Urteil des BGH vom 03.05.2006

BGH (erpressung, umfang, aufhebung, stgb, nachteil, strafe, stpo, forderung, beendigung, subjektiv)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 576/06
vom
14. März 2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen erpresserischen Menschenraubes u. a.
- 2 -
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-
anwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 14. März 2007 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Aachen vom 3. Mai 2006 im Fall 1 der Urteilsgründe
a) im Schuldspruch dahin geändert,
dass die Angeklagten der versuchten räuberischen Erpres-
sung in zwei tateinheitlichen Fällen, der Angeklagte R.
M. rechtlich zusammentreffend mit vorsätzlicher Körperver-
letzung, schuldig sind,
b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
im Strafausspruch hinsichtlich des Angeklagten A.
M.
im Einzelstrafausspruch in diesem Fall und im Gesamtstra-
fenausspruch hinsichtlich des Angeklagten R. M. .
2. In Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel,
an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwie-
sen.
3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
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Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten (Fall 1 der Urteilsgründe) des er-
presserischen Menschenraubs, den Angeklagten R. M. weiter (Fall 2 der
Urteilsgründe) der räuberischen Erpressung für schuldig befunden. Es hat den
Angeklagten R. M. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und
drei Monaten (Einzelstrafe für Fall 1: zwei Jahre und sechs Monate, für Fall 2:
drei Jahre) und den Angeklagten A. M. zu einer zur Bewährung aus-
gesetzten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.
1
Die Revisionen haben mit der Sachrüge im aus dem Beschlusstenor ersichtli-
chen Umfang Erfolg, im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349
Abs. 2 StPO.
Das Landgericht hat zu Fall 1 der Urteilsgründe folgendes festgestellt:
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Die Angeklagten brachten zusammen mit zwei weiteren gesondert Verfolgten
die beiden Geschädigten R. und D. L. unter einem Vorwand dazu,
in ihr Fahrzeug einzusteigen. Die Geschädigten wurden am Aussteigen gehin-
dert und zu einem Waldstück gefahren. Während der Fahrt versetzte der Ange-
klagte R. M. dem R. L. einen Faustschlag ins Gesicht. Die An-
geklagten bezichtigten die Geschädigten betrügerischer Machenschaften zum
Nachteil von Landsleuten und forderten zunächst die Zahlung von 100.000 €.
Sie selbst waren von etwaigen Betrügen nicht betroffen, auch waren sie nicht
von Betrugsopfern zur Wahrung ihrer Interessen beauftragt worden. Die einge-
schüchterten Geschädigten wurden schließlich mit der Aufforderung freigelas-
sen, bis zum nächsten Wochenende 25.000 € zu zahlen, andernfalls werde
man sie zu finden wissen, auch ihren Frauen werde etwas passieren. Zahlun-
gen wurden in der Folge nicht geleistet, R. L. erstattete Strafanzeige.
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Das Landgericht hat dieses Geschehen für beide Angeklagte als erpres-
serischen Menschenraub gewertet. Dies hält - wie der Generalbundesanwalt
zutreffend ausgeführt hat - rechtlicher Prüfung nicht stand.
3
Zwar hatten sich die Angeklagten der Geschädigten bemächtigt und un-
ter Drohungen aufgefordert, Zahlungen zu erbringen. Jedoch sollten diese erst
zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem sie aus der Gewalt der Angeklagten ent-
lassen waren. Da die Geschädigten sich das Geld beschaffen mussten, war
Voraussetzung für die Erfüllung der Forderung der Angeklagten die Beendigung
der Bemächtigungslage. Unter diesen Umständen fehlt es an dem zwischen der
Bemächtigungslage und der beabsichtigten Erpressung erforderlichen funktio-
nalen und zeitlichen Zusammenhang und subjektiv auch an der erforderlichen
Absicht des "Ausnutzens" im Sinne von § 239 a StGB (BGH NStZ 2005, 508).
Denn der Zweck der gesetzlichen Regelung besteht gerade darin, das Sichbe-
mächtigen des Opfers deshalb besonders unter Strafe zu stellen, weil der Täter
seine Drohung während der Dauer der Zwangslage jederzeit realisieren kann
(BGHR StGB § 239 a Abs. 1 Sichbemächtigen 5).
4
Tateinheitlich hat sich der Angeklagte R. M. der vorsätzlichen Körper-
verletzung zum Nachteil des Geschädigten R. L. schuldig gemacht.
Durch die auch im Hinblick auf die Körperverletzung beantragte Schuldspruch-
änderung hat der Generalbundesanwalt jedenfalls konkludent das besondere
öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht.
Die Änderung des Schuldspruchs hinsichtlich beider Angeklagten für den
Fall 1 der Urteilsgründe führt zur Aufhebung der insoweit verhängten Strafe
bzw. - soweit es den Angeklagten R. M. betrifft - verhängten Einzelstrafe
und Gesamtstrafe. Hingegen kann die gegen den Angeklagten R. M.
rechtsfehlerfrei festgesetzte weitere Einzelstrafe (Fall 2 der Urteilsgründe) be-
5
- 5 -
stehen bleiben. Der Senat schließt aus, dass sie durch den genannten Rechts-
fehler beeinflusst worden ist.
Rissing-van Saan Bode Otten
Fischer Roggenbuck