Urteil des BGH vom 08.06.2000

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 186/99
Verkündet am:
8. Juni 2000
Freitag
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
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BGB § 654
Zur Frage der Verwirkung des Anspruchs einer Gesellschaft bürgerlichen
Rechts auf Vermittlungsmaklerprovision, wenn einer der Gesellschafter zu-
gleich als Rechtsanwalt für die Gegenseite tätig geworden und dies nicht
offengelegt worden ist.
BGH, Urteil vom 8. Juni 2000 - III ZR 186/99 - OLG Frankfurt am Main
LG Frankfurt am Main
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Juni 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter
Dr. Wurm, Streck, Schlick und Dörr
für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 19. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 9. Juni 1999
wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tra-
gen.
Von Rechts wegen
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Tatbestand
Die Rechtsvorgängerin der klagenden GmbH, die Immobiliengesellschaft
bürgerlichen Rechts R. & A., war von den Berechtigten damit beauftragt wor-
den, die Reprivatisierung des volkseigenen Grundstücks K.-straße 14 in Leip-
zig herbeizuführen und dieses Grundstück zum Verkauf zu bringen. Am 28. Mai
1991 schloß die Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit dem Beklagten einen
schriftlichen Maklervertrag, betreffend die Vermittlung des Ankaufs dieses Ob-
jekts. In diesem Vertrag heißt es unter anderem:
"Die Käufer sind am Ankauf von Immobilien in der Stadt Leipzig in-
teressiert. Das gegebene Interesse bezieht sich auf Immobilien, die
noch reprivatisiert werden müssen, d.h. die gegenwärtig im Grund-
buch noch als staatliches Eigentum ausgewiesen sind, bei denen je-
doch die Verkäufer entsprechende Ansprüche bei der Stadtverwal-
tung Leipzig geltend gemacht haben. Der Immobilienmakler repriva-
tisiert im Auftrag der Verkäufer Immobilien und ist von diesen beauf-
tragt worden, diese Immobilien zum Verkauf zu bringen, wobei sich
der Auftrag dabei sowohl auf den Verkauf des Anspruchs vor Repri-
vatisierung als auch den Verkauf nach erfolgter Reprivatisierung be-
zieht.
Für die erfolgreiche Vermittlung eines zum Verkauf kommenden Im-
mobilienreprivatisierungsanspruches bzw. einer Immobilie erhält der
Immobilienmakler nach erfolgter notarieller Beurkundung vom Käu-
fer:
... Maklerprovision ..., ... die spätestens 10 Tage nach Eintragung
der Auflassungsvormerkung zu zahlen" ist.
Aufgrund dieser Vermittlung erwarb der Beklagte für die Firma P. G.
mbH, Frankfurt, durch notariellen Vertrag vom selben Tage von den Berech-
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tigten die Reprivatisierungsansprüche auf das Grundstück. Das Grundstück
wurde durch Bescheid vom 10. Oktober 1994 reprivatisiert; in der Folgezeit
- nach dem 1. Januar 1996 - wurde zugunsten der Erwerberin eine Auflas-
sungsvormerkung eingetragen.
Die Klägerin, die sämtliche Aktiva und Passiva der inzwischen aufgelö-
sten Immobiliengesellschaft R. & A. übernommen hat, verlangt von dem Be-
klagten Zahlung der vereinbarten Vermittlungsprovision in rechnerisch unstrei-
tiger Höhe von (noch) 14.960 DM nebst Zinsen.
Der Beklagte hält seiner Zahlungspflicht im wesentlichen entgegen, der
Maklervertrag sei wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz nichtig;
außerdem sei ein etwaiger Provisionsanspruch verwirkt.
Die Vorinstanzen haben den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung ver-
urteilt; mit der zugelassenen Revision verfolgt er seinen Klageabweisungsan-
trag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1.
Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß der Maklerver-
trag zwischen der Immobiliengesellschaft bürgerlichen Rechts R. & A. und dem
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Beklagten nicht gegen das Verbot unerlaubter Rechtsberatung (Art. 1 § 1
Abs. 1 RBerG) verstoßen hat.
a) Dabei kann dahingestellt bleiben, ob ein solcher Verstoß von vorn-
herein bereits tatbestandsmäßig deswegen ausschied, weil einer der Gesell-
schafter, R., im fraglichen Zeitraum als Rechtsanwalt zugelassen war.
b) Jedenfalls scheitert ein Verstoß daran, daß der Immobiliengesell-
schaft die Reprivatisierung des Grundstücks K.-straße 14 als möglicher Ge-
genstand der Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sinne des Art. 1
§ 1 Abs. 1 RBerG nicht gegenüber dem Beklagten obgelegen hat. In dem
Maklervertrag war vielmehr eindeutig klargestellt, daß die Immobiliengesell-
schaft bei der Reprivatisierung im Auftrag der Verkäufer tätig wurde. Demnach
haben beide Vorinstanzen zutreffend festgestellt, daß die Reprivatisierung kei-
ne Leistung war, die die Makler dem Beklagten versprochen hatten, auch nicht
als Inhalt der Vermittlung oder als Bedingung des Entstehens des Provisions-
anspruchs. Auch die Revision nimmt ausdrücklich hin, daß die Immobilienge-
sellschaft in dem Vertrag gegenüber dem Beklagten keine Verpflichtung einge-
gangen war, das Reprivatisierungsverfahren zu betreiben.
c) Entgegen der Auffassung der Revision kann auch nicht davon ausge-
gangen werden, daß der Maklervertrag in einem "unmittelbaren und untrennba-
ren Zusammenhang" mit der Rechtsbesorgung der Immobiliengesellschaft ge-
genüber den Verkäuferinnen gestanden habe. Das Gelingen der Reprivatisie-
rung war zwar Voraussetzung für das Entstehen des Provisionsanspruchs. Ein
rechtlicher Zusammenhang zwischen dem Zustandekommen des Maklervertra-
ges und der Wirksamkeit der auf die Reprivatisierung gerichteten Vereinbarung
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zwischen den Maklern und der Verkäuferseite wurde dadurch indessen nicht
geschaffen. Es bewendete vielmehr bei der jedem gewöhnlichen Maklervertrag
zugrundeliegenden Konstellation, daß das Zustandekommen des Hauptvertra-
ges Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs auf Maklerlohn ist, wobei
hier lediglich als zusätzliche tatsächliche Voraussetzung die Reprivatisierung
hinzukommen sollte.
2.
Der Maklervertrag ist auch nicht mit sonstigen Nichtigkeitsgründen be-
haftet. Der Umstand, daß der Gesellschafter R. seinerzeit Rechtsanwalt gewe-
sen war, hinderte das wirksame Zustandekommen des Vertrages nicht. Anders
als für Notare gibt es keine gesetzliche Vorschrift, die eine makelnde Tätigkeit
von Rechtsanwälten allgemein im Sinne von § 134 BGB verbietet (BGH, Urteil
vom 31. Oktober 1991 - IX ZR 303/90 = NJW 1992, 681, 682). Die ständige
Ausübung des Berufs eines Maklers ist allerdings für einen Rechtsanwalt un-
zulässig (BGH aaO m.w.N.). Selbst wenn R. indessen damals durch eine sol-
che ständige Ausübung des Maklerberufs gegen anwaltliches Standesrecht
verstoßen haben sollte, bewirkte dies nicht automatisch die Sittenwidrigkeit
(§ 138 BGB) aller von der Immobiliengesellschaft abgeschlossenen Maklerver-
träge. Denn nicht schon jeder Standesverstoß eines an eine Standesordnung
gebundenen Vertragsteils macht das Rechtsgeschäft sittenwidrig; vielmehr
kommt es stets auf alle Umstände des Einzelfalls an (Senatsurteil vom
18. März 1999 - III ZR 93/98 = NJW 1999, 2360 = BGHR BGB § 138 Abs. 1
Architektenvertrag 2). Zwar hat der IX. Zivilsenat in seinem Urteil vom 31. Ok-
tober 1991 (aaO) die Sittenwidrigkeit des damals in Rede stehenden Makler-
vertrages mit der Erwägung verneint, der betroffene Rechtsanwalt sei lediglich
in einem durch besondere Umstände geprägten Einzelfall als Makler tätig ge-
worden. Daraus kann indessen nicht die Folgerung gezogen werden, daß
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sämtliche Maklerverträge einer auf diesem Gebiet gewerblich tätigen Perso-
nengesellschaft schon deswegen sittenwidrig sind, weil an dieser ein Rechts-
anwalt als Mitglied beteiligt ist. Eine so weitreichende Sanktion stünde zu dem
Ziel, die Wahrung des anwaltlichen Standesrechtes sicherzustellen, jedenfalls
dann außer Verhältnis, wenn - wie hier - der Rechtsanwalt gegenüber dem
Kunden (dem Beklagten) allein in seiner Eigenschaft als Makler tätig wird (vgl.
Staudinger/Sack, BGB 13. Bearb. 1996 § 138 Rn. 425); vielmehr stellt insoweit
bereits die Bundesrechtsanwaltsordnung ein geeignetes und ausreichendes
Instrumentarium zur Verfügung (vgl. BGH, Beschluß vom 10. November 1975
- AnwZ (B) 12/75 = LM BRAO § 7 Ziffer 8 Nr. 31 m.w.N.). Der mögliche Stan-
desverstoß wog daher nicht so schwer, als daß er die zivilrechtliche Gültigkeit
des hier in Rede stehenden Maklergeschäfts hätte beeinträchtigen können.
Ebensowenig verstieß die Vereinbarung einer Maklerprovision gegen das für
Rechtsanwälte geltende Verbot der Vereinbarung eines Erfolgshonorars, da
der Gesellschafter R. für den Beklagten gerade nicht als Anwalt, sondern aus-
schließlich als Makler tätig geworden war (vgl. BGH, Urteil vom 31. Oktober
1991 aaO).
3.
Der Provisionsanspruch ist im vorliegenden Fall auch nicht nach § 654
BGB verwirkt.
a) Es kann dahinstehen, ob die Immobiliengesellschaft wegen ihrer Be-
ziehungen zur Verkäuferseite, insbesondere wegen der anwaltlichen Tätigkeit
des Gesellschafters R. für diese bei der Reprivatisierung der Grundstücke, die-
ser gegenüber die Stellung eines "Vertrauensmaklers" gehabt hat. Selbst wenn
man dies - abweichend von dem Berufungsgericht - bejahen würde, würde die-
ser Umstand für sich allein genommen noch keinen Fall verbotener Doppeltä-
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tigkeit im Sinne des § 654 BGB begründen. Denn nicht mit jeder vermittelnden
Tätigkeit nach beiden Seiten verwirkt der Makler seinen Provisionsanspruch
gewissermaßen "automatisch". Entscheidend hierfür ist vielmehr, ob der Makler
mit seiner Tätigkeit das Vertrauen und die Interessen seiner Auftraggeber ver-
letzt. Dies ist etwa dann nicht der Fall, wenn er ihnen seine Tätigkeit für die
jeweils andere Seite offenlegt und sich darauf beschränkt, als "ehrlicher Mak-
ler" zwischen ihren Interessen zu vermitteln (st. Rspr.; vgl. zuletzt Senatsurteil
vom 11. November 1999 - III ZR 160/98 = VersR 2000, 182, 183 m.zahlr.w.N.).
b) In dem hier zu beurteilenden Fall hatte die Immobiliengesellschaft in
dem schriftlichen Maklervertrag eindeutig und unmißverständlich klargestellt,
daß sie im Auftrag der Verkäufer Immobilien reprivatisiere und von diesen be-
auftragt worden sei, diese Immobilien zum Verkauf zu bringen. Damit hatte die
Immobiliengesellschaft dem Beklagten insbesondere den wesentlichen Um-
stand offengelegt, daß sie beim Zustandekommen des Kaufs auch die Interes-
sen der Verkäuferseite wahrnahm. Damit war sie ihrer Informationspflicht im
vorbezeichneten Sinne hinreichend nachgekommen. Die weitere Feststellung
des Berufungsgerichts, daß die Immobiliengesellschaft ihre Neutralitätspflicht
als Doppelvermittlungsmaklerin nicht konkret verletzt habe, wird von der Revi-
sion ausdrücklich hingenommen.
c) Auch eine sonstige schwere Treuepflichtverletzung, die eine Verwir-
kung des Provisionsanspruchs in analoger Anwendung des § 654 BGB recht-
fertigen könnte, ist nicht ersichtlich. Die Revision erblickt eine solche insbe-
sondere darin, daß die Immobiliengesellschaft - unstreitig - nicht offengelegt
habe, daß eines ihrer Mitglieder Rechtsanwalt gewesen und als solcher für die
Verkäuferseite tätig geworden sei. Der Senat hat bereits Zweifel, ob insoweit
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überhaupt eine Offenbarungspflicht gegenüber dem Beklagten bestanden hat.
Dagegen spricht nämlich die Erwägung, daß die anwaltlichen Reprivatisie-
rungsbemühungen des Gesellschafters R. eine sachgerechte Vermittlungstä-
tigkeit der Immobiliengesellschaft für beide Seiten keineswegs von vornherein
ausschlossen. Diese Frage braucht indessen nicht abschließend geklärt zu
werden. Dem Berufungsgericht ist jedenfalls darin beizupflichten, daß ein Ver-
stoß der Immobiliengesellschaft gegen eine etwaige Offenbarungspflicht nicht
ein solches Gewicht hatte, daß er den Wegfall des Provisionsanspruchs (oder
eine Anfechtbarkeit des Vertrages wegen arglistiger Täuschung) hätte begrün-
den können. Zwar mag die Pflicht des Rechtsanwalts, die Interessen seines
Mandanten wahrzunehmen, gegenüber der Interessenwahrnehmungspflicht
eines Maklers eine größere Intensität haben. Andererseits beschränkte sich die
anwaltliche Tätigkeit des Gesellschafters R. auf die Reprivatisierungsbemü-
hungen und diente insoweit auch dem wohlverstandenen Interesse des Be-
klagten, indem sie die Voraussetzungen für den Erwerb des Grundstücks
schaffen sollte. Außerdem war der Umstand, daß und mit welcher Zielrichtung
die Immobiliengesellschaft auch für die Verkäuferseite tätig wurde, in dem Ver-
trag offengelegt worden; das mögliche Informationsdefizit betraf dementspre-
chend nicht
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die Bindung als solche, sondern lediglich deren Intensität. Die Unvollständig-
keit in diesem einen Punkt vermag vor dem Hintergrund der weiteren Feststel-
lung, daß der Immobiliengesellschaft eine konkrete Verletzung der Neutrali-
tätspflicht nicht vorgeworfen werden kann, den Bestand des Provisionsan-
spruchs nicht in Frage zu stellen.
Rinne Wurm Streck
Schlick Dörr