Urteil des BGH vom 11.11.2002

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 125/02
Verkündet am:
11. November 2002
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
ja (bis einschl. II. A)
BGHR: ja
BGB §§ 27 Abs. 3, 666; GmbHG § 51 a Abs. 2
a)
Landesverbänden steht gegen den
Vorstand ihres Dachverbandes auf dessen Verbandsversammlung ein Aus-
kunftsrecht nach §§ 27 Abs. 3, 666 BGB über alle wesentlichen tatsächlichen
und rechtlichen Verhältnisse des Dachverbandes zu.
b) Einem solchen vereinsrechtlichen Informationsrecht der Mitglieder unterlie-
gen grundsätzlich auch die Angelegenheiten einer vom Dachverband zur
Auslagerung seines wirtschaftlichen Betriebes als GmbH gegründeten und
betriebenen Tochtergesellschaft, soweit sie auch für den Dachverband ob-
jektiv von erheblicher wirtschaftlicher oder rechtlicher Bedeutung sind. Die-
ses Informationsrecht findet seine Grenze nur in einem (vorrangigen) be-
rechtigten Geheimhaltungsinteresse des Dachverbandes zur Abwehr einer
zu besorgenden Gefahr für ihn selbst oder die Tochtergesellschaft mbH (ent-
sprechend § 51 a Abs. 2 GmbHG).
BGH, Urteil vom 11. November 2002 - II ZR 125/02 - OLG München
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LG München I
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 11. November 2002 durch den Vorsitzenden Richter
Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Henze, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly
und die Richterin Münke
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 17. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts München vom 21. Januar 2002 aufgeho-
ben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts
München I, 24. Zivilkammer, vom 1. März 2001 wird zurückgewie-
sen.
Die Kosten der Rechtsmittel werden der Klägerin auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin wurde 1985 als GmbH gegründet, um aus dem gemeinnüt-
zigen Vereinsbereich der "Deutsche Billardunion e.V." (im folgenden: DBU) den
wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zum Zwecke gewinnbringender Vermarktung
des Billardsports auszugliedern. Gesellschafter der Klägerin sind die DBU als
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Dachverband des deutschen Billardsports mit einem Geschäftsanteil von
40 Prozent sowie drei der ihm als Mitglieder angehörenden Landesverbände
(Baden-Württemberg, Westfalen und Niederrhein) mit einem Geschäftsanteil
von je 20 Prozent. Alle in der DBU zusammengeschlossenen 17 Landesver-
bände sind in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins organisiert. Der Be-
klagte - der Bayerische Landesverband - war bis zur Veräußerung seines Ge-
sellschaftsanteils am 26. Juni 1997 ebenfalls Gesellschafter der Klägerin. Im
Zusammenhang mit den ihr von der DBU überlassenen Vermarktungsrechten
unterliegt die Klägerin Gewinnabführungspflichten: von dem erwirtschafteten
Gewinn sind 50 Prozent an die DBU und 25 Prozent an die übrigen Gesell-
schafter abzuführen, die restlichen 25 Prozent kann der Geschäftsführer
- neben seinem Gehalt - als Tantieme beanspruchen.
Zwischen dem Beklagten und der Klägerin sowie der DBU besteht seit
längerem vielfältiger Streit, der seine Ursache vor allem in der Vereinigung der
Ämter des Geschäftsführers der Klägerin und des Präsidenten der DBU in der
Person von W. R. hat: aufgrund der Machtfülle R.s befürchtet der Beklagte eine
Beeinträchtigung der Rechte und finanziellen Belange der DBU. So versandte
der Vorstand des Beklagten u.a. im zeitlichen Vorfeld von Mitgliederversamm-
lungen der DBU in den Jahren 1995, 1999 und 2000 als "vertraulich" gekenn-
zeichnete Schreiben an sämtliche - also auch die nicht als Gesellschafter an
der Klägerin beteiligten - Landesverbände und an die DBU, in denen das Ver-
halten der Klägerin bzw. ihres Geschäftsführers angegriffen und eine Diskussi-
on auf den jeweiligen Verbandstagen angekündigt wurde. Im Rundschreiben
vom 15. Juni 1995 erhob der Beklagte u.a. den Vorwurf, R. habe im Zusam-
menwirken mit dem Vizepräsidenten der DBU auf Gesellschafterversammlun-
gen der Klägerin eine Neuregelung der Führungsverhältnisse mit erheblichen
finanziellen Folgen für die Mitglieder der DBU durchzusetzen versucht: danach
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habe er als Geschäftsführer der Klägerin gegen Abfindung von 150.000,00 DM
ausscheiden, gleichzeitig als hauptamtlicher Generalsekretär bei der DBU ge-
gen ein Gehalt von über 100.000,00 DM eingestellt werden und zusätzlich als
Berater der Klägerin gegen ein Jahreshonorar von 60.000,00 DM fungieren
wollen, während der Vizepräsident der DBU die Geschäftsführung der Klägerin
habe übernehmen sollen. Die Mitgliederversammlung der DBU vom 24. Juni
1995 verwies die Angelegenheit in eine außerordentliche Gesellschafterver-
sammlung der Klägerin unter Beteiligung sämtlicher Landesverbände; diese
erklärte am 7. Januar 1996 die Sache schließlich für erledigt.
Im Rundschreiben vom 12. Mai 1999 führte der Beklagte zur Begründung
des für die Mitgliederversammlung angekündigten Antrags Nr. 3 u.a. aus, der
Geschäftsführer der Klägerin habe sich unter Verstoß gegen das Gesetz und
seinen Anstellungsvertrag für die Geschäftsjahre 1995 - 1997 Urlaubsabgeltun-
gen von insgesamt über 54.000,00 DM ausgezahlt; dem Schreiben war eine
Kopie des "Arbeitsvertrages" des Geschäftsführers beigefügt, in dem als "Ar-
beitgeber" neben der Klägerin auch die DBU aufgeführt ist. Da sämtliche Anträ-
ge des Beklagten wegen verspäteter Einreichung auf dem Verbandstag 1999
nicht behandelt wurden, übersandte der Beklagte den Landesverbänden mit
Schreiben vom 11. Mai 2000 nochmals inhaltsgleiche Ankündigungen für die
Mitgliederversammlung 2000; trotz rechtzeitiger Einreichung nahm die DBU die
Anträge nicht in die Tagesordnung auf. Mit Urteil vom 27. Januar 2001 hat das
Schiedsgericht der DBU festgestellt, daß die DBU verpflichtet war, die Anträge
in die Tagesordnung aufzunehmen und an die Teilnehmer zu versenden.
Mit der Klage hat die Klägerin von dem Beklagten Unterlassung der
Weitergabe bestimmter vertraulicher Interna an Dritte und an Landesverbände,
die nicht ihre Gesellschafter sind, begehrt. Sie ist der Ansicht, der Beklagte
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dürfe Kenntnisse, die er aus seiner früheren Gesellschafterstellung bei der Klä-
gerin habe, nur ihren Gesellschaftern offenbaren. Das Landgericht hat die Kla-
ge abgewiesen. Mit der Berufung wandte sich die Klägerin nur gegen die Kla-
geabweisung hinsichtlich der Landesverbände, die nicht Gesellschafter der
Klägerin sind. Das Berufungsgericht hat den Beklagten verurteilt, es zu unter-
lassen, folgende vertrauliche Interna, soweit es sich um Umstände handelt, die
zur Zeit der Gesellschafterstellung des Beklagten bei der Klägerin bis 26. Juni
1997 eingetreten sind, an diejenigen Landesverbände der DBU weiterzugeben,
die nicht als Gesellschafter an der Klägerin beteiligt sind:
1. Arbeitsverträge und Geschäftsführerverträge des Herrn R. und Ar-
beitsverträge von evtl. weiteren Mitarbeitern der Klägerin sowie deren
Gehälter;
2. Entwürfe von Arbeitsverträgen von Herrn R. und evtl. weiteren Mitar-
beitern der Klägerin;
3. Jahresabschlüsse der Klägerin mit Ausnahme veröffentlichungspflich-
tiger Teile sowie entsprechende Entwürfe von Jahresabschlüssen der
Klägerin;
4. Verträge und Vertragsentwürfe zwischen der Klägerin und Nichtge-
sellschaftern der Klägerin;
5. Protokolle und Inhalte aus Protokollen von Gesellschafterversamm-
lungen der Klägerin;
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6. Steuermodelle und Leistungsaustauschmodelle betreffend die Kläge-
rin und deren Entwürfe;
7. Wiedergabe von Gesprächsinhalten aus nicht-öffentlichen Gesell-
schafterversammlungen der Klägerin, die aus den Protokollen von
nicht-öffentlichen Gesellschafterversammlungen der Klägerin ersicht-
lich sind, sowie
8. internes Zahlenmaterial und sonstige Geschäftsunterlagen, die aus-
schließlich den Gesellschaftern der Klägerin als Grundlage der Ent-
scheidungsfindung zugänglich gemacht wurden oder werden und die
durch eindeutige Kennzeichnung wie z.B. "Tischvorlage", "Geschäfts-
vorlage", "internes Zahlenmaterial" oder ähnliches ausdrücklich be-
zeichnet sind.
Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabwei-
sungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet und führt zur Zurückweisung der Berufung der
Klägerin.
I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Beklagte habe gegen seine
ihm gegenüber der Klägerin obliegende Verschwiegenheitspflicht verstoßen,
indem er in den Rundschreiben vom 15. Juni 1995 und 12. Mai 1999 auch die-
jenigen Landesverbände der DBU, die nicht Gesellschafter der Klägerin sind,
über Einzelheiten der Vergütung des Geschäftsführers der Klägerin informiert
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habe. Diese Landesverbände seien als Dritte anzusehen, denen gegenüber
vertrauliche Interna der Klägerin nicht weitergegeben werden dürften. Daran
ändere auch der Umstand nichts, daß die DBU Gesellschafterin der Klägerin sei
und die Verbandsversammlung der DBU, der die Landesverbände als deren
Mitglieder angehörten, das höchste Vereinsorgan der DBU sei, dem der Vor-
stand rechenschaftspflichtig sei. Im Spannungsverhältnis zwischen der Ver-
schwiegenheitspflicht nach Gesellschaftsrecht und den "Informations-/Mit-
gliedschaftsrechten" nach Vereinsrecht sei die gesellschaftsrechtliche Ver-
schwiegenheitsverpflichtung als grundsätzlich vorrangig anzusehen. Aus den
beiden Rundbriefen und dem Prozeßverhalten des Beklagten ergebe sich eine
Wiederholungsgefahr hinsichtlich sämtlicher unter Nr. 1 bis 8 des Urteils auf-
geführten Interna der Klägerin. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher
Nachprüfung nicht stand.
II. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht der Klägerin ein
Unterlassungsanspruch nicht zu. Durch die mit den beiden Rundschreiben an
die Landesverbände weitergegebenen Einzelheiten des bestehenden "Arbeits-
vertrags" des Geschäftsführers R. sowie der geplanten Änderungen der Ver-
gütung seiner Leitungstätigkeit für die DBU/Klägerin (Tenor I., 1. Variante in
Nr. 1 u. 2 des Berufungsurteils) hat der Beklagte nicht seine Verschwiegen-
heitspflicht als Gesellschafter der Klägerin verletzt (vgl. unter A). Hinsichtlich
der weiteren Klageanträge (Tenor Nr. I., Nr. 1 u. 2 - jew. 2. Variante -, Nr. 3 bis
8 des Berufungsurteils) fehlt es bereits an einer Wiederholungs- bzw. Erstbege-
hungsgefahr (vgl. unter B).
A. 1. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts,
wonach das individuelle Informationsrecht des GmbH-Gesellschafters nach
§ 51 a GmbHG umfassend ausgestaltet ist (BGHZ 135, 48, 54). Das Informati-
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onsrecht ist, vom Sonderfall des § 51 a Abs. 2 GmbHG abgesehen, prinzipiell
unbeschränkt und findet seine Grenze erst bei einer nicht zweckentsprechen-
den Wahrnehmung (BGHZ aaO; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG 17. Aufl.
§ 51 a Rdn. 20 m.w.N.). Kehrseite dieses umfassenden und sehr weitgehend
gestalteten Informationsrechts ist als Ausfluß der gesellschaftsrechtlichen
Treuepflicht eine verstärkte Verschwiegenheitspflicht (allgemeine Meinung, vgl.
nur Scholz/K. Schmidt, GmbHG 9. Aufl. § 51 a Rdn. 6; Meyer-Landrut/
Miller/Niehaus, GmbHG 1987, § 51 a Rdn. 13; Lutter/Hommelhoff, GmbHG
15. Aufl. § 51 a Rdn. 24). Die Weitergabe von Informationen zu gesellschafts-
fremden Zwecken oder an gesellschaftsfremde Dritte ist grundsätzlich pflicht-
widrig, und zwar ohne Rücksicht auf ihren Inhalt und ohne Rücksicht darauf,
welche Zwecke mit der Verbreitung der Kenntnisse verfolgt werden (Hachen-
burg/Hüffer, GmbHG 8. Aufl. § 51 a Rdn. 11; Scholz/K. Schmidt aaO).
2. Rechtsfehlerhaft hat jedoch das Berufungsgericht diejenigen Landes-
verbände der DBU, die nicht Gesellschafter der Klägerin sind, als gesell-
schaftsfremde Dritte eingeordnet und dabei die Besonderheiten des vorliegen-
den Falles nicht beachtet. Denn sämtliche Landesverbände sind Mitglieder der
DBU und damit auch Mitglieder des obersten Organs des Hauptgesellschafters
der Klägerin, nämlich der Mitgliederversammlung der DBU; in dieser Eigen-
schaft können auch diejenigen Landesverbände, die nicht selbst Gesellschafter
der Klägerin sind, nicht wie gesellschaftsfremde Dritte behandelt werden. Den
Landesverbänden steht als Vereinsmitgliedern der DBU in der Mitgliederver-
sammlung - unabhängig von der Stellung zur Klägerin - ein Auskunftsrecht nach
§§ 27 Abs. 3, 666 BGB gegenüber dem Vorstand der DBU (vgl. allgemein
Staudinger/Weick, BGB 13. Aufl. § 27 Rdn. 25; KG NJW-RR 1999,1486) über
alle wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse des Vereins zu
(vgl. Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts 8. Aufl. Rdn. 885;
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Stöber, Handbuch zum Vereinsrecht 8. Aufl. Rdn. 303). Hierzu gehören im vor-
liegenden Fall auch die wirtschaftlichen und rechtlichen Beziehungen der DBU
zur Klägerin; denn diese ist - entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts -
keine "fremde" GmbH, sondern eine Tochtergesellschaft der DBU, auf die im
wesentlichen aus steuerlichen Gründen der wirtschaftliche Betrieb der DBU
ausgegliedert und die zur Gewinnabführung - davon zu 50 Prozent an die
DBU - verpflichtet ist. Dem (vereinsrechtlichen) Informationsrecht der Landes-
verbände der DBU unterlagen daher grundsätzlich auch die Angelegenheiten
bei der Klägerin als Tochterunternehmen, soweit sie auch für die DBU als
Hauptgesellschafterin objektiv von so erheblicher wirtschaftlicher oder rechtli-
cher Bedeutung waren, daß sie damit auch zu Angelegenheiten der DBU selbst
wurden.
3. Dieses umfassende Informationsrecht der Verbandsversammlung der
DBU findet seine Grenze nur in einem etwa vorrangigen berechtigten Geheim-
haltungsinteresse der DBU zur Abwehr einer zu besorgenden Gefahr für den
Dachverband selbst oder die Klägerin als ihre Tochtergesellschaft (entspre-
chend § 51 a Abs. 2 GmbHG). In einem derartigen Fall, in dem der Vorstand die
Auskunft verweigern könnte, wäre auch der Beklagte als Mitglied der DBU nicht
berechtigt gewesen, im Rahmen seines satzungsmäßigen Initiativantragsrechts
zur Tagesordnung der jeweiligen Mitgliederversammlung die anderen Landes-
verbände, die nicht Gesellschafter der Klägerin waren, durch die Rundschrei-
ben über seine Anträge nebst Begründungen zu inneren Angelegenheiten der
Klägerin vorab zu informieren. Ein solches vorrangiges Geheimhaltungsinteres-
se der DBU oder der Klägerin als Tochterunternehmen bestand jedoch
- entgegen der nicht näher begründeten Ansicht des Berufungsgerichts - im
vorliegenden Fall jedenfalls hinsichtlich der in den Schreiben des Beklagten
vom 15. Juni 1995 und 12. Mai 1999 aufgeführten Einzelheiten nicht.
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a) Die im Schreiben vom 15. Juni 1995 erwähnten, auf einer Gesell-
schafterversammlung der Klägerin besprochenen Veränderungen auf der Lei-
tungsebene durch Wechsel des Geschäftsführers R. in eine hauptamtliche Po-
sition bei der DBU betrafen grundlegende strukturelle Fragen des Verhältnisses
der Klägerin zur DBU einschließlich der finanziellen Folgen (Vergütung, Abfin-
dung), die ersichtlich schon allein im Hinblick auf die Funktion des Vorstandes
der DBU auch in die Zuständigkeit ihrer Mitgliederversammlung fielen und damit
zugleich dem uneingeschränkten Informationsrecht der Landesverbände unter-
lagen. Dementsprechend wurde der Inhalt des Rundschreibens des Beklagten
auf dem Verbandstag vom 24. Juni 1995 diskutiert und anschließend auf der
außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Klägerin in Anwesenheit der
Vorstände der Landesverbände, die nicht Gesellschafter der Klägerin waren,
offen erörtert.
b) Die Information im Schreiben vom 12. Mai 1999 über Urlaubsabgel-
tungen, die sich der Geschäftsführer der Klägerin selbst bewilligt hatte, betraf
nicht lediglich deren innere Verhältnisse, sondern auch die DBU und deren Mit-
glieder. Denn zusätzliche Gehaltszahlungen der Klägerin an ihren Geschäfts-
führer mindern den Gewinn der Klägerin und damit auch die Gewinnabfüh-
rungsansprüche der DBU gegen die Klägerin. Hinzu kommt, daß die DBU auch
formalrechtlich an dem "Arbeitsvertrag" des Geschäftsführers R. auf Arbeitge-
berseite neben der Klägerin beteiligt war. Somit waren hinsichtlich dieser Ein-
zelheiten des Dienstverhältnisses - das im übrigen keinen geheimhaltungsbe-
dürftigen Inhalt hat - auch diejenigen Landesverbände, die nicht Gesellschafter
der Klägerin sind, informationsberechtigt. Dementsprechend hat das Schieds-
gericht der DBU zutreffend festgestellt, daß auch der für einen späteren Ver-
bandstag wiederholte inhaltsgleiche Antrag Nr. 3 in die Tagesordnung hätte
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aufgenommen und sämtlichen Verbandsmitgliedern zugänglich gemacht wer-
den müssen.
Der Hinweis des Berufungsgerichts, wonach im Aktienrecht Angaben zur
Vergütung der Vorstandsmitglieder nicht zu individualisieren sind, vermag nicht
zu überzeugen. Es handelt sich dabei um eine - nicht unumstrittene (siehe dazu
auch die gegenteilige Anregung im Deutschen Corporate Governance Kodex
4.2.4 Satz 2) - Besonderheit des Aktienrechts.
Einen pflichtwidrigen Verstoß gegen eine Verschwiegenheitspflicht als
Gesellschafter der Klägerin hat der Beklagte durch die Versendung der Rund-
schreiben daher nicht begangen.
B. Hinsichtlich der weitergehenden Klageanträge kann dahinstehen, ob
denjenigen Landesverbänden der DBU, die nicht Gesellschafter der Klägerin
sind, bezüglich der darin genannten Einzelheiten ein Auskunftsrecht zustehen
würde. Denn insoweit läßt sich - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts -
aus den Schreiben vom 15. Juni 1995 und 12. Mai 1999 oder aus dem Prozeß-
verhalten des Beklagten eine Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr nicht
herleiten.
1. Hinsichtlich eines Unterlassungsanspruchs muß die Wiederholungs-
gefahr objektiv vorliegen. Dabei müssen Indiztatsachen gegeben sein, die den
Schluß zulassen, daß eine Wiederholung des Eingriffs wahrscheinlich ist oder
doch zumindest eine naheliegende Möglichkeit bildet (Staudinger/Grunsky,
BGB 13. Aufl. § 1004 Rdn. 206). Die Frage, ob eine ernstliche Besorgnis weite-
rer Störungen besteht, ist zwar tatsächlicher Natur; sie ist jedoch in der Revisi-
onsinstanz nachprüfbar, wenn die Urteilsgründe ergeben, daß in dem ange-
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fochtenen Urteil von unrichtigen rechtlichen Gesichtspunkten ausgegangen
worden ist (BGHZ 14, 163,167). So liegt es hier. Das Berufungsgericht hat - wie
vorstehend unter A ausgeführt - zu Unrecht angenommen, daß der Beklagte
durch die Übermittlung der Rundschreiben vom 15. Juni 1995 und 12. Mai 1999
eine Verschwiegenheitspflicht gegenüber der Klägerin verletzt habe. Daher
scheidet insoweit schon mangels Erstbegehung eine Wiederholungsgefahr aus.
2. Auch aus dem Prozeßverhalten des Beklagten ergibt sich damit
- mangels Erstbegehung - keine Wiederholungsgefahr. Sofern das Berufungs-
gericht mit seiner nicht näher begründeten Erwägung zum Prozeßverhalten
(auch) auf die sog. Erstbegehungsgefahr abstellen wollte, tragen die Feststel-
lungen die Entscheidung jedoch ebenfalls nicht. Ein auf Erstbegehungsgefahr
gestützter vorbeugender Unterlassungsanspruch besteht nur, soweit ernsthafte
und greifbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, der Beklagte
werde sich in naher Zukunft in der näher bezeichneten Weise rechtswidrig ver-
halten (BGH, Urt. v. 15. April 1999 - I ZR 83/97, NJW-RR 1999, 1563, 1564
m.w.N.). Eine Erstbegehungsgefahr kann sich zwar unter Umständen auch aus
dem Prozeßverhalten der in Anspruch genommenen Partei ergeben. Die Tatsa-
che allein, daß sich ein Beklagter gegen die Klage verteidigt und dabei die Auf-
fassung äußert, zu dem beanstandeten Verhalten berechtigt zu sein, ist jedoch
nicht als Berühmung zu werten, die eine Erstbegehungsgefahr begründet; an-
dernfalls würde der Beklagte in der wirksamen Verteidigung seines Rechts, in
einem gerichtlichen Verfahren die Rechtmäßigkeit bestimmter Verhaltenswei-
sen klären zu lassen, und in seinem Recht auf rechtliches Gehör beschränkt
(vgl. BGH, Urt. v. 31. Mai 2001 - I ZR 106/99, NJW-RR 2001, 1483, 1484
m.w.N.). Allein aus dem Prozeßverhalten des Beklagten kann somit im vorlie-
genden Fall nicht auf eine Erstbegehungsgefahr hinsichtlich der übrigen Klage-
anträge geschlossen werden.
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III. Da die Sache aufgrund der bisherigen, umfassenden Tatsachenfest-
stellungen des Berufungsgerichts entscheidungsreif ist, hatte der Senat in der
Sache selbst zu entscheiden und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen
(§§ 562, 563 Abs. 3 ZPO n.F.).
Röhricht
Henze
Goette
Kurzwelly
Münke