Urteil des BGH vom 31.07.2003

BGH (strafkammer, verhältnis zu, täterschaft, schuld, feuer, einlassung, vernehmung, tochter, zweifel, benzin)

5 StR 581/02
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 31. Juli 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
31. Juli 2003, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt H ,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof . F
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
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für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des
Landgerichts Cottbus vom 26. März 2002 wird verworfen.
Die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstande-
nen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur
Last.
– Von Rechts wegen –
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Mordes in
Tateinheit mit qualifizierter Brandstiftung aus tatsächlichen Gründen freige-
sprochen. Gegen diesen Freispruch richtet sich die mit der Sachrüge be-
gründete, vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwalt-
schaft. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I.
Die Strafkammer hat folgendes festgestellt:
Am 18. November 2000 hielten sich in der Wohnung des Angeklagten
seine von ihm geschiedene Ehefrau A F und die gemeinsame
Tochter S F sowie seine Lebensgefährtin S O und
deren Tochter C O auf. Zwischen dem Angeklagten und den
beiden Frauen kam es im Verlauf des Abends zu mehreren Auseinanderset-
zungen, wobei es im wesentlichen um Fragen der Kindererziehung ging. So
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beklagte sich S O darüber, daß der Angeklagte seine eigene
Tochter S ihrer Tochter C vorziehe. S hatte gegen den
Willen ihres Vaters auf dem Dachboden des Hauses eine Geburtstagsfeier
veranstaltet, die dieser – vor vollendete Tatsachen gestellt – dann doch er-
laubt hatte. Während der Feier waren Polizeibeamte erschienen, weil Nach-
barn sich über die laute Musik beschwert hatten. Außerdem hatten die Ge-
burtstagsgäste auf dem Teppich in der Diele Schmutzflecken hinterlassen,
die mit Wasser und Seife nicht zu beseitigen waren. Beides führte erneut zu
Streitigkeiten zwischen dem Angeklagten und den beiden Frauen, zumal alle
Beteiligten angetrunken waren. Schließlich schickte der Angeklagte A
F und seine Lebensgefährtin aus dem Wohnzimmer; er äußerte zu
Frau O : „Laß mich in Ruhe. Geh mit A in die Küche diskutieren.
Wenn ihr Langeweile habt, putzt den Teppich.“ Entweder der Angeklagte
oder eine der Frauen holte daraufhin einen mit zehn Liter Benzin gefüllten
Kanister aus dem Keller.
Etwa gegen 23.20 Uhr kam es im Flur der Wohnung zu einem Benzin-
brand. An drei Stellen auf dem Fußboden hatten sich insgesamt ein bis zwei
Liter Benzin aus dem Kanister ergossen, das dann in Brand geraten war.
Das Feuer entwickelte sich schnell; es entstanden rußige heiße Gase, die
sich zunächst unmittelbar unterhalb der Decke sammelten und dann langsam
nach unten sanken. Bei Ausbruch des Brandes befand sich S O
im Korridor. Ihr Nachthemd fing sofort Feuer; sie brannte alsbald am ganzen
Körper. Zur gleichen Zeit befand sich A F im Badezimmer. Als
heiße Rauchgase durch die Türspalte in das Badezimmer gelangten, flüch-
tete sie sich in die Badewanne. Der Angeklagte begab sich vom Wohnzim-
mer über den Flur ins Schlafzimmer, aus dem er eine Bettdecke holte, lief in
den Flur zurück und legte die Decke auf die brennende S O , um
die Flammen zu ersticken. Dabei erlitt er Verbrennungen an den Händen. Als
brennendes Plastikmaterial von der Decke tropfte, explodierte ein Feuer-
zeug, das sich in einem Kleidungsstück an der Garderobe befand. Hierdurch
wurde der Angeklagte in Richtung Schlafzimmer geschleudert, wo er besin-
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nungslos zusammenbrach. Durch die Explosion erwachte im Kinderzimmer
C O , die sich durch einen Sprung aus dem Fenster retten
konnte. S F hatte das Haus bereits einige Zeit vor Ausbruch des
Brandes verlassen.
Beide Frauen konnten noch lebend geborgen werden, sie waren je-
doch nicht mehr ansprechbar. S O , die schwerste Brandverlet-
zungen erlitten hatte, gab noch Laute von sich, wobei die Rettungsassisten-
ten die Worte: „Tu’s nicht, tu’s nicht!“, „Frank nicht“ und „da ist noch jemand
drin“ verstanden und sie von einem Kind reden hörten. Die Frauen konnten
nicht mehr gerettet werden; sie starben am folgenden Tag im Krankenhaus.
Auch der Angeklagte hatte das Bewußtsein verloren und war zunächst nicht
ansprechbar. Auf mehrfaches Nachfragen durch den Polizeibeamten H
nannte der Angeklagte sein Geburtsdatum und auf die Frage, ob noch
Personen im Haus seien, den Namen seiner geschiedenen Frau und den
seiner Lebensgefährtin. Er stammelte mehrmals leise: „Ich war’s.“ Auf den
Zeugen wirkte der Angeklagte „irgendwie abwesend“, er hatte auch Zweifel,
ob dieser ihn als Polizeibeamten überhaupt wahrgenommen hatte.
Nach einer ersten ärztlichen Versorgung wurde der Angeklagte vor-
läufig festgenommen und in einen Polizeiwagen verbracht. Zuvor hatte der
Angeklagte immer wieder nach dem Zustand der Frauen gefragt, wobei er
undeutlich sprach und lallte. Beim Einsteigen in den Wagen äußerte er: „Jetzt
hab ich aber Mist gemacht.“ Bei seiner polizeilichen Vernehmung am 19. No-
vember 2000 wurde dem Angeklagten mitgeteilt, daß A F in-
zwischen verstorben sei. Verzweifelt und aufgeregt sagte der Angeklagte:
„Bin ich jetzt ein Mörder? Ich kann meinen Kindern nicht mehr vor die Augen
treten.“ Als er bei der an demselben Tag noch durchgeführten haftrichterli-
chen Vernehmung gefragt wurde, ob sein Sohn von der Verhaftung benach-
richtigt werden solle, erklärte er: „Naja, ich weiß nicht. Ich hab ja die Mutter
auf dem Gewissen.“
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Gleichwohl hat der Angeklagte sowohl im Ermittlungsverfahren als
auch in der Hauptverhandlung bestritten, den Brand gelegt zu haben. Nach-
dem er die Frauen hinausgeschickt habe, sei er im Sessel im Wohnzimmer
eingeschlafen. Er sei erst durch die Hilfeschreie von S O auf-
gewacht und habe daraufhin das Feuer bemerkt. Er habe Frau O
helfen wollen und deshalb eine Decke aus dem Schlafzimmer geholt. Dann
habe es ihn umgehauen und er habe ein Dröhnen im Kopf gehört. Weiter
wisse er nicht, was passiert sei. Zu dem in der Wohnung vorgefundenen
Benzinkanister hat der Angeklagte sich dahin eingelassen, er wisse nicht, ob
er den Kanister aus dem Keller geholt habe, nehme es aber an. Die Frauen
hätten das wohl nicht getan. Die Frauen hätten wahrscheinlich versucht, den
Teppich mit Benzin zu reinigen. Er wisse auch nicht, warum es dann ge-
brannt habe. Er sei ein starker Raucher, vielleicht sei es dadurch passiert.
Sie alle seien starke Raucher.
Die Strafkammer hat die Einlassung des Angeklagten zum äußeren
Tatgeschehen, dem die objektiven Beweisergebnisse zum Brandverlauf nicht
widersprächen, als unwiderlegt angesehen. Auch die verschiedenen Äuße-
rungen des Angeklagten nach dem Brandgeschehen haben dem Landgericht
nicht die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten verschaffen
können, da jede dieser Äußerungen auch als Selbstvorwurf im moralischen
Sinne ohne Eingeständnis einer strafrechtlich relevanten Schuld gedeutet
werden könne. Auch eine Gesamtschau lasse keinen zweifelsfreien Schluß
auf die Täterschaft des Angeklagten zu. Letztlich seien Handlungsabläufe
denkbar, die eine Verursachung des Brandes durch andere Personen als
möglich erscheinen ließen.
II.
Die Beweiswürdigung hält rechtlicher Prüfung stand.
1. Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner
Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsge-
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richt in der Regel hinzunehmen. Die revisionsrechtliche Beurteilung ist auf
die Prüfung beschränkt, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung
Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall,
wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder
gegen die Denkgesetze oder gegen sichere Erfahrungssätze verstößt
oder an die zur Verurteilung erforderliche Gewißheit überspannte Anforde-
rungen gestellt sind (st. Rspr.: vgl. BGHR StPO § 261 Überzeugungsbil-
dung 22, 25 und Beweiswürdigung 16; BGH StV 1994, 580 m. w. N.). Ein
Sachmangel kann vorliegen, wenn sich das Urteil im Rahmen der Beweis-
würdigung nicht mit allen festgestellten Umständen auseinandersetzt, die
den Angeklagten be- oder entlasten. Erst die Würdigung des gesamten Be-
weisstoffes entscheidet darüber, ob der Richter die Überzeugung von der
vollen Schuld des Angeklagten und den sie tragenden Feststellungen ge-
winnt. Auch wenn keine der jeweiligen Indiztatsachen für sich allein zum
Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ausreichen würde, besteht die
Möglichkeit, daß sie in ihrer Gesamtheit dem Gericht die entsprechende
Überzeugung vermitteln können (BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2).
2. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil gerecht.
a) Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen zum äußeren
Tatgeschehen ist die Überzeugung des Landgerichts, die Einlassung des
Angeklagten zum Brandverlauf sei jedenfalls anhand der vorgefundenen
Brandspuren nicht zu widerlegen, tragfähig begründet.
Die Strafkammer stützt sich insoweit auf die – von der Revision nicht
in Frage gestellten – Ausführungen des Brandsachverständigen Professor
K , wonach die Angaben des Angeklagten, sich bei Ausbruch des
Brandes im Wohnzimmer befunden zu haben, mit den vorgefundenen
Brandspuren in Einklang zu bringen seien. Die Auswertung der Spurenlage
belege, daß der Angeklagte eine Bettdecke samt Bezug aus dem Schlaf-
zimmer geholt und beide Wäschestücke um die brennende S O
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gelegt habe. Dafür sprächen des weiteren auch die von dem gerichtsmedizi-
nischen Sachverständigen Dr. D festgestellten Verbrennungen am
linken Handrücken und am linken Daumen des Angeklagten. Aufgrund der
sachverständig untersuchten Brandspuren lasse sich auch erklären, daß sich
der Angeklagte durch eine Explosion zurückgeschleudert gefühlt habe, da in
der Diele ein Feuerzeug infolge der Hitzeentwicklung explodiert sei. Ein wei-
teres objektives Indiz, das die Einlassung des Angeklagten stütze, sieht das
Tatgericht darin, daß sowohl die Kleidung als auch der Körper des Ange-
klagten jedenfalls keine erheblichen Brandspuren aufgewiesen hätten. Sol-
che wären aber nach dem Gutachten des Brandsachverständigen beim Aus-
schütten des Benzins unweigerlich, insbesondere im Bereich der Beine des
Täters entstanden (UA S. 53, 54, 60). Ein in diesem Zusammenhang von der
Beschwerdeführerin geltend gemachter Widerspruch zwischen dem Gut-
achten des Professor K und den Ausführungen der Sachverständigen
Dr. R , die die Kleidung des Angeklagten auf Brandbeschädigungen un-
tersucht hatte, ist nicht ersichtlich. Denn die Sachverständige hat insoweit
ausgeführt, daß die Kleidung des Angeklagten zwar zahlreiche, aber nur ge-
ringfügige Brandbeschädigungen aufgewiesen habe (UA S. 31).
In diesem Zusammenhang stellt die Strafkammer aufgrund der Aus-
führungen des Brandsachverständigen weiter fest, daß auch andere Hand-
lungsabläufe, etwa ein Unfallgeschehen, denkbar und mit den Brandspuren
zu vereinbaren seien. So kämen auch eine Zündung durch eine glühende
Zigarette oder durch herabfallende Zigarettenasche, durch ein angezündetes
Streichholz oder die Flamme eines gehaltenen, angezündeten Feuerzeugs in
Betracht. Hieran anknüpfend weist das Landgericht auf die jedenfalls nicht
gänzlich fernliegende Möglichkeit hin, daß auch S O oder A
F – beide Raucherinnen und zudem alkoholisiert – durch un-
bedachtes Anzünden einer Zigarette das Feuer verursacht haben könnten,
nachdem der Kanister bei dem Versuch, den Teppich zu reinigen, versehent-
lich umgestoßen worden sei. Auch der Angeklagte selbst könne in dieser
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Weise fahrlässig gehandelt haben. All diese Erwägungen sind aus Rechts-
gründen nicht zu beanstanden.
b) Indes hat die Strafkammer nicht verkannt, daß auch ein anderer,
den Angeklagten im Sinne der Anklage belastender Handlungsablauf denk-
bar sei, worauf sowohl die von einem der Rettungsassistenten wahrgenom-
menen Worte der verstorbenen S O als auch die gegenüber den
Polizeibeamten und der Haftrichterin gemachten Äußerungen des Ange-
klagten hindeuten könnten. Das Landgericht hat die betreffenden Äußerun-
gen zunächst unter medizinischen Gesichtspunkten geprüft und entspre-
chend den Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen Dr. Ri
– auch dessen Gutachten wird von der Revision nicht in Zweifel gezogen –
festgestellt, daß die Worte der verstorbenen S O , falls diese
überhaupt richtig verstanden worden seien, im Hinblick auf ihre Verwertbar-
keit mit aller Vorsicht behandelt werden müßten. S O sei schwer
verletzt gewesen, habe unter furchtbaren Schmerzen, einer Rauchgasver-
giftung und einem Inhalationstrauma gelitten; auch sei sie alkoholisiert gewe-
sen. Deshalb sei schon zweifelhaft, ob sie die betreffenden Worte überhaupt
willensgetragen ausgesprochen habe. Darüber hinaus meint das Landge-
richt, daß die Worte nicht notwendig den Angeklagten hätten betreffen müs-
sen. Abgesehen davon, daß der Angeklagte nicht den Vornamen „Frank“
trage, hätte auch A F gemeint sein können. Schließ-
lich weist die Strafkammer in diesem Zusammenhang noch darauf hin, daß
sich die betreffenden Worte nicht unbedingt auf das Brandereignis bezogen
haben müßten.
In ähnlicher Weise hat das Landgericht die erste Äußerung des Ange-
klagten gegenüber dem Polizeibeamten H gewürdigt. Auch hier hat
der Sachverständige empfohlen, die Worte des Angeklagten „Ich war’s“ mit
Zurückhaltung zu bewerten, weil der Angeklagte zum Zeitpunkt des Brander-
eignisses eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,4 und maximal
2,02 ‰ gehabt habe. Darüber hinaus bewirke eine derart erhebliche Koh-
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lenmonoxid-Vergiftung, wie sie der Angeklagte erlitten habe, eine Einengung
des Bewußtseins, eine Reduktion der Denkleistung und eine Desorientierung
und Verkennung der Situation. Danach sei der Angeklagte zu dem fraglichen
Zeitpunkt wie ein Volltrunkener einzustufen gewesen.
Nach allem bestehen nach Auffassung des Landgerichts schon erheb-
liche Zweifel, ob es sich bei diesen Worten des Angeklagten um eine wil-
lensgetragene und sinnhafte Äußerung gehandelt habe. Auch wenn dies der
Fall gewesen sein sollte, so müßten die Worte des Angeklagten nicht unbe-
dingt als Tateingeständnis gesehen werden. So könnten sie beispielsweise
auch in dem Sinne zu deuten sein, daß der Angeklagte sich vorgeworfen ha-
be, einen Ursachenzusammenhang in Gang gesetzt zu haben, der im weite-
sten Sinne zum Brandereignis geführt habe. Konkret könne sich der Ange-
klagte auch vorgeworfen haben, die Frauen – unbeaufsichtigt – zur Teppich-
reinigung aus dem Wohnzimmer geschickt zu haben. Schließlich könnten die
Worte des Angeklagten auch als Selbstvorwurf in dem Sinne aufzufassen
sein, daß er eingeschlafen sei und deshalb das Feuer nicht rechtzeitig unter
Kontrolle bekommen habe.
Auch im Hinblick auf die späteren Äußerungen des Angeklagten hält
die Strafkammer es für denkbar, daß es sich hierbei jeweils nicht um ein
strafrechtlich relevantes Geständnis, sondern um die Übernahme der morali-
schen Verantwortung für das Brandgeschehen gehandelt habe.
All diese Bewertungen sind jedenfalls möglich und angesichts der nä-
heren Tatumstände auch nicht etwa völlig fernliegend. Für sie sprechen noch
folgende Überlegungen: Der Angeklagte hat sowohl bei der polizeilichen
Vernehmung als auch bei der Vernehmung durch die Haftrichterin in Abrede
gestellt, den Brand gelegt zu haben. Zugleich hat er aber in beiden Verneh-
mungen im Verhältnis zu den Kindern der verstorbenen Frauen die Verant-
wortung für das Geschehen übernommen, indem er unter anderem erklärte,
daß er deren Mutter auf dem Gewissen habe und ihnen nicht mehr vor die
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Augen treten könne. Der Angeklagte hat also selbst zwischen strafrechtlich
relevanter Schuld und moralischer Verantwortung unterschieden. In diesem
Zusammenhang ist weiter zu bedenken, daß ein im strafrechtlichen Sinne
Schuldiger in der Regel derart belastende Äußerungen vermeiden würde.
Daß die Strafkammer hinsichtlich aller Äußerungen des Angeklagten
davon ausgeht, daß sie auch in ihrer Gesamtheit keinen sicheren Schluß auf
die Täterschaft des Angeklagten zulassen, ist rechtlich ebenfalls nicht zu be-
anstanden. Nur wenn verschiedene Indizien jeweils tendenziell auf die
Schuld eines Angeklagten hindeuten, jedes für sich zum Nachweis der Tä-
terschaft jedoch nicht ausreicht, kann eine zusammenfassende Bewertung
die notwendige Überzeugung begründen. So liegt es hier aber nicht. Die je-
weiligen in ihrem Sinngehalt gleichartigen Selbstbezichtigungen des Ange-
klagten sind alle in demselben Kontext, in enger zeitlicher Abfolge und hin-
sichtlich der polizeilichen und haftrichterlichen Vernehmungen während der
ersten Erschütterung des Angeklagten über den Tod der beiden Frauen er-
folgt. Jede einzelne dieser Äußerungen kann nach der rechtsfehlerfrei ge-
wonnenen Überzeugung der Strafkammer auch als Selbstvorwurf ohne straf-
rechtlich relevanten Hintergrund verstanden werden, so daß sie auch in ihrer
Gesamtheit den Tatverdacht gegen den Angeklagten nicht verdichten. Daß
die Äußerung von S O in die Gesamtbetrachtung nicht mitein-
bezogen worden ist, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken, da die
Strafkammer diesen mehrdeutigen Worten einer Sterbenden mit vertretbarer
Begründung keine indizielle Bedeutung beigemessen hat.
Für das Vorbringen der Revision, die Strafkammer habe zu Unrecht
weitere Äußerungen des Angeklagten gegenüber dem Polizeibeamten H
nicht in die Beweiswürdigung einbezogen, weil sie insoweit rechtsfeh-
lerhaft ein Verwertungsverbot angenommen habe, hätte es einer Verfahrens-
rüge bedurft; der Senat erachtet insoweit die Sachrüge nicht für ausreichend
(vgl. BGH NStZ 1993, 398, 399 und 1997, 614). Abgesehen davon läßt sich
mit Sicherheit ausschließen, daß das Ergebnis der Beweiswürdigung durch
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die weitere Berücksichtigung der entsprechenden Äußerungen des Ange-
klagten (UA S. 38) beeinflußt worden wäre. Ob die Annahme des Landge-
richts vom Vorliegen eines Verwertungsverbots mindestens im Ergebnis zu-
treffend war, bedarf bei dieser Sachlage keiner Entscheidung.
c) Schließlich geht die Strafkammer noch der Frage nach, ob die dem
Brandgeschehen vorausgegangenen Streitigkeiten zwischen dem Ange-
klagten und den später verstorbenen Frauen ein zwingendes Tatmotiv für die
dem Angeklagten vorgeworfenen Taten sein konnte, und bezieht sich dabei
auf die Einlassung des Angeklagten und die Aussagen von S F
und C O , die beide die Streitigkeiten an dem fraglichen
Abend teilweise mitangehört hatten. Nach den übereinstimmenden Angaben
waren die Auseinandersetzungen von Art und Ausmaß nicht außergewöhn-
lich heftig und fielen nicht aus dem üblichen Rahmen. Der psychiatrische
Sachverständige Dr. Ri hat sie unter Einbeziehung der Persönlichkeits-
struktur des Angeklagten nicht als solche bezeichnet, die typischerweise zu
einer derart heftigen Affektentladung führten.
d) Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft hat das Landge-
richt nach Würdigung der einzelnen Indiztatsachen die erforderliche Gesamt-
betrachtung eingehend angestellt und in den Gründen des Urteils in dem ge-
botenen Umfang dargelegt. Auch die Gesamtschau aller für und gegen den
Angeklagten sprechenden Indizien hat der Strafkammer nicht die Überzeu-
gung von der Schuld des Angeklagten verschaffen können, wobei die Straf-
kammer noch zusätzlich als entlastende Erwägung darauf hinweist, daß der
Angeklagte, der sich mit der Gefährlichkeit von Brandbeschleunigern aus-
kenne, sich selber sehenden Auges durch das ihm vorgeworfene Handeln in
erhebliche Lebensgefahr gebracht hätte.
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Schließlich hat die Strafkammer auch keine überspannten Anforde-
rungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewißheit gestellt. Für eine
derartige Besorgnis bieten die Urteilsgründe keinen Anhalt.
Basdorf Häger Gerhardt
Raum Brause