Urteil des BGH vom 26.01.2006

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
IX ZR 225/04
Verkündet
am:
26. Januar 2006
Bürk
Justizhauptsekretärin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
StBerG §§ 3, 5, 56; BGB § 134; EGV Art. 49, 50
a) Verpflichtet sich eine Sozietät zur Erbringung steuerberatender Leistungen, ist
der Vertrag jedenfalls dann nichtig, wenn nicht sämtliche Sozien zur geschäfts-
mäßigen Hilfe in Steuersachen befugt sind.
b) Ein EU-Bürger, der in Deutschland keine Zulassung als Steuerberater hat, ist
nicht deswegen zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen befugt, weil er mit
einem deutschen Steuerberater im Inland eine Sozietät gegründet hat.
BGH, Versäumnisurteil vom 26. Januar 2006 - IX ZR 225/04 - LG Düsseldorf
AG
Düsseldorf
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. Januar 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gero Fischer, die
Richter Dr. Ganter und Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Detlev
Fischer
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 22. Zivilkammer
des Landgerichts Düsseldorf vom 26. November 2004 aufgeho-
ben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die in Düsseldorf niedergelassene Klägerin ist eine im Berufsregister
der
Wirtschaftsprüferkammer
eingetragene,
aus
G. und
W. bestehende Sozietät. G. ist in Griechenland als
"Orkotos Elektis" sowie "Logistis Forotechnikos" zugelassen, was nach der Be-
hauptung der Klägerin so viel wie Wirtschaftsprüfer, Buchprüfer und Steuerbe-
rater bedeutet. Er unterhält angeblich Zweigniederlassungen in Athen und
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Korinth. Über eine Zulassung als Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer in
Deutschland verfügt G. nicht. W. ist Steuerberater und Wirt-
schaftsprüfer.
Der Beklagte, der in Düsseldorf einen Bäckerladen betreibt, beauftragte
im Februar 2001 die Klägerin mit seiner Vertretung in steuerlichen Angelegen-
heiten. Die Klägerin stellte von Februar 2001 bis September 2002 für von ihr
erbrachte Buchhaltungsleistungen, eine Gründungsberatung, die Fertigung ei-
nes Jahresabschlusses und einer Einkommensteuererklärung, Korrespondenz
mit dem Finanzamt, das Ausfüllen eines Feststellungsbogens für die AOK und
die Prüfung von Steuerbescheiden Rechnungen über insgesamt 4.380,51 €.
Hierauf bezahlte der Beklagte 2.140,05 €. Die in Rechnung gestellten Leistun-
gen wurden zumindest zum Teil von G. erbracht.
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Die Klägerin macht den Resthonoraranspruch in Höhe von 2.240,46 €
nebst Zinsen geltend. Der Beklagte lehnt weitere Zahlungen ab, weil die kläge-
rische Sozietät überhaupt keine Leistungen nach der Steuerberatergebühren-
verordnung abrechnen dürfe. G. sei in Deutschland nicht zur Hilfeleistung
in Steuersachen befugt.
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Das Amtsgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung des
Resthonorars verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht die
Klage abgewiesen. Mit ihrer zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren
Anspruch weiter.
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Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung. Die Ent-
scheidung ergeht zwar als Versäumnisurteil, jedoch unter Berücksichtigung des
gesamten Sach- und Streitstandes (BGHZ 37, 79, 82).
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I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, ein vertraglicher Zahlungsanspruch
bestehe nicht. Der zwischen den Parteien geschlossene Steuerberatungsver-
trag sei nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen § 5 StBerG nichtig. Weder
die klägerische Sozietät noch ihr Sozius G. seien befugt gewesen,
geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen zu leisten. Die Sozietät erfülle nicht die
Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 1 StBerG. Ob diejenigen für die Bildung
einer internationalen Sozietät nach § 56 Abs. 4 StBerG gegeben seien, könne
offen bleiben, weil dies die ausländischen Sozien nicht berechtige, Steuerbera-
tungsleistungen in Deutschland zu erbringen. Der Sozius
G. , der für die Klägerin Leistungen an den Beklagten erbracht habe,
sei dazu nicht nach § 3 Nr. 1 oder 4 StBerG berechtigt gewesen, weil es sich
nicht um eine grenzüberschreitende Hilfeleistung gehandelt habe. Bereiche-
rungsrechtliche Ansprüche seien durch § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen.
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II.
Dies hält einer rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
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1. Das Berufungsgericht hat vertragliche Ansprüche der Klägerin mit
Recht verneint.
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a) Das Berufungsgericht hat aus der Tatsache, dass der Beklagte der
klägerischen Sozietät Vollmacht erteilt hat, geschlossen, der Klägerin sei
zugleich auch der Auftrag zur entgeltlichen Geschäftsbesorgung (§ 675 BGB)
erteilt worden. Dieser Schluss ist möglich (zur Rechtsfähigkeit einer Außenge-
sellschaft bürgerlichen Rechts vgl. BGHZ 146, 341). In der Revisionsinstanz
wird dagegen nichts erinnert.
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b) Der Vertrag ist jedoch nach § 134 BGB nichtig.
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aa) Maßgeblich sind die Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes in
der Fassung des 7. Änderungsgesetzes zum Steuerberatungsgesetz vom
24. Juni 2000 (BGBl. 2000 I, 874). Dieses ist seit 1. Juli 2000 in Kraft. Die Be-
fugnis zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen wird - abgesehen von dem
hier nicht einschlägigen § 4 StBerG - in § 3 StBerG abschließend geregelt. Die
Klägerin zählt weder zu den in § 3 Nr. 1 StBerG aufgeführten Personen noch zu
den in § 3 Nr. 2 und Nr. 3 StBerG genannten Vereinigungen. § 3 Nr. 1 StBerG
bezieht sich ausschließlich auf natürliche Personen (vgl. BFH BFH/NV 1999,
137). § 3 Nr. 2 StBerG betrifft lediglich Partnerschaftsgesellschaften (vgl. §§ 1 ff
PartGG), Nr. 3 nur Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaf-
ten, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften (vgl.
§§ 32, 49-55 StBerG; §§ 59c-59m BRAO, §§ 1, 27 ff, 128 ff WiPrO). Sozietäten
werden von diesen Vorschriften nicht erfasst.
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bb) Die Befugnis einer Sozietät zur Leistung von Hilfe in Steuersachen
kann entgegen der Auffassung der Revision auch nicht daraus abgeleitet wer-
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den, dass ihre Bildung nach § 44b WiPrO, § 56 Abs. 4 StBerG, § 51 BOStB
statthaft ist. Diese Vorschriften bestimmen lediglich die Grenzen einer zuläs-
sigen beruflichen Kooperation von Mitgliedern der rechts-, wirtschafts- und
steuerberatenden Berufe auf nationaler und europäischer Ebene (vgl. BFH
BFH/NV 1999, 137 f). Sie regeln nicht, ob eine Sozietät oder deren Sozien be-
fugt sind, Steuerberatung zu betreiben. Diese Frage wird allein durch die §§ 3,
4 StBerG beantwortet.
Dementsprechend berechtigt nach allgemeiner Auffassung die berufs-
rechtlich statthafte Bildung einer internationalen Sozietät nach § 56 Abs. 4
StBerG ausländische Sozien nicht, in Deutschland Steuerberatung zu leisten,
es sei denn, sie sind hier nach den §§ 35 ff StBerG zum Steuerberater bestellt
(vgl. BT-Drucks. 12/6753, S. 17; BMF v. 19. März 1998, BStBl. 1998 I, 361;
Kuhls/Maxl, StBerG 2. Aufl. § 56 Rn. 123; Mittelsteiner/Gilgan/Späth, Berufs-
ordnung der Steuerberater 2002 § 51 Rn. 14; Charlier/Peter, StBerG 3. Aufl.
§ 56 Rn. 17; Gehre/von Borstel, Steuerberatungsgesetz 5. Aufl. § 56 Rn. 40;
Späth, Bonner Handbuch der Steuerberatung § 56 StBerG Rn. B 786.3.1.2).
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Da § 56 Abs. 4 StBerG nicht die Befugnis zur geschäftsmäßigen Hilfe in
Steuersachen regelt, kommt es auf die von der Revision aufgeworfene Frage
der Vereinbarkeit dieser Vorschrift mit Art. 49, 50 EGV nicht an.
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cc) Andererseits ging der Gesetzgeber bei der Fassung des § 56 StBerG
davon aus, dass Steuerberatungsleistungen nicht von einer Sozietät erbracht
werden, sondern ausschließlich von ihren Sozien (vgl. BFH BFH/NV 1999,
137 f). Diese Konzeption ist nach der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der
BGB-(Außen-)Gesellschaft durch die Rechtsprechung überholt. Daher könnte
an eine analoge Anwendung des § 3 Nr. 1 bzw. Nr. 2 StBerG auf Sozietäten
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gedacht werden. Der Senat braucht jedoch dazu nicht abschließend Stellung zu
nehmen. Die Erstreckung des § 3 StBerG auf Sozietäten im Wege einer Analo-
gie kommt allenfalls dann in Betracht, wenn sämtliche Sozien in eigener Person
nach § 3 StBerG zur Hilfeleistung befugt sind, mithin die - formalisierten - Anfor-
derungen an Ausbildung, Qualifikation sowie persönliche Eignung und Zuver-
lässigkeit erfüllen, die in der Zulassung zu den in § 3 Nr. 1 StBerG genannten
Berufen oder im Fall des § 3 Nr. 4 StBerG durch eine entsprechende im Aus-
land erworbene Befugnis zum Ausdruck kommt. Darauf kann nicht verzichtet
werden, weil bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts die rechtliche und tat-
sächliche Verantwortung für die Hilfeleistung bei den Gesellschaftern liegt, de-
nen die Geschäftsführung regelmäßig gemeinschaftlich zusteht (§ 709 Abs. 1
BGB).
dd) Im vorliegenden Fall erfüllt der Sozius G. - der die abge-
rechneten Leistungen mindestens teilweise erbracht und durch die Mitunter-
zeichnung der entsprechenden Rechnungen auch nach außen hin die Mitver-
antwortung übernommen hat - nicht die Voraussetzungen des § 3 StBerG.
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(1) G. ist die Tätigkeit als Steuerberater nicht nach § 3 Nr. 1
StBerG gestattet. Diese Bestimmung bezieht sich nur auf Personen, die nach
deutschem Recht zum Steuerberater bestellt worden sind (Gehre/v. Borstel,
aaO § 3 StBerG Rn. 3). G. hat in Deutschland weder eine Steuerbe-
raterprüfung noch eine Eignungsprüfung nach §§ 37a, 37b StBerG abgelegt.
Gegen die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit auf Steuerberater, die
nach deutschem Recht bestellt sind, bestehen auch europarechtlich keine Be-
denken. Durch die Richtlinie 89/48 EWG ist den Mitgliedstaaten die Möglichkeit
eingeräumt worden, für eine qualifizierte Tätigkeit im Aufnahmestaat die Able-
gung einer Eignungsprüfung zu verlangen. Dies hat der deutsche Gesetzgeber
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in § 37a Abs. 2, § 37b StBerG umgesetzt (vgl. dazu Drüen/Thulfaut, IStR 2004,
499, 500).
(2) Zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen ist G.
auch nicht als Wirtschaftsprüfer befugt (§ 3 Nr. 1 StBerG). Dass er in Deutsch-
land gemäß § 15 WPO als Wirtschaftsprüfer zugelassen sei, macht die Klägerin
selbst nicht geltend.
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(3) Ebenso wenig ist G. nach § 3 Nr. 4 StBerG zur geschäfts-
mäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt. Unter diese Vorschrift fallen Per-
sonen (oder Vereinigungen), die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union
außerhalb Deutschlands beruflich niedergelassen sind und dort befugt ge-
schäftsmäßig Hilfe in Steuersachen nach dem Recht des Niederlassungsstaa-
tes leisten, soweit sie mit der Hilfeleistung eine Dienstleistung nach Art. 50 EGV
erbringen. Diese Vorschrift, die auf Art. 49 EGV Bezug nimmt, betrifft aus-
schließlich vorübergehende, grenzüberschreitende Dienstleistungen, d.h. sol-
che, die ohne eine dauerhafte Niederlassung in dem Empfängerstaat durch ei-
nen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleister erbracht werden
(vgl. EuGH, Urt. v. 30. November 1995 - Rs. C-55/94 - Gebhard, EuGHE
1995 I, 4165, 4195 Rn. 27 f; BFH HFR 2003, 502, 503 m.w.N.). Dies kann in
der Weise geschehen, dass ein in einem Mitgliedstaat Geschäftsansässiger
gelegentlich auch Dienstleistungen für Kunden in einem anderen Mitgliedstaat
erbringt, sei es, dass er aus seinem Heimatstaat heraus tätig wird, sei es, dass
er sich dazu in den anderen Mitgliedstaat begibt. Das Merkmal "vorübergehend"
ist nicht nur unter Berücksichtigung der Dauer der Leistung, sondern auch ihrer
Häufigkeit, der regelmäßigen Wiederkehr oder ihrer Kontinuität zu verstehen.
An einer grenzüberschreitenden Tätigkeit fehlt es, wenn sich der Leistungserb-
ringer von einer Niederlassung in einem bestimmten Mitgliedstaat aus werbend
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an das dortige Publikum wendet. Er unterfällt dann nicht der Dienstleistungs-
freiheit nach Art. 50 EGV, sondern ausschließlich den Bestimmungen der
Art. 43-48 EGV über die Niederlassungsfreiheit (vgl. EuGH aaO, S. 4196; Gei-
ger, EUV/EGV 3. Aufl. Art. 50 Rn. 1; Holoubek in: Schwarze, Art. 49 EGV
Rn. 45, Art. 50 Rn. 12).
Nach den im vorliegenden Fall getroffenen Feststellungen waren die Tä-
tigkeiten des G. in Deutschland weder vorübergehend noch grenz-
überschreitend. Sie wurden vielmehr im Rahmen einer kontinuierlichen Berufs-
ausübung von einer festen Niederlassung im Inland aus, nämlich in den Räu-
men der klägerischen Sozietät erbracht. Damit handelt es sich nicht um eine
Dienstleistung im Sinne des Art. 49, 50 EGV.
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Ein Recht zur Niederlassung in Deutschland begründet § 3 Nr. 4 StBerG
nicht (BFH, Beschl. v. 24. September 2003 - X B 105/03, n.v.; Drüen/Thulfaut
IStR 2004, 499, 501). Damit widerspricht die Vorschrift nicht europarechtlichen
Vorgaben. Die Niederlassungsfreiheit verschafft nicht das Recht, in einem an-
deren Mitgliedstaat einen qualifizierten Beruf auszuüben, ohne den dort vorge-
schriebenen Standards zu genügen (BGH, Beschl. v. 19. September 2003
- AnwZ (B) 74/02, NJW 2003, 3706, 3707). Entgegen der Auffassung der Revi-
sion trifft es auch nicht zu, dass den europäischen Rechtsanwälten durch die
Richtlinie 98/5/EG eine weitergehende Niederlassungsfreiheit gewährt worden
ist, woraus sich möglicherweise Gleichstellungsprobleme hätten ergeben kön-
nen. Die Richtlinie wird durch die §§ 1, 2 bis 15, 36 bis 42 des Gesetzes über
die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (EurAG) vom 9. März
2000 (BGBl. I 182) in deutsches Recht umgesetzt. Danach kann zur Rechtsan-
waltschaft in Deutschland nur zugelassen werden, wer eine Eignungsprüfung
abgelegt hat.
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Ob G. im Sinne von Art. 49 EGV (auch) in Griechenland be-
ruflich niedergelassen ist, kann danach offen bleiben.
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ee) Die Vorschrift des § 6 Nr. 4 StBerG erlaubt es der Klägerin nicht,
sämtliche streitgegenständliche Leistungen zu erbringen. Nach § 6 Nr. 4
StBerG fallen das Buchen laufender Geschäftsvorfälle, die laufende Lohnab-
rechnung und das Fertigen der Lohnsteueranmeldungen nicht unter das Verbot
des § 5 StBerG, wenn diese Tätigkeiten durch entsprechend qualifizierte Per-
sonen (sog. "Kontierer") erbracht werden (vgl. BGH, Urt. v. 14. April 2005
- IX ZR 109/04, WM 2005, 1334, 1335). Die Klägerin hat vorgetragen, dass bis
auf die in der Rechnung vom 26. Februar 2001 abgerechnete Gründungsbera-
tung sämtliche Leistungen von dem "besonders erfahrenen" Steuerfachange-
stellten S. erbracht worden seien. Ob S. die in § 6 Nr. 4 StBerG
genannten Voraussetzungen erfüllt, ist nicht entscheidend. Die Klägerin hat
nicht behauptet, dass sich die abgerechneten Leistungen ausschließlich auf
erlaubnisfreie Tätigkeiten bezogen haben.
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ff)
Grundsätzlich
führt ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 StBerG zur
Nichtigkeit des Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 134 BGB (BGHZ 132, 229,
231; BGH, Urt. v. 14. April 2005 aaO S. 1334).
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2. Nach derzeitiger Sach- und Rechtslage können der Klägerin jedoch
Ansprüche aufgrund ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB)
zustehen.
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a) Der Beklagte hat die Dienste der Klägerin ohne rechtlichen Grund er-
langt, so dass diese - falls nicht § 817 Satz 2 BGB entgegensteht - einen An-
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spruch auf Wertersatz hat (§§ 812, 818 Abs. 2 BGB). Dieser richtet sich nach
der Höhe der üblichen oder hilfsweise nach der angemessenen, vom Vertrags-
partner ersparten Vergütung (BGHZ 70, 12, 17; BGH, Urt. v. 17. Februar 2000
- IX ZR 50/98, NJW 2000, 1560, 1562). Die Dienstleistung aufgrund eines nich-
tigen Geschäftsbesorgungsvertrages ist nicht wertlos, wenn der Leistungs-
empfänger sonst eine andere - zur Geschäftsbesorgung befugte - Person be-
auftragt hätte und dieser eine entsprechende Vergütung hätte bezahlen müs-
sen. Dass der Beklagte, falls er gewusst hätte, dass die Klägerin nicht befugt
ist, geschäftsmäßige Hilfe in Steuersachen zu leisten, einen zur steuerlichen
Beratung befugten Dritten beauftragt hätte, ist nahe liegend, weil er zur Abgabe
der Steuererklärungen verpflichtet war. Diesem Dritten hätte der Beklagte auch
eine Vergütung zahlen müssen. Eine Abwicklung nach Bereicherungsrecht ist
insbesondere dann angemessen, wenn die Nichtigkeit des Vertrags auch er-
laubte Leistungen erfasst (BGHZ 50, 90, 92; BGH, Urt. v. 17. Februar 2000
aaO). Dies kann vorliegend der Fall gewesen sein.
b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sind Bereicherungsan-
sprüche nicht zwingend nach § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen.
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aa) Die Anwendung des § 817 Satz 2 BGB setzt voraus, dass der Leis-
tende vorsätzlich verbotswidrig gehandelt hat (BGHZ 50, 90, 92). Dem steht es
gleich, wenn er sich der Einsicht in das Verbotswidrige seines Handelns leicht-
fertig verschlossen hat (BGH, Urt. v. 9. Oktober 1991 - VIII ZR 19/91, NJW
1992, 310, 311; v. 23. Februar 2005 - VIII ZR 129/04, NJW 2005, 1490, 1491).
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bb) Nach der von der Revision nicht angegriffenen Feststellung des Be-
rufungsgerichts wusste G. zwar, "dass er die Voraussetzungen für
die Ausübung des Berufes eines Steuerberaters in Deutschland nicht erfüllt".
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Darauf kommt es jedoch nicht an, weil Leistender nicht G. , sondern
die Klägerin war. Dass G. gewusst habe, auch die Klägerin sei nicht
berechtigt, steuerberatende Leistungen zu erbringen und abzurechnen, ist nicht
festgestellt. Da die Klägerin ihre Klage auf den Standpunkt stützt, unabhängig
davon, was G. erlaubt gewesen sei, habe jedenfalls sie - die Klägerin -
befugtermaßen Hilfe in Steuersachen geleistet, behauptet sie insofern zugleich
die Gutgläubigkeit des G. . Dies wird der Tatrichter zu prüfen haben.
Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass das OLG Düsseldorf durch Ur-
teil vom 29. April 2003 (23 U 171/02) den damals als einzelne Sozien auftreten-
den Gesellschaftern der Klägerin bescheinigt hat, sie seien grundsätzlich be-
rechtigt, Steuerberaterhonorar zu liquidieren. Ob G. als Steuerberater
im Sinne des Steuerberatungsgesetzes zu behandeln sei, könne dahin stehen,
da W. unstreitig Steuerberater sei. Unerheblich sei auch, wer die tatsächli-
che Beratung durchführe, weil W. in jedem Fall für die Beratung verantwort-
lich sei. Im vorliegenden Verfahren hat das erstinstanzliche Gericht diesen
Rechtsstandpunkt geteilt. Dieser entspricht genau der Rechtsauffassung der
Klägerin. Deshalb kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, das
Gegenteil habe derart klar zutage gelegen, dass die Klägerin sich dieser Ein-
sicht mutwillig verschlossen habe.
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Beachtlich ist in diesem Zusammenhang ferner der Umstand, dass das
Berufungsgericht die Revision zugelassen hat. Dies ist geschehen, damit
höchstrichterlich entschieden wird, ob die gemeinsame Berufsausübung im
Rahmen einer Sozietät, von denen ein Sozius nicht die Voraussetzungen für die
Ausübung des Berufs eines Steuerberaters in Deutschland aufweist, jedoch
Wirtschaftsprüfer und Steuerberater nach griechischem Recht ist, zulässig ist.
Dies kann darauf hindeuten, dass es sich in dem Zeitpunkt, als die Klägerin die
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streitgegenständlichen Leistungen erbrachte, um eine nicht einfach zu beant-
wortende Frage handelte.
III.
Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache
ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1
Satz 1 ZPO). Unabhängig davon weiß die Klägerin künftig, dass sie zur Erbrin-
gung geschäftsmäßiger Hilfe in Steuersachen nicht befugt ist.
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Dr.
Gero
Fischer
Dr.
Ganter
Vill
Lohmann
Dr.
Detlev
Fischer
Vorinstanzen:
AG Düsseldorf, Entscheidung vom 12.12.2003 - 20 C 11478/03 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 26.11.2004 - 22 S 53/04 -