Urteil des BGH vom 10.10.2013

BGH: vergütung, verwalter, entlassung, berechnungsgrundlage, abschlag, verwertung, grundstück, verwirkung, amt, gefahr

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 38/11
vom
10. Oktober 2013
in dem Insolvenzverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
InsVV § 3 Abs. 2
Die Vergütung des Insolvenzverwalters kann nicht mit der Begründung gekürzt
werden, seine Vergütung als vorläufiger Insolvenzverwalter sei zu hoch festgesetzt
worden.
BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2013 - IX ZB 38/11 - LG Lüneburg
AG Lüneburg
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Richter Vill, die
Richterin Lohmann, die Richter Dr. Fischer, Dr. Pape und die Richterin Möhring
am 10. Oktober 2013
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des vormaligen Insolvenzverwalters
und die Anschlussrechtsbeschwerde des Insolvenzverwalters wird
der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom
11. Januar 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten
des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zu-
rückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf
254.498,05
€ festgesetzt.
Gründe:
I.
Der weitere Beteiligte zu 1 wurde im Insolvenzeröffnungsverfahren über
das Vermögen der Schuldnerin zunächst am 11. November 2002 als Sachver-
ständiger und sodann auf seine Anregung am 12. November 2002 zum vorläu-
figen Insolvenzverwalter bestellt. Die Vergütung für die Tätigkeit als Sachver-
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ständiger wurde rechtskräftig auf 1.044
€, diejenige für die Tätigkeit als vorläufi-
ger Insolvenzverwalter rechtskräftig auf 198.195,70
€ festgesetzt. Am 1. Fe-
bruar 2003 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der weitere Beteiligte
zu 1 zum Insolvenzverwalter bestellt. Am 11. Juli 2008 wurde ein Sonderinsol-
venzverwalter bestellt, am 24. September 2008 wurde der Rechtsbeschwerde-
führer aus wichtigem Grund entlassen und der weitere Beteiligte zu 2 als neuer
Insolvenzverwalter ernannt.
Am 21. Januar 2009 beantragte der Rechtsbeschwerdeführer eine Ver-
gütung als Insolvenzverwalter von insgesamt 254.498,05
€. Dabei legte er eine
Berechnungsgrundlage von 1.507.557,36
€ zugrunde, aus der er eine Regel-
vergütung von 57.901,15
€ errechnete. Er beantragte Zuschläge von insgesamt
240 v.H., nämlich
150 v.H. für die Betriebsfortführung über 68 Monate
25 v.H. für mehrere Betriebsstätten
10 v.H. für etwa 200 Arbeitnehmer
25 v.H. für Veräußerungsverhandlungen
30 v.H. für etwa 450 Gläubiger,
zusammen 196.863,91
€ netto.
Außerdem beantragte er eine Auslagenpauschale von 17.000
€ zuzüg-
lich 16 v.H. Umsatzsteuer. Auf seinen Antrag wurde ihm am 8. Mai 2009 ein
Vorschuss von 119.000
€ bewilligt.
Mit Beschluss vom 23. Juli 2009 hat das Amtsgericht die Vergütung vor-
behaltlich einer abweichenden Feststellung der Teilungsmasse nach Eingang
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eines hierzu in Auftrag gegebenen Gutachtens auf 206.266,40
€ festgesetzt.
Dabei hat es die beantragte Berechnungsgrundlage zugrunde gelegt und Zu-
schläge von 170 v.H. zugebilligt, nämlich
100 v.H. für Betriebsfortführung
25 v.H. für mehrere Betriebsstätten
10 v.H. für Arbeitnehmerangelegenheiten
25 v.H. für Veräußerungsverhandlungen
10 v.H. für mehr als 100 Gläubiger.
Außerdem hat es die beantragte Auslagenpauschale gewährt.
Auf die sofortigen Beschwerden des vormaligen Verwalters und des
neuen Insolvenzverwalters hat das Beschwerdegericht die Vergütung auf Null
festgesetzt, aber Auslagen in Höhe von 8.750
€ zugebilligt zuzüglich Umsatz-
steuer, zusammen 10.412,50
€. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der vorma-
lige Insolvenzverwalter seinen Vergütungsantrag in vollem Umfang weiter, mit
der unselbständigen Anschlussrechtsbeschwerde will der Insolvenzverwalter
erreichen, dass auch die Auslagen auf Null
€ festgesetzt werden.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 7 aF, §§ 6, 64 Abs. 3 Satz 1 InsO,
Art. 103 f EGInsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und zulässig (§ 574 Abs. 2
ZPO), ebenso die Anschlussrechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 4 Satz 1 und 2
ZPO).
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III.
Das Beschwerdegericht hat gemeint, die sofortigen Beschwerden sowohl
des Insolvenzverwalters wie auch des vormaligen Insolvenzverwalters seien
zulässig. Die Vergütung sei aus einer Masse von 948.906,67
€ zu berechnen,
woraus sich eine Regelvergütung von 46.728,13
€ ergebe. Höhere Zuschläge
als vom Amtsgericht zugebilligt seien jedenfalls nicht gerechtfertigt. Vielmehr
seien die Zuschläge wieder zu kassieren, weil diesen Abschläge nach § 3
Abs. 2 Buchst. a und c entgegenstünden. Als vorläufiger Verwalter habe der
vormalige Verwalter eine weit überhöhte Vergütung erhalten, insbesondere weil
die Berechnungsgrundlage um über 2 Mio.
€ geringer gewesen sei. Zum ande-
ren habe das Amt vorzeitig geendet, wobei die Masse bis zu seiner Entlassung
nochmal um mindestens 1,5 Mio.
€ abgenommen habe. Deshalb verbleibe es
bei der Regelvergütung. Von dieser seien aber weitere Abzüge bis auf Null vor-
zunehmen. Der ehemalige Verwalter habe mit Prof. Dr. S. einen undatier-
ten Beratervertrag geschlossen und an ihn Vergütungen von insgesamt
468.641,78
€ für den Zeitraum August 2003 bis Mai 2006 bezahlt. Am 4. August
2006 habe er ihn sodann mit einem Monatsgehalt von 11.500
€ angestellt. Die
Beauftragung sei jedenfalls teilweise nicht gerechtfertigt gewesen. Der ehema-
lige Verwalter habe nicht dargelegt, dass die Voraussetzungen für eine Be-
schäftigung vorgelegen hätten und die Vergütung angemessen gewesen sei.
Zumindest die Rechnungen des Prof. Dr. S. für Fahrten zum Zwecke der
Akquise beträfen die Kernaufgaben des Verwalters, weshalb die hierfür gezahl-
ten Beträge, die die Regelvergütung überstiegen, von der Vergütung in Abzug
zu bringen seien. Diese sei deshalb auf Null festzusetzen.
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Da die Vergütung Null betrage, könne dahinstehen, ob dem vormaligen
Verwalter Pflichtverletzungen vorzuwerfen seien, die zu einer Verwirkung des
Vergütungsanspruchs führten.
Der Auslagenanspruch bestehe fort, denn die Auslagen seien gesondert
festzusetzen. Sie seien jedoch nur für 35 Monate zu je 250
€ zu gewähren, weil
der vormalige Verwalter bei zügiger Bearbeitung des Verfahrens dieses bis En-
de 2005 habe zum Abschluss bringen können.
IV.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des ange-
fochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung. Die Ausführungen des Be-
schwerdegerichts halten rechtlicher Prüfung in wesentlichen Punkten nicht
stand.
1. Die sofortige Beschwerde des (neuen) Insolvenzverwalters gegen die
Festsetzung der Vergütung des vormaligen Insolvenzverwalters hat das Be-
schwerdegericht zutreffend als zulässig, den Insolvenzverwalter gemäß § 64
Abs. 3 InsO als beschwerdebefugt angesehen. Wie der Senat zwischenzeitlich
nochmals klargestellt hat, kommt dem Insolvenzverwalter zur Abwehr unbe-
rechtigter Vergütungsforderungen gegen die Masse die Beschwerdebefugnis
bei der Festsetzung der Vergütung eines entlassenen früheren Insolvenzver-
walters zu (BGH, Beschluss vom 27. September 2012 - IX ZB 276/11, ZIP
2012, 2081 Rn. 3 mwN). Er ist verpflichtet, unberechtigte Forderungen gegen
die Masse abzuwehren.
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2. Die Angriffe der Rechtsbeschwerde gegen die vom Beschwerdegericht
für maßgeblich erachtete Berechnungsgrundlage von 948.906,67
€ greifen teil-
weise durch.
a) Bei vorzeitiger Beendigung des Amtes des Insolvenzverwalters richtet
sich die Berechnungsgrundlage für seine Vergütung nach dem Wert der Masse,
die der Verwaltung des ausgeschiedenen Verwalters bis zu seiner Ablösung
unterlegen hat (BGH, Beschluss vom 10. November 2005 - IX ZB 168/04, ZIP
2006, 93 Rn. 8 ff mwN). Dies hat das Beschwerdegericht zutreffend zugrunde
gelegt.
b) Das Beschwerdegericht hat den für die Heimplätze anzunehmenden
immateriellen Vermögenswert nicht, wie der vormalige Verwalter, mit 186.000
€,
sondern mit Null
€ angesetzt, im Kern mit der Begründung, dass die Betriebs-
stätten im Zeitpunkt der Entlassung des vormaligen Insolvenzverwalters am
24. September 2008 aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs zum 30. Novem-
ber 2008, also binnen fünf Wochen, zu räumen gewesen wären und vom vor-
maligen Insolvenzverwalter keine Kaufverträge ausgehandelt gewesen seien,
die den damit verbundenen Wertverlust verhindert hätten. Es hätte deshalb im
Zeitpunkt der Entlassung des vormaligen Insolvenzverwalters für die Heimplät-
ze kein Preis erzielt werden können.
Das Beschwerdegericht hat hierbei entgegen der Rechtsbeschwerde
nicht Wertentwicklungen nach der Entlassung des weiteren Beteiligten zu 1 be-
rücksichtigt. Vielmehr hat es zutreffend auf den Zeitpunkt seiner Entlassung
abgestellt (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 InsVV; BGH, Beschluss vom 10. November
2005, aaO Rn. 10). Infolge fehlender konkreter Kaufvertragsverhandlungen wä-
re nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts im Zeitpunkt der Entlas-
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sung aufgrund der gegebenen Umstände kein Preis zu erzielen gewesen. Den
Vortrag des Rechtsbeschwerdeführers zu einem unmittelbar bevorstehenden
Verkauf hat das Beschwerdegericht als nicht ausreichend angesehen. Das ist
aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Der Vortrag, auf den sich die
Rechtsbeschwerde bezieht, ist unsubstantiiert. Von einer weiteren Begründung
wird insoweit gemäß § 577 Abs. 6 ZPO abgesehen.
c) Rechtsfehlerhaft hat jedoch das Beschwerdegericht den Wert der Im-
mobilien mit Null bewertet. Es ist dabei rechtsirrtümlich davon ausgegangen,
dass nach § 1 Abs. 2 Ziff. 1 InsVV Immobilien, die mit Absonderungsrechten
belastet sind, mit Null zu bewerten sind. Das ist unzutreffend, ein der Masse
gebührender Überschuss ist in der Berechnungsgrundlage gemäß § 1 Abs. 2
Ziff. 1 Satz 3 InsVV zu berücksichtigen. Das setzt zwar im Normalfall voraus,
dass der Gegenstand durch den Verwalter verwertet wurde (BGH, Beschluss
vom 2. Februar 2006 - IX ZB 167/04, ZIP 2006, 483 Rn. 10). Konnte diese Ver-
wertung aber nicht erfolgen, weil der Verwalter zuvor entlassen wurde, ist, wenn
anderenfalls eine Verwertung vorgenommen worden wäre, eine entsprechende
fiktive Berechnung vorzunehmen (vgl. für den vorläufigen Verwalter BGH, Be-
schluss vom 15. November 2012 - IX ZB 130/10, BGHZ 195, 336 Rn. 24).
Demgemäß ist das wertausschöpfend belastete Grundstück in R. nicht zu
berücksichtigen, wohl aber das Grundstück in A. , das nach den Feststel-
lungen des Beschwerdegerichts nicht wertausschöpfend belastet war. Insoweit
ist der Wert des Grundstücks und der abzuziehende Wert des Absonderungs-
rechts am 24. September 2008 festzustellen.
3. Die Ausführungen des Beschwerdegerichts zu den Zu- und Abschlä-
gen halten rechtlicher Prüfung teilweise ebenfalls nicht stand.
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Allerdings ist die Bemessung von Zu- und Abschlägen nach ständiger
Rechtsprechung des Senats grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Sie ist in
der Rechtsbeschwerdeinstanz nur darauf zu überprüfen, ob sie die Gefahr der
Verschiebung von Maßstäben mit sich bringt (BGH, Beschluss vom 27. Sep-
tember 2012 - IX ZB 243/11, ZInsO 2013, 840 Rn. 8 mwN). Das ist hier der Fall.
a) Das Beschwerdegericht hat für die Betriebsfortführung einen höheren
Zuschlag als 100 v.H. mit der Begründung versagt, die lange Dauer von 68 Mo-
naten bis zu seiner Entlassung sei dem vormaligen Verwalter selbst anzulasten.
Offensichtlich hat es für den Fall, dass eine Zeit von 68 Monaten zu berücksich-
tigen wäre, einen höheren Zuschlag für angemessen erachtet. Bei der Bemes-
sung des Zuschlags für die Betriebsfortführung kann zwar berücksichtigt wer-
den, wenn der Verwalter das Insolvenzverfahren schuldhaft verzögert hat. Hier-
zu fehlen aber entsprechende Feststellungen. Es ist nicht erkennbar, woraus
das Beschwerdegericht seine entsprechende Annahme ableitet.
Zutreffend ist das Beschwerdegericht allerdings davon ausgegangen,
dass die auf Kosten der Masse erfolgte Einstellung des Prof. Dr. S. , so-
weit er Aufgaben der Betriebsfortführung wahrnahm, zu einer Kürzung des Zu-
schlags führen kann (BGH, Beschluss vom 11. März 2010 - IX ZB 122/08,
ZInsO 2010, 730 Rn. 5). Allerdings nimmt das Beschwerdegericht bei der Be-
messung des angemessenen Zuschlags für die Betriebsfortführung die nach
§ 3 Abs. 1 Buchst. b erforderliche Vergleichsrechnung nicht vor (vgl. dazu zu-
letzt BGH, Beschluss vom 12. Mai 2011 - IX ZB 143/08, ZIP 2011, 1373 Rn. 10
mwN), welche es nachzuholen haben wird, nachdem der vormalige Insolvenz-
verwalter entsprechend vorgetragen und für die Zeit der von ihm durchgeführ-
ten Betriebsfortführung die erforderliche Überschuss-/Verlustrechnung vorge-
legt hat.
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b) Die Begründung, mit der das Beschwerdegericht die gewährten Zu-
schläge von 170 v.H. wieder "kassiert", ist nicht tragfähig. Allerdings ist ein Ab-
schlag gemäß § 3 Abs. 2 Buchst. c InsVV vorzunehmen, wenn das Amt des
Verwalters vorzeitig endet, er also das Insolvenzverfahren nicht zu Ende geführt
hat (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2004 - IX ZB 301/03, ZInsO 2005,
85; vom 16. Oktober 2008 - IX ZB 247/06, ZInsO 2009, 1030 Rn. 12).
Die Festsetzung eines (hier: sehr hohen) Abschlags mit der Begründung,
die Vergütung für die Tätigkeit als vorläufiger Verwalter sei weit überhöht fest-
gesetzt worden, verstößt aber gegen § 3 Abs. 2 InsVV. Es kann dahinstehen,
ob, wie das Beschwerdegericht annimmt, die Vergütung für die Tätigkeit des
Rechtsbeschwerdeführers als vorläufiger Insolvenzverwalter viel zu hoch fest-
gesetzt worden ist. Darauf kommt es hier nicht an. Die Festsetzung der Vergü-
tung für die Tätigkeit als vorläufiger Verwalter ist rechtskräftig. Sie kann grund-
sätzlich nicht mehr geändert werden. Die Änderungsmöglichkeit des § 11 InsVV
heutiger Fassung findet keine Anwendung, weil wegen der Eröffnung des Insol-
venzverfahrens am 1. Februar 2003 gemäß § 19 Abs. 1 und 2 InsVV § 11
InsVV in der Ursprungsfassung Anwendung findet, in der diese Möglichkeit
nicht vorgesehen war (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2008 - IX ZB
35/05, ZIP 2008, 2323 Rn. 6). Ob diese Vorschrift hier überhaupt eingreifen
würde, kann dahinstehen.
Nach § 3 Abs. 2 Buchst. a InsVV ist allerdings im Regelfall ein Abschlag
von der Vergütung des Verwalters vorzunehmen, wenn ein vorläufiger Verwal-
ter bestellt war. Maßgebend ist insoweit, in welchem Umfang Tätigkeiten des
vorläufigen Verwalters die Tätigkeit des endgültigen Verwalters vereinfacht ha-
ben, weil sonst wahrzunehmende Aufgaben entfallen sind oder weniger auf-
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wändig waren (BGH, Beschluss vom 11. Mai 2006 - IX ZB 249/04, ZIP 2006,
1204 Rn. 25).
Ein solcher Abschlag wird regelmäßig nicht über 5 v.H. bis 20 v.H. hin-
ausgehen. Der vom Beschwerdegericht hier vorgenommene Abschlag von circa
150 v.H. der Regelvergütung ist damit keinesfalls begründbar.
4. Schließlich trägt die Begründung des Beschwerdegerichts nicht die
Annahme, die nach seiner Auffassung verbleibende Regelvergütung könne we-
gen der Beauftragung des Prof. Dr. S. zunächst als Berater und danach
als Geschäftsführer auf Null gekürzt werden.
Zutreffend ist allerdings auch hier der Ausgangspunkt des Beschwerde-
gerichts. Nach der Rechtsprechung des Senats hat der Insolvenzverwalter im
Rahmen seines Vergütungsfestsetzungsantrages aufzuführen, für welche von
ihm beauftragten Fachleute er das an diese entrichtete Entgelt aus der Masse
entnommen hat. Das Insolvenzgericht ist berechtigt und verpflichtet zu prüfen,
ob die Beauftragung Externer gerechtfertigt war. Kommt es zu dem Ergebnis,
dass die Beauftragung nicht gerechtfertigt war, kann es die festzusetzende
Vergütung um den zu Unrecht aus der Masse entnommenen Betrag kürzen
(BGH, Beschluss vom 11. November 2004 - IX ZB 48/08, ZIP 2005, 36, 37).
Dies mag in Extremfällen dazu führen können, dass von der Vergütung nichts
verbleibt.
Das Beschwerdegericht hat bei der Prüfung, ob und in welchem Umfang
Prof. Dr. S. von dem vormaligen Insolvenzverwalter beauftragt und aus
der Masse bezahlt werden durfte, vor allem berücksichtigt, dass entsprechen-
den Vortrag im Vergütungsfestsetzungsantrag fehlte. Hierauf hätte es aber im
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Hinblick auf die stattgebende Entscheidung des Insolvenzgerichts und die hier-
von abweichende, ins Auge gefasste Beschwerdeentscheidung mit ihren Aus-
wirkungen einer Kürzung der Vergütung auf Null hinweisen und Gelegenheit
zum ergänzenden Vortrag geben müssen.
Letztlich stellt das Beschwerdegericht darauf ab, dass Prof. Dr. S.
allein für Akquise-Reisen mehr in Rechnung gestellt habe, als die Regelvergü-
tung betrage. Die Akquise sei jedoch eine Kernaufgabe des Verwalters, der das
Schuldnervermögen in Geld umzusetzen habe.
Die Akquise zur Vorbereitung der Verwertung der Masse ist zwar regel-
mäßig keine Sonderaufgabe, welche die Einschaltung einer besonders sach-
verständigen Person erfordert. Sie kann aber als Sonderaufgabe angesehen
werden, wenn sie von dem Insolvenzverwalter nicht oder nur unzureichend
bzw. mit wesentlichen ungünstigeren Erfolgsaussichten als von einem hierauf
spezialisierten Fachmann vorgenommen werden kann (BGH, Beschluss vom
11. Oktober 2007 - IX ZB 234/06, ZIP 2007, 2323 Rn. 8 f). Das liegt bei der hier
notwendigen Verwertung von spezialisierten Pflegeeinrichtungen nahe.
Das Beschwerdegericht wird deshalb abschließend auch zu beurteilen
haben, ob der Umfang und die Dauer der äußerst aufwändigen, aber gleichwohl
ergebnislosen Akquisebemühungen des Beauftragten aus der Sicht des vorma-
ligen Verwalters als gerechtfertigt angesehen werden kann.
5. Soweit das Beschwerdegericht die Auslagenpauschale nur für die
Dauer von 35 Monaten, also bis Ende des Jahres 2005, gewährt hat, weil der
vormalige Insolvenzverwalter das Verfahren bis zu diesem Zeitpunkt habe ab-
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schließen können, fehlt es insoweit, wie ausgeführt, an der Feststellung der er-
forderlichen Tatsachengrundlage.
Der Auslagenpauschsatz kann zwar nur für die Zeiten gefordert werden,
in denen der Insolvenzverwalter insolvenzrechtlich notwendige Tätigkeiten er-
bracht hat (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2008 - IX ZB 152/07, ZIP 2008, 1640
Rn. 19 f mwN). Maßgebend ist daher der Zeitpunkt, bis zu dem das Insolvenz-
verfahren bei angemessener, zügiger Bearbeitung durch den Verwalter abge-
schlossen worden wäre (BGH, Beschlüsse vom 23. Juli 2004 - IX ZB 255/03,
ZIP 2004, 1716, 1717; vom 2. Februar 2006 - IX ZB 167/04, ZIP 2006, 483
Rn. 32).
Feststellungen dazu, warum dieser Zeitpunkt zum Ende des Jahres 2005
anzunehmen ist, hat das Beschwerdegericht jedoch nicht getroffen.
6. Sofern das Beschwerdegericht danach zum Ergebnis kommt, dass
dem vormaligen Insolvenzverwalter eine Vergütung zusteht, wird es die bislang
ausdrücklich offen gelassene Frage zu prüfen haben, ob ihm derart schwerwie-
gende Pflichtverletzungen vorzuwerfen sind, dass dies zu einer Verwirkung des
Vergütungsanspruchs führt.
V.
Die unselbständige Anschlussrechtsbeschwerde ist ebenfalls begründet.
Auf die Festsetzung der Auslagenpauschale findet gemäß § 19 Abs. 1
InsVV die Vorschrift des § 8 Abs. 3 InsVV in der Ursprungsfassung Anwendung,
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die die Höhe der Pauschsätze von 15 v.H. im ersten Jahr und 10 v.H. in den
folgenden Jahren nicht aus der Regelvergütung, sondern der gesetzlichen Ver-
gütung bemisst. Beträgt die gesetzliche Vergütung Null
€, ist auch der Pausch-
satz Null
€. Dem Verwalter bleibt dann unbenommen, die Erstattung der tat-
sächlich entstandenen Auslagen zu fordern, die er freilich nachweisen muss.
Die Höhe der gesetzlichen Vergütung ist jedoch bislang nicht festgestellt.
Auch insoweit muss deshalb die Sache an das Beschwerdegericht zurückver-
wiesen werden.
Vill
Lohmann
Fischer
Pape
Möhring
Vorinstanzen:
AG Lüneburg, Entscheidung vom 23.07.2009 - 46 IN 285/02 -
LG Lüneburg, Entscheidung vom 11.01.2011 - 3 T 79/09 -
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