Urteil des BGH vom 23.07.2004

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 255/03
vom
23. Juli 2004
in dem Insolvenzverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
InsVV § 8 Abs. 3
Der Auslagenpauschsatz nach § 8 Abs. 3 InsVV kann nur bis zu dem Zeitpunkt
verlangt werden, zu dem bei ordnungsgemäßer Durchführung des Verfahrens
die insolvenzrechtlich erforderliche Tätigkeit abgeschlossen worden wäre; eine
verspätete Vorlage des Abschlußberichts und Beschwerden des Insolvenzver-
walters gegen die Festsetzung der Vergütung begründen keine weitergehen-
den Ansprüche auf Auslagenpauschsätze.
BGH, Beschluß vom 23. Juli 2004 - IX ZB 255/03 -
LG Hannover
AG Hannover
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Kreft und die Richter Dr. Fischer, Dr. Ganter, Kayser und Vill
am 23. Juli 2004
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 20. Zivilkammer
des Landgerichts Hannover vom 30. September 2003 wird auf
Kosten des Insolvenzverwalters zurückgewiesen.
Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens: 576,10 €.
Gründe:
I.
Mit Beschluß vom 31. August 2000 eröffnete das Amtsgericht das Insol-
venzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den Rechts-
beschwerdeführer zum Insolvenzverwalter. Am 21. Januar 2002 erstellte dieser
einen Sachstandsbericht, daß die Einstellungsreife erreicht sei. Es sei lediglich
noch eine Umsatzsteuererklärung bei dem Finanzamt einzureichen und der
entsprechende Steuerbescheid abzuwarten. Der Steuerberater, der die Um-
satzsteuererklärung fertigte, berechnete seine Kosten unter dem 27. Mai 2002.
Nach mehreren Mahnungen des Insolvenzgerichts überreichte der Insolvenz-
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verwalter mit Schreiben vom 27. Januar 2003 die Schlußrechnung und bean-
tragte, seine Vergütung auf insgesamt 20.249,98 € festzusetzen.
Das Amtsgericht hat die Vergütung auf 4.966,40 € zuzüglich Umsatz-
steuer (794,62 €) sowie eine Auslagenpauschale für das erste Jahr in Höhe
von 744,96 € und für das zweite Jahr in Höhe von 496,64 €, jeweils zuzüglich
Umsatzsteuer (insgesamt 198,66 €) festgesetzt.
Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde des Insolvenzverwalters
zurückgewiesen.
Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Insolvenzverwalter sein Festset-
zungsbegehren hinsichtlich eines dritten Auslagenjahrespauschbetrages wei-
ter. Er ist zudem der Auffassung, daß er mittlerweile auch Anspruch auf einen
vierten Jahresauslagenpauschbetrag habe, den er nach der Entscheidung über
die Rechtsbeschwerde beantragen werde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 7, 64 Abs. 3 InsO, § 574 Abs. 1
Nr. 1 ZPO) und auch im übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Sie ist jedoch
unbegründet.
1. Der Senat hat in der Parallelsache IX ZB 257/03 mit Beschluß vom
heutigen Tage (zur Veröffentlichung bestimmt) entschieden, daß der Ausla-
genpauschsatz vom Insolvenzverwalter für jedes angefangene Folgejahr in
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Höhe von 10 v.H. der gesetzlichen Vergütung gefordert werden kann, höch-
stens jedoch in Höhe von 250 € je angefangenem Monat der Dauer der Tätig-
keit. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird Bezug genommen.
2. Der Auslagenpauschsatz kann nach § 8 Abs. 3 InsVV jedoch nur ge-
fordert werden für die Jahre, in denen der Insolvenzverwalter insolvenzrecht-
lich notwendige Tätigkeiten erbracht hat.
a) Das Beschwerdegericht hat insoweit ausgeführt, dem Insolvenzver-
walter stehe ein Auslagenpauschsatz für ein drittes Jahr nicht zu. Die Ausla-
generstattung sei von einer tatsächlichen Tätigkeit des Insolvenzverwalters für
das Insolvenzverfahren abhängig. Das Verfahren habe bei ordnungsgemäßer
Bearbeitung binnen zwei Jahren abgeschlossen werden können. Der Be-
schwerdeführer habe selbst bereits am 21. Januar 2002 festgestellt, daß Ein-
stellungsreife gegeben sei. Auch die noch fehlende Umsatzsteuererklärung
habe bereits in den ersten Monaten des Jahres 2002 vorgelegen. Eine weitere
Tätigkeit lasse sich dem Journaldruck zum Insolvenzsonderkonto nicht ent-
nehmen. Danach sei die Verwertung der Insolvenzmasse vor Ablauf des zwei-
ten Jahres beendet gewesen mit der Folge, daß die Schlußverteilung hätte er-
folgen können. Die Auslagenpauschale könne nicht mehr für einen Zeitraum
geltend gemacht werden, die für eine ordnungsgemäße Beendigung des Ver-
fahrens nicht mehr benötigt worden wäre. Der Umstand, daß der Insolvenzver-
walter erst nach Sachstandsanfragen des Insolvenzgerichts vom 26. August
2002, 29. Oktober 2002 und 4. Dezember 2002 am 20. Januar 2003 eine
Schlußrechnung überreicht habe, sei unerheblich; diese Verzögerungen seien
unabhängig von der Einstellungsreife des Verfahrens entstanden und hätten
keine Auslagen ausgelöst, die nicht auch bei zügiger Beendigung des Insol-
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venzverfahrens innerhalb des zweiten Jahres angefallen wären. Der Umstand,
daß eine Einstellung des Insolvenzverfahrens noch nicht erfolgen könne, weil
Rechtsmittel gegen den Beschluß über die Insolvenzverwaltervergütung einge-
legt worden sei, führe nicht zu einem weiteren Auslagenpauschanspruch.
b) Die gegen diese Ausführungen des Beschwerdegerichts erhobenen
Angriffe der Rechtsbeschwerde greifen nicht durch. Der Sinn der Pauschalie-
rungsregelung des § 8 Abs. 3 InsVV besteht darin, dem Insolvenzverwalter und
dem Gericht die aufwendige Vorlage und Prüfung von Einzelbelegen zu erspa-
ren (Amtliche Begründung zu § 8 Abs. 3, abgedruckt bei Haarmey-
er/Wutzke/Förster, InsVV 3. Aufl. S. 54, 55). Sie hat nicht das Ziel, den Vergü-
tungsanspruch des Insolvenzverwalters auf mittelbare Weise zu erhöhen.
Die Ziele des Insolvenzverfahrens für die Gläubigerbefriedigung und
gegebenenfalls die Sanierung des Unternehmens sollen möglichst rasch er-
reicht werden. Das Insolvenzverfahren ist deshalb beschleunigt durchzuführen
(vgl. etwa BGH, Beschl. v. 13. Februar 2003 - IX ZB 368/02, ZIP 2003, 726,
727; MünchKomm-InsO/Stürner, Einleitung Rn. 29). Mit diesem Grundsatz der
Verfahrensbeschleunigung wäre es nicht vereinbar, wenn der Insolvenzverwal-
ter den Abschluß des Verfahrens verzögern könnte, um auf diese Weise den
Anspruch auf weitere Auslagenpauschsätze zu erlangen. Ein Auslagenpausch-
betrag nach § 8 Abs. 3 InsO kann deshalb nur bis zu dem Zeitpunkt verlangt
werden, in dem das Insolvenzverfahren abschlußreif ist. Der Umstand, daß der
Insolvenzverwalter den Abschlußbericht nicht vorlegt, obwohl ihm dies möglich
ist, verlängert ebensowenig wie ein Rechtsmittel des Insolvenzverwalters ge-
gen die Vergütungsfestsetzung den berücksichtigungsfähigen Zeitraum der
Tätigkeit des Insolvenzverwalters i.S.d. § 8 Abs. 3 InsVV.
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3. Die Rechtsbeschwerde greift die Feststellung des Beschwerdege-
richts nicht an, daß das Insolvenzverfahren innerhalb des zweiten Jahres hätte
abge-
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schlossen werden können. Damit kann für weitere Jahre ein Auslagenpausch-
satz nicht verlangt werden.
Kreft Fischer Ganter
Kayser Vill