Urteil des BGH vom 30.06.2008

BGH (zpo, überwiegendes interesse, antrag, einstellung, schuldner, nachteil, zwangsvollstreckung, beschwer, miete, frist)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VIII ZR 98/08
vom
30. Juni 2008
in dem Rechtsstreit
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Juni 2008 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, die Richter Wiechers und Dr. Frellesen sowie die
Richterinnen Hermanns und Dr. Milger
beschlossen:
Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Ur-
teil des Landgerichts Traunstein vom 5. März 2008 in Verbindung
mit dem Urteil des Amtsgerichts Laufen vom 13. November 2007
wird abgelehnt.
Gründe:
Nach § 719 Abs. 2 ZPO, der gemäß § 544 Abs. 5 Satz 2 ZPO in dem
hier gegebenen Fall der Nichtzulassungsbeschwerde entsprechend anwendbar
ist, kann das Revisionsgericht die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstre-
ckung aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil anordnen, wenn die
Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen wür-
de und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Eine
solche Einstellung kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
aber nicht in Betracht, wenn der Schuldner es im Berufungsverfahren versäumt
hat, einen Vollstreckungsschutzantrag (§ 712 ZPO) zu stellen oder bei einem
Übergehen eines derartigen Antrags durch das Berufungsgericht Urteilsergän-
zung gemäß §§ 716, 321 ZPO zu beantragen (Senatsbeschluss vom 9. August
2004 - VIII ZR 178/04, WuM 2004, 553; BGH, Beschluss vom 27. August 1998
- XII ZR 167/98, NJW-RR 1998, 1603; Beschluss vom 24. November 1999
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- XII ZR 69/99, NJW-RR 2000, 746). Dasselbe gilt, wenn das Berufungsgericht
es versäumt hat, über eine Abwendungsbefugnis gemäß § 711 ZPO zu ent-
scheiden, und der Schuldner daraufhin keinen Antrag auf Urteilsergänzung
stellt (Senatsbeschluss vom 9. August 2004, aaO; BGH, Beschluss vom
16. Februar 1984 - III ZR 87/83, NJW 1984, 1240).
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So liegt der Fall hier. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit allein auf § 708 Nr. 10 ZPO gestützt und somit
eine Entscheidung über die Abwendungsbefugnis nicht getroffen. Hiergegen
hätte die Beklagte Urteilsergänzung beantragen können. Ein Fall des § 713
ZPO, in dem eine Schuldnerschutzanordnung gemäß §§ 711 oder 712 ZPO
unterbleiben soll, lag nicht vor, weil gegen das Berufungsurteil das Rechtsmittel
der Nichtzulassungsbeschwerde gegeben ist. Die Beschwer der Beklagten
durch den Räumungsausspruch bemisst sich gemäß §§ 8, 9 ZPO nach dem
dreieinhalbfachen Jahreswert der Miete, so dass der Zulässigkeitsstreitwert für
die Nichtzulassungsbeschwerde von mehr als 20.000 € gemäß § 26 Nr. 8
EGZPO erreicht ist.
Ein unersetzlicher Nachteil der Beklagten ist mithin schon deshalb zu
verneinen, weil sie keinen Antrag auf Ergänzung des Berufungsurteils im Hin-
blick auf die darin unterbliebene Entscheidung über die Abwendungsbefugnis
gemäß § 711 ZPO gestellt hat.
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Über den am 26. Juni 2008 außerdem hilfsweise gestellten Antrag auf
Verlängerung der am 30. Juni 2008 ablaufenden Räumungsfrist hat der Senat
nicht zu entscheiden. Ein Antrag auf Verlängerung einer bewilligten Räumungs-
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frist ist bei dem gemäß § 721 Abs. 4 ZPO zuständigen Gericht - hier dem erst-
instanzlichen Gericht - zu stellen.
Ball
Wiechers
Dr. Frellesen
Hermanns
Dr. Milger
Vorinstanzen:
AG Laufen, Entscheidung vom 13.11.2007 - 3 C 258/07 -
LG Traunstein, Entscheidung vom 05.03.2008 - 3 S 4221/07 -