Urteil des BGH vom 17.02.2010

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 104/09 Verkündet
am:
17. Februar 2010
Ring,
Justizhauptsekretärin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB § 535 Abs. 1 Satz 2, § 199 Abs. 1
Der Anspruch des Mieters auf Mangelbeseitigung ist während der Mietzeit unverjähr-
bar.
BGH, Urteil vom 17. Februar 2010 - VIII ZR 104/09 - LG Aachen
AG
Düren
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Februar 2009 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter
Dr. Frellesen, die Richterinnen Dr. Milger und Dr. Fetzer sowie den Richter
Dr. Bünger
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer
des Landgerichts Aachen vom 9. April 2009 wird zurückgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten des Revisionsverfahrens zu tra-
gen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist seit 1959 Mieterin einer Wohnung in einem Mehrfamili-
enhaus, das die Beklagten im Jahr 1997 erworben haben. Das über der Woh-
nung der Klägerin liegende Dachgeschoss wurde im Jahr 1990 zu Wohnzwe-
cken ausgebaut.
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Mit Schreiben vom 13. August 2002 verlangte die Klägerin von den Be-
klagten die Herstellung einer ausreichenden Schallschutzisolierung der Dach-
geschosswohnung, verfolgte ihr Begehren aber nach einem Mieterwechsel in
dieser Wohnung zunächst nicht weiter. Mit Schreiben vom 16. Oktober 2006
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kam die Klägerin auf ihr Begehren zurück und ließ im Jahr 2007 ein selbständi-
ges Beweisverfahren durchführen.
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Die Klägerin hat die Beklagten auf Verbesserung des Trittschallschutzes
in der Dachgeschosswohnung und Minderung der WC-Geräusche (Wasserspü-
lung und Toilettendeckel) in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat die
Klage abgewiesen. Das Landgericht hat das amtsgerichtliche Urteil abgeändert
und der Klage stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revi-
sion begehren die Beklagten die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Ur-
teils.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
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I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausge-
führt:
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Die Beklagten seien zur Vornahme der von der Klägerin verlangten Ar-
beiten zur Verbesserung des Schallschutzes aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB ver-
pflichtet. § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB verpflichte den Vermieter, die Mietsache
während der gesamten Mietzeit in gebrauchsfähigem Zustand zu erhalten. Die-
se Unterhaltungspflicht betreffe insbesondere die Instandhaltung und Instand-
setzung der Mietsache sowie die Pflicht zur Unterlassung und Abwehr von Stö-
rungen des Mietgebrauchs. Der Mietgebrauch der Klägerin werde durch die
unzureichende Lärm- und Schalldämmung in der darüber liegenden Wohnung
beeinträchtigt. Der im Beweissicherungsverfahren beauftragte Sachverständige
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habe bestätigt, dass die Trittschalldämmung unzureichend sei und auch die
Geräusche, die von der WC-Spülung in der Dachgeschosswohnung ausgingen,
die zulässigen Grenzwerte überstiegen.
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Der Anspruch der Klägerin sei auch nicht verjährt. Die dreijährige regel-
mäßige Verjährung sei nicht abgelaufen, weil es sich bei dem Anspruch auf
Herstellung eines zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustands der
Mietsache um einen echten, auf dauernde Leistung gerichteten Erfüllungsan-
spruch handele. Mit dem Begriff "gewähren" in § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB werde
verdeutlicht, dass die Pflicht des Vermieters nicht nur in der einmaligen Hand-
lung des Überlassens bestehe, sondern der Vermieter während der gesamten
Mietzeit dem Mieter den vertraglichen Gebrauch ermöglichen müsse und des-
halb auch zu einem positiven Tun, nämlich der Erhaltung der Mietsache in ei-
nem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand verpflichtet sei. Die-
ser Anspruch sei kein vom Erfüllungsanspruch losgelöster Anspruch, sondern
vielmehr eine präzisierte Ausprägung desselben.
Die Gegenansicht, die den Anspruch des Mieters auf Gebrauchserhal-
tung als "Stammrecht" ansehe, das sich zu einzelnen jeweils gesondert verjäh-
renden Ansprüchen konkretisiere, sobald sich ein Mangel zeige, sei abzuleh-
nen. Auch der Zweck der Verjährungsvorschriften, den Schuldner vor einer In-
anspruchnahme aus unerwarteten Forderungen zu schützen, gegen die er sich
wegen Zeitablaufs nicht adäquat verteidigen könne, sei hier nicht betroffen, weil
sich der Anspruch auf Herstellung des vertragsgemäßen Zustands auf einen
aktuellen Zustand beziehe und deshalb die Gefahr einer Beweisnot durch Zeit-
ablauf für den Vermieter nicht bestehe. Es sei auch wenig konsequent, dem
Mieter mit der Minderung ein Gewährleistungsrecht wegen der Mangelhaftigkeit
der Sache zu gewähren, wenn er eine mangelfreie Sache überhaupt nicht mehr
fordern könne.
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Der Anspruch der Klägerin sei auch nicht verwirkt. Dass die Klägerin
über mehrere Jahre die Verbesserung des Schallschutzes nicht mehr begehrt
habe, genüge nicht, zumal für die Beklagten erkennbar gewesen sei, dass die
Situation durch den Mieterwechsel im Dachgeschoss nicht gleich geblieben sei.
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II.
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Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revi-
sion zurückzuweisen ist.
1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen und von der Revision nicht an-
gegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Schallschutz der über
der Wohnung der Klägerin liegenden Dachgeschosswohnung unzureichend und
wird der Mietgebrauch der Klägerin dadurch beeinträchtigt. Die Klägerin kann
deshalb aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB grundsätzlich Herstellung des erforderli-
chen Schallschutzes verlangen.
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2. Entgegen der Auffassung der Revision ist dieser Anspruch nicht ver-
jährt.
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Die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Erfüllungsanspruch des
Mieters aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB, soweit es um die Beseitigung eines kon-
kreten während der Mietzeit auftretenden Mangels geht, verjährt, ist höchstrich-
terlich noch nicht entschieden und wird in der Literatur und der Rechtsprechung
der Instanzgerichte unterschiedlich beurteilt.
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a) Der Bundesgerichtshof hat bislang lediglich für den Fall eines (unbe-
fristeten) Pachtvertrages entschieden, dass die Verjährung des Erfüllungsan-
spruchs des Pächters auf dauernde Gewährung des Gebrauchs und des
Fruchtgenusses jedenfalls nicht schon mit der erstmaligen Entstehung beginnt
(Urteil vom 26. April 1995 - XII ZR 105/93, NJW 1995, 2548, unter 2 c). Die dort
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erörterte weitere Frage, ob die Verjährung in solchen Fällen in analoger An-
wendung des § 198 Satz 2 BGB aF (jetzt § 199 Abs. 5 BGB) mit der Zuwider-
handlung beginnt, bedurfte keiner abschließenden Entscheidung, da auch in
diesem Fall keine Verjährung eingetreten war.
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b) Nach einer verbreiteten Auffassung beginnt die Verjährung des An-
spruchs des Mieters auf Beseitigung eines während der Mietzeit aufgetretenen
Mangels gemäß §§ 195, 199 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der
Mangel entstanden ist und der Mieter davon Kenntnis erlangt hat (LG Berlin,
GE 2008, 1196, 1197; Feuerlein, WuM 2008, 385, 386; Beuermann, GE 2008,
236; Schmid, ZMR 2009, 585, 586; Lehmann-Richter, NJW 2008, 1196, 1197 f.;
Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., XIII Rdnr. 221). Teilweise wird in der
Gebrauchsgewährungspflicht des Vermieters (§ 535 BGB) ein (unverjährbares)
"Stammrecht" gesehen, das sich zu einzelnen Ansprüchen konkretisiere, sobald
sich ein bestimmter Mangel zeige. Der Anspruch des Mieters auf Beseitigung
des konkreten Mangels unterliege dann der regelmäßigen Verjährung (Leh-
mann-Richter, aaO, S. 1198). Andere Autoren stellen auf eine analoge Anwen-
dung des § 199 Abs. 5 BGB (§ 198 BGB aF) ab; bei der Gebrauchsgewäh-
rungspflicht des Vermieters handele es sich um eine "positive Dauerverpflich-
tung", bei der es ebenso wie bei einer Unterlassungsverpflichtung nach § 199
Abs. 5 BGB geboten sei, für den Beginn der Verjährung auf die Zuwiderhand-
lung abzustellen (Feuerlein, aaO, S. 386; Enneccerus-Nipperdey, Allgemeiner
Teil des Bürgerlichen Rechts, 15. Aufl., § 232 Fn. 5).
c) Nach der auch vom Berufungsgericht vertretenen Gegenauffassung ist
der Anspruch des Mieters auf Beseitigung eines Mangels als Teil des
Gebrauchserhaltungsanspruchs hingegen während der Mietzeit unverjährbar
(Streyl, WuM 2009, 630 f.; Both, GE 2009, 238, 239; Schmidt-Futterer/
Eisenschmid, Mietrecht, 9. Aufl., § 535 BGB Rdnr. 217; Palandt/Weidenkaff,
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BGB, 69. Aufl., § 535 Rdnr. 31; MünchKommBGB/Häublein, 5. Aufl., § 535
Rdnr. 107; Kandelhard in: Herrlein/Kandelhard, Mietrecht, 3. Aufl., § 548
Rdnr. 64; AG Tiergarten, WuM 2009, 453). Zur Begründung wird vor allem an-
geführt, dass der Anspruch des Mieters auf Gewährung des vertragsgemäßen
Gebrauchs während der Dauer des Mietverhältnisses ständig neu entstehe.
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d) Der letztgenannten Auffassung gebührt der Vorzug. Wie das Beru-
fungsgericht richtig gesehen hat, handelt es sich bei der Hauptleistungspflicht
des Vermieters aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB um eine in die Zukunft gerichtete
Dauerverpflichtung (Senatsurteil vom 19. Juni 2006 - VIII ZR 284/05, NZM
2006, 696, Tz. 11). Zu Recht hat das Berufungsgericht darauf abgestellt, dass
sich diese Pflicht des Vermieters nicht in einer einmaligen Handlung des Über-
lassens erschöpft, sondern dahin geht, die Mietsache während der gesamten
Mietzeit in einem gebrauchstauglichen Zustand zu erhalten. Eine solche ver-
tragliche Dauerverpflichtung kann während des Bestehens des Vertragsverhält-
nisses schon begrifflich nicht verjähren, denn sie entsteht während dieses Zeit-
raums gleichsam ständig neu, auch soweit sie darauf gerichtet ist, bereits auf-
getretene Mängel zu beseitigen. Ohne Erfolg beruft sich die Revision deshalb
auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, die zur Verjährung von Ansprü-
chen aus § 1004 BGB wegen einer in der Vergangenheit liegenden (einmali-
gen) Verletzungshandlung ergangen sind (vgl. BGH, Urteil vom 28. September
1973 - I ZR 136/71, NJW 1973, 2285 zum wettbewerbsrechtlichen Widerrufsan-
spruch, sowie BGHZ 60, 235, zum Anspruch auf Beseitigung einer nahe der
Grundstücksgrenze gepflanzten Birke). Danach steht zwar bei abgeschlosse-
nen Verletzungshandlungen der Umstand, dass der Eingriff noch fortwirkt, dem
Beginn der Verjährung nicht entgegen. Bei Dauerhandlungen kann die Verjäh-
rung jedoch ebenfalls nicht beginnen, solange der Eingriff noch andauert (BGH,
Urteil vom 23. September 1973, aaO, unter I).
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Dem Berufungsgericht ist ferner darin beizupflichten, dass auch Sinn und
Zweck der Verjährungsvorschriften nicht für eine Verjährung des Mangelbesei-
tigungsanspruchs im laufenden Mietverhältnis sprechen. Die Verjährung soll
den Schuldner davor schützen, wegen länger zurückliegender Vorgänge in An-
spruch genommen zu werden, die er nicht mehr aufklären kann, weil ihm Be-
weismittel für etwa begründete Einwendungen abhanden gekommen oder Zeu-
gen nicht mehr auffindbar sind (BGHZ 122, 241, 244). Diese Erwägungen tref-
fen auf den Anspruch des Mieters auf Beseitigung von Mängeln der Mietsache
nicht zu. Eine Beweisnot des Vermieters im Hinblick auf den Zeitablauf seit dem
erstmaligen Auftreten des Mangels ist auszuschließen, da das Begehren des
Mieters lediglich dahin geht, die Mietsache aktuell in einen gebrauchstauglichen
Zustand zu versetzen und es mithin nicht auf einen in der Vergangenheit lie-
genden Zustand ankommt. Deshalb greift der von der Revision angeführte Ge-
sichtspunkt des Rechtsfriedens ebenfalls nicht ein, zumal der Mieter - auch
nach der Auffassung, die von einer Verjährung der Mängelbeseitigungsansprü-
che des Mieters ausgeht (Lehmann-Richter, aaO; Feuerlein, aaO, Schmid,
aaO), die Miete mindern kann, soweit Mängel fortbestehen. Die fortbestehende
Mietminderung im Hinblick auf Mängel, deren Behebung der Vermieter durch
Erhebung der Verjährungseinrede soll verweigern können, führt im Übrigen zu
einem Wertungswiderspruch, der ebenfalls gegen die Auffassung von der Ver-
jährbarkeit des Mangelbeseitigungsanspruchs im laufenden Mietverhältnis
spricht.
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3. Entgegen der Auffassung der Revision ist der Anspruch der Klägerin
auch nicht verwirkt. Die Verwirkung eines Rechts setzt nach der Rechtspre-
chung des Bundesgerichtshofs voraus, dass zu dem Zeitablauf besondere auf
dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Ver-
trauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch
nicht mehr geltend machen (st. Rspr., z.B. BGHZ 105, 290, 298). Derartige
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Umstände, die ein Vertrauen der Beklagten rechtfertigen, die Klägerin werde
eine Verbesserung des Schallschutzes auch in Zukunft nicht mehr verlangen,
hat das Berufungsgericht nicht festgestellt; übergangenen Sachvortrag hierzu in
den Tatsacheninstanzen zeigt die Revision nicht auf.
Ball
Dr. Frellesen
Dr. Milger
Dr. Fetzer
Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG Düren, Entscheidung vom 04.11.2008 - 46 C 303/08 -
LG Aachen, Entscheidung vom 09.04.2009 - 2 S 333/08 -