Urteil des BGH vom 12.12.2002

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
III ZR 362/02
vom
25. September 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 839 Cb, Fl
Zur (fehlenden) Drittgerichtetheit von Amtspflichten, die das staatliche Fi-
nanzamt im Gewerbesteuerverfahren gegenüber der hebeberechtigten Ge-
meinde wahrzunehmen hat.
BGH, Beschluß vom 25. September 2003 - III ZR 362/02 - OLG München
LG München I
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. September 2003 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr
und Galke
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revi-
sion in dem Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts
München vom 26. September 2002 - 1 U 2430/02 - wird zurück-
gewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97
Abs. 1 ZPO).
Streitwert: 111.973,43
Gründe
Einer Zulassung der Revision bedarf es nicht. Weder hat die Rechtssa-
che grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder
die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Re-
visionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
1.
Beide Vorinstanzen lassen den Amtshaftungsanspruch bereits daran
scheitern, daß die Amtsträger der Finanzverwaltung des Beklagten ihre Amts-
pflichten in der Gewerbesteuerangelegenheit der Firma A. nicht zugunsten der
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Klägerin als eines geschützten "Dritten" wahrzunehmen hatten. Die hiergegen
gerichteten Angriffe der Beschwerde können keinen Erfolg haben.
2.
Allerdings ist in der Rechtsprechung des Senats anerkannt, daß "Dritter"
im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB auch eine juristische Person des öffent-
lichen Rechts sein kann. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der für die haftpflich-
tige Behörde (hier: den beklagten Freistaat) tätig gewordene Beamte der ge-
schädigten Körperschaft (hier: der klagenden Gemeinde) bei Erledigung seiner
Dienstgeschäfte in einer Weise gegenübertritt, wie sie für das Verhältnis zwi-
schen ihm und seinem Dienstherrn einerseits und dem Staatsbürger anderer-
seits charakteristisch ist. Wirken hingegen der Dienstherr des Beamten und
eine andere Körperschaft des öffentlichen Rechts bei der Erfüllung einer ihnen
gemeinsam übertragenen Aufgabe gleichsinnig und nicht in Vertretung einan-
der widerstreitender Interessen derart zusammen, daß sie im Rahmen dieser
Aufgabe als Teil eines einheitlichen Ganzen erscheinen, dann können jene
Pflichten, die dem Beklagten im Interesse der Förderung des gemeinsam an-
gestrebten Ziels obliegen, nicht als drittgerichtete Amtspflichten angesehen
werden, deren Verletzung außenrechtliche Amtshaftungsansprüche der ge-
schädigten Körperschaft auslöst (st. Rspr.; zuletzt Senatsurteil vom 12. Dezem-
ber 2002 - III ZR 201/01 = NJW 2003, 1318, 1319 [für BGHZ vorgesehen]
m.zahlr.w.N.).
3.
Wie das Berufungsgericht mit Recht ausführt, bestimmt im Gewerbe-
steuerverfahren zunächst das Finanzamt auf der Basis von Gewerbeertrag und
Gewerbekapital den Gewerbesteuermeßbetrag. Daran anknüpfend wird von
der Gemeinde anhand des von ihr festgesetzten Hebesatzes die Gewerbe-
steuerschuld festgesetzt. Am Gewerbesteuerverfahren sind folglich sowohl
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staatliche Finanzbehörden als auch Kommunalbehörden beteiligt. Die Finanz-
ämter entscheiden über alle Fragen, die mit den Besteuerungsgrundlagen zu-
sammenhängen, während den Gemeinden die Festsetzung und Erhebung der
Gewerbesteuer überlassen ist.
4.
Danach mag es durchaus zutreffen, daß die Amtspflichten der Finanz-
beamten auch den Zweck hatten, den Gewerbesteueranspruch der klagenden
Gemeinde gegen den Steuerschuldner durchzusetzen. In diesem Sinne hatten
die Finanzbeamten dementsprechend auch die finanziellen Interessen der Be-
klagten wahrzunehmen. Dabei handelte es sich aber nicht um solche Interes-
sen, die denen des eigenen Dienstherrn "widerstreitend" waren. Die Klägerin
und das Finanzamt standen sich gerade nicht im Hinblick auf entgegengesetzte
Interessen gewissermaßen als "Gegner" gegenüber (vgl. Senatsurteil BGHZ
32, 145, 147; Staudinger/Wurm BGB 13. Bearb. 2002 § 839 Rn. 191 m.w.N.).
Vielmehr handelte es sich um ein gleichsinniges Zusammenwirken beider Par-
teien bei der Erfüllung einer ihnen gemeinsam übertragenen öffentlichen Auf-
gabe. Dies hat die Konsequenz, daß die Klägerin im Verhältnis zum Beklagten
nicht die Stellung eines geschützten "Dritten" erlangt hat.
Rinne
Wurm
Kapsa
Dörr
Galke