Urteil des BGH vom 14.10.2003

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 261/03
Verkündet
am:
1. März 2007
Bürk
Justizhauptsekretärin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB §§ 249 A, 675; ZPO § 287
a) Der Anwalt muss dem Mandanten nicht notwendig eine vollständige rechtliche A-
nalyse, sondern allein die Hinweise liefern, die ihm im Hinblick auf die aktuelle Si-
tuation und sein konkretes Anliegen die notwendige Entscheidungsgrundlage ver-
mitteln. Erscheint unter mehreren rechtlich möglichen Alternativen die eine deut-
lich vorteilhafter als die andere, hat der Anwalt darauf hinzuweisen und eine ent-
sprechende Empfehlung zu erteilen.
b) Nach Art und Umfang des Mandats kann eine eingeschränkte Belehrung ausrei-
chend sein, etwa bei besonderer Eilbedürftigkeit oder bei einem Aufwand, der au-
ßer Verhältnis zum Streitgegenstand steht. Inhalt und Umfang der Aufklärung ha-
ben sich nach den erkennbaren Interessen des Mandanten zu richten.
- 2 -
c) Zur Prüfung der Handlungsalternativen, die sich dem Auftraggeber bei pflichtge-
mäßer Beratung stellen, müssen deren jeweilige Rechtsfolgen miteinander und mit
den Handlungszielen des Mandanten verglichen werden (Fortführung von BGH,
Urt. v. 13. Januar 2005 - IX ZR 455/00, WM 2005, 1615, 1616; v. 21. Juli 2005
- IX ZR 49/02, WM 2005, 2110, 2111).
d) Dem Mandanten, der einen richtigen Vorschlag des Anwalts ablehnt, kommt im
Haftungsprozess die Vermutung beratungsgemäßen Verhaltens nicht zugute
(Fortführung von BGHZ 123, 311, 319).
BGH, Urteil vom 1. März 2007 - IX ZR 261/03 - OLG Hamm
LG Paderborn
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 1. März 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gero Fischer, die Richter
Dr. Ganter und Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Detlev Fischer
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 28. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Hamm vom 14. Oktober 2003 aufgeho-
ben, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin hatte am 15. Dezember 1998 und am 5. Januar 1999 Ferkel
unter Eigentumsvorbehalt zum Preis von insgesamt 112.681,70 DM an die
W. GmbH (fortan: Käuferin) geliefert. Da die Käuferin den Kaufpreis trotz
Mahnungen nicht zahlte, beauftragte die Klägerin, die die Weiterveräußerung
der Tiere befürchtete, die Sozietät des Beklagten mit der Wahrnehmung ihrer
Rechte.
1
Der Beklagte erklärte für die Klägerin mit Schreiben an die Käuferin vom
10. März 1999 den Rücktritt vom Vertrag wegen Verzugs mit der Kaufpreiszah-
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lung. Ferner beantragte er am 11. und am 22. März 1999 ohne Erfolg beim zu-
ständigen Landgericht jeweils den Erlass einer einstweiligen Verfügung auf
Herausgabe der Ferkel. Die Käuferin veräußerte die Ferkel unterdessen noch
vor Ende der Mastzeit an ihren Geschäftsführer. Im Vorprozess wurde sie ver-
urteilt, der Klägerin Ersatz in Höhe von 54.950,94 DM zu leisten.
Die Klägerin begehrt nunmehr von dem Beklagten Schadensersatz, weil
ihr im Vorprozess infolge des Rücktritts nicht der volle Kaufpreis, sondern nur
ein geringerer, um die Aufwendungen der Käuferin für die Mast der Tiere ge-
kürzter Schadensersatzbetrag zugesprochen wurde.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin
hatte überwiegend Erfolg. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt
der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
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I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Sozius des Beklagten habe der
Klägerin zwar bereits Ende Februar 1999 im Grunde pflichtgemäß zur Durch-
setzung der Kaufpreisforderungen geraten. Der Komplementär der Klägerin
habe indessen befürchtet, im Falle des Weiterverkaufs und der Schlachtung der
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Schweine den Kaufpreis nicht mehr realisieren zu können, und er sei der An-
sicht gewesen, dies durch Geltendmachung des Herausgabeanspruchs verhin-
dern zu können. Deshalb hätte der Beklagte die Klägerin auch über das Zu-
rückbehaltungsrecht der Käuferin wegen der Fütterungskosten gemäß §§ 1000,
994 BGB und die daraus folgenden Schwierigkeiten und Unwägbarkeiten bei
der Durchsetzung der Herausgabe- und Wertersatzansprüche aufklären müs-
sen. In Anbetracht dessen sei der Beklagte verpflichtet gewesen, der Klägerin
zur gerichtlichen Durchsetzung des Kaufpreisanspruchs als dem in jedem Fall
schnelleren, sichereren und größeren Erfolg versprechenden Weg zu raten. Zur
Erfüllung der Weisung der Klägerin, ihr das Eigentum an den Ferkeln zu si-
chern, hätte - nach Aufklärung über mangelnde Erfolgsaussichten - ein dingli-
cher Arrest beantragt werden können. Zu Gunsten der Klägerin gelte die Ver-
mutung beratungsgemäßen Verhaltens, weil bei vertragsgerechter Belehrung
als sinnvolle Entscheidung nur die Titulierung des Kaufpreisanspruchs verblie-
ben sei. Die Klägerin hätte dann von der Käuferin den Kaufpreis in Höhe von
112.681,70 DM anstatt des Wertersatzes in Höhe von 54.950,94 DM erlangt.
Außerdem wären der Klägerin die anteilig zu tragenden Kosten des Vorprozes-
ses nicht entstanden.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung in wesentlichen
Punkten nicht stand.
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1. Auf der für das Revisionsgericht maßgeblichen Tatsachengrundlage
ist keine dem Beklagten zuzurechnende Pflichtverletzung gegeben.
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a) Soweit der Mandant nicht eindeutig zu erkennen gibt, dass er des Ra-
tes nur in einer bestimmten Richtung bedarf, ist der Rechtsanwalt grundsätzlich
zur allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung des
Auftraggebers verpflichtet. Unkundige muss er über die Folgen ihrer Erklärun-
gen belehren und vor Irrtümern bewahren. In den Grenzen des Mandats hat er
dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziele zu
führen geeignet sind, und Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit
solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Auftraggeber den
sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risi-
ken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in
der Lage ist (BGHZ 89, 178, 181 ff; BGH, Urt. v. 18. März 1993 - IX ZR 120/92,
WM 1993, 1376, 1377; v. 4. Juni 1996 - IX ZR 51/95, WM 1996, 1824, 1825; v.
19. Januar 2006 - IX ZR 232/01, WM 2006, 927, 928; v. 23. November 2006
- IX ZR 21/03, WM 2007, 419).
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aa) Der konkrete Umfang der anwaltlichen Pflichten richtet sich nach
dem erteilten Mandat und den Umständen des einzelnen Falles (BGH, Urt. v.
4. Juni 1996 aaO). Ziel der anwaltlichen Rechtsberatung ist es, dem Mandanten
eigenverantwortliche, sachgerechte (Grund-) Entscheidungen („Weichenstel-
lungen“) in seiner Rechtsangelegenheit zu ermöglichen (Zugehör in Zuge-
hör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung 2. Aufl. Rn. 558). Dazu
muss sich der Anwalt über die Sach- und Rechtslage klar werden und diese
dem Auftraggeber verständlich darstellen. Der Mandant benötigt, insbesondere
wenn er juristischer Laie ist, nicht unbedingt eine vollständige rechtliche Analy-
se, sondern allein die Hinweise, die ihm im Hinblick auf die aktuelle Situation
und sein konkretes Anliegen die notwendige Entscheidungsgrundlage liefern.
Erscheint unter mehreren rechtlich möglichen Alternativen die eine deutlich vor-
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teilhafter als die andere, hat der Anwalt darauf hinzuweisen und eine entspre-
chende Empfehlung zu erteilen.
bb) Die Erklärungen des rechtlichen Beraters müssen - wie das Beru-
fungsgericht im Ansatz zutreffend angenommen hat - dem Mandanten, der ver-
lässlich über bestimmte Rechtsfolgen unterrichtet werden will, um darauf seine
Entscheidung gründen zu können, eine annähernd zutreffende Vorstellung von
den Handlungsmöglichkeiten und deren Vor- und Nachteilen vermitteln (vgl.
BGH, Urt. v. 6. Februar 2003 - IX ZR 77/02, WM 2003, 1138, 1140 [zur Steuer-
beraterhaftung]). Allerdings kann nach Art und Umfang des Mandats eine ein-
geschränkte Belehrung ausreichend sein, etwa bei besonderer Eilbedürftigkeit
oder bei einem Aufwand, der außer Verhältnis zum Streitgegenstand steht. Eine
in jeder Hinsicht lückenlose Aufklärung über alle rechtlichen Zusammenhänge
und Folgen trägt vor allem bei schwieriger Sach- und Rechtslage die Gefahr in
sich, den Mandanten zu überfordern und ihm so den Blick auf die für die Ent-
scheidung wichtigen Gesichtspunkte zu verstellen. Dies würde dem Sinn und
Zweck der geschuldeten Beratung zuwiderlaufen. Der Rechtsanwalt hat dem
Auftraggeber daher nur die Hinweise zu erteilen, die ihm die für seine Entschei-
dung notwendigen Informationen liefern. Inhalt und Umfang der vom Rechtsan-
walt zu leistenden Aufklärung haben sich dabei immer nach den für ihn erkenn-
baren Interessen des Mandanten zu richten.
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cc) Ein pflichtwidriges Verhalten des Rechtsanwalts ist vom Mandanten
darzulegen und zu beweisen, selbst soweit es dabei um negative Tatsachen
geht (BGH, Urt. v. 5. Februar 1987 - IX ZR 65/86, NJW 1987, 1322, 1323; v.
3. Dezember 1992 - IX ZR 61/92, NJW 1993, 1139, 1140). Der Rechtsanwalt
darf sich aber nicht damit begnügen, eine Pflichtverletzung zu bestreiten oder
ganz allgemein zu behaupten, er habe den Mandanten ausreichend unterrich-
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tet. Vielmehr muss er den Gang der Besprechung im Einzelnen schildern, ins-
besondere konkrete Angaben dazu machen, welche Belehrungen und Rat-
schläge er erteilt und wie darauf der Mandant reagiert hat (BGHZ 126, 217,
225; BGH, Urt. v. 23. November 2006 aaO, S. 419 f; Fischer in Zugehör/
Fischer/Sieg/Schlee, aaO Rn. 958).
b) Im Streitfall standen der Klägerin als Vorbehaltsverkäuferin allgemein
folgende rechtliche Handlungsalternativen zur Verfügung, wobei hier noch das
vor dem 1. Januar 2002 geltende Schuldrecht anzuwenden ist (Art. 229 § 5
Satz 1 EGBGB):
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aa) Hält der Verkäufer trotz des Zahlungsverzugs am Vertrag fest, so
kann er den Kaufpreis einklagen und wegen der titulierten Kaufpreisforderung in
die unter Eigentumsvorbehalt gelieferte Sache zu vollstrecken versuchen. Er
muss dann seine eigene Sache pfänden, was innerhalb der durch § 811 ZPO
gezogenen Grenzen zulässig ist (BGHZ 15, 171, 173; 55, 59, 62 f; Münch-
Komm-BGB/H.P. Westermann, 4. Aufl. § 449 Rn. 37).
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Mit der Durchsetzung des Kaufpreises kommt die Sicherungsfunktion
des Eigentumsvorbehalts jedoch nicht zum Tragen. Nach der höchstrichterli-
chen Rechtsprechung, an der der Rechtsanwalt die Wahrnehmung seines
Mandats grundsätzlich auszurichten hat (BGHZ 145, 256, 263; BGH, Urt. v.
7. Mai 1992 - IX ZR 151/91, NJW-RR 1992, 1110, 1112), kann der Verkäufer
auf Grund des Eigentumsvorbehalts nicht schon bei Zahlungsverzug des Käu-
fers Herausgabe der Kaufsache verlangen. Der Herausgabeanspruch greift erst
ein, wenn der Verkäufer gemäß § 455 BGB vom Kaufvertrag zurückgetreten
oder die gemäß § 326 BGB gesetzte Nachfrist fruchtlos abgelaufen ist (BGHZ
54, 214, 216 ff; 70, 96, 100 f).
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bb) Statt am Kaufvertrag festzuhalten kann der Vorbehaltsverkäufer - wie
geschehen - den Rücktritt gemäß § 455 Abs. 1 BGB erklären. Dadurch verliert
der Käufer sein Besitzrecht und wird die Vindikation gemäß § 985 BGB ermög-
licht. Außerdem wird die schuldrechtliche Rückforderung der Sache im Zuge
der Rückabwicklung begründet (MünchKomm-BGB/H.P. Westermann, 3. Aufl.
§ 455 Rn. 35, 39). Der Anspruch auf Herausgabe der Kaufsache, die Fristset-
zung und der Schadensersatzanspruch können gemäß § 255 Abs. 1 ZPO,
§ 259 ZPO, § 283 Abs. 1 BGB im Wege der Klagenhäufung geltend gemacht
werden (BGH, Urt. v. 14. Dezember 1998 - II ZR 330/97, NJW 1999, 954, 955).
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Allerdings steht wegen der Verwendungsersatzansprüche nach § 347
Satz 2, § 994 BGB dem Anspruch auf Rückgewähr gemäß § 346 Satz 1, § 455
BGB ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 348 BGB und dem Anspruch auf
Herausgabe gemäß § 985 BGB ein Zurückbehaltungsrecht nach § 1000 BGB
gegenüber. In Bezug auf Schadensersatzansprüche nach § 347 Satz 1, § 989
BGB sind die Verwendungen ebenfalls zu berücksichtigen (OLG Hamm MDR
1982, 141; Soergel/Hadding, BGB 12. Aufl. § 348 Rn. 2; Staudinger/Kaiser,
13. Bearb. 1995 § 348 Rn. 4; MünchKomm-BGB/Janßen, 3. Aufl. § 348 Rn. 2).
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cc) Bei Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung gemäß § 326 BGB
kann der Vorbehaltsverkäufer statt der Ansprüche wegen Rücktritts Schadens-
ersatz wegen Nichterfüllung geltend machen. Demgegenüber bietet § 455 BGB
einen zeitlichen Vorteil, weil eine angemessene Nachfrist nicht gesetzt werden
muss (RGZ 144, 62, 65; Palandt/Putzo, BGB 61. Aufl. § 455 Rn. 26; Lange JuS
1971, 511, 512).
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Geht der Verkäufer nach § 326 Abs. 1 BGB vor, so kann er den verein-
barten Kaufpreis auch dann nicht als Schadensersatz verlangen, wenn er dem
Käufer die Erfüllung seiner Verpflichtung zur Übereignung anbietet (BGH, Urt. v.
25. Juni 1999 - V ZR 190/98, NJW 1999, 3115, 3116). Im Rahmen des An-
spruchs auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung ist dem Gläubiger nach der
so genannten Differenztheorie die Wertdifferenz zu ersetzen zwischen der
Vermögenslage, die sich bei ordnungsmäßiger Vertragserfüllung ergeben hätte,
und derjenigen, die infolge der Nichterfüllung tatsächlich eingetreten ist. Hat der
Gläubiger die von ihm geschuldete Leistung bereits erbracht, so kann er sie im
Rahmen des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung grundsätzlich nicht zu-
rückverlangen; einen Anspruch auf Rückabwicklung hat er vielmehr im Falle
des Verzuges nur, wenn er vom Vertrage zurücktritt. Deshalb ist im Rahmen
des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung die bereits erbrachte Leistung dem
Schuldner grundsätzlich zu belassen und bei der Bemessung des Schadenser-
satzanspruches, der dann auf Ersatz für die entgangene Leistung des Schuld-
ners gerichtet ist, zu berücksichtigen. Eine Einschränkung erfährt die Differenz-
theorie nach der Rechtsprechung insoweit, als der Gläubiger, der Schadenser-
satz wegen Nichterfüllung begehrt, hierdurch nicht gehindert wird, die bereits
übergebene, aber noch nicht übereignete Kaufsache auf Grund seines Eigen-
tums herauszuverlangen (§ 985 BGB), weil mit dem Erfüllungsanspruch auch
das Recht des Schuldners zum Besitz der Sache (§ 986 BGB) entfallen ist; er
muss sich dann freilich den Wert der Sache auf den Schadensersatzanspruch
anrechnen lassen (BGHZ 87, 156, 158 f). Der Verkäufer hat nicht die Möglich-
keit, Schadensersatz in der Weise geltend zu machen, dass er Zug um Zug ge-
gen Erfüllung seiner vertraglichen Leistungspflicht die ihm geschuldete Gegen-
leistung verlangt (BGH, Beschl. v. 6. Oktober 1994 - V ZR 92/94, NJW 1994,
3351; Urt. v. 25. Juni 1999 aaO S. 3117).
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c) Zur Prüfung der Handlungsalternativen, die sich der Klägerin bei
pflichtgemäßer Beratung stellten, müssen deren jeweilige Rechtsfolgen mitein-
ander und mit den Handlungszielen der Klägerin verglichen werden.
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aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wollte der Komple-
mentär der Klägerin den Kaufpreis möglichst vor dem Weiterverkauf der
Schweine bekommen und auf schnellstem Wege einen Titel erhalten, um die
Ansprüche aus dem Kaufvertrag sichern und durchsetzen zu können. Dabei
ging er davon aus, die Käuferin befinde sich in Zahlungsschwierigkeiten und
werde die Schweine in etwa zwei Wochen verkaufen. Er befürchtete, die Kauf-
preisforderung nach Veräußerung der Schweine nicht mehr realisieren zu kön-
nen. Sein erklärtes Interesse zielte dahin, durch Herausgabe der Tiere deren
Weiterverkauf und Schlachtung bis zur Befriedigung der Ansprüche der Kläge-
rin zu verhindern.
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bb) Mit keiner der dargestellten Handlungsalternativen ließen sich die
Handlungsziele der Durchsetzung des Kaufpreisanspruchs und der Verhinde-
rung der Weiterveräußerung nebeneinander erreichen.
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(1) Bei Verfolgung des Kaufpreisanspruchs konnten die Weiterveräuße-
rung und die Schlachtung der Schweine nicht verhindert werden. Gegen die
Durchsetzung dieser Forderung im Erkenntnisverfahren sprachen dessen vor-
aussichtliche Dauer sowie die geäußerten Befürchtungen in Bezug auf die Ver-
mögenslage der Käuferin. Der vom Berufungsgericht erwogene Antrag auf Er-
lass des dinglichen Arrests bot von vornherein keine Aussicht auf Erfolg. Eine
schlechte Vermögenslage des Schuldners ist - ebenso wie die drohende Kon-
kurrenz anderer Gläubiger - für sich allein kein Arrestgrund; es ist mindestens
erforderlich, dass eine Verschlechterung der Vermögensverhältnisse droht
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(BGHZ 131, 95, 105 f). Die Voraussetzungen für einen dinglichen Arrest sind
überdies nicht gegeben, wenn dem Gläubiger bereits die ganze Forderung ab-
deckende und wirtschaftlich ausreichende Sicherheiten - wie hier der Eigen-
tumsvorbehalt - zur Verfügung stehen, die seinen Anspruch sicherstellen (BGH,
Urt. v. 22. Februar 1972 - VI ZR 135/70, NJW 1972, 1044, 1045; Wieczorek/
Schütze/Thümmel, ZPO 3. Aufl. § 917 Rn. 10; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO
22. Aufl. § 917 Rn. 21 f; Zöller/Vollkommer, ZPO 26. Aufl. § 917 Rn. 11; Musie-
lak/Huber, ZPO 5. Aufl. § 917 Rn. 8; MünchKomm-ZPO/Heinze, 2. Aufl. § 917
Rn. 14).
(2) Durch den Rücktritt vom Vertrag wurde die Einwilligung in die Weiter-
veräußerung der Schweine gemäß § 185 Abs. 1 BGB (vgl. Palandt/Putzo, aaO
§ 455 Rn. 13) beseitigt. Allerdings war ungewiss, ob der Anspruch auf Heraus-
gabe der Schweine mit Erfolg im Wege der einstweiligen Verfügung gesichert
oder geregelt werden konnte. Der Herausgabe an die Klägerin stand insbeson-
dere das grundsätzliche Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen
(vgl. dazu Saenger JZ 1999, 970, 975), und die Herausgabe an einen Se-
quester erschien bei Mastvieh untunlich.
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Darüber hinaus wurde durch den Rücktritt der Kaufpreisanspruch besei-
tigt und das ursprüngliche Vertragsverhältnis in ein Abwicklungsverhältnis um-
gewandelt mit der sich aus §§ 346, 347 BGB ergebenden Grundregel, dass die
noch ausstehenden Leistungen nicht erbracht und die bereits bewirkten Leis-
tungen zurückgewährt werden mussten (vgl. BGH, Urt. v. 8. Dezember 1989
- V ZR 174/88, NJW 1990, 2068, 2069; v. 10. Juli 1998 - V ZR 360/96, NJW
1998, 3268 f). Deswegen hatte die Klägerin ein Zurückbehaltungsrecht der Käu-
ferin zu gewärtigen. Da die Lieferungen der Ferkel an den Mastbetrieb bereits
im Dezember 1998 und im Januar 1999 erfolgt waren, standen Ende Februar
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bzw. am 10. März 1999 bereits Verwendungsersatzansprüche wegen Mastkos-
ten für mehrere Monate im Raum. Bei Tieren, die - wie Ferkel üblicherweise -
nur zum Zwecke der Fleischproduktion aufgezogen werden, lässt sich im Rah-
men der §§ 347, 994 BGB nicht zwischen reinen Fütterungskosten und Mast-
kostenanteil unterscheiden (Staudinger/Gursky, aaO Neubearb. 2006 § 994
Rn. 15; Staudinger/Kaiser, aaO Neubearb. 2004 § 347 Rn. 41). Die Verwen-
dungen begründeten ein Zurückbehaltungsrecht der Vorbehaltskäuferin und
damit ein Recht zum Besitz und konnten grundsätzlich auch im Verfahren der
einstweiligen Verfügung dem Verfügungsanspruch entgegen gehalten werden.
(3) Der Schadensersatzanspruch gemäß § 326 BGB bot im Streitfall ge-
genüber dem Rücktritt keinen Vorteil. Die grundsätzlich erforderliche Nachfrist-
setzung mit Ablehnungsandrohung hätte zu einer Verzögerung von mehreren
Tagen geführt, obschon nach Angaben der Klägerin die Weiterveräußerung der
Schweine in etwa zwei Wochen bevorstand. Die Klägerin wäre nicht berechtigt
gewesen, Schadensersatz nach der Austauschmethode zu fordern, d.h. Zah-
lung des Kaufpreises gegen unbedingte Übereignung der Schweine (vgl.
Palandt/Heinrichs, aaO § 326 Rn. 26). Im Übrigen ging es der Klägerin nach
den Feststellungen des Berufungsgerichts auch nicht darum, einen über dem
Kaufpreis liegenden Wert der Tiere für sich zu realisieren. Eine Verfolgung des
Schadensersatzanspruchs im einstweiligen Rechtsschutz schied in Ermange-
lung eines Verfügungsgrundes aus.
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cc) Zur Belehrung über die Handlungsalternativen hat der Beklagte be-
hauptet, sein Sozius habe der Klägerin zur Durchsetzung der Kaufpreisforde-
rung geraten. Von einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sei
der Klägerin unter Nennung mehrerer Gründe abgeraten worden. So seien ihr
Bedenken hinsichtlich des Verfügungsanspruchs entgegen gehalten worden,
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weil allein der Zahlungsverzug dem Vorbehaltskäufer noch keinen durchsetzba-
ren Herausgabeanspruch gewähre. Das Recht der Vorbehaltskäuferin zum Be-
sitz könne sofort nur mit der erforderlichen Gewissheit durch Erklärung des
Rücktritts von den Kaufverträgen beseitigt werden. Durch den Rücktritt entfalle
aber die Grundlage für den fälligen Kaufpreisanspruch der Klägerin. Ohne wei-
tere Kenntnis der aktuellen Vermögenslage der Käuferin sei der für den Erlass
einer einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund fraglich. Ferner
dürfe bei Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes die Hauptsache nicht
vorweggenommen werden, was bei einem Herausgabeverlangen besonders
problematisch sei. Da der Komplementär der Klägerin ungeachtet des anwaltli-
chen Abratens darauf bestanden habe, eine einstweilige Verfügung zu beantra-
gen, habe der Beklagte auftragsgemäß den Rücktritt erklärt, um überhaupt die
rechtlichen Voraussetzungen für einen Herausgabeanspruch zu schaffen. Für
ein ebenfalls erwogenes Vorgehen nach § 326 BGB habe keine ausreichende
Zeit zur Verfügung gestanden, weil der Komplementär mit der baldigen Weiter-
veräußerung der Tiere durch die Käuferin gerechnet und auf eine sofortige
Maßnahme gedrängt habe.
Die Klägerin hat demgegenüber unter Beweisantritt vorgetragen, ihr
Komplementär habe bereits beim ersten Gespräch Ende Februar 1999 die
Dringlichkeit der Angelegenheit zum Ausdruck gebracht, woraufhin ihm die Gel-
tendmachung der Kaufpreisforderung im Wege des Mahnbescheids empfohlen,
aber von Seiten des Beklagten bis zum zweiten Gespräch am 10. März 1999
nichts veranlasst worden sei. Die Klägerin sei weder über die Rechtsfolgen des
Rücktritts gemäß § 455 BGB noch über die Alternative des § 326 BGB belehrt
worden. Soweit der Herausgabeanspruch im Wege der einstweiligen Verfügung
verfolgt worden sei, habe der Beklagte keine Bedenken geäußert.
28
- 15 -
dd) Da das Berufungsgericht hierzu keine Feststellungen getroffen hat,
ist für die Revisionsinstanz von dem Beklagtenvorbringen auszugehen.
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Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagte habe die Klägerin
unzureichend beraten, weil er nach seiner eigenen Darstellung nicht über das
Zurückbehaltungsrecht gemäß §§ 1000, 994 BGB und die daraus folgenden
Schwierigkeiten bei der Durchsetzung der Herausgabe- und Wertersatzansprü-
che aufgeklärt habe. Dies ist rechtlich nicht haltbar; das Berufungsgericht hat
die Anforderungen an die anwaltliche Beratung überspannt.
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Der Beklagte hat der Klägerin die drei Handlungsalternativen aufgezeigt.
Selbst wenn die Möglichkeit des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung nicht
erläutert worden sein sollte, stellt dies kein pflichtwidriges Verhalten dar; denn
gegenüber einer Kaufpreisklage oder einer einstweiligen Verfügung bot § 326
BGB keinen erkennbaren Vorteil. Der Vorschlag des Beklagten, die Kaufpreis-
forderung durchzusetzen, entsprach einem wesentlichen Handlungsziel der
Klägerin. Deren Komplementär ist diesem Rat indessen nicht gefolgt, weil er
unbedingt die Herausgabe der Schweine erreichen wollte. Der Beklagte hat
demgegenüber die Risiken und Nachteile des begehrten Antrags auf Erlass ei-
ner einstweiligen Verfügung ausreichend dargestellt, indem er drei wesentliche
Gesichtspunkte genannt hat, die gegen ein solches Vorgehen sprachen: Vor-
wegnahme der Hauptsache, fehlender Verfügungsgrund, Beseitigung der Kauf-
preisforderung. Schon aus diesen Gründen war es objektiv nicht sachgerecht,
eine einstweilige Verfügung zu beantragen. Daher brauchte der Beklagte die
Klägerin nicht zusätzlich darüber zu belehren, dass der Käuferin wegen der Füt-
terungskosten ein Verwendungsersatzanspruch aus § 994 BGB zustand, der
ein Zurückbehaltungsrecht nach § 1000 BGB begründete. Zudem war abseh-
bar, dass das angerufene Gericht diese Frage nicht behandelt, weil es die
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einstweilige Verfügung bereits mangels eines Herausgabeanspruchs und/oder
eines Verfügungsgrundes ablehnt.
Der Beklagte hatte überdies keine Anhaltspunkte dafür, dass die Erwäh-
nung des Zurückbehaltungsrechts wegen der Fütterungskosten für die Abwä-
gung von Vor- und Nachteilen der Handlungsmöglichkeiten wesentlich sein
würde. Bei wirtschaftlicher Betrachtung steht im Allgemeinen den Fütterungs-
kosten eine zumindest gleich hohe Wertsteigerung der Schweine gegenüber.
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Da die Klägerin über ihre Handlungsmöglichkeiten auf der Grundlage der
Behauptungen des Beklagten hinreichend belehrt worden ist und gleichwohl
einen entsprechenden Antrag gewünscht hat, stellt die Verfolgung des Heraus-
gabeanspruchs im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes kein pflichtwidriges
Verhalten des Beklagten dar. Im Übrigen ermöglichte ein Rücktritt, die Hinterle-
gung des Erlöses aus der Weiterveräußerung zu erreichen.
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2. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zum Schaden sind ebenfalls
nicht rechtsfehlerfrei. Die Annahme die Klägerin hätte von der Käuferin den
Kaufpreis erlangen können, hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
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a) Ein Mandant, der infolge eines pflichtwidrigen Verhaltens seines
Rechtsanwalts eine Forderung verliert, erleidet einen Schaden im Rechtssinne
nur, wenn er bei sachgerechtem Vorgehen des Rechtsanwalts Leistungen er-
halten hätte. Trifft dies nicht zu, ist die verlorene Forderung wertlos. In einem
solchen Fall kommt die Verurteilung des Rechtsanwalts auf Zahlung von Scha-
densersatz nicht in Betracht (BGH, Urt. v. 18. März 2004 - IX ZR 255/00, NJW
2004, 1521, 1522).
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§ 287 ZPO ändert nichts daran, dass der Schadensnachweis grundsätz-
lich dem obliegt, der Schadensersatz fordert. Der Gegner kann sich - wovon
das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend ausgegangen ist - darauf beschrän-
ken, den Schaden zu bestreiten. Nicht der Beklagte muss darum in allen Ein-
zelheiten den Nachweis führen, dass die Käuferin zahlungsunfähig gewesen
wäre. Vielmehr ist seine Verteidigung schon dann erheblich, wenn er Umstände
dargelegt hat, die Zweifel an der Zahlungsfähigkeit begründen können. Zu
Nachforschungen ist er nicht verpflichtet (BGH, Urt. v. 19. September 1985
- IX ZR 138/84, NJW 1986, 246, 247).
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b) Diese Anforderungen erfüllt die Verteidigung des Beklagten. Entgegen
der Auffassung des Berufungsgerichts bedurfte es zur Begründung von Zwei-
feln an der Zahlungsfähigkeit der Käuferin nicht der Darlegung von Anhalts-
punkten für die Aussichtslosigkeit der Zwangsvollstreckung auf Grund weiterer,
nicht unerheblicher Verbindlichkeiten und fehlender Vermögenswerte.
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aa) Nach den Feststellungen zum pflichtwidrigen Verhalten im angefoch-
tenen Urteil hatte der Komplementär der Klägerin dem Beklagten am 10. März
1999 oder kurz zuvor mitgeteilt, er befürchte, dass sich die Käuferin in Zah-
lungsschwierigkeiten befinde und die Kaufpreisforderung nach Weiterverkauf
der Schweine nicht mehr realisiert werden könne. Außerdem hatte die Käuferin,
wie aus dem mit der Klageschrift vorgelegten Berufungsurteil des Vorprozesses
hervorgeht, behauptet, die Schweine am 15. Februar 1999 und am 8. März
1999, also nach etwa der Hälfte der Mastzeit, an ihren Geschäftsführer ver-
äußert zu haben. In jenem Urteil ist festgestellt, es gebe für Mastschweine, die
vor Erreichen der Schlachtreife veräußert würden, keinen offiziellen Markt und
keine verwertbaren Marktdaten.
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- 18 -
bb) Darüber hinaus hat der Beklagte in der Klageerwiderung und im
Schriftsatz vom 23. September 2001 auch bestritten, dass die Käuferin den ge-
genüber dem Kaufpreis erheblich geringeren Urteilsbetrag aus dem Vorprozess
in Höhe von 54.950,94 DM nebst Zinsen gezahlt habe bzw. eine Vollstreckung
erfolgreich gewesen sei. Obgleich die Klägerin zu näheren Erläuterungen in der
Lage sein müsste, hat sie sich auf die Behauptung beschränkt, sie hätte aus
einem Urteil über den Kaufpreis nebst Zinsen und Kosten erforderlichenfalls mit
Erfolg bei der Käuferin vollstrecken können. Im Hinblick darauf hätte das Beru-
fungsgericht auch die - vom Beklagten bestrittenen - Angaben des Prozessbe-
vollmächtigten der Klägerin in der Berufungsverhandlung würdigen müssen,
"der Titel über 54.000 €" (gemeint wohl: DM) sei nach dem in einem weiteren
Rechtsstreit geschlossenen Vergleich "aus der hinterlegten Summe erfüllt wor-
den".
39
cc) Schließlich ist in dem angefochtenen Urteil rechtsfehlerhaft nicht zwi-
schen wirklicher und hypothetischer Vermögenslage getrennt worden. Das Be-
rufungsgericht hat angenommen, auf Grund der Hinterlegung sei die Realisie-
rung der Kaufpreisforderungen bereits relativ sicher gewesen. Wäre jedoch kein
Rücktritt erklärt und stattdessen die Kaufpreisforderung durchgesetzt worden,
so hätte für die Hinterlegung kein Anlass bestanden und auf den entsprechen-
den Betrag nicht zugegriffen werden können.
40
III.
Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da
die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie an das Berufungsgericht
41
- 19 -
zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Für das weitere Verfahren weist
der Senat auf folgendes hin:
1. Das Berufungsgericht wird nunmehr zunächst im Einzelnen klären
müssen, ob und in welcher Weise der Komplementär der Klägerin über die in
dieser Sache in Betracht kommenden Vorgehensweisen belehrt worden ist.
42
2. Falls das Berufungsgericht danach erneut zu dem Ergebnis gelangt,
dass eine schuldhafte Pflichtverletzung gegeben ist, wird es sich im Rahmen
der zur Feststellung der Kausalität gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Würdi-
gung auch mit den Änderungen im Sachvortrag der Klägerin zu dem aus ihrer
Sicht gebotenen Vorgehen auseinanderzusetzen haben. In der Klageschrift ist
das pflichtwidrige Verhalten des Beklagten darin erblickt worden, nicht zur Kauf-
preisklage oder zum Vorgehen nach § 326 BGB geraten zu haben. Die Ausfüh-
rungen in der Berufungsbegründung enthalten dagegen - ebenso wie die Streit-
verkündungsschrift im Vorprozess vom 4. Juli 2000 - allein den Vorwurf, der
Klägerin nicht zum Vorgehen nach § 326 BGB geraten zu haben.
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Hat der Beklagte mit zutreffenden Erwägungen von einer einstweiligen
Verfügung abgeraten, so liegen schon deshalb Tatsachen vor, die den An-
scheinsbeweis entkräften. Dem Mandanten, der einen richtigen Vorschlag des
Anwalts ablehnt, kommt im Haftungsprozess die Vermutung beratungsgemä-
ßen Verhaltens nicht zugute (BGHZ 123, 311, 319; Fischer in Zugehör/
Fischer/Sieg/Schlee, aaO Rn. 1007).
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3. Entgegen der Auffassung der Revision fehlt zwischen dem pflichtwid-
rigen Verhalten des Beklagten und der Auferlegung von Kosten des Vorprozes-
ses nicht schon der Zurechnungszusammenhang. Letzterer wird grundsätzlich
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- 20 -
nicht dadurch unterbrochen, dass nach dem pflichtwidrig handelnden Anwalt
eine andere rechtskundige Person mit der Angelegenheit befasst worden ist
und noch in der Lage gewesen wäre, den Schadenseintritt zu verhindern, wenn
sie die ihr obliegende Sorgfaltspflicht beachtet hätte (Fischer in Zugehör/
Fischer/Sieg/Schlee, aaO Rn. 1021 f). Die Zurechnungsgrenze ist erst dann
überschritten, wenn der erste Anwalt den später mandatierten Kollegen noch
rechtzeitig vor Eintritt des Schadens auf den Fehler hinweist und jener trotzdem
aus sachwidrigen Erwägungen die gebotene Maßnahme unterlässt (Fischer,
aaO Rn. 1023). Eine solche Gestaltung liegt hier nicht vor.
Dr. Gero Fischer Dr. Ganter Vill
Lohmann Dr. Detlev Fischer
Vorinstanzen:
LG Paderborn, Entscheidung vom 06.03.2003 - 3 O 88/02 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 14.10.2003 - 28 U 88/03 -