Urteil des BGH vom 21.10.2004

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 38/04
Verkündet am:
21. Oktober 2004
Freitag
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. Oktober 2004 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Streck, Dr. Kapsa, Galke und Dr. Herrmann
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 6. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 17. Dezember 2003 wird
zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der frühere Regierungsobersekretär K. war im Berufsförderungs-
dienst des Kreiswehrersatzamtes K. tätig. Aufgabe dieses Dienstes ist
es, den aus der Bundeswehr ausscheidenden Zeitsoldaten nach Maßgabe der
§§ 3 ff des Soldatenversorgungsgesetzes die Eingliederung in einen zivilen
Beruf zu erleichtern. Das geschieht unter anderem durch die finanzielle Förde-
rung von Fortbildungsmaßnahmen. K. hatte als sogenannter Kostenfestset-
zer die von den Soldaten und den Bildungsträgern eingereichten Rechnungen
auf rechnerische Richtigkeit zu prüfen und entsprechende Auszahlungsanord-
nungen an die Bundeswehrkasse, später an die Bundeskasse (im folgenden
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einheitlich: Bundeskasse) vorzubereiten. Diese Stellung nutzte K. , um
- ohne rechtliche Grundlage - Überweisungen der Bundeskasse in Höhe von
insgesamt etwa 2,35 Mio. DM an Verwandte und Bekannte zu bewirken. Auf
diese Weise erhielt auch die Beklagte in der Zeit von August 2001 bis Januar
2002 insgesamt 8.191,96 € aus der Bundeskasse; sie hatte K. sexuelle
Dienste geleistet.
Die klagende Bundesrepublik Deutschland fordert von der Beklagten die
empfangenen 8.191,96 € nebst Zinsen unter dem Gesichtspunkt der unge-
rechtfertigten Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) zurück. Sie hat behaup-
tet, die Beklagte habe gewußt, daß K. die Zahlungen der Bundeskasse in
unrechtmäßiger Weise veranlaßt habe. Die Beklagte hat das bestritten und
geltend gemacht, K. habe regelmäßig ihre Dienstleistungen in Anspruch
genommen. Aufgrund seiner Angaben habe sie angenommen, bei den von der
Bundeskasse überwiesenen Beträgen handele es sich um Teile von K.
Gehalt; K. habe ihr die Überweisungen als Bezahlung für die gewährten
sexuellen Handlungen angekündigt.
Landgericht und Berufungsgericht haben der Klage bis auf einen Teil
des Zinsanspruchs stattgegeben. Mit der von dem Berufungsgericht zugelas-
senen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die vollständige Abweisung der
Klage.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
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I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Die Klage könne sich auf § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB stützen; die
Überweisungen der Bundeskasse seien eine rechtsgrundlose Leistung der Klä-
gerin an die Beklagte gewesen. Die Überweisungen seien nicht im Rahmen
einer - vorrangigen - Leistungsbeziehung zwischen der Beklagten und K.
erfolgt.
Es sei zwar nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen, daß sich der
Zahlungsvorgang aus Sicht der Beklagten als Anweisungssituation, nämlich als
Zahlung des Prostituiertenlohns im Wege der Anweisung von K. an die
Bundeskasse, dargestellt habe. Die Beklagte habe offenbar gedacht, K.
habe jeweils eine gerade Summe seines Gehalts sich und den ungeraden
Restbetrag ihr zur Zahlung angewiesen oder anweisen lassen. Allein eine sol-
che Vorstellung des Zuwendungsempfängers entscheide jedoch unter keinen
Umständen über die Person des Leistenden und die Lage der Leistungsbezie-
hungen. Dementsprechend werde der gute Glaube der Beklagten, sie habe die
Zahlungen kraft Anweisung von K. an die Bundeskasse erhalten, berei-
cherungsrechtlich nicht geschützt. Es hätten anweisungslose Zahlungsvorgän-
ge der Bundeskasse vorgelegen, die sich fremder Zahlungsanweisung nicht
unterwerfe. Der sogenannte Empfängerhorizont könne die fehlende Anweisung
nicht ersetzen.
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Die Überweisungen der Bundeskasse seien selbst dann als rechtsgrund-
lose Leistungen der Klägerin an die Beklagte zu qualifizieren, wenn es sich um
eine sogenannte irrtümliche Eigenleistung handele. Das auf dem Empfänger-
horizont beruhende bereicherungsrechtliche Zuordnungskonzept sei auch in-
soweit zu verabschieden. Es komme nicht auf das Sonderwissen der Beklagten
an, daß K. ihr die Zahlungen avisiert und als eigene Leistungen hinge-
stellt habe. Die Klägerin könne sich vielmehr auf den Verwendungszweck beru-
fen, der auf den Überweisungsträgern vermerkt gewesen sei ("Geb" oder "Ge-
buehr"), und geltend machen, sie habe zur Erfüllung von - vermeintlichen - Ver-
sorgungsansprüchen der Beklagten gezahlt.
II.
Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung im Ergebnis stand.
Die Klägerin kann aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1
Satz 1 BGB) von der Beklagten Rückzahlung von 8.191,96 € nebst Zinsen ver-
langen.
1.
Die Beklagte hat durch die Überweisungen der Bundeskasse auf Kosten
der Klägerin Gutschriften in Höhe von insgesamt 8.191,96 € auf ihrem - zu-
nächst auf den Namen ihres Bekannten O. -R. , später ihres Be-
kannten H. lautenden - Konto erlangt. Diesem Vermögensvorteil der
Beklagten stand ein entsprechender Vermögensnachteil der Klägerin gegen-
über. Für die Vermögensverschiebung gab es im Verhältnis zwischen den Par-
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teien auch keinen rechtlichen Grund; die Beklagte hatte keinen Anspruch auf
Leistungen des Berufsförderungsdienstes der Bundeswehr.
2.
Der Beklagten steht nicht deshalb ein rechtlicher Grund für den Empfang
der 8.191,96 € zur Seite, weil sie die entsprechenden Gutschriften durch eine
Leistung von K. erhalten und sie hierauf wegen der mit ihm getroffenen
Prostitutionsvereinbarung - jedenfalls seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur
Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 20. Dezember 2001
(BGBl. I S. 3983) am 1. Januar 2002 - einen Anspruch gehabt hätte.
Allerdings kann der Empfänger einer Leistung mit einer Leistungskondik-
tion (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB) allenfalls von seinem Vertragspartner be-
langt werden, und zwar nur dann, wenn nach den zwischen diesen beiden be-
stehenden Beziehungen die Leistung grundlos ist. Ein Anspruch wegen Berei-
cherung in sonstiger Weise (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB) kann nur dann
entstehen, wenn der Bereicherungsgegenstand dem Empfänger überhaupt
nicht, also von niemandem geleistet worden ist (Grundsatz des Vorrangs der
Leistungskondiktion, vgl. BGHZ 40, 272, 278; 56, 228, 240; 69, 186, 189; Se-
natsurteil vom 4. Februar 1999 - III ZR 56/98 - NJW 1999, 1393, 1394).
a) Unter Leistung im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB ist die
bewußte und zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens zu verstehen.
Dabei kommt es in erster Linie auf die der Zuwendung gegebene Zweckbe-
stimmung, also zunächst darauf an, welchen Zweck die Beteiligten nach ihrem
zum Ausdruck gekommenen Willen verfolgt haben. Stimmen die Vorstellungen
der Beteiligten nicht überein, ist nach gefestigter Rechtsprechung des Bundes-
gerichtshofs, von der abzugehen kein Anlaß besteht, eine objektive Betrach-
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tungsweise aus der Sicht des Zuwendungsempfängers geboten (BGHZ 105,
365, 369; 122, 46, 50 f; Senatsurteil vom 4. Februar 1999 aaO). Es kommt dar-
auf an, wie eine vernünftige Person in der Lage des Empfängers die Zuwen-
dung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen
mußte und durfte.
b) Das Berufungsgericht hat diesen rechtlichen Ansatz nicht hinreichend
beachtet. Es ist ferner - wie die Klägerin in der Revisionsverhandlung zu Recht
gerügt hat - aufgrund einer fehlerhaften Beweiswürdigung zu der Feststellung
gelangt, die Beklagte habe von ihrem Verständnishorizont aus annehmen dür-
fen, K. habe ihr gegenüber eine Leistung kraft Anweisung der Bundes-
kasse bewirkt. Sie habe sich offenbar vorgestellt, K. habe jeweils eine
gerade Summe seines Gehaltes sich und den ungeraden Restbetrag ihr zur
Zahlung angewiesen oder anweisen lassen.
Die angebliche Vorstellung der Beklagten, K. habe ihr Teile seines
Gehaltes angewiesen oder anweisen lassen, entbehrte jeder vernünftigen
Grundlage. Ein Beamter kann sich - was allgemein bekannt ist - nicht sein Ge-
halt selbst auszahlen oder seine Dienststelle entsprechend "anweisen".
Die Beklagte hat, wie die Revisionserwiderung mit Recht rügt, entgegen
der Auffassung des Berufungsgerichts auch keine plausible Erklärung dafür
geliefert, daß ihr ungerade Beträge überwiesen wurden. Der Prostitutionslohn,
der nach der Behauptung der Beklagten durch die von K. veranlaßten
Überweisungen ausgeglichen werden sollte, betrug, wie die Beklagte in ihrer
Anhörung vor dem Landgericht erklärt hat, 1.600 DM für eine ganze Nacht,
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200 DM oder 300 DM für eine Stunde. Die überwiesenen ungeraden Beträge
können bestimmten Prostitutionsleistungen demnach nicht zugeordnet werden.
Mit der Revisionserwiderung ist weiter zu beanstanden, daß das Beru-
fungsgericht den auf dem Überweisungsbeleg von der Bundeskasse angege-
benen Zahlungsgrund "Gebuehr" nicht berücksichtigt hat. Die Überweisung
betraf erkennbar keine Gehaltszahlung an K. , erst recht nicht den von der
Beklagten verdienten Prostitutionslohn.
c) Die Feststellungen des Berufungsgerichts können mithin keinen Be-
stand haben. Auf der Grundlage der Feststellungen des Landgerichts ist viel-
mehr davon auszugehen, daß hier aus objektivierter Empfängersicht nur eine
- rechtsgrundlose - Leistung der Bundeskasse an die Beklagte in Betracht kam.
Zu dieser abschließenden Würdigung ist der Senat befugt, weil weitere Sach-
aufklärung nicht zu erwarten ist.
Schlick Streck Kapsa
Galke Herrmann