Urteil des BGH vom 17.11.2009

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 36/09 Verkündet
am:
17. November 2009
Mayer,
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
ZPO § 767, § 794 Abs. 1 Nr. 5
BGB § 216 Abs. 2 Satz 1, § 780, § 812 Abs. 2
Das von einem Schuldner in einer notariellen Grundschuldbestellungsurkunde abge-
gebene abstrakte Schuldversprechen mit Vollstreckungsunterwerfung ist nicht des-
halb nach § 812 Abs. 2 BGB kondizierbar, weil der durch die Grundschuld gesicherte
Anspruch des Gläubigers verjährt ist. Die Vorschrift des § 216 Abs. 2 Satz 1 BGB ist
auf ein solches Schuldversprechen analog anwendbar.
BGH, Urteil vom 17. November 2009 - XI ZR 36/09 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
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Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. November 2009 durch den Vorsitzenden Richter Wiechers und die
Richter Dr. Joeres, Dr. Ellenberger, Maihold und Dr. Matthias
für Recht erkannt:
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Stuttgart vom 28. Januar 2009 wird auf ihre
Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus
einer notariellen Urkunde. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
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Die Kläger wurden im Juni 1990 von einem Vermittler geworben, zwecks
Steuerersparnis eine noch zu errichtende Eigentumswohnung in B.
zu kaufen. Am 28. Juni 1990 beauftragten sie die Firma I.
mbH (im Folgenden:
Treuhänderin), die nicht über eine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz
verfügte, ihnen den Kauf der Wohnung zu vermitteln. Zugleich erteilten sie der
F. GmbH den Auftrag, ihnen die Vollfinanzierung
des Kaufpreises zzgl. der Erwerbsnebenkosten zu vermitteln. Hinsichtlich der
Finanzierungsvollmacht erhielten die Kläger eine Widerrufsbelehrung. Mit nota-
rieller Urkunde vom 2. Juli 1990 bevollmächtigten sie die Treuhänderin, den
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Kaufvertrag abzuschließen, Untervollmachten zu erteilen und zur Kaufpreisfi-
nanzierung Grundpfandrechte am Vertragsgegenstand zu bestellen. Am 31. Juli
1990 unterzeichneten die Kläger zur Finanzierung des Kaufpreises in Höhe von
180.892 DM zuzüglich Nebenkosten einen Darlehensvertrag mit der Beklagten
über einen Nettokreditbetrag in Höhe von 232.500 DM. Als Verwendungszweck
wurde der Wohnungskauf, als Beleihungsobjekt die zu erwerbende Wohnung
im Vertrag angegeben. Das Darlehen sollte durch eine Grundschuld nebst ding-
licher und persönlicher Zwangsvollstreckungsunterwerfung gesichert werden.
Dazu unterzeichneten die Kläger an diesem Tage eine Sicherungszweckerklä-
rung, wonach die an der Wohnung zu bestellende Grundschuld sowie eine per-
sönliche Haftungsübernahme der Kläger der Sicherung aller bestehenden und
künftigen Ansprüche der Beklagten aus der Geschäftsbeziehung dienen sollten.
Mit notarieller Urkunde vom 9. August 1990 unterbreiteten die Kläger, vertreten
durch die Treuhänderin, der Verkäuferin ein Angebot zum Erwerb der Woh-
nung. In der Urkunde bevollmächtigten sie eine Notariatssekretärin mit der Be-
stellung von Grundpfandrechten und mit der Unterwerfung unter die Zwangs-
vollstreckung in ihr persönliches Vermögen. Die Verkäuferin nahm dieses An-
gebot am 12. September 1990 an. Mit notarieller Urkunde vom selben Tage
bestellten die Kläger, vertreten durch die Notariatssekretärin, zugunsten der
Beklagten eine fällige Briefgrundschuld über 232.500 DM, unterwarfen sich we-
gen des Grundschuldbetrages zzgl. Zinsen und Nebenkosten der sofortigen
Zwangsvollstreckung in den Vertragsgegenstand und erklärten die persönliche
Haftungsübernahme nebst Vollstreckungsunterwerfung in ihr gesamtes Vermö-
gen. Mit Schreiben vom 26. August 2002 widerriefen die Kläger ihre auf den
Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenerklärungen. Nach Zah-
lungseinstellung kündigte die Beklagte das Darlehen am 28. November 2002.
Auf ihren Antrag wurde am 4. November 2005 die Zwangsversteigerung der
Wohnung angeordnet.
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Mit ihrer Klage begehren die Kläger, die Zwangsvollstreckung aus der
notariellen Urkunde vom 12. September 1990 für unzulässig zu erklären, soweit
sie aus der persönlichen Haftungsübernahme in ihr gesamtes Vermögen be-
trieben werden kann. Sie berufen sich darauf, dass ihr Schuldversprechen
nebst Unterwerfungserklärung in der Grundschuldbestellungsurkunde unwirk-
sam sei, weil die der Treuhänderin erteilte Vollmacht gegen das Rechtsbera-
tungsgesetz verstoße. Der Darlehensrückzahlungsanspruch der Beklagten sei
verjährt.
3
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat
die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
erstreben die Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
4
Entscheidungsgründe:
A.
Die Revision der Kläger ist insgesamt statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das Berufungsgericht hat die Revision in der Urteilsformel ohne Einschränkung
zugelassen. Eine Einschränkung kann sich zwar auch aus den Entscheidungs-
gründen ergeben, sofern sie daraus mit hinreichender Klarheit hervorgeht (Se-
natsurteile vom 15. März 2005 - XI ZR 338/03, WM 2005, 1019, 1020, vom
27. Mai 2008 - XI ZR 132/07, WM 2008, 1260, Tz. 8 und vom 23. September
2008 - XI ZR 253/07, WM 2008, 2158, Tz. 6). Dies ist vorliegend jedoch nicht
der Fall. Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision mit unterschied-
lichen Entwicklungen in der Rechtsprechung zur Auslegung von § 216 Abs. 2
Satz 1 BGB begründet. Darin liegt keine hinreichend klare Beschränkung der
Zulassung.
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Eine solche wäre gegebenenfalls auch unwirksam. Die Zulassung der
Revision kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur auf
einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffes be-
schränkt werden. Unzulässig ist es, die Zulassung auf einzelne von mehreren
Anspruchsgrundlagen oder auf bestimmte Rechtsfragen zu beschränken
(BGHZ 101, 276, 278; 111, 158, 166; BGH, Urteile vom 23. September 2003
- XI ZR 135/02, WM 2003, 2232 f., vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 404/02, NJW
2004, 766 und vom 21. September 2006 - I ZR 2/04, BGH-Report 2007, 1,
Tz. 19). Die Beschränkung der Zulassung auf die Auslegung einer Verjährungs-
vorschrift, die von der materiell-rechtlichen Natur des Anspruchs abhängt, zielt
auf eine einzelne Rechtsfrage ab und ist deshalb unwirksam (BGH, Urteile vom
27. September 1995 - VIII ZR 257/94, WM 1995, 2107, 2108 und vom 21. Sep-
tember 2006 - I ZR 2/04, BGH-Report 2007, 1, Tz. 19; Zöller/Heßler, ZPO,
28. Aufl., § 543 Rn. 19; Saenger/Kayser, ZPO, 3. Aufl., § 543 Rn. 61; aA
MünchKommZPO/Wenzel, 3. Aufl., § 543 Rn. 41). Fehlt es mithin - wie gege-
benenfalls hier - an einer wirksamen Beschränkung der Zulassung, so ist allein
die Beschränkung, nicht aber die Zulassung unwirksam; die Revision ist daher
unbeschränkt zugelassen (BGH, Urteile vom 5. April 2005 - XI ZR 167/04, WM
2005, 1076, 1077, vom 4. April 2006 - VI ZR 151/05, NJW-RR 2006, 1098,
1099 und vom 21. September 2006 - I ZR 2/04, BGH-Report 2007, 1, Tz. 20).
6
B.
Die Revision ist unbegründet.
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- 6 -
I.
8
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt
begründet:
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Die Vollstreckungsabwehrklage und die mit ihr verbundene prozessuale
Gestaltungsklage analog § 767 Abs. 1 ZPO seien zulässig, denn die Kläger hät-
ten sowohl Einwendungen gegen den titulierten materiellrechtlichen Anspruch
als auch gegen die Wirksamkeit des Vollstreckungstitels erhoben. Die prozes-
suale Gestaltungsklage sei jedoch unbegründet, wobei dahinstehen könne, ob
der Vollstreckungstitel mangels wirksamer Vollmacht unwirksam sei. Die Beru-
fung der Kläger hierauf sei treuwidrig, da sie nach dem Inhalt des wirksamen
Darlehensvertrages verpflichtet gewesen seien, ein selbständiges Schuldver-
sprechen mit Vollstreckungsunterwerfung abzugeben. Ein Widerrufsrecht der
Kläger nach dem Haustürwiderrufsgesetz scheitere daran, dass die Haustürsi-
tuation angesichts des zeitlichen Abstandes zum Abschluss des Darlehensver-
trages von über einem Monat für die Abgabe der diesbezüglichen Willenserklä-
rungen nicht mehr ursächlich gewesen sei. Gegen ein Fortwirken des Überra-
schungsmoments spreche auch, dass die Kläger von der ihnen im Finanzie-
rungsvermittlungsauftrag gewährten Widerrufsmöglichkeit keinen Gebrauch
gemacht hätten und ihre Erwerbsvollmacht am 2. Juli 1990 noch notariell hätten
beurkunden lassen.
Auch die Vollstreckungsgegenklage sei unbegründet. Der Einwand der
Kläger, die Vollstreckung sei unzulässig, weil sie das Darlehen nicht erhalten
hätten, sei als neuer Vortrag im Berufungsverfahren ausgeschlossen. Die Klä-
ger könnten ihr abstraktes Schuldversprechen aus der vollstreckbaren Urkunde
nicht kondizieren. Die Darlehensrückforderung sei zwar Ende 2005 verjährt,
ohne dass die Verjährungsfrist zuvor gehemmt worden sei oder aufgrund einer
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Vollstreckungshandlung neu zu laufen begonnen habe. Dies stehe jedoch einer
Vollstreckung der Beklagten aus dem titulierten Schuldversprechen nicht ent-
gegen, wie sich aus § 216 BGB unmittelbar ergebe. Ein Schadensersatzan-
spruch stehe den Klägern gleichfalls nicht zu, denn die Beklagte habe keine
Aufklärungspflichten verletzt. Eine sittenwidrige Übervorteilung hätten die Klä-
ger nicht ausreichend dargelegt. Die Angaben des Vermittlers zur Eignung der
Wohnung als Altersversorgung und zur Veräußerbarkeit mit Gewinn nach Ab-
lauf von fünf Jahren seien keine konkret unrichtigen Aussagen über wertbilden-
de Faktoren, sondern lediglich subjektive Werturteile und marktschreierische
Anpreisungen gewesen.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand. Zu Recht hat
das Berufungsgericht sowohl die prozessuale Gestaltungsklage analog § 767
Abs. 1 ZPO als auch die Vollstreckungsabwehrklage als unbegründet angese-
hen.
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1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die
Kläger nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) daran gehin-
dert sind, sich auf eine eventuelle Unwirksamkeit des in ihrem Namen mit nota-
rieller Urkunde von 12. September 1990 erklärten vollstreckbaren Schuldver-
sprechens zu berufen, weil sie ausweislich des von ihnen selbst abgeschlosse-
nen Darlehensvertrages und ihrer Sicherungszweckerklärung zur Abgabe die-
ses Schuldversprechens verpflichtet waren.
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a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes darf ein
Darlehensnehmer, der sich im Darlehensvertrag wirksam verpflichtet hat, sich
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der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen zu unterwer-
fen, aus der Nichterfüllung dieser Verpflichtung keine Vorteile ziehen (§ 242
BGB). Ist die Unterwerfungserklärung nicht durch ihn selbst, sondern durch ei-
nen Vertreter ohne Vertretungsmacht abgegeben worden, kann er sich daher
gegenüber der kreditgebenden Bank auf die Unwirksamkeit der Erklärung nicht
berufen. Dies gilt auch in Fällen, in denen die Abgabe der Unterwerfungserklä-
rung - wie hier - durch eine Treuhänderin erfolgt ist, deren Vollmacht aufgrund
eines - im vorliegenden Revisionsverfahren zu unterstellenden - Verstoßes ge-
gen das Rechtsberatungsgesetz gemäß § 134 BGB nichtig ist (Senatsurteile
vom 21. Juni 2005 - XI ZR 88/04, WM 2005, 1520, 1521 f., vom 27. September
2005 - XI ZR 79/04, BKR 2005, 501, 505, vom 28. März 2006 - XI ZR 239/04,
WM 2006, 853, Tz. 22 und vom 17. Oktober 2006 - XI ZR 19/05, WM 2007, 62,
Tz. 18, jeweils m.w.N.).
b) Muss der Darlehensnehmer - wie hier - nach dem Inhalt des Darle-
hensvertrages ein selbständiges Schuldversprechen mit einer Vollstreckungs-
unterwerfung als die Grundschuld verstärkende Sicherheit abgeben, ist es ihm
jedoch nur dann nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ver-
wehrt, sich auf die Nichtigkeit der Vollstreckungsunterwerfung zu berufen, wenn
er an den Kreditvertrag gebunden und zur Rückzahlung der Darlehensvaluta
verpflichtet ist (vgl. Senatsurteile vom 15. März 2005 - XI ZR 135/04, WM 2005,
828, 830, vom 21. Juni 2005 - XI ZR 88/04, WM 2005, 1520, 1521 f. und vom
27. September 2005 - XI ZR 79/04, BKR 2005, 501, 505, jeweils m.w.N.).
14
Dies ist vorliegend der Fall. Entgegen der Rechtsansicht der Revision
steht der Beklagten ein Anspruch auf Rückzahlung des wegen Zahlungseinstel-
lung der Kläger wirksam gekündigten Darlehens zu. Insbesondere haben die
Kläger die Valuta im Sinne von § 607 Abs. 1 BGB aF empfangen.
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Nach ständiger Rechtsprechung gilt ein Darlehen als empfangen, wenn
der Kreditgeber es vereinbarungsgemäß an einen Dritten - etwa an den Verkäu-
fer einer finanzierten Eigentumswohnung - ausgezahlt hat (Senat, BGHZ 167,
252, Tz. 31; Urteile vom 20. April 2004 - XI ZR 171/03, WM 2004, 1230, 1233,
vom 11. Januar 2005 - XI ZR 272/03, WM 2005, 327, 329, vom 15. März 2005
- XI ZR 135/04, WM 2005, 828, 833 und vom 27. September 2005 - XI ZR
79/04, BKR 2005, 501, 503). Vorliegend wurde in dem von den Klägern unter-
zeichneten Darlehensvertrag die Verwendung der Valuta für den Kauf der Ei-
gentumswohnung ausdrücklich vereinbart. Die Kläger haben den ordnungsge-
mäßen Vollzug dieser Verwendungsabrede nie in Zweifel gezogen. Dass dem-
entsprechend verfahren wurde, belegt auch die Tatsache, dass die Kläger als
Eigentümer der Wohnung in das Grundbuch eingetragen wurden, denn dies
hatte nach § 6 des Kaufvertrages die vollständige Kaufpreiszahlung zur Vor-
aussetzung.
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Nach alledem kommt es nicht darauf an, ob das Berufungsgericht den
- ohnehin nicht substantiierten - Vortrag der Kläger in der Berufungserwiderung,
sie hätten die Darlehensvaluta nicht empfangen, zu Recht nicht gemäß § 531
Abs. 2 Nr. 3 ZPO zugelassen hat.
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2. Das Berufungsgericht ist ferner zutreffend davon ausgegangen, dass
die Beklagte ungeachtet einer etwaigen Verjährung ihres Darlehensrückzah-
lungsanspruches nach § 195 BGB weiter aus dem abstrakten Schuldverspre-
chen in das gesamte Vermögen der Kläger vollstrecken kann. Die Verjährung
des Darlehensrückzahlungsanspruches steht einer Vollstreckung aus dem ab-
strakten Schuldversprechen der Kläger gemäß § 216 Abs. 2 Satz 1 BGB analog
nicht entgegen, weil dieses danach nicht gemäß § 812 Abs. 2 BGB herausver-
langt werden kann.
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a) Mit der Frage, ob der Gläubiger aus einem notariellen Schuldaner-
kenntnis oder Schuldversprechen mit Vollstreckungsunterwerfung nach der
Wertung des im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung normierten § 216
Abs. 2 Satz 1 BGB auch noch nach Verjährung des zugrunde liegenden Darle-
hensrückzahlungsanspruches gegen den Schuldner vorgehen kann, war der
Bundesgerichtshof noch nicht befasst (offen gelassen im Senatsurteil vom
19. Dezember 2006 - XI ZR 113/06, WM 2007, 588, Tz. 16). In der instanzge-
richtlichen Rechtsprechung und in der Literatur wird die Frage nahezu einhellig
bejaht (siehe OLG Frankfurt am Main, WM 2007, 2196, 2197 f.; OLG Branden-
burg, Beschluss vom 3. April 2009 - 5 W 2/09, juris, Tz. 6; Bork in jurisPK-BGB,
4. Aufl., § 780 Rn. 12; MünchKommBGB/Habersack, 5. Aufl., § 780 Rn. 44;
Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 216 Rn. 3; PWW/Kesseler, BGB, 4. Aufl.,
§ 216 Rn. 3; Staudinger/Marburger, BGB (2009), § 780 Rn. 17; Cartano/
Edelmann, WM 2004, 775, 779; Deter/Burianski/Möllenhoff, BKR 2008, 281,
285 f.; Hohmann, WM 2004, 757, 763 f.; Kreikenbohm/Niederstetter, WM 2008,
718, 719 f.; aA OLG Brandenburg, OLGR Brandenburg 2009, 629, 631; Grothe,
WuB IV A § 214 BGB 1.06).
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Der erkennende Senat hält die herrschende Ansicht für zutreffend.
20
b) Allerdings kommt eine unmittelbare Anwendung des § 216 Abs. 2
Satz 1 BGB nicht in Betracht (aA Staudinger/Marburger, aaO). Zwar handelt es
sich bei einem notariell beurkundeten Schuldversprechen gemäß § 780 BGB
um ein "Recht" des Versprechensempfängers im Sinne von § 216 Abs. 2 Satz 1
BGB. Einer direkten Anwendung der Vorschrift steht aber entgegen, dass der
Gesetzgeber (siehe BT-Drucks. 14/6040, S. 122 f.) mit ihr nur dinglich gesicher-
te Ansprüche erfassen wollte. Folgerichtig handelt es sich bei den in § 216 BGB
ausdrücklich geregelten Sicherungsrechten ausschließlich um dingliche Rechte.
Der Gesetzgeber hat daher insoweit offenbar den in der Neufassung des Ver-
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jährungsrechts weitgehend übernommenen § 223 BGB aF, der nur für dingliche
Sicherheiten galt (BGHZ 138, 49, 55), nicht geändert (vgl. OLG Frankfurt am
Main, WM 2007, 2196, 2197 f.).
22
c) Indessen liegen entgegen der Auffassung der Revision hier die Vor-
aussetzungen für eine entsprechende Anwendung des § 216 Abs. 2 Satz 1
BGB vor.
aa) Eine Analogie ist zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Rege-
lungslücke enthält (vgl. BGHZ 149, 165, 174) und der zu beurteilende Sachver-
halt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem vom Gesetzgeber geregelten Tatbe-
stand vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre
bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen
hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift,
zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (siehe etwa BGH, Urteile vom
13. März 2003 - I ZR 290/00, ZIP 2003, 1204, 1206; vgl. auch BGHZ 105, 140,
143; 110, 183, 192; 120, 239, 252). Die Lücke muss sich also aus einem unbe-
absichtigten Abweichen des Gesetzgebers von seinem - dem konkreten Ge-
setzgebungsverfahren zugrunde liegenden - Regelungsplan ergeben (BGHZ
155, 380, 389 f.).
23
bb) Nach diesen Grundsätzen ist eine Anwendung des § 216 Abs. 2
Satz 1 BGB in analoger Form geboten.
24
OLGR Brandenburg, 2009, 629, 631) besteht eine unbeabsichtigte Regelungs-
lücke. Das abstrakte Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis wird, wie
dargelegt, von den Regeln des § 216 Abs. 2 BGB nicht erfasst. Es gibt auch
sonst keine Vorschrift, die sich mit dem Verhältnis des abstrakten Schuldver-
sprechens als Sicherungsrecht zu der gesicherten Forderung befasst. Dazu
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bestand vor der Modernisierung des Schuldrechts auch kein Anlass, weil nach
altem Recht die Ansprüche aus dem Darlehen und aus dem abstrakten Schuld-
versprechen bzw. Schuldanerkenntnis der gleichen Verjährungsfrist von
30 Jahren (§ 195 BGB aF) unterlagen. Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Mo-
dernisierung des Schuldrechts am 1. Januar 2002 hat sich dies grundlegend
geändert. Während gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 4 BGB für den Anspruch aus dem
notariellen Schuldversprechen weiterhin die dreißigjährige Verjährung gilt, ver-
jährt die Darlehensrückzahlungsforderung jetzt gemäß § 195 BGB grundsätzlich
schon nach drei Jahren.
Eine ausdrückliche Auseinandersetzung mit der Frage, ob die sich dar-
aus ergebende Diskrepanz dadurch beseitigt werden kann, dass die Regeln
des § 216 Abs. 2 Satz 1 BGB auf das abstrakte Schuldversprechen als Siche-
rungsrecht entsprechende Anwendung finden, hat ausweislich der Gesetzes-
materialien zur Modernisierung des Schuldrechts (vgl. BT-Drucksache 14/6040
und 14/7052) nicht stattgefunden. Es besteht auch sonst kein konkreter An-
haltspunkt, dass der Gesetzgeber mit der Fassung des § 216 Abs. 2 BGB eine
abschließende und analogiefeindliche Regelung schaffen wollte (vgl. OLG
Frankfurt am Main, WM 2007, 2196, 2198).
26
(2) Für eine entsprechende Analogie sprechen auch Normzweck und In-
teressenlage.
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In § 216 Abs. 2 BGB geht das Gesetz davon aus, dass eine zur Siche-
rung der persönlichen Forderung geschaffene verdinglichte Rechtsstellung von
der Verjährung nicht berührt werden soll (BT-Drucks. 14/6040, S. 122 f.). Dieser
Gedanke gilt nicht nur für die Grundschuld, auf die § 216 Abs. 2 BGB unmittel-
bar anwendbar ist, sondern ebenso für das eigens zur Sicherung einer Forde-
rung abgegebene abstrakte Schuldversprechen. Mit dem zusätzlichen An-
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spruch aus einem notariell beurkundeten Schuldversprechen soll durch die
Ausweitung des Vollstreckungszugriffs auf das gesamte Vermögen des Darle-
hensnehmers/Sicherungsgebers die Grundschuldsicherheit in Form einer ei-
genständigen Sicherheit verstärkt werden (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember
2006 - XI ZR 113/06, WM 2007, 588, Tz. 14 m.w.N.). Zudem ist das abstrakte
Schuldversprechen, ebenso wie die Grundschuld, mit der Zweckerklärung zur
Grundschuldbestellung verbunden. Die Verknüpfung hat den Sinn, dass die
Geltendmachung des abstrakten Schuldversprechens nicht willkürlich, sondern
nur unter den Voraussetzungen erfolgen darf, die auch für die Grundschuld
vorgesehen sind. Durch die Verbindung des abstrakten Schuldversprechens mit
der Zweckerklärung wird dieses nicht an die Darlehensforderung gebunden,
sondern - im Hinblick auf den Sicherungsfall und dessen Eintritt - an die Grund-
schuld (Hohmann, WM 2004, 757, 763). Dieser Umstand gebietet es, die
Grundschuld und das abstrakte Schuldversprechen verjährungsrechtlich gleich
zu behandeln. Nur der dauerhafte Wegfall des berechtigten Sicherungsinteres-
ses des Sicherungsnehmers, der diesen auch zu einer Rückgewähr der Grund-
schuld verpflichten würde, darf zu einer Kondiktion gemäß § 812 Abs. 2 BGB
auch des abstrakten Schuldversprechens führen (Senat, BGHZ 177, 345,
Tz. 21).
Hiergegen spricht - entgegen der Rechtsansicht der Revision - auch
nicht, dass nach dem vorliegenden Schuldversprechen die Beklagte berechtigt
sein soll, die Kläger für den Grundschuldbetrag "unabhängig vom Bestand der
Grundschuld in Anspruch" zu nehmen. In dieser Formulierung kommt lediglich
zum Ausdruck, dass es sich bei dem abstrakten Schuldversprechen um eine
von dem Ursprungsschuldverhältnis gelöste selbständige Verpflichtung handelt,
deren Zweck gerade die aufgrund der notariellen Beurkundung gemäß § 197
Abs. 1 Nr. 4 BGB gegebene dreißigjährige Verjährungsfrist voraussetzt. Über-
haupt wollen die Parteien häufig gerade der Gefahr der kurzen Verjährung mit
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dem abstrakten Schuldversprechen vorbeugen (RGZ 75, 4, 7). Auch damit wäre
es bei wertungsgerechter Betrachtung nicht zu vereinbaren, wenn der Gläubi-
ger wegen Verjährung der zugrunde liegenden Forderung nicht aus dem unver-
jährten abstrakten Schuldversprechen gegen den Schuldner vorgehen könnte
(vgl. Hohmann, WM 2004, 757, 763).
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(3) Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28. Januar 1998
(BGHZ 138, 49, 53 ff.), nach der § 223 Abs. 1 BGB aF ausschließlich für dingli-
che Sicherheiten und somit nicht für eine Bürgschaft gilt, ergibt sich nichts an-
deres. Zum einen befasst sich das Urteil lediglich mit § 223 Abs. 1 BGB aF, der
im Wortlaut § 216 Abs. 1 BGB gleicht. Vor allem aber ist für die Bürgschaft aus-
drücklich bestimmt, dass der Bürge sich auf die Verjährung der Hauptforderung
berufen kann (§ 768 BGB). Der damit zum Ausdruck kommende Grundsatz der
Akzessorität der Bürgschaft besteht bei dem im Zusammenhang mit einer
Grundschuldbestellung abgegebenen notariell beurkundeten abstrakten
Schuldversprechen nicht. Eine Parallele zur Bürgschaft lässt sich daher nicht
ziehen (vgl. OLG Frankfurt am Main, WM 2007, 2196, 2198).
3. Das Berufungsgericht hat schließlich auch ohne Rechtsfehler einen
Schadensersatzanspruch der Kläger wegen einer angeblichen Aufklärungs-
pflichtverletzung der Beklagten verneint.
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Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats können sich
Anleger in Fällen des institutionalisierten Zusammenwirkens der kreditgeben-
den Bank mit dem Verkäufer oder Vertreiber des finanzierten Objekts unter er-
leichterten Voraussetzungen mit Erfolg auf einen die Aufklärungspflicht auslö-
senden konkreten Wissensvorsprung der finanzierenden Bank im Zusammen-
hang mit einer arglistigen Täuschung des Anlegers durch unrichtige Angaben
der Vermittler, Verkäufer oder Fondsinitiatoren bzw. des Fondsprospekts über
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das Anlageobjekt berufen. Die Kenntnis der Bank von einer solchen arglistigen
Täuschung wird widerleglich vermutet, wenn Verkäufer oder Fondsinitiatoren,
die von ihnen beauftragten Vermittler und die finanzierende Bank in institutiona-
lisierter Art und Weise zusammenwirken (Senat, BGHZ 168, 1, Tz. 52; 169,
109, Tz. 23; Urteile vom 27. Mai 2008 - XI ZR 132/07, WM 2008, 1260, Tz. 18
und vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06, WM 2008, 1346, Tz. 16, jeweils m.w.N.).
Diese Voraussetzungen liegen hier - entgegen der Rechtsansicht der Revision -
schon deshalb nicht vor, weil es nach den revisionsrechtlich nicht angreifbaren
Feststellungen des Berufungsgerichts an einem ausreichenden Vorbringen der
Kläger zu einer arglistigen Täuschung durch evident unrichtige Angaben des
Vermittlers fehlt. Die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, die An-
gaben des Vermittlers, die Eigentumswohnung sei bankgeprüft und eine "bom-
bensichere" Altersversorgung, könne aber genauso gut "in fünf Jahren mit Ge-
winn" wieder veräußert werden, seien keine konkret unrichtigen Angaben zu
wertbildenden Faktoren, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Diese
Würdigung des Berufungsgerichts ist vertretbar, verstößt weder gegen Denkge-
setze noch gegen allgemeine Erfahrungssätze und schöpft auch den Tatsa-
chenvortrag der Kläger aus.
III.
Die Revision ist daher auf Kosten der Kläger zurückzuweisen (§ 97
Abs. 1 ZPO). Einer besonderen Zurückweisung der von den Klägern außerdem
eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde bedarf es - entgegen der Rechtsan-
sicht der Revisionserwiderung - nicht.
33
Die für die Auslegung von Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts
entwickelten Grundsätze sind auf die Auslegung von Prozesserklärungen ent-
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sprechend anwendbar. Es ist daher analog § 133 BGB nicht am buchstäblichen
Sinn des in der Parteierklärung gewählten Ausdrucks zu haften, sondern der in
der Erklärung verkörperte Wille anhand der erkennbaren Umstände zu ermitteln
(BGHZ 22, 267, 269; BGH, Urteil vom 17. Oktober 1973 - IV ZR 68/73, VersR
1974, 194 und Beschluss vom 14. Februar 2001 - XII ZB 192/99, FamRZ 2001,
1703, 1704, jeweils m.w.N.). Danach ist vorliegend davon auszugehen, dass
die Nichtzulassungsbeschwerde nur hilfsweise für den Fall eingelegt worden ist,
dass der Senat der Ansicht ist, das Berufungsgericht habe die Revision nur be-
schränkt zugelassen. Diese Bedingung ist nicht erfüllt, so dass die Nichtzulas-
sungsbeschwerde nicht angefallen ist. Es bedarf auch keines Verlustigkeitsbe-
schlusses nach §§ 565, 516 Abs. 3 ZPO, weil die Kläger in der Revisionsbe-
gründung erklärt haben, das "Rechtsmittel" solle "ausschließlich als Revision
- 17 -
durchgeführt" werden. Soweit darin eine Rücknahme der Nichtzulassungsbe-
schwerde liegen sollte, müsste daher über diese ebenfalls keine Entscheidung
getroffen werden.
Wiechers
Joeres
Ellenberger
Maihold Matthias
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 23.01.2008 - 8 O 378/06 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 28.01.2009 - 9 U 19/08 -