Urteil des BGH vom 28.04.2004

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 285/06 Verkündet
am:
18. Juli 2007
Kirchgeßner,
Justizhauptsekretärin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 558
Bei der Berechnung der Jahresfrist nach § 558 Abs. 1 Satz 2 BGB bleiben nach
Satz 3 auch solche Mieterhöhungen unberücksichtigt, die auf den in § 559 BGB ge-
nannten Gründen beruhen, jedoch einvernehmlich von den Parteien vereinbart wor-
den sind (im Anschluss an BGH, Urteil vom 28. April 2004 - VIII ZR 185/03, NJW
2004, 2088).
BGH, Urteil vom 18. Juli 2007 - VIII ZR 285/06 - LG Görlitz
AG
Görlitz
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Juli 2007 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Wiechers
sowie die Richterinnen Hermanns, Dr. Milger und Dr. Hessel
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts
Görlitz - 2. Zivilkammer - vom 13. Oktober 2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Berechtigung eines Mieterhöhungsverlan-
gens nach § 558 BGB.
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Die Beklagten haben von der Klägerin eine 58,97 qm große Wohnung in
G. gemietet. Die Miete betrug zuletzt 252,29 € zuzüglich Nebenkosten.
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Mit Schreiben vom 25. März 2003 machte die Klägerin wegen im Einzel-
nen dargelegter Modernisierungsmaßnahmen eine auf § 559 BGB gestützte
Mieterhöhung um monatlich 51,30 € mit Wirkung ab 1. Juni 2003 geltend. Die
Beklagten zahlten am 21. Juli 2003 einen Betrag von 49,54 € mit der Tilgungs-
bestimmung "Modernisierungszuschlag Ju" sowie ab August 2003 eine um
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24,77 € monatlich erhöhte Miete. Auf schriftliche Aufforderungen der Klägerin,
die Zuordnung der Zahlung näher zu erläutern oder aufzuschlüsseln, reagierten
die Beklagten nicht. Sie entrichteten jedoch weiterhin monatliche Mietzahlungen
von 277,06 €, also jeweils zusätzlich 24,77 € über die bisherige Miete hinaus.
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Mit Schreiben vom 25. Mai 2004 teilte die Klägerin den Beklagten mit,
dass die von ihnen gezahlte Miete unter der ortsüblichen Vergleichsmiete von
5,13 € je qm liege und forderte sie gemäß § 558 BGB auf, einer Erhöhung der
Nettomiete um 25,47 € auf nunmehr 302,52 € zuzustimmen. Dabei legte sie
- unter Hinweis darauf, dass die Beklagten die vorangegangene Mieterhöhung
wegen der durchgeführten Modernisierung durch Zahlung teilweise (in Höhe
von 24,77 €) anerkannt hätten - eine bisherige Nettomiete von 277,06 € (4,70 €
je qm) zugrunde. Die Beklagten stimmten der Mieterhöhung nicht zu.
Das Amtsgericht hat die auf Zustimmung zur Mieterhöhung gerichtete
Klage abgewiesen, das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückge-
wiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klä-
gerin ihr Begehren weiter.
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Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausge-
führt:
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Ein Anspruch der Klägerin auf Zustimmung zur Mieterhöhung scheitere
bereits daran, dass im Zeitpunkt der Geltendmachung des Mieterhöhungsver-
langens die letzte Mieterhöhung noch kein Jahr zurückgelegen habe und das
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Mieterhöhungsverlangen deshalb unwirksam sei. Denn die Klägerin habe erst
durch das Mieterhöhungsverlangen vom 25. Mai 2004 das in der Zahlung einer
um 24,77 € erhöhten Miete liegende Angebot der Beklagten auf Erhöhung der
Grundmiete um diesen Betrag angenommen; dadurch sei eine übereinstim-
mende Änderung der Miethöhe im Sinne von § 557 Abs. 1 BGB eingetreten.
Diese Anhebung der Miete durch Änderungsvertrag sei nicht als Mieterhöhung
gemäß §§ 559 bis 560 BGB anzusehen und falle deshalb nicht unter die Aus-
nahmevorschrift des § 558 Abs. 1 Satz 3 BGB.
Die vom Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 28. April 2004
- VIII ZR 185/03, NJW 2004, 2088 aufgestellten Rechtsgrundsätze seien wegen
der vom Gesetzgeber bei der Neufassung des Mietrechts vorgenommenen re-
daktionellen Änderungen nicht mehr anwendbar. Durch den Wortlaut des § 557
Abs. 3 BGB und die systematische Stellung des § 557 Abs. 1 BGB im Verhält-
nis zu § 557 Abs. 3 BGB werde klargestellt, dass eine einvernehmliche Ände-
rung der Miete etwas grundsätzlich anderes sei als die im Grunde einseitig
durchsetzbare Mieterhöhung nach §§ 558 bis 560 BGB. Dies gelte insbesonde-
re für die Mieterhöhung wegen Modernisierung nach § 559 BGB; insoweit habe
der Gesetzgeber im Rahmen des Mietrechtsreformgesetzes die Befugnis des
Vermieters zur einseitigen Mieterhöhung sprachlich klargestellt. Der Gesetzge-
ber habe mithin die einvernehmliche Regelung bei Vergleichsmietenerhöhun-
gen durch die Formulierung des § 558 BGB unter voller Beachtung der Schutz-
würdigkeit des Vermieters befördern wollen, während er eine solche Vorge-
hensweise bei Mieterhöhungen nach § 559 BGB nicht für angebracht erachtet
habe.
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II.
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Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Ein An-
spruch der Klägerin auf Zustimmung der Beklagten zu der mit Schreiben vom
25. Mai 2004 verlangten Mieterhöhung kann nicht mit der vom Berufungsgericht
gegebenen Begründung verneint werden.
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1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings gegen die Annahme
des Berufungsgerichts, die Parteien hätten eine Mieterhöhung um 24,77 €
durch schlüssiges Verhalten vertraglich vereinbart. Die Auslegung des Beru-
fungsgerichts, in den Teilzahlungen der Beklagten im Anschluss an das Mieter-
höhungsschreiben der Klägerin vom 25. März 2003 liege ein Angebot auf An-
hebung der Miete um diesen Betrag, das die Klägerin durch ihr Schreiben vom
25. Mai 2004 angenommen habe, ist als tatrichterliche Würdigung einer Indivi-
dualvereinbarung in der Revisionsinstanz nur beschränkt überprüfbar. Sie kann
nur insoweit nachgeprüft werden, als gesetzliche oder allgemein anerkannte
Auslegungsregeln, Denkgesetze, allgemeine Erfahrungssätze oder Verfahrens-
vorschriften verletzt worden sind (BGH, Urteil vom 13. Dezember 1990 - IX ZR
33/90, WM 1991, 495, unter I 3 a; BGHZ 135, 269, 273; 154, 132, 133). Derar-
tige Fehler zeigt die Revision nicht auf. Das vom Tatrichter gefundene Ergebnis
ist möglich und daher für die Revisionsinstanz bindend (vgl. BGH, Urteil vom
25. Februar 1992 - X ZR 88/90, NJW 1992, 1967, unter II 3 a).
2. Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachvortrag der
Klägerin ist jedoch davon auszugehen, dass die Parteien mit dieser vertragli-
chen Regelung Modernisierungsaufwendungen der Klägerin auf die Beklagten
umgelegt haben, die auch eine entsprechende förmliche Mieterhöhung nach
§ 559 BGB gerechtfertigt hätten. Entgegen der Auffassung des Berufungsge-
richts gilt die in § 558 Abs. 1 Satz 3 BGB vorgesehene Ausnahme für Mieterhö-
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hungen nach §§ 559 bis 560 BGB auch für eine einvernehmliche Mieterhöhung
wegen vom Vermieter durchgeführter Modernisierungsmaßnahmen.
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a) Der Wortlaut des § 558 Abs. 1 Satz 3 BGB, der nicht allgemein auf ei-
ne Anhebung der Miete wegen umlegbarer Modernisierungsmaßnahmen, son-
dern auf Erhöhungen nach §§ 559 bis 560 BGB Bezug nimmt, könnte zwar da-
für sprechen, dass auf eine Erhöhung aufgrund eines einseitigen Mieterhö-
hungsverlangens abzustellen ist. Eine solche allein am Wortlaut orientierte Aus-
legung würde aber dem Sinn und Zweck des § 559 BGB nicht gerecht. Diese
Vorschrift verfolgt - ebenso wie die frühere entsprechende Regelung in § 3 des
Gesetzes zur Regelung der Miethöhe (MHRG) - aus wohnungs-, wirtschafts-
und umweltpolitischen Gründen den Zweck, die Modernisierung vorhandenen
alten Wohnbestandes zu fördern. Deshalb wird dem Vermieter ein Anreiz zur
Vornahme von wünschenswerten Modernisierungsmaßnahmen durch die Privi-
legierung der damit zusammenhängenden Kosten gegeben (vgl. Senatsurteil
vom 28. April 2004 - VIII ZR 185/03, NJW 2004, 2088, unter II 2 c, zu § 3
MHRG). Mit der im Rahmen des Mietrechtsreformgesetzes erfolgten Eingliede-
rung der Bestimmungen des MHG in das Bürgerliche Gesetzbuch war eine Än-
derung der mit § 3 MHRG verfolgten gesetzgeberischen Zielsetzung nicht ver-
bunden (vgl. BT-Drs. 14/4553 S. 58). Die Privilegierung dieser Kosten hat ihren
sachlichen Grund in der erwünschten Modernisierung des Wohnungsbestan-
des, nicht in der Art und Weise der rechtlichen Umsetzung - einseitiges Mieter-
höhungsverlangen oder vertragliche Regelung - einer hierauf gestützten Miet-
erhöhung. Die vom Gesetzgeber als privilegiertes Merkmal für die Bemessung
der Miete ausgestatteten Modernisierungskosten sollen deshalb nicht durch die
Jahresfrist (§ 558 Abs. 1 Satz 2) oder die Kappungsgrenze (§ 558 Abs. 3 BGB)
teilweise wieder "neutralisiert" werden (Senatsurteil vom 28. April 2004, aaO, zu
§§ 2, 3 MHRG).
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b) Die Annahme des Berufungsgerichts, der Gesetzgeber habe durch die
im Rahmen des Mietrechtsreformgesetzes vorgenommenen Änderungen die
Frage, ob auch eine vertragliche Mieterhöhung wegen umlagefähiger Moderni-
sierungskosten die Jahressperrfrist auslöse, im Sinne der vom Berufungsgericht
vertretenen Auffassung geregelt, findet im Gesetzgebungsverfahren keine Stüt-
ze und lässt sich auch nicht mit der Systematik des Gesetzes begründen.
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aa) Wie auch das Berufungsgericht im Ansatz nicht verkennt, handelt es
sich bei den geringfügigen sprachlichen Anpassungen, die in §§ 558 bis 560
BGB gegenüber den entsprechenden Bestimmungen des Gesetzes zur Rege-
lung der Miethöhe vorgenommen wurden, um redaktionelle Änderungen, mit
denen eine inhaltliche Umgestaltung nicht beabsichtigt war. Die Gesetzesmate-
rialien beschäftigen sich auch nicht mit der Frage, ob eine einvernehmliche
Mieterhöhung wegen Modernisierung im Rahmen der Jahressperrfrist oder der
Kappungsgrenze zu berücksichtigen ist (vgl. BT-Drs. 14/4553 S. 54 und 87 f.).
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bb) Mit der Voranstellung der Mieterhöhungen kraft Parteivereinbarung in
§ 557 Abs. 1 und Abs. 2 BGB soll nach der Intention des Gesetzgebers das
grundsätzlich auch für Mieterhöhungen geltende Prinzip der Vertragsfreiheit
und Privatautonomie im Interesse der Streitvermeidung hervorgehoben und
einvernehmlichen Vertragsänderungen grundsätzlich der Vorzug eingeräumt
werden (BT-Drs. 14/4553 S. 52). Mit dieser Zielrichtung des Gesetzgebers ist
die Auffassung des Berufungsgerichts, auch eine wegen umlagefähiger Moder-
nisierungsmaßnahmen des Vermieters einvernehmlich herbeigeführte Mieter-
höhung löse die Jahressperrfrist aus, nicht zu vereinbaren. Sie würde den Ver-
mieter im Ergebnis dazu zwingen, Mieterhöhungen wegen Modernisierung aus-
schließlich auf förmlichem Weg und notfalls gerichtlich durchzusetzen, nur um
sich die Möglichkeit einer Anpassung der Miete nach § 558 BGB zu erhalten
(vgl. Senatsurteil vom 28. April 2004, aaO).
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3. Das Urteil des Berufungsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen
Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Entgegen der Auffassung der Revisionserwi-
derung kommt es für die Frage, ob eine nicht unter die Jahressperrfrist des
§ 558 Abs. 1 Satz 2 BGB fallende Vereinbarung einer Mieterhöhung wegen
Modernisierung vorliegt, nicht darauf an, ob der Vereinbarung ein formell wirk-
sames Mieterhöhungsverlangen gemäß § 559 BGB vorausgegangen ist und ob
die Parteien geregelt haben, wie sich der letztlich vereinbarte Erhöhungsbetrag,
der hinter dem ursprünglichen Mieterhöhungsverlangen des Vermieters zurück-
bleibt, auf die einzelnen von der Klägerin durchgeführten Modernisierungsmaß-
nahmen verteilt.
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Erforderlich ist lediglich, dass der Vermieter die wegen der Modernisie-
rung vereinbarte Mieterhöhung in dieser Höhe auch einseitig nach § 559 BGB
hätte durchsetzen können. Das ist nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu
legenden Sachvortrag der Klägerin hier der Fall. Dass die einvernehmliche An-
hebung der Miete wegen der vom Vermieter zuvor durchgeführten Modernisie-
rungsmaßnahmen erfolgt ist, wird im Übrigen regelmäßig anzunehmen sein,
wenn sich die Parteien - wie hier - im Anschluss an ein Mieterhöhungsbegehren
nach § 559 BGB auf einen Teilbetrag der zunächst vom Vermieter verlangten
Mietsteigerung geeinigt haben.
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III.
Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand ha-
ben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur End-
entscheidung reif, weil das Berufungsgericht - auf der Grundlage der von ihm
vertretenen Auffassung folgerichtig - keine Feststellungen zu der einseitigen
Durchsetzbarkeit einer Mieterhöhung in Höhe des vereinbarten Betrags nach
§ 559 BGB und zu den weiteren Voraussetzungen des § 558 BGB getroffen
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hat. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Be-
rufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
Ball
Wiechers
Hermanns
Dr. Milger
Dr. Hessel
Vorinstanzen:
AG Görlitz, Entscheidung vom 30.08.2005 - 1 C 784/04 -
LG Görlitz, Entscheidung vom 13.10.2006 - 2 S 110/05 -