren  Äußerungen  des  Angeklagten  hält
die  Strafkammer  es  für  denkbar,  daß  es  sich  hierbei  jeweils  nicht  um  ein
strafrechtlich relevantes Geständnis, sondern um die Übernahme der morali-
schen Verantwortung für das Brandgeschehen gehandelt habe.
All diese Bewertungen sind jedenfalls möglich und angesichts der nä-
heren Tatumstände auch nicht etwa völlig fernliegend. Für sie sprechen noch
folgende  Überlegungen:  Der  Angeklagte  hat  sowohl  bei  der  polizeilichen
Vernehmung als auch bei der Vernehmung durch die Haftrichterin in Abrede
gestellt, den Brand gelegt zu haben. Zugleich hat er aber in beiden Verneh-
mungen  im  Verhältnis  zu  den  Kindern  der  verstorbenen  Frauen  die  Verant-
wortung für das Geschehen übernommen, indem er unter anderem erklärte,
daß  er  deren  Mutter auf  dem  Gewissen  habe  und  ihnen  nicht  mehr  vor  die
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Augen  treten  könne.  Der  Angeklagte  hat  also  selbst  zwischen  strafrechtlich
relevanter  Schuld  und  moralischer  Verantwortung  unterschieden.  In  diesem
Zusammenhang  ist  weiter  zu  bedenken,  daß  ein  im  strafrechtlichen  Sinne
Schuldiger in der Regel derart belastende Äußerungen vermeiden würde.
Daß  die  Strafkammer  hinsichtlich  aller  Äußerungen  des  Angeklagten
davon ausgeht, daß sie auch in ihrer Gesamtheit keinen sicheren Schluß auf
die Täterschaft des Angeklagten zulassen, ist rechtlich ebenfalls nicht zu be-
anstanden.  Nur  wenn  verschiedene  Indizien  jeweils  tendenziell  auf  die
Schuld  eines  Angeklagten  hindeuten,  jedes  für  sich  zum  Nachweis  der  Tä-
terschaft  jedoch  nicht  ausreicht,  kann  eine  zusammenfassende  Bewertung
die notwendige Überzeugung begründen. So liegt es hier aber nicht. Die  je-
weiligen  in  ihrem  Sinngehalt  gleichartigen  Selbstbezichtigungen  des  Ange-
klagten  sind alle  in  demselben  Kontext,  in  enger  zeitlicher  Abfolge  und  hin-
sichtlich  der  polizeilichen  und  haftrichterlichen  Vernehmungen  während  der
ersten  Erschütterung  des  Angeklagten  über  den Tod der  beiden  Frauen  er-
folgt.  Jede  einzelne  dieser  Äußerungen  kann  nach  der  rechtsfehlerfrei  ge-
wonnenen Überzeugung der Strafkammer auch als Selbstvorwurf ohne straf-
rechtlich relevanten Hintergrund verstanden werden, so daß sie auch in ihrer
Gesamtheit  den  Tatverdacht  gegen  den  Angeklagten  nicht  verdichten.  Daß
die Äußerung von S       O                in die Gesamtbetrachtung nicht mitein-
bezogen  worden  ist,  begegnet  keinen  durchgreifenden  Bedenken,  da  die
Strafkammer diesen mehrdeutigen Worten einer Sterbenden mit vertretbarer
Begründung keine indizielle Bedeutung beigemessen hat.
Für  das  Vorbringen  der  Revision,  die  Strafkammer  habe  zu  Unrecht
weitere  Äußerungen  des  Angeklagten  gegenüber  dem  Polizeibeamten  H
nicht  in  die  Beweiswürdigung  einbezogen,  weil  sie  insoweit  rechtsfeh-
lerhaft ein Verwertungsverbot angenommen habe, hätte es einer Verfahrens-
rüge bedurft; der Senat erachtet insoweit die Sachrüge nicht für ausreichend
(vgl. BGH NStZ 1993, 398, 399 und 1997, 614). Abgesehen davon läßt sich
mit  Sicherheit  ausschließen,  daß  das  Ergebnis  der  Beweiswürdigung  durch
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die  weitere  Berücksichtigung  der  entsprechenden  Äußerungen  des  Ange-
klagten  (UA  S. 38)  beeinflußt  worden  wäre.  Ob  die  Annahme  des  Landge-
richts vom Vorliegen eines  Verwertungsverbots  mindestens im  Ergebnis  zu-
treffend war, bedarf bei dieser Sachlage keiner Entscheidung.
c) Schließlich geht die Strafkammer noch der Frage nach, ob die dem
Brandgeschehen  vorausgegangenen  Streitigkeiten  zwischen  dem  Ange-
klagten und den später verstorbenen Frauen ein zwingendes Tatmotiv für die
dem Angeklagten vorgeworfenen Taten  sein  konnte,  und  bezieht  sich  dabei
auf die Einlassung des Angeklagten  und  die  Aussagen  von  S                 F
und C           O                        ,  die  beide  die  Streitigkeiten  an  dem  fraglichen
Abend teilweise mitangehört hatten. Nach den übereinstimmenden Angaben
waren  die  Auseinandersetzungen  von  Art  und  Ausmaß  nicht  außergewöhn-
lich  heftig  und  fielen  nicht  aus  dem  üblichen  Rahmen.  Der  psychiatrische
Sachverständige Dr. Ri        hat sie unter Einbeziehung der Persönlichkeits-
struktur des  Angeklagten  nicht  als  solche bezeichnet,  die  typischerweise  zu
einer derart heftigen Affektentladung führten.
d) Entgegen  der  Auffassung  der  Staatsanwaltschaft  hat  das  Landge-
richt nach Würdigung der einzelnen Indiztatsachen die erforderliche Gesamt-
betrachtung eingehend angestellt und in den Gründen des Urteils in dem ge-
botenen Umfang dargelegt. Auch die  Gesamtschau  aller  für  und  gegen  den
Angeklagten  sprechenden  Indizien  hat  der  Strafkammer  nicht  die  Überzeu-
gung von der Schuld des Angeklagten verschaffen können, wobei  die  Straf-
kammer noch zusätzlich als entlastende Erwägung darauf hinweist, daß der
Angeklagte,  der  sich  mit  der  Gefährlichkeit  von  Brandbeschleunigern  aus-
kenne, sich selber sehenden Auges durch das ihm vorgeworfene Handeln in
erhebliche Lebensgefahr gebracht hätte.
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Schließlich  hat  die  Strafkammer  auch  keine  überspannten  Anforde-
rungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewißheit gestellt. Für eine
derartige Besorgnis bieten die Urteilsgründe keinen Anhalt.
Basdorf          Häger          Gerhardt
Raum          Brause